Und dann verschwinde ich in die Nacht - William Thorp - E-Book

Und dann verschwinde ich in die Nacht E-Book

William Thorp

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Beschreibung

Rancho Cordova, Kalifornien, 1974: Ein Einbrecher versetzt das sonst so idyllische Städtchen in Angst und Schrecken. Wie ein Schatten bewegt er sich über die Dächer, steigt in Wohnungen ein und prügelt die Haustiere brutal zu Tode. »Cordova Cat Burglar« wird er genannt – nur einer von vielen Spitznamen, die ihm im Laufe der 70er- und 80er-Jahre gegeben werden, als er verschiedene Städte an der Westküste terrorisiert. »Visalia Ransacker«, »East Area Rapist«, »Original Night Stalker«, »Golden State Killer« – die Bezeichnungen spiegeln die wachsende Brutalität seiner Taten wider. Vom Einbrecher wird er zum Serienvergewaltiger, später zum kaltblütigen Mörder. Erst Jahre später, als die DNA-Analyse immer flächendeckender angewendet wird, können seine Taten miteinander in Verbindung gebracht werden. Doch bis der Täter tatsächlich identifiziert und gefasst wird, vergehen noch einmal Jahrzehnte. Auf der Basis akribischer Recherchen und intensiver Gespräche mit Ermittler*innen, Angehörigen und Opfern zeichnet William Thorp das Leben des Golden- State-Killers und die Jagd auf ihn nach.

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Seitenzahl: 131

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Ähnliche


William Thorp

Und dann verschwinde ich in die Nacht

Der Golden-State-Killer

Aus dem Französischen von Lena Riebl

Kampa

Prolog

Frühjahr 1974, Rancho Cordova

Würde ein Vogel über Rancho Cordova fliegen, sähe die Stadt für ihn aus wie mit dem Pinsel hingetupft: ganz flach. In diesem Teil von Sacramento County, Kalifornien, reihen sich die einstöckigen Häuser aneinander wie Ziegelsteine. Niemand käme auf die Idee, aus der Reihe zu tanzen und ein zweites Stockwerk auf das erste zu setzen. Ein sportlicher Mann könnte mühelos Hunderte Meter zurücklegen, indem er von Dach zu Dach springt. Nur seine Schritte würden zwischen den Fertigbau-Wänden widerhallen. Nachts wäre der Mann zwischen den Eichen, die hoch in den Himmel ragen, und dem dichten Grün unsichtbar wie eine Katze auf der Jagd.

 

1974, ein Frühlingsabend. Richard Shelby, sechsunddreißig, fährt Streife durch die Straßen der Stadt. Er fährt langsam und ruhig. Der Polizist aus Rancho Cordova hat einen Grundsatz: Er schaltet auf keinen Fall Lichter im Fahrzeuginneren an. Wenn er darauf angesprochen wird, sagt er: »Haben Sie noch nie von den Zebra-Morden gehört?« Ein Codename der Polizei für eine afroamerikanische Killer-Gang, die zwischen 1973 und 1974 in der San Francisco Bay mindestens fünfzehn von Rassenhass motivierte Morde beging. Die gesamte Frequenz Z des Polizeifunks ist ihnen vorbehalten. Z für Zebra. Richard Shelby ist überzeugt, dass neue Mitglieder der Gruppe zur Initiation einen weißen Mann töten müssen, am besten einen Polizisten. Deshalb fährt er nur noch im Dunkeln. Dass diese Morde über hundert Kilometer westlich der Stadt begangen werden und die Täter nie speziell Polizisten ins Visier genommen haben, spielt für Shelby keine Rolle. Für ihn ist die Angelegenheit ein weiterer Beweis dafür, dass niemand einem je etwas Gutes will und dass das Böse hinter jeder Ecke lauert.

 

In dieser Nacht sind die meisten Häuser in eine Dunkelheit gehüllt, gegen die der Mond nicht ankommt. Die wenigen Fußgänger tauchen erst im letzten Moment in Shelbys Blickfeld auf und werden von seinen Scheinwerfern geblendet. Da durchbricht ein Knistern aus dem Funkgerät die Stille seiner Tour. Im Sheriff’s Department ist der Anruf eines Ehepaars eingegangen: Der Mann ist besorgt, weil aus dem Haus der Nachbarn in der Dolcetto Street, wo eigentlich niemand zu Hause sein sollte, Geräusche zu hören sind. Zwei Wagen sind schon unterwegs, aber Shelby ist nur ein paar Blocks entfernt. Ohne um Erlaubnis zu fragen, meldet er über Funk, dass er sich ebenfalls auf den Weg zum Tatort macht. Als er dort ankommt, spricht einer seiner Kollegen bereits mit dem Paar: Die verdächtigen Geräusche seien aus dem Hinterhof des Nachbarhauses gekommen, aber sie haben niemanden kommen oder gehen sehen. Die Polizisten beschließen, sich aufzuteilen. Shelby sieht mit einem Kollegen im Hinterhof nach, während ein dritter Beamter die Fassade zur Straße hin absucht. Einbruchsspuren sind nirgends zu entdecken. Die drei Polizisten umrunden das Haus noch ein zweites Mal und beschließen dann, sich wieder auf den Weg zu machen. Hier ist niemand.

Richard Shelby setzt sich wieder ins Auto. Er hat es nur ein paar Straßen weiter geschafft, als das Funkgerät wieder knistert. Das Paar in der Dolcetto Street hat einen Schatten aus dem Nachbarhaus flüchten sehen. Shelby wendet. Kurz nachdem die Beamten aufgebrochen seien, habe er wieder Geräusche gehört, sagt der Mann. Dann habe er auf dem Dach des Nachbarhauses eine Gestalt im Tarnanzug ausgemacht. Die Person sei etwa eins achtzig groß und blond gewesen. Ein junger Mann vermutlich. Ungefähr zwanzig Jahre alt, schätzt er. Der Mann muss die ganze Zeit dort oben gestanden haben, während die Polizisten den Ort des Geschehens inspizierten. Geschützt durch die Dunkelheit beobachtete er sie und sprang vom Dach, sobald sie weg waren. »Geschmeidig wie eine Katze«, sagt der beunruhigte Nachbar.

 

Shelby fährt zurück zum Haus. Das Garagentor steht offen. Bei ihrem ersten Besuch war es noch geschlossen gewesen. Auf der Schwelle sieht der Streifenpolizist ein Holzscheit liegen, ungefähr einen halben Meter lang und mit einer dunklen, klebrigen Flüssigkeit überzogen: Blut. So viel Blut, dass das Holz selbst kaum noch zu erkennen ist. Shelby wirft einen Blick in die Garage und beschließt hineinzugehen, ohne die Zentrale zu informieren. Er hat keine Lust auf die Kollegen, das Gewimmel und das Blaulicht. Er war schon immer ein Einzelgänger. Er wagt sich lieber allein vor, eine Hand an seiner Neun-Millimeter.

Er steigt die wenigen Stufen von der Garage zu den Wohnräumen hinauf und betritt das Haus. Mit ausgeschalteter Taschenlampe schleicht er weiter. Nichts ist zu sehen, nur ein ordentlich aufgeräumtes Haus. Nichts scheint bewegt worden zu sein, und kein Mensch ist da, von dem das Blut auf dem Holzscheit stammen könnte. Shelby öffnet die letzte Tür, die zum Schlafzimmer. Auch hier scheint alles in Ordnung zu sein. Er macht ein paar Schritte in den Raum hinein. Am Fußende des Bettes liegt ein kleiner, dunkler Haufen. Er richtet die Taschenlampe darauf: ein Welpe. Das Tier wurde offenbar so oft und so brutal mit dem dicken Holzscheit geschlagen, dass seine Eingeweide sich über den Fußboden verteilt haben. Halb unter dem Bett versteckt liegt der Kadaver, so als hätte der Hund, angsterfüllt, noch versucht, darunter Zuflucht zu finden. Der Officer schaut sich noch einmal um. Ein einziger Schatten zeichnet sich im schwachen Licht der Außenbeleuchtung ab: sein eigener. Der Mann vom Dach hat sich in Luft aufgelöst.

 

Der Polizist stellt schnell eine Verbindung zwischen dem abgeschlachteten Welpen und einer Reihe anderer Fälle her. Wie ein Kind, das Himmel und Hölle spielt, springt seit zwei Jahren ein Einbrecher in Rancho Cordova von Haus zu Haus und hinterlässt eine Spur aus toten Hunden. Regelmäßig werden der Polizei Fälle gemeldet, in denen Tiere in Treppenhäusern oder Wohnzimmern angegriffen werden und elendig verbluten. Die Lokalzeitung The Grapevine hat die Geschichte sogar schon auf der Titelseite gebracht, mitsamt dem Foto eines muskulösen, braunen Labradors namens Pups, der im Garten seiner Besitzer ermordet wurde. Das war im Februar 1972. Dem Hund waren mit einem schweren Holzprügel Rippen, Kiefer und Zähne zertrümmert worden.

Der Unbekannte schlägt immer nachts zu. Es geht ihm nicht nur darum, Hunde zu töten. Er geht so unauffällig vor, dass seine Opfer am nächsten Tag den Eindruck haben, von einem Geist bestohlen worden zu sein. Seinetwegen fangen die Leute an, die Stille zu fürchten. Die Medien und die Einwohner der Stadt haben ihm einen Spitznamen gegeben: Cordova Cat Burglar. Die Zahlen sind erschreckend. Allein in den ersten sechs Monaten des Jahres 1973 ist er in mehr als fünfzig Häuser eingedrungen, manchmal auch in mehrere in einer Nacht. Und auch die Art seiner Beute ist ungewöhnlich: Wertgegenstände rührt der Einbrecher meist nicht an. Er nimmt nichts als Kleinigkeiten mit, als wäre der Diebstahl nur ein Vorwand. Es ist auch schon vorgekommen, dass Paare mitten in der Nacht aufgewacht sind und in die Augen eines fremden Mannes blickten, der sie in der Dunkelheit schweigend beobachtete. Eine Frau hat ihn dabei ertappt, wie er sich über sie beugte und ihr über die Brüste strich.

 

Richard Shelby ist lange Zeit davon ausgegangen, dass die Einbrüche von Teenagern begangen werden, die auf die schiefe Bahn geraten sind. Aber an diesem Abend, im Schein der Straßenlaternen, zweifelt der Polizist an seiner Theorie. Ein Jugendlicher würde einen Hund nicht auf diese Weise abschlachten – und wenn doch, wäre er höchst gefährlich. Der Polizist ahnt nicht, dass er über diese Nacht Jahrzehnte später noch nachgrübeln wird. Wenn er doch nur die Zeit zurückdrehen und alles anders machen könnte. Er würde nicht noch einmal den einsamen Cowboy spielen. Er würde so viel Verstärkung anfordern wie nur möglich, jede Straße abriegeln lassen, jeden Dachziegel einzeln umdrehen, die Wände einreißen, jeden Busch und jeden Baum durchkämmen, keine Sekunde dieser Frühlingsnacht im Dunkeln ruhen lassen; er würde alles tun, um die Flucht dieser Ratte, die ihn vom Dach aus beobachtet hat, zu verhindern. Denn der Mann dort oben rüstet sich erst, ein Jahrzehnt des Schreckens über Sacramento County zu bringen.

Teil einsDüstere Nacht

1976–1979

1

Die langen, schmalen Fenster sehen aus wie Schießscharten und lassen das Gebäude wirken wie eine unerschütterliche Festung. Das Sacramento Sheriff’s Department befindet sich in der 711 G Street, mitten im Zentrum der Hauptstadt Kaliforniens. Die Botschaft könnte nicht klarer sein: Hier wird das Gesetz vollzogen, und an diesem Gesetz wird nicht gerüttelt. Die Büros der Polizisten, die für Morde, Einbrüche und kleinere Delikte zuständig sind, liegen im dritten Stock. Dort sitzt nun auch Richard Shelby, in einem kleinen Raum, in den nur ein Stuhl und ein Tisch passen. Wenn man vom Flur aus den Kopf hineinstreckt, sieht man den ein Meter neunzig großen Mann meist hinter seiner grauen Royal-Schreibmaschine sitzen. Er trägt fast immer ein weißes Hemd und eine Krawatte mit psychedelischem Muster. Sein schwarzes Haar ist auf der rechten Seite zu einer Welle gekämmt, seine Koteletten reichen bis zum Kiefer hinunter, wie es gerade Mode ist.

 

Seit er Rancho Cordova vor zwei Jahren als Streifenpolizist durchquert hat, ist er zum Inspector aufgestiegen. Er gilt als gefürchteter Ermittler. Wenn es darum geht, eine neue Spur aufzutun, schreckt er nicht davor zurück, in Müllcontainer zu klettern, dreht in der ganzen Stadt jeden Stein einzeln um. Erst da draußen, wo er mit beiden Beinen auf dem Asphalt von Sacramento County stehen und mit stählerner Faust gegen Türen hämmern kann, fühlt Shelby sich wirklich in seinem Element. Er hat das hitzige Temperament eines Mannes, der explodiert, wenn er zu lange in seinem Büro eingesperrt ist.

Am Morgen des 5. Oktober 1976 sitzt Shelby in der Cafeteria des Sheriff’s Department und pustet in seine Kaffeetasse. Er hört den Gesprächen der Kollegen zu, die gerade ihre Schicht beginnen, und den Abschiedsgrüßen derer, die die Nacht durchgearbeitet haben und jetzt zum Schlafen nach Hause gehen. Eine Stimme sticht heute heraus. Captain Stamm, ein Korea-Veteran mit schütterem Haar, berichtet, dass eine junge Frau in ihrem Haus in Citrus Heights, einem Vorort von Sacramento, überfallen wurde. Jemand habe sie gefesselt, geknebelt und dann vergewaltigt. Von ihrem Angreifer keine Spur. Ein Polizist ist schon vor Ort, zwei weitere Beamte sollen sich ihm anschließen. Der Captain deutet auf den achtunddreißigjährigen Richard Shelby und auf seine Kollegin, Detective Carol Daly, sechsunddreißig, meerblaue Augen.

Die beiden Detectives steigen ins Auto und fahren vom Norden der Stadt in den zwanzig Kilometer entfernten Ort. Eine Mittelschichtsgegend, die Rancho Cordova ähnelt: einstöckige Häuser mit leicht abfallenden Dächern, Gärten ohne Zäune und Mauern, die zum Betreten einzuladen scheinen. Die Sonne steht bereits hoch am Himmel, als sie vor dem großzügigen weißen Haus am Woodpark Way halten. Die Hälfte der Fassade wird von einer breiten Garage eingenommen. Ein aufblasbarer Pool hinter dem Haus deutet auf Kleinkinder hin. Jane ist im Haus ihrer Nachbarin untergekommen. Ihr Haar ist zerzaust und ihre Bluse mit roten Flecken besudelt. Ihre Handgelenke bluten noch immer von den Fesseln. Mit gesenktem Blick erzählt sie vom Vormittag. Ihr Mann, ein Air Force Captain, habe das Haus um 6.30 Uhr verlassen. Ihr dreijähriger Sohn sei dann zu ihr ins Bett geklettert. Nur wenige Minuten später habe sie gehört, wie das Garagentor geschlossen wurde und sich schnelle Schritte näherten. Sie dachte, ihr Mann hätte vielleicht etwas vergessen, aber dann sah sie, wie die Schlafzimmertür sich öffnete. Ein Mann stürmte ins Zimmer, das Gesicht unter einer Skimaske verborgen, ein Fleischermesser in der Hand.

Jane schrie. Der Mann stürzte sich auf sie und zischte mit zusammengebissenen Zähnen: »Sei still! Ich will nur dein Geld. Ich tu dir nichts. Halt die Klappe und rühr dich nicht. Wenn du dich wehrst, kommt das Messer zum Einsatz.«

Und dann: »Wenn du nicht tust, was ich dir sage, bring ich dich um. Und deinen Sohn gleich mit.«

Der Maskenmann zog schwarze Schnürsenkel aus der Tasche und fesselte Janes Handgelenke mit einem Diamantknoten – einem Seemannsknoten. Er knebelte die Frau und das Kind, verband ihnen die Augen und fesselte auch ihre Knöchel. Jane erzählt, wie sie vorsichtig auf dem Bett herumrobbte und nach ihrem Sohn tastete. Sie wollte ihm durch eine Berührung Trost spenden, konnte ihn aber nicht erreichen. Sie fragte sich, was der Mann wohl mit ihm gemacht hatte. Lebte er noch? Würde er sie beide töten? Sie hörte, wie der Einbrecher in ihren Schränken herumwühlte und vor sich hin murmelte. Sie nahm seine leisen Schritte wahr, wenn er den Raum betrat und wieder hinausging. Und schließlich spürte sie in ihren gefesselten Händen etwas kleines Fleischiges, klebrig, wie mit Gleitgel eingerieben.

»Los, spiel damit«, sagte der Mann. Jane gehorchte. Dann löste er die Fesseln um ihre Fußgelenke. Sie erinnert sich noch genau an ihren Gedanken: Bitte nicht, alles, nur das nicht.

 

Richard Shelby und Carol Daly notieren sich alles. Jane erzählt, dass der Mann nach der Vergewaltigung in die Küche gegangen sei. Sie habe gehört, wie er im Kühlschrank gekramt und mit Töpfen und Pfannen geklappert habe. Er schien sich eine Mahlzeit zuzubereiten. Nachdem sie eine halbe Stunde lang nichts gehört hatte, schaffte Jane es endlich, den Knebel auszuspucken und ihre Augenbinde abzustreifen. Ihr Sohn lag nur ein paar Meter von ihr entfernt und schlief. Sie weckte ihn, und die beiden konnten sich, die Knöchel immer noch gefesselt, zur Hintertür hinaus retten. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis eine Nachbarin ihnen zu Hilfe eilte.

 

Während seine Kollegin sich weiter um die Aussage des Opfers kümmert, nimmt Shelby sich die Umgebung des Hauses vor. Er geht zurück bis zum Shadow Brook Way, einer Straße, die von Janes Haus durch ein verlassenes Grundstück getrennt ist. Ein Anwohner erzählt ihm, hier sei am Morgen ein grüner Chevrolet Coupé geparkt gewesen. Der Detective erfährt außerdem, dass in den vergangenen Wochen ein merkwürdiger Einbrecher in der Gegend sein Unwesen getrieben habe. Er stahl Kleinkram und billigen Schmuck aus einem Haus und ließ diesen dann in einem anderen zurück, aus dem er wieder andere wertlose Gegenstände mitnahm. Beinahe so, als betriebe er einen Tauschhandel mit dem Trödel der Nachbarn. Auch Jane war kürzlich bestohlen worden. Man hatte ihr ein Paar Ohrringe und ein Armband entwendet. Zunächst hatte sie das gar nicht bemerkt, aber dann entdeckte sie neben ihrem Schmuckkästchen andere Accessoires, die ihr nicht gehörten. Der Einbrecher war durch das Zimmer ihres Sohnes hineingekommen, ebenso wie ein paar Tage später der Vergewaltiger.

Auf dem Rückweg zu dem weiß getünchten Haus ist Richard Shelby besorgt. Er fragt sich, ob hinter diesem Fall nicht mehr steckt als nur ein weiteres Verbrechen in einer von Kriminalität gebeutelten Stadt, in der täglich Schicksale und Leben zerstört werden. Der Mann mit der dunklen Maske ist nicht der Typ Verbrecher, der einem spontanen Impuls folgt. Er war mit den Arbeitszeiten des Ehemanns vertraut, er wusste, wie er ins Haus gelangen konnte, und dann löste er sich einfach in Luft auf, ohne von irgendjemandem gesehen zu werden. Er hatte einen Plan. Ein typischer Vergewaltiger geht anders vor. Richard Shelby spürt: Ob hier in den ruhigen Straßen von Citrus Heights oder sonst wo in den USA – dieser Mann hat sich nicht zum ersten Mal an einer Frau vergangen.

 

Zurück im dritten Stock des Sheriff’s Department erkundigt sich Shelby, ob noch jemand in letzter Zeit einen Vergewaltigungsfall bearbeitet hat. Einen Fall wie den von Jane: eine junge Frau, gefesselt, geknebelt und vergewaltigt, und ein Verdächtiger mit einer dunklen Maske.

Ein Kollege erzählt ihm von einem seiner Fälle, dem einer zweiundzwanzigjährigen Frau im Paseo Drive, Rancho Cordova. Sie war am 18. Juni nachts aufgewacht und hatte in ihrem Zimmer einen Mann in einem dunkelblauen T-Shirt und mit einer weißen, handgestrickten Skimaske vorgefunden. Er hatte ihre Handgelenke so fest gefesselt, dass sie sich anfühlten wie amputiert. Sein Penis war klein, er hatte ihn mit Johnson’s Baby Oil eingerieben. Shelby hört auch von einer Fünfzehnjährigen, die mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen wurde, weil ein Mann sich auf sie gelegt hatte. Das war am 17