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Wie, wenn überhaupt, kann das Leben zwischen Überfluss und Entfremdung gelingen? Dieser und anderen Zeitfragen spürt der Skeptiker mit subtiler Ironie und untergründigem Humor in diesem Gedichtband nach. Dazwischen lässt er immer wieder erfrischenden Nonsens aufflackern. Dass er dabei meist klassische Formen der Lyrik wählt, kontrastiert eigenwillig mit der Aktualität seiner Themen.
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Seitenzahl: 88
„Herr Kästner, wo bleibt das Positive?“
Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.
Erich Kästner, 1930
G
ESCHICHTEN VOM
H
ERRN
K
NECHT
Der Neumensch
In der Beschränkung zeigt sich der Meister
Leben nach dem Tode
Emissionshandel
Der Garten
Die Trophäe
Volkes Stimme
Der Urlaub
Bescheidenheit
Entwicklung
Wissgier
Schöner scheitern
Verbitterung
Updating
Updates
Raffke
Bewusstseinserweiterung
Das Händi
Downsizing
Werde, der du bist
Zocker unter sich
Der Entdecker
Konjunktivitis
Lebensweisheit
Die Lösung
Lebenslauf
Status
Spätes Jagdglück
Prophylaxe
Ertüchtigung
Vive la liberté
Lottoglück
Introspektion
Versuch und Irrtum
Heitere Gelassenheit
Das Ziel
Das Inserat
Der Kritiker
Freitagabend-Katharsis
Vergeblich
Shades of Grey
Ich rauche, also bin ich
Leben und leben lassen
Freitag, 13
Galgenfrist
Planwirtschaft
Bekehrung eines Realisten
Memento mori
Ethik
Ebenbild
Der Albtraum I
Lösungen I
Ohne Titel
Aufklärung
Freitagabend
Ideal-Ich
Kritik der reinen Vernunft
Das Gott
Gender-Forschung
BILD-ung
Parvenü
Abstammungslehre
Im Hier und Jetzt
Der Albtraum II
Lösungen II
Humanität
Klimawandel
Kritik der reinen Unvernunft
PISA
Werthaltig
Zauderer
Weihnachtsbotschaft 2013
Think Positiv
Der Tierfreund
Bewunderung
Vernissage
Unwillkommener Rat
Ego Shooter
Der Unteilbare
Der Trendsetter
Verhinderter Aufstieg
Self tracking
Sieben Stufen zum Erfolg
Steppenwolf
Mitte rechts, Reihe 2
Rehabilitierung
N
OTIZEN EINES
V
ERWUNDERTEN
augmented reality
Ballade vom guten Leben
Wenn du Hunger hast
Ballade vom schlechten Leben
Political Correctness
Der Querdichter
Medienmacht
Sklaventugend
Lehrstück
Späte Erfüllung
Sehr geehrter Herr Heigl
Beim Scheidungsanwalt
Endlösungen
Im Griff
Herbstnacht
Sein und verwehen
Geburtstagsparty
Globalisierung
Nur die Rose ist ohn warum
Der Nerd
Der Neider
Justitia
Krone der Schöpfung
Jägerlatein
Informationsgesellschaft
Hamlet 2014
Unwillkommener Trost
Public viewing – So sehn Sieger aus
Man gönnt sich ja sonst nichts
Melancholie
Ich laike, also bin ich
Offener Brief an unsere Führer
Offener Brief an unsere Journalisten
Offener Brief an unsere wackeren Architekten
Offener Brief an die Marketing-Abteilung
Offener Brief an unsere Rüstungsbosse
Und wo bleibt das Positive?
Es strebt der Mensch sein Leben lang
nach freiem, aufrecht-stolzem Gang.
Doch ach, im Grunde gehts ihm schlecht:
Er dünkt sich Herr. Und lebt als Knecht.
Ein Philosoph mit Namen Knecht
erkennt: Die Welt ist ungerecht,
beschließt, dieselbe neu zu denken
und sie der Menschheit dann zu schenken.
Zuvörderst macht er Arm und Reich
in der Reformwelt beide gleich.
Die Klugheit wird zur Bürgerpflicht
und Torheit gibt es künftig nicht.
Nicht Banken, Zinsen oder Schulden
wird er in seiner Neuwelt dulden,
nicht Habgier, Raffsucht, Hehlereien,
nicht Neid noch andre Schweinereien.
Auch Krankheit lässt er unterbinden,
man wird nur noch Gesunde finden.
Dass jene sterben, diese leben,
selbst das wirds künftig nicht mehr geben.
Sodann denkt er sich ein Verbot
an Ampeln für die Farbe Rot.
Wer wahre Freiheit will gestalten,
zwingt keinen Menschen anzuhalten.
Hausbesitzer, die vermieten,
wird er ab sofort verbieten.
Blutsauger, Kapitalisten,
Überflieger, Karrieristen,
Ausbeutung und Sklaverei,
Arbeit, Fron und Plackerei,
alles, alles schafft er ab,
was es noch an Unrecht gab.
Voilà, der Mensch! – Ein Geistprodukt,
das sich in keine Knechtschaft duckt! –
Zwar blieb die Welt wie vordem schlecht,
doch Knecht nennt sich fortan Herr Knecht.
Herr Knecht nutzt die Gelegenheit
zu rühmen die Bescheidenheit
bei einem Selters an der Bar.
Nach Schampus, Trüffel, Kaviar.
Herr Knecht empfindet es als schändlich,
dass dieses Leben kurz und endlich.
Er glaubt ein zweites sich dazu
und bringt sich um die ewige Ruh!
Herr Knecht fährt einen Spritverprasser,
was sein Gewissen nicht tangiert:
Damit er Schadgas reduziert
trinkt er nur Kohlensäurewasser.
Herr Knecht, der gern der Muße pflegt,
hat sich nen Garten angelegt
mit Buchsbaumkugeln und Rabatten,
ein Flieder spendet Duft und Schatten.
Ein frisches Bächlein munter plappert,
woran ein Mühlrad fröhlich klappert.
kurz, lieber Leser, stell dir dies
im Geiste vor als Paradies.
Nach wochenlangem pflanzen, pflegen,
beschließt nun Knecht, sich hinzulegen
inmitten seiner Blumenwiese,
dass er der Mühe Frucht genieße.
Nein lieber stell ich an den Pool
den nagelneuen Liegestuhl.
Noch besser: Unter meinem Flieder
leg ich mich jetzt zur Ruhe nieder.
Man hat ja schließlich, sagt sich Knecht,
nach so viel Arbeit auch das Recht ...
Da schreckt ihn hoch der schrille Ton
von dem mobilen Telefon.
Man hats ja explizit zum Zwecke,
dass es an jedem Ort uns wecke.
Zwar könnt mans einfach klingeln lassen,
doch sicher würd man was verpassen.
Nein, diesmal heißts nur „falsche Nummer“. -
Knecht gönnt sich wieder seinen Schlummer.
Das Bächlein gluckst, das Mühlrad rappelt,
im Spinnennetz ne Fliege zappelt,
die Meisen pinken in den Zweigen ...
Da plötzlich, unverhofftes Schweigen:
Der Bach bleibt stumm, das Rad steht still,
dieweil die Pumpe nicht mehr will.
Sogleich fühlt Knecht sich motiviert,
dass er den Schaden repariert.
Ach wie ist der Mensch geplagt,
wenn was Elektrisches versagt.
Doch andrerseits schwellt solcher Frust
auch jedes echten Mannes Brust,
wenn diese Großtat ihm gelang:
Die Mühl geht wieder ihren Gang.
Knecht kehrt zurück und legt sich wieder
zur wohlverdienten Ruhe nieder.
Da reißt ihn jäh aus erstem Schlummer
vom Nachbarhaus ein dumpf Gewummer.
Was dort Musik ist hier bloß Lärm,
der fährt Herrn Knecht tief ins Gedärm.
Doch wehrt sich dieser klug und stracks
mit einer Packung Ohropax.
Da hört er schmerzhaft jetzo Schläge
ner Axt, es jault die Kettensäge.
Sein Nachbar meuchelt einen Baum
und sägt sich tief in Knechtens Traum.
Ein Rasenmäher fängt sodann
ganz jämmerlich zu heulen an
und aus dem linken Nachbarhaus
dringt ekelhafter Zank heraus.
Da schlendert Knecht zu seinen Beeten
und bückt sich tief – zum Unkrautjäten.
Ein Gärtner, das ist wohlbekannt
sich nie beim Nichtstun ganz entspannt,
stets muss er gießen, schneiden binden,
nur so kann Seelenruh er finden.
Sein Lohn ist, ruft ein Gast dann dies:
Du hast ein echtes Paradies!
Knecht, dem sein Garten viel Freude macht,
wurde mit einem Preis bedacht:
In Anerkennung für sein Werk
erhielt er den Goldenen Gartenzwerg.
Gleich fügt er ihn auf dem Vertiko
ein in den bunten Nippes-Zoo,
schafft ihm sogar einen Ehrenplatz
und hütet voll Stolz seinen neuen Schatz.
Statt dass Knecht weiter im Garten schafft
spart er nun seine Arbeitskraft,
lehnt sich im Sessel faul zurück,
saugt aus dem Zwerg sein Gärtnerglück.
Der Garten freilich hats übelgenommen:
Der ist in Kürze völlig verkommen.
Herr Knecht, ein braver Demokrat,
bringt heut sein Opfer seinem Staat.
Der kauft ihm seine Stimme ab
und senkt sie in ein Urnen-Grab.
Herr Knecht, nach wochenlanger Fron
am Schreibtisch und am Telefon
vom Sitzen im Büro schon steif,
ist jetzt ganz dringlich urlaubsreif.
Im Reisebüro Knecht erfragt
die Ziele, die grad angesagt.
Am besten fahrn S auf die Beskiden
wird ihm dort freundlich gleich beschieden.
Beziehungsweis wär optional
Südafrika auch ideal.
Auch ne Safari wäre heuer
im Angebot und gar nicht teuer.
Ne Kreuzfahrt durch Polarregionen
würd sich speziell für Sie doch lohnen.
Das Ganze noch zum Schnäppchenpreis
und garantiert auch nicht zu heiß.
Auch China, Nepal, die Seychellen
sind für erlebnisreichen schnellen
Tapetenwechsel zu empfehlen.
Da wird Sie niemand je bestehlen
wie in Brasilien oder Chile:
Dort hat man leider schon sehr viele
Touristen, die mir nicht geglaubt,
bedroht und bis aufs Hemd beraubt ...
Verwirrt verlässt Herr Knecht die Stätte -
wenn er doch ganz in Ruhe hätte
im Netz sein Urlaubsziel gesucht
und online preiswert gleich gebucht.
Sieh da! In Nullkomma Sekunden
hat Knecht per Google gleich gefunden
weit mehr als Hundertzehnmillionen
Lastminute-Reisen, die sich lohnen.
Er kann zu nie geglaubten Preisen
auf einsam stille Inseln reisen,
an Palmenstränden sonnenbaden
und wird vom Häuptling eingeladen.
Nein, lieber sieht im Vatikan
er die berühmten Stanzen an,
Vielleicht wird gar der Heilige Vater? ...
Oder doch lieber mal zum Prater
nach Wien. Und auch den Roten Platz,
sowie den Eberswalder Schatz
sieht Knecht jetzo zum ersten Mal,
ganz fein gepixelt, wie real.
Vom Nordkap bis Südafrika,
von Japan bis Amerika,
vom Iglu zum Apachenzelt
klickt Knecht sich durch die ganze Welt.
So schwinden seine Urlaubstage
und ungelöst bleibt seine Frage:
Wo ist für ihn der einzig richtige
Erholungsort, der ach so wichtige?
Am End spricht Knecht: Wie alle Jahre
mach ichs am besten so: Ich fahre
nicht nach Marokko, nicht nach Polen. –
Ich werd mich im Büro erholen.
Herr Knecht ist Eitelkeit abhold.
doch wenn ihm einer Beifall zollt,
spricht er bescheiden zu sich: Knecht,
was bist du für ein toller Hecht.
Als Herr Knecht ein Jüngling war,
betrank er sich oft an der Bar.
Was heute ihn noch trunken macht
ist nur noch dieses: Macht, Macht, Macht.
Herr Knecht surft qua PC-Tablet
voll Wissbegier im Internet
um dergestalt sich zu besorgen,
was ihm die Wirklichkeit verborgen.
Exempelsweis, ob Kragenbären
durch Eierlegen sich vermehren.
und ob sie ihre weißen Kragen
denn auch an Wochentagen tragen.
Er tut im Netz nur einen Klick
auf Google und im Augenblick
liegt ihm die ganze Welt zu Füßen
(Herr Orwell lässt ihn herzlich grüßen).
Millionen Seiten in Sekunden!
Doch danach folgen tausend Stunden,
die er sich durch das Spinnnetz kämpft,
was seine Wissgier heftig dämpft.
Am End beschließt er resigniert,
dass er den Brockhaus konsultiert.
Die Antwort ist dann: Nein und ja.
Da seufzt Herr Knecht: Ich ahnt es ja!
Herr Knecht liest: Es ist Mode jetzt,
dass man sich klare Ziele setzt.
Frühmorgens, als er noch im Bette,
schließt er mit sich die erste Wette.
Er zählt genau von eins bis zehn,
um dann ganz pünktlich aufzustehn.
Nein, lieber zählt er doch bis hundert
und stellt dann fest, total verwundert,
dass er das Aufstehn heut nicht schafft.
Ihm fehlt es dazu schlicht an Kraft. –
Gen Mittag endlich wird das Ruhn
Knecht doch zu viel. Er wird was tun:
Zum Beispiel seinen Rasen mähn,
zuvor jedoch zum Bäcker gehn,
nein, erst wird er die Zeitung lesen,
damit, was gestern ist gewesen,