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Mord, dubiose Verstrickungen und Niedertracht der Reichen im florierenden Norden Italiens. Bruno, erfolgreicher Immobilieninvestor, heiratet die wesentlich jüngere Federica, Tochter der mächtigen Unternehmerdynastie Pesenti. Sie überredet ihn, aufs Land zu ziehen, in ihr Heimatdorf im reichen italienischen Nordosten, das von ihrer Familie kontrolliert wird. Doch Bruno ist ein Fremder, und alle, die von außen kommen, werden mit Argwohn betrachtet. Er wird von Anfang an bedroht und gerät in einen Hinterhalt, den er knapp überlebt. Wer steckt dahinter: seine verwöhnte Ehefrau, die vermeintlich anständigen Dorfbewohner oder die Handlanger der Pesentis? Als einziger Freund erweist sich der unauffällige Wachmann Manlio Giavazzi, der von der Erinnerung an ein tragisches Ereignis gequält wird. Und für den klar ist: Bestimmte Angelegenheiten sind innerhalb des Dorfes zu regeln.
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Seitenzahl: 253
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MASSIMO CARLOTTO
ROMAN
Aus dem Italienischen von Ingrid Ickler
Ich bin der Zufall, der nicht passt,
Ich bin die Stille, die einen Gruß erstickt,
Ich bin die Zuflucht, du kommst gerannt, aber die Zeit ist um.
Gianmaria Testa, Spinnennetz
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Epilog
Der Autor
Das Licht einer Straßenlaterne fiel auf das Armaturenbrett. In ihrem Schein fuchtelte Robi mit den Händen wie ein Zauberkünstler, der einen neuen Trick ausprobierte.
„Hör auf“, warnte ihn Michi und band sein Halstuch fest.
„Diese grünen Handschuhe sind lächerlich.“
„Im Supermarkt gab’s nur die“, behauptete Michi, der in Wahrheit nach den erstbesten im Regal gegriffen hatte, „außerdem ist es dunkel, das wird keiner merken.“
„Sie sind phosphoreszierend, ich komme mir vor wie ein Marsmensch“, lamentierte Robi.
Michi lachte. „Apropos phosphoreszierend, erinnerst du dich an die Madonnen aus Plastik, die der Priester jedes Jahr aus Lourdes mitgebracht hat?“
„Klar, wenn du die Krone vom Kopf abgeschraubt hast, hast du das geweihte Wasser gesehen. Wenn ich Fieber hatte, gab mir meine Mutter immer einen Schluck davon zu trinken.“
Robi verlor sich in Kindheitserinnerungen und Michi ließ ihn reden. Wenn er nervös war, brauchte er Ablenkung, sonst konnte er die Dinge verkomplizieren.
Michi kannte ihn gut, sie waren Cousins, gleich alt und zusammen aufgewachsen. Oft hielt man sie für Brüder. Außerdem trugen sie den gleichen Nachnamen: Vardanega. Sie hatten eine ganz besondere Verbindung, sie brauchten einander. Robi hatte schon als Kind begriffen, dass er nicht clever genug war, sein Cousin aber schon. Er wusste immer, was zu sagen oder zu tun war. Ihm wie ein Schatten zu folgen, schien die richtige Entscheidung zu sein. Michi hatte Robis Untertänigkeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit ausgenutzt, aber nie so, dass es offensichtlich war. Es war kein Zufall, dass er der Klügere war. Menschen, die sie kannten, waren sich sicher, dass die beiden einander sehr mochten, aber so war es nicht. Zwischen ihnen hatte sich eher eine geschäftliche Beziehung entwickelt, eine Art Komplizenschaft. Familienbande und Gefühle spielten eine untergeordnete Rolle.
Michi überlegte, plante und zerbrach sich den Kopf, während Robi sich nicht mal die Mühe machte, darüber nachzudenken, ob sein Cousin recht hatte oder nicht. Er hatte sich nicht mal Gedanken darüber gemacht, als sein Cousin ihm damals geraten hatte, sich mit Alessia Cappelli zu verloben, der Schwester von Michis zukünftiger Frau Sabrina.
Alessia war hübsch, sympathisch und warmherzig, aber auch impulsiv und von schlichtem Gemüt. Sie waren wie füreinander gemacht und liebten sich nach fünf Jahren Ehe immer noch wie am ersten Tag, was nicht zuletzt ihrer Arglosigkeit und Naivität dem Leben gegenüber zu verdanken war, was alles einfacher machte.
Auch an diesem sternenklaren Sommerabend Mitte Juni, der nach einem schwülheißen Tag ein wenig Kühle brachte, war Robi Michi selbstverständlich gefolgt. Zuerst hatten sie ein Auto geklaut, einen Fiat Punto, das einzige Modell, das sie knacken und bei dem sie den Motor kurzschließen konnten. Beigebracht hatte ihnen das Fausto Righetti, genannt Riga, der einzige einigermaßen ernstzunehmende Kriminelle der Gegend. Als Chef einer Hehlerbande hatte er schon einige Male hinter Gittern gesessen. Riga war nicht gerade sympathisch, hatte keine Freunde in der Gegend und ließ sich nur selten in der Öffentlichkeit blicken. Falls er doch Freunde hatte, dann jenseits des Tals, oder sie ließen sich nicht mit ihm sehen. An diesem Nachmittag hatten sie sich mit ihm beim alten Waschhaus getroffen, wo er ihnen eine in einen öligen Lappen eingewickelte Pistole übergeben hatte, für eine Leihgebühr von 150 Euro. Während Riga die Scheine zählte, hatte er ihnen geraten, keine Dummheiten damit zu machen.
Danach waren die Vardanegas in die Bar Taiocchi gegangen, wo es angenehm kühl war, hatten Bier getrunken und waren den Plan noch mal durchgegangen. Später hatten sie mit ihren Familien zu Abend gegessen und sich mit dem Vorwand, eine Partie Billard zu spielen, verabschiedet. Was sie zweifellos und mit großer Hingabe auch tun würden, nachdem sie dem Typ, auf den sie im geklauten Auto warteten, eine Abreibung verpasst hätten. „Ein wackliges Alibi, aber besser als nichts“, hatte der clevere Michi gemeint. Einige Monate zuvor hatten sie die Reifen des schicken Volvo ihres Opfers plattgestochen und zehn Tage später im Garten seiner Villa Feuer gelegt. Die Flammen hatten die Fassade beschädigt, die bis heute nicht wieder neu gestrichen worden war.
„Wir hätten uns als Maler anbieten können“, hatte Robi scherzhaft gesagt, als sie das Auto abgestellt hatten.
„Hätten wir“, hatte Michi geantwortet.
Ihr Opfer kam aus der Stadt und hieß Bruno Manera. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte er Federica Pesenti geheiratet, eine Einheimische aus dem Dorf, die deutlich jünger war als er. Den Gerüchten zufolge war es eher eine Zweckehe, er war ein vermögender Mann und sie eine gebildete, gut aussehende 35-Jährige, Tochter einer bekannten und angesehenen Familie, die aber in den letzten Jahren mit finanziellen Problemen zu kämpfen hatte. Ihr Vater besaß eine Firma, die Chemikalien für die Textilindustrie herstellte, und hatte die Produktion nach Indonesien verlagert, nachdem sie zuvor der größte Arbeitgeber der Region gewesen war. Dieser Schritt hatte sich im Nachhinein als Fehler herausgestellt. Er war der erste und einzige Unternehmer, der nach Fernost gegangen war, andere hatten die Produktion nach Osteuropa verlegt, aber die meisten waren in dem kleinen Industriegebiet des Tals geblieben. Nur eine einzige Zufahrtsstraße führte dorthin, das An- und Abfahren der Lastwagen zu beobachten, vermittelte den Bewohnern der vier Dörfer ein größtmögliches Gefühl von Sicherheit.
„Wenn die Waren zirkulieren, zirkuliert auch das Geld“, ein Satz, dessen Urheber unbekannt war, der aber im Tal gerne und oft zitiert wurde, auch im Dialekt. Selbst der Priester benutzte ihn, allerdings sprach er in der Messe diskret von „Wohlstand“ und nicht von „Geld“, wenn er um den Segen des Herrn für seine Gläubigen bat.
Bruno Manera war ein erfolgreicher Unternehmer, der seinen Wohlstand dem Ankauf, der Sanierung und dem Verkauf von hochwertigen Immobilien in Tourismusregionen verdankte, wie seine junge Ehefrau ihren Freundinnen anvertraut hatte, was allerdings rasch die Runde machte.
Er hatte sich um das Finanzielle gekümmert, während seine erste Ehefrau, eine bekannte Architektin, die Umbaumaßnahmen geplant und überwacht hatte. Nachdem sie einer Krebserkrankung erlegen war, hatte Bruno Manera seine geschäftlichen Aktivitäten stark eingeschränkt, aber wenn er ein gutes Geschäft witterte, ließ er es sich nicht entgehen.
Der Neuankömmling aus der Stadt galt im Dorf als exzentrischer Außenseiter, aber nur bis zu dem Moment, als die ersten Anschläge auf ihn verübt wurden. Danach war jedes Wohlwollen verschwunden und es wurde gemunkelt, dass er nicht ganz die Wahrheit sagte.
Die Gerüchte wurden vom Kommandanten der örtlichen Carabinieri, Maresciallo Capo Piscopo befeuert, der keine Gelegenheit ausließ zu betonen, dass dieser Mann aus der Stadt Probleme machen würde. Um nach einer künstlichen Pause hinzuzufügen, dass er offensichtlich etwas zu verbergen hatte. Piscopo war ein beeindruckender und stattlicher Mann mit schaufelgroßen Händen, die wenigen Kriminellen des Tals hatten gehörigen Respekt vor ihm. Seine gewaltigen Ohrfeigen waren gefürchtet. Alle infrage kommenden Verdächtigen waren nach der Reifengeschichte und der Brandstiftung befragt worden. Der Maresciallo war überzeugt davon, dass kein Einheimischer dahintersteckte, und der Einzige, der schlussendlich in die Mangel genommen wurde, war Manera selbst, der sich empört und vehement bei der Staatsanwaltschaft und Piscopos vorgesetzter Dienststelle beschwert hatte. Ohne Erfolg.
Michi und Robi, von Amts wegen eigentlich Michele und Roberto, würden also nicht in Verdacht geraten. Nicht nur, weil sie keinerlei Vorstrafen hatten, sondern auch, weil man sie für rechtschaffene und gesetzestreue Bürger hielt. Genauso wie ihre Altersgenossen gingen sie in die Bar, spielten Billard und fuhren bisweilen in die Stadt, zu den nigerianischen Huren, die am Straßenrand ihre Dienste anboten. Aber jeden Morgen standen sie pünktlich auf, um hart zu arbeiten, sie waren kirchlich getraut und Michi hatte kurz darauf seine Frau geschwängert. Robi und Alessia schienen sich mehr Zeit zu lassen, das war vielleicht auch besser so, wer weiß, was dabei herauskäme.
Michi war von der gesamten Situation überhaupt nicht begeistert. Viel lieber hätte er mit Freunden in der Bar herumgehangen oder mit Sabrina auf der Couch im Wohnzimmer vor dem Fernseher gesessen und ihre Lieblingssendungen kommentiert oder irgendwelche dummen oder gewagten Bemerkungen gemacht. Er liebte es, wenn sie lachte. Allerdings lachte sie seit seiner Entlassung immer seltener. Die Kleiderfabrik, in der auch Roberto gearbeitet hatte, war von einem ausländischen Konzern geschluckt worden, dem es in Wirklichkeit nur um das Patent für einen feuerfesten Stoff ging und der kein Interesse hatte, die Produktion vor Ort zu erhalten. Deshalb standen sie jetzt alle auf der Straße, ohne irgendwelche Rechte, denn der Vorbesitzer hatte sie davon überzeugt, „ihre eigenen Chefs“ zu werden, freie Mitarbeiter mit eigener Umsatzsteuernummer. Außerhalb des Tals gab es genug Jobs, aber nur Loser pendelten. Pendeln bedeutete den Abstieg auf der sozialen Leiter, auf der die Wohlhabenden ganz oben standen. Außerdem würde der gute Name der Vardanegas im Tal leiden. Besser arbeitslos sein, den Gürtel ein wenig enger schnallen und auf die richtige Gelegenheit warten. Michi hatte sich nur widerstrebend auf diese illegale Geschichte eingelassen, und weil es nicht anders ging. Auf den ersten Blick leicht verdientes Geld und nichts wirklich Großes. Eher eine Bagatelle als ein Verbrechen, damit würde er sofort aufhören, wenn er wieder einen Job hätte.
Roberto hatte sich diese Frage nicht gestellt, ganz im Gegenteil, er fand die Aussicht, etwas Illegales zu tun, eher aufregend. Michele hatte seine Abenteuerlust ausgenutzt und ihm die Hauptrolle in der Manera-Geschichte gegeben. Er hatte kein Interesse, einen Mann zu verprügeln, den er kaum kannte, zudem war sein Cousin kräftiger als er. Bei den Schlägereien, in die sie früher am Rand der Jahrmärkte im Tal verwickelt gewesen waren, hatte Roberto nie Angst vor körperlichen Auseinandersetzungen gehabt. Im Übrigen war ihr Opfer um die fünfzig und hielt sich höchstens mit einmal Tennis pro Woche fit. Roberto sollte ihn richtig fertigmachen, dann würde Michele die Waffe ziehen und ihm drohen abzudrücken, damit er kapierte, dass er das Tal verlassen und in die Stadt zurückkehren musste, wenn er am Leben bleiben wollte.
Für ihren Auftraggeber hatte die Tatsache, dass Manera auf einer Zwangsversteigerung ein Landhaus erworben hatte, das Fass zum Überlaufen gebracht. Das Haus hatte seit Generationen der inzwischen bankrotten Familie Nava gehört. Aus dem Dorf hätte es keiner gewagt, aus dem Unglück eines Einheimischen seinen Vorteil zu ziehen.
500 Euro für die Reifen, 1000 für das Feuer im Garten der Villa, 3000, um Manera so viel Angst einzujagen, dass er verschwand. Mit der ersten Rate hatten sie offene Rechnungen bezahlt, heute Abend würden sie das Geld teilen, etwa die Summe, die sie sonst im Monat verdienten. Das Familienglück war im Augenblick wichtiger als das Risiko, im Knast zu landen. Michele wollte nicht, dass seine Ehe wegen finanzieller Probleme in die Brüche ging. Sabrina wusch im Friseursalon von Mia Adami den Kunden die Haare, dem ersten Salon am Platz. Sie brachte 1100 Euro nach Hause, mehr wollte sie nicht. Sie hatte nie den Ehrgeiz gehabt, Friseurin zu werden oder einen eigenen Salon zu eröffnen, denn sie hatte nur einen einzigen Wunsch: Hausfrau zu werden und sich um die Kinder zu kümmern. Im Moment hatten sie nur ein einziges Kind, ihren Sohn Aurelio, benannt nach dem Großvater väterlicherseits, aber just am Tag seiner Entlassung hatte Sabri den Wunsch geäußert, ein zweites Kind zu bekommen. Nur um ihn daran zu erinnern, dass sie nicht bereit war, auf die Zukunft zu verzichten, die er ihr am Altar versprochen hatte. Und um sie zufriedenzustellen, war Michi zu allem bereit. Sein Vater hatte als Alleinverdiener seine Frau und drei Kinder ernährt. Natürlich war das nicht leicht gewesen, zumindest so lange, bis der Älteste mit sechzehn schließlich die Schule verlassen hatte und in die Fabrik arbeiten gegangen war.
Das Handy klingelte und ein Sommerhit erfüllte das Wageninnere und drang aus den Fenstern, die sie wegen der Hitze geöffnet hatten. Michi nahm ab. „Er kommt“, sagte eine Stimme.
Robi dehnte und streckte sich wie ein Sportler vor einem Wettkampf, während Michi sich wünschte, auf der guten Seite geblieben zu sein.
Die gleißend hellen Scheinwerfer eines protzigen Geländewagens huschten über die Auffahrt und die Vardanegas mussten sich ducken, um nicht gesehen zu werden. Manera betätigte die Fernbedienung, das Tor öffnete sich und er fuhr in den Garten der Villa. Robi und Michi zogen sich die Gesichtsmasken über, verließen den Punto und fielen über Manera her, der gerade aus dem Wagen gestiegen war.
Roberto schlug so brutal zu, als ob er ihm alle Knochen brechen wollte. Eine Serie von Haken ins Gesicht und in den Bauch. Der Unternehmer rutschte an der Karosserie seines Wagens herunter und kauerte sich mit erhobenen Armen am Boden zusammen, um sich vor den Schlägen zu schützen. Michele zog die Pistole und schob Roberto beiseite. Jetzt war er dran.
Er drückte den Lauf gegen Maneras Stirn, der überraschenderweise noch bei Bewusstsein war. „Wenn du nicht von hier verschwindest, bist du ein toter Mann“, drohte er.
Das Drehbuch sah vor, dass das Opfer sich jetzt ergeben würde, aber völlig unvermutet umklammerte Manera mit beiden Händen die Waffe und begann hysterisch zu schreien.
Professionelle Schläger hätten sofort gewusst, dass das unglückliche Opfer aus Angst einen hysterischen Anfall hatte und sie ihn nur entwaffnen und auf den Mund schlagen müssten, um ihn zum Schweigen zu bringen. Das erfolgreiche Zusammenschlagen eines Gegners, vor allem, wenn man ihm drohen wollte, beruhte auf klaren Regeln. Doch die Vardanegas waren Dilettanten und beschränkten sich darauf, ihm die Pistole zu entreißen und ein paar Schritte zurückzuweichen. Sie hatten sich vorher vergewissert, dass Maneras Ehefrau nicht zu Hause war und die Hausangestellte ihren freien Tag hatte, an dem sie normalerweise bei ihrer Mutter übernachtete. Doch bald würden die Nachbarn an den Fenstern auftauchen, mit Jagdgewehren bewaffnet, die seit Jahrhunderten von hervorragenden Büchsenmachern im Tal gefertigt wurden.
Schließlich ergriff Roberto die Initiative, nahm die Waffe und gab drei Schüsse ab. Der erste zerschmetterte das Rückfenster des Volvo, der zweite das Schlüsselbein des Opfers und der dritte sein rechtes Knie.
Unter Maneras Schreie mischten sich die von Michi, der sich auf seinen Cousin warf, ihm die Waffe aus der Hand riss und ihn zum Auto zerrte.
„Scheiße, was hast du gemacht, Robi?“, fragte er mit rauer Stimme und legte den Gang ein.
Robi drehte sich zu Manera um, der sich vor Schmerzen am Boden wälzte, und ein dümmliches Lächeln umspielte seine Lippen. Dann zuckte er mit den Schultern.
Es sah so aus, als hätte er es mit Absicht gemacht. Dabei war er nur langsam. Wie immer übrigens. Er war in allem langsam. Auch beim Sex. Wenn sie miteinander schliefen, was zum Glück schon seit einiger Zeit nicht mehr passiert war, musste sie stöhnen und ihn anstacheln, indem sie ihn an den Hüften packte. Und wenn er endlich kam, musste sie ihn wegschieben, sonst wäre er auf ihr liegen geblieben, hätte sie auf die Wange geküsst oder seine Zunge in ihr Ohr gesteckt.
Heute war Federica noch genervter als sonst. Bruno wollte einfach nicht gehen, am liebsten hätte sie ihn vor die Tür gesetzt und das Schloss zusätzlich mit einer Kette gesichert. Sie hatte gerade herausgefunden, wo ihr Mann das verdammte schwarze Notizbuch mit dem roten Rand versteckte, das er irgendwo gefunden haben musste. Erst hatte sie es nicht weiter beachtet, aber dann, kurz nach Ferragosto, war ihr aufgefallen, dass er sich nachts in die Küche zurückzog, angeblich, um noch einen Tee zu trinken, und dort schrieb. Dazu verwendete er einen teuren Füllfederhalter, der wahrscheinlich ihrer Vorgängerin Annabella gehört hatte. Verstorben, aber unvergessen. Federica hatte ihn ein paar Mal vom Wohnzimmer aus beobachtet. Bruno dachte, sie würde auf dem Sofa liegen und fernsehen, dabei stand sie reglos nur wenige Meter von ihm entfernt und hielt den Atem an. Fasziniert betrachtete sie die Konzentrationsfalten auf seiner Stirn, während er schrieb. Jedes Wort musste ihn enorme Anstrengung kosten, eine Kugel hatte ihm das Schlüsselbein zertrümmert und die Muskeln und Sehnen durchtrennt. Die Rehabilitation war eine Quälerei und würde noch eine Weile dauern.
Lange Zeit hatte Bruno das Notizbuch gut versteckt, doch dann hatte sie bemerkt, wie er in der Kammer verschwunden war, wo sie die Schuhe aufbewahrten. In letzter Zeit trug er nur noch diese schrecklichen Pantoletten mit der Korksohle einer deutschen Firma, die ihm sein Physiotherapeut empfohlen hatte. Kurz danach war er wieder herausgekommen. In denselben Tretern.
Federica hatte zufrieden gegrinst, sich in die Kammer geschlichen und die Tür abgeschlossen. Dann hatte sie mit einer systematischen Durchsuchung begonnen. Das Notizbuch hatte sie in einem Gummistiefel gefunden und neugierig die erste Seite aufgeblättert. In leicht schiefer Blockschrift stand da: „AUGUST-TAGEBUCH“.
„Dottore Rampini meinte, Schreiben könnte mir helfen, es hätte einen heilenden Effekt. Einige bedeutende Romane seien nur deswegen entstanden, weil sich jemand seine Ängste, Befürchtungen und Phobien von der Seele schreiben wollte. Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum ich in einem Schreibwarenladen in der Nähe des Krankenhauses dieses Notizbuch gekauft habe. Die Strenge des Einbands hat mich angezogen, das einzige Exemplar ohne eine Illustration, die mit der Natur, Computerspielen oder der Jugend zu tun hatte. Es schien mir ideal für den Zweck zu sein, den ich verfolge: zu verstehen. Zu verstehen, bevor ich mich entscheide, wie ich der Wahrheit begegne, oder besser den Indizien, die bisher aufgetaucht sind. Maresciallo Piscopo verhält sich mir gegenüber weiterhin verletzend, gelinde gesagt, und trägt wenig zur Aufklärung bei. Er ist davon überzeugt, dass ich die Täter kenne und die Angriffe mit meinen Geschäften zu tun haben. Sein fehlender Respekt beleidigt mich und seine Voreingenommenheit verhindert, dass die Schuldigen überführt werden. Das Problem ist, dass er das ganze Dorf von seiner Meinung überzeugt hat. Alle glauben, dass ich irgendwie darin verwickelt bin, alle sind sich sicher, dass ich ein Doppelleben führe und mein Geld nicht durch meiner Hände Arbeit verdient habe. Und das gilt nicht nur für das gemeine Volk, sondern auch für die Oberschicht, wie man die Unternehmerund Industriellenfamilien hier nennt. Also meine natürliche Umgebung. Sie wollen mich verjagen, mich zwingen, das Tal zu verlassen, in dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Die Verbannung könnte ich ja noch ertragen. Aber dass meine Ehefrau hinter der Kampagne steckt, ist völlig inakzeptabel. Federica möchte mich loswerden. Das hat sie mir im Krankenhaus gesagt. Diesen Moment werde ich nie vergessen, ich kam gerade von einer Therapieeinheit zurück, ich war erschöpft, alles tat mir weh. Sie hat mich angegriffen und mir vorgeworfen, dass ich mich mit der Mafia und irgendwelchen Drogenhändlern eingelassen und sie nur benutzt hätte, um die Stadt zu verlassen und mich im Tal hinter dem guten Namen ihrer Familie zu verstecken. Am meisten hat mir ihre absurde Anschuldigung wehgetan, sie in Gefahr gebracht zu haben. Danach war Funkstille, wiedergesehen habe ich sie erst zu Hause. Um die nötigen Schritte für eine Trennung einzuleiten, konnte sie nicht wie üblich mit ihren Freundinnen in den Urlaub fahren, was sie ziemlich geärgert hat. Wir leben wie zwei Fremde unter einem Dach. Sie hat sogar die Hausangestellte entlassen, um keine Gerüchte aufkommen zu lassen. Ein unendlicher Schmerz.“
Federica klappte das Notizbuch zu und verließ die Kammer. Sie wollte nicht riskieren, erwischt zu werden, auch wenn es sie brennend interessierte, wie es weiterging. Bruno war in der Küche und machte sich einen Kaffee. Natürlich mit Filter, wie die Franzosen. Die braune Flüssigkeit tropfte langsam in die Kanne. Er war der Einzige im Tal, der eine Viertelstunde damit verschwendete, sich einen Kaffee zu machen. Früher hatten sie seine Extravaganzen fasziniert, es hatte ihr nichts ausgemacht, einen Mann zu heiraten, der siebzehn Jahre älter war als sie. Aber als sie ins Tal zurückgekehrt war, war ihr klar geworden, dass sie einen Fehler gemacht hatte. In der Stadt konnte ihre Beziehung funktionieren, aber hier war ein so großer Altersunterschied befremdlich. Das konnte nur bedeuten, dass mit dieser Frau etwas nicht stimmte.
Dabei war sie es gewesen, die auf der Heirat mit Bruno bestanden hatte. Nach dem Konkurs der Firma ihres Vaters in Fernost wollte sie endlich wieder eine Signora sein, an der Seite eines reichen Mannes, eines Mannes von Format. Das sei sie sich und ihrer Familie schuldig, hatte sie gedacht.
Sie hatten sich bei der Eröffnung des Modeateliers einer gemeinsamen Freundin getroffen und die Gelegenheit genutzt, sich gegenseitig zu beschnuppern. Und Gefallen aneinander gefunden. Bruno Manera war ein gebildeter Mann mit einem exquisiten Geschmack, was kulinarische Genüsse und die Mode anging. Unerlässliche Voraussetzungen, um sich in der besseren Gesellschaft zu bewegen, ohne als neureicher Emporkömmling zu gelten, wie gewisse Mitglieder der Familie Pesenti immer schon genannt wurden. Federica Pesenti war überrascht, wie geschickt er vermied, seinen Reichtum zur Schau zu stellen. Auf den ersten Blick war er nicht gerade attraktiv, aber die Frauen lagen ihm zu Füßen. Was nicht nur an seinem Bankkonto lag. Er war nicht besonders groß, aber auch nicht klein, hatte haselnussbraune Augen und ein gewinnendes Lächeln. Eine grau melierte Haarsträhne fiel ihm in die Stirn. Der Bauchansatz war dezent und wirkte nicht unattraktiv. Sie war immerhin schon 35 und ihre Mutter löcherte sie mit der Frage, wann sie endlich heiraten und ihr ein Enkelkind schenken würde, das sie verwöhnen konnte. Federica hatte wenig Lust, sich fest zu binden, das war nie ihr Wunsch gewesen, aber ab einem gewissen Alter hatte eine Ehe durchaus Vorteile. Aber Kinder kamen für sie nicht infrage, Maneras fortgeschrittenes Alter war eine willkommene Rechtfertigung.
Das erste Mal Sex hatten sie in Brunos luxuriösem Apartment im ersten Stock eines altehrwürdigen Palazzos im Stadtzentrum gehabt. Mehr als an den Akt an sich erinnerte sie sich an die perfekte Einrichtung, die Sammlung von italienischen Designobjekten der vergangenen fünfzig Jahre und die bemerkenswerte Gemäldesammlung italienischer Meister des 20. Jahrhunderts. Sie hatte sofort verstanden, dass der Mann, der um sie warb, sehr viel reicher war, als sie angenommen hatte.
Und genau in diese Stadt sollte ihr zukünftiger Ex-Mann auch wieder verschwinden. Federica war davon ausgegangen, dass er nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus dorthin fliehen würde, aber er war im Tal geblieben, hatte sogar alte Freundschaften abgebrochen, als wolle er ihr in jedem Augenblick beweisen, dass es ein Fehler gewesen war, ihn zu heiraten.
„Ich kann nicht verstehen, dass es so enden muss“, riss er sie abrupt aus ihren Gedanken, „ich liebe dich, ich habe all meine Energie in unsere Beziehung investiert, ich bin hierhergezogen …“
„Nicht jetzt, Bruno“, unterbrach sie ihn.
Manera seufzte und wusch die Tasse aus, trotz Spülmaschine. Keine zehn Minuten später tauchte er im Wohnzimmer auf, wo Federica so tat, als würde sie eine Zeitschrift lesen.
„Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme.“
„Das interessiert mich nicht“, gab sie genervt zurück, „wir sind dabei, uns zu trennen, jeder kann machen, was er will.“
Er nickte resigniert und humpelte davon.
Federica wartete, bis der Wagen durch das Tor fuhr. Dann ging sie wieder in die Kammer, nahm das Notizbuch und las weiter, im Stehen, an ein Regal gelehnt.
„Die Tage vergehen und Federica fällt es offensichtlich immer schwerer, meine Anwesenheit zu ertragen, allein mein Anblick scheint sie zu stören. Sie hat es eilig. Sie hat einen anderen und will mich loswerden, um endlich die wahre Liebe zu erleben. Soweit ich weiß, hat die Sache schon vor vielen Jahren begonnen, im Gymnasium, um genau zu sein. Und dann hat das Schicksal die beiden getrennt, bis zu dem Moment, in dem sie darauf bestanden hat, wieder ins Tal zurückzukehren. Ich war dabei, als sie sich wiedergesehen haben, es war in der Bank, genauer gesagt, im Büro ihrer Jugendliebe. Ich erinnere mich, wie überrascht die beiden waren. Sie versuchten den Schein zu wahren und tauschten peinliche Höflichkeiten aus, bis es mir zu viel wurde und ich mich laut räusperte. Für das frühere Techtelmechtel meiner Frau habe ich nicht das geringste Interesse.“
Aus Federicas Kehle drang ein raues Krächzen. Bruno wusste Bescheid. Sie war sich sicher, hundertprozentig sicher gewesen, dass niemand von ihrer Affäre wusste. Sie glaubte ersticken zu müssen, rannte aus der Kammer in die Küche, öffnete den Kühlschrank und goss sich zwei Fingerbreit eiskalten Wodka ein. Der Alkohol verwandelte sich umgehend in tröstende Wärme. Sie war bereit weiterzulesen.
„Er heißt Stefano Clerici. 36, Finanzberater. Seit acht Monaten verwaltet er einen beträchtlichen Teil meines Vermögens, zum Glück nicht alles. Ich hatte vor, im Tal zu investieren, sowohl in Gewerbebetriebe als auch in Immobilien. Aus wirtschaftlicher Sicht verspricht die Gegend immer noch gute Erträge. ‚Auf Clerici kannst du dich verlassen. Er würde mich nie übers Ohr hauen‘, wiederholte Federica immer wieder. Und schließlich hatte sie mich überzeugt. Nach Meinung meines Steuerberaters agiert Clerici allerdings nicht gerade geschickt, aber darüber habe ich hinweggesehen, um nicht als eifersüchtiger alter Mann dazustehen.
Mein Aufenthalt im Krankenhaus war lang und einsam. Ich hätte ein paar Freunde anrufen können, besser noch Freundinnen, die, durch Fredericas Fernbleiben angezogen, sicher unverzüglich an mein Krankenbett geeilt wären. Stattdessen engagierte ich eine zusätzliche Pflegekraft, eine knochentrockene, aber höchst effiziente Ukrainerin, der ich keine Erklärungen geben musste. Vor allem aber war ich überzeugt, dass meine Frau ihr Unrecht einsehen, aufrichtig ihr Herz prüfen und dort die Liebe wiederfinden würde, die sie mir diverse Male geschworen hatte.
Die endlos langen Tage im Krankenhaus werden mir auf ewig in qualvoller Erinnerung bleiben. Die schlimmste Zeit meines Lebens waren die letzten Tage vor Annabelles Tod gewesen. Ich liebte sie so sehr, dass ich mir wünschte, ihr Leiden hätte endlich ein Ende, sich von ihr zu verabschieden, war eine Befreiung. Im Wissen, dass der Krebs ihr keine Chance auf Heilung ließ, hat sie mir das Versprechen abgerungen, die Kraft aufzubringen, eine aufrichtige und leidenschaftliche neue Beziehung einzugehen. Heute fürchte ich, dass genau dieses Versprechen der größte Fehler meines Lebens war.
Manchmal scheint die Zeit nicht enden zu wollen und Nachdenken ist die einzige Möglichkeit, sich von diesem Gefühl nicht überwältigen zu lassen. Im Zimmer 119, das letzte im Gang der Orthopädie, habe ich begonnen, alle Details zusammenzutragen. Was ist vor und nach dem Beginn der Anschläge, dem Durchstechen der Reifen, passiert?
Trotz aller Sorgfalt, mit der ich die Erinnerungen für mich geordnet hatte, landete ich immer wieder in einer Sackgasse.
Doch an einem Sonntagnachmittag tauchte ein Unbekannter auf. Diese Zeit war die schlimmste der ganzen Woche, denn es wimmelte von Verwandten und Bekannten, die liebevoll mit den ihren plauderten.
Ich dachte, der Mann hätte sich vielleicht im Zimmer geirrt oder sich verlaufen. Aber stattdessen war er gekommen, um mir zu sagen, dass er nicht an die Hypothesen des Maresciallo Piscopo glaubte und dass ich nach meiner Entlassung ein Auge auf meine Frau haben sollte. Er war sich sicher, dass sie mich mit ‚Dottore‘ Clerici betrog. Er hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sie das etwas abgelegene Haus des Finanzberaters in einem Vorort betreten hatte, dort konnte man unbemerkt kommen und gehen. Er hatte nur wenige Meter entfernt im schützenden Dunkel gestanden und sich gedacht, dass das für eine verheiratete Frau keine passende Zeit für einen Besuch bei einem Ex-Verlobten war. Vor allem, wenn ihr Mann gerade im Krankenhaus lag.
Ich habe ihm nicht geglaubt. Voller Wut habe ich ihm vorgeworfen, er wolle nur Geld und was weiß ich noch alles. Aber er blieb unbeeindruckt. Er hielt meine Reaktion für verständlich und bat mich, noch einmal über die Geschichte nachzudenken. Wenn Piscopo unrecht hatte, musste man die Auftraggeber und die Täter in der Umgebung suchen. Und der Geliebte war in Fällen wie diesem immer ein guter Ausgangspunkt, besonders, wenn wirtschaftliche Interessen im Spiel waren. Genau so hatte er sich ausgedrückt, sich verabschiedet und war gegangen. Meine Schmerzen wurden von der Sorge überlagert, dass mich meine Frau betrügen könnte. Das zwang mich, seine Enthüllungen ernst zu nehmen. In diesem Moment war ich mir sicher, dass Stefano Clerici in das Komplott gegen mich verwickelt ist.
Er wollte mich loswerden und aus dem Dorf vertreiben, Federica für sich haben und die Abfindung einkassieren. Sah der Plan vielleicht sogar meinen Tod vor? In diesem Fall wäre das Erbe der Witwe natürlich deutlich höher, weil ich ganz allein auf der Welt bin und es keine weiteren Erben gibt.
Mich quält die Frage, ob Federica seine Komplizin ist oder von seinen kriminellen Machenschaften nichts weiß. Ich hoffe, dass sie unschuldig ist, denn ich liebe sie nach wie vor von ganzem Herzen. Eine verzweifelte Liebe, ich würde sie sogar noch lieben, wenn ich wüsste, dass sie in den Plan verwickelt ist …“
Der Rest der Seite war herausgerissen, aber Federica hätte sowieso nicht weiterlesen können.
Nur mit Mühe fand sie die Kraft, vom Sofa aufzustehen, das Notizbuch wieder im Gummistiefel zu verstecken und nach den Autoschlüsseln zu greifen. Ihre Schritte waren unsicher, sie torkelte fast. Es kam ihr vor, als würde sie in einen Abgrund blicken. An der ersten Kreuzung bog sie rechts ab, 200 Meter hinter ihr setzte sich ein auf dem Bürgersteig geparkter Geländewagen in Bewegung und folgte ihr. Am Steuer saß Bruno Manera.
Er hoffte inständig, dass seine Frau nicht zu Clerici fahren würde. Dass die Falle, die er mit unendlicher Geduld aufgebaut hatte, mit dem Tagebuch als Köder, sich als pure Zeitverschwendung herausstellen würde. Aber der Weg, den sie nahm, ließ keinen Zweifel. Sie fuhr zu ihrem Geliebten.
Federica parkte vor einem zweistöckigen Wohnhaus, Manera sah erschüttert zu, wie sie mit raschen Schritten durch den Garten ging. Stefano Clerici wartete schon an der Tür. Er trug einen schlabbrigen Trainingsanzug und Bruno fragte sich, wie sie mit einem so nachlässig gekleideten Mann zusammen sein konnte.
Der Schmerz zwang ihn, die Stirn auf das Lenkrad zu legen. Er war überall spürbar, strahlte vom Arm und vom Bein in den restlichen Körper aus, aber in der Brust war er am größten. Er wusste jetzt, dass er sie für immer verloren hatte. Sie liebte einen anderen, vielleicht wollte sie sogar seinen Tod.
Das Notizbuch als Köder zu nutzen, hatte ursprünglich ein anderes Ziel gehabt: Federica sollte lesen, was er ihr eigentlich sagen, was sie aber nicht hören wollte. Aber dann hatten die Verdachtsmomente und ihr zunehmend abweisendes, fast feindseliges Verhalten dazu geführt, dass er seinen Plan ändern musste. Mit List und Tücke war es ihm gelungen, Federica von der Wichtigkeit des Tagebuchs zu überzeugen und den Ablauf so zu steuern, dass sie es genau an diesem Samstagmorgen fand. Es war wichtig, dass Clerici nicht im Büro war, sondern sehr wahrscheinlich zu Hause. Bruno musste mit eigenen Augen sehen, dass seine Frau das Haus betrat, erst dann wäre er von ihrer Untreue überzeugt.