Undercover: Heat - S.P. Bräutigam - E-Book

Undercover: Heat E-Book

S.P. Bräutigam

0,0

Beschreibung

Mein Name ist Logan Connor. Der Job als Detective ist meine Berufung, aber der nächste Auftrag sollte der härteste meines Lebens werden. Mein Name ist Madison West. Ich bin komplizierte Fälle gewohnt, aber die folgende Mission brachte mich in meine düstere Vergangenheit zurück, mit der ich eigentlich abgeschlossen hatte. Logan Connor, Detective beim L.A. Police Department, soll dem Drogenhändler Ethan Armstrong auf die Spur kommen, der für einen Großteil des Drogenhandels an der Westküste verantwortlich sein soll. Den selben Auftrag erhält auch die FBI-Agentin Madison West. Undercover als Aiden Carter und Hailey Jackson in Armstrongs Drogenkartell eingeschleust, treffen sie während des Einsatzes aufeinander, ohne zu wissen, dass sie beide Undercover-Agenten sind und in der selben Sache ermitteln. Misstrauen, brennende Leidenschaft und ungezügelte Emotionen prallen aufeinander, doch die Gefahr, in der sie sich befinden, holt die beiden ein … Romantic Thrill.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 326

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




S.P. Bräutigam

UNDERCOVER 1: HEAT

© 2019 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamour.de

[email protected]

Covergestaltung: © Mia Schulte

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-360-6

ISBN eBook: 978-3-86495-361-3

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Danksagung

Autorin

Kapitel 1

Logan

»Ist das in Ordnung für Sie, Connor?«

Ich beugte meinen Kopf, der zu vibrieren schien, und schloss für einen Moment meine Augen. Meine Hand ließ ich über mein Haar gleiten und merkte, dass ich keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Nach einer Achtzehn-Stunden-Schicht in das Büro des Chiefs zitiert zu werden, konnte nichts Gutes bedeuten. Ich war erledigt und brauchte dringend ein wenig Schlaf.

»Connor! Eine Antwort wäre lobenswert«, sagte der Chief und starrte mich an. Seine Augen hatten sich zu kleinen Schlitzen verengt und er beugte sich quer über den Schreibtisch. Er biss die Zähne fest zusammen, seine Kiefermuskeln traten deutlich hervor und ich bemerkte seine Anspannung. Ich hob den Kopf und sah ihn scharf an. Es war ihm eindeutig sehr wichtig, dass ich diesen Undercovereinsatz übernahm. Er wartete immer noch auf eine Reaktion meinerseits.

»Ernsthaft?«, war das erste Wort, das mir durch den Kopf schoss und welches ich aus mir herausplatzen ließ.

»Ist das ein Ja?«, hakte er nach.

Ich atmete tief ein und aus und fuhr mir dabei mit der Hand über meine Stirn. Meine Narbe über der linken Augenbraue schmerzte leicht, und ich kam mir vor wie Harry Potter, sobald Lord Voldemort in der Nähe war. Bei mir lag es an meinem Chef, der nervös an seiner Augenbraue zupfte. Es wäre schön gewesen, eine Nacht darüber schlafen zu können, aber in diesem Job war das nahezu unmöglich, denn die Zeit arbeitete grundsätzlich immer gegen uns.

»Chief, was soll ich darauf antworten? Natürlich werde ich mich dazu bereit erklären«, antwortete ich. Was blieb mir auch anderes übrig? Ich war für das L.A. Police Department tätig und mein Chef hatte mich gerade gefragt, ob ich nicht Lust auf einen Undercovereinsatz habe. Lust war wohl das falsche Wort für solch einen Auftrag.

Ich war achtundzwanzig Jahre alt, und es war schon eine Weile her, dass ich undercover gearbeitet hatte. Die anderen in meinem Team waren verheiratet, hatten Kinder. Um es genau zu sagen, ich hatte im Gegensatz zu ihnen nichts zu verlieren, falls mal etwas schieflaufen sollte. Ich war seit längerer Zeit Single und hatte ab und zu mal eine Affäre. Nichts Nennenswertes. Es gab für mich nicht die Frau, die Eine, die Richtige. Bei meinem Job war es sowieso schwierig, eine Frau kennenzulernen, die mit dem, was ich beruflich tat, klarkam. Die meisten Frauen in diesem Beruf waren mir vom Verhalten her einfach zu männlich. Meine letzte ernsthafte Beziehung hatte ich mit Anfang zwanzig gehabt. Doch mein Job war mir irgendwann wieder einmal in die Quere gekommen, weil ich Tag und Nacht im Einsatz sein musste. Außerdem hatte sie heiraten wollen. Ich nicht, denn ich wusste, wie angreifbar man dann für seine Feinde war. Wenn man allein war, brauchte man keine Befürchtungen zu haben, dass die Familie, die man liebte, bedroht wurde.

Ich kannte die Verbrecher, die Banden in Los Angeles. Sie waren nicht zimperlich, was Drohungen betraf, und auch nicht bei deren Ausführung, wie zum Beispiel Familien Gewalt anzutun, das hatte ich oft genug zu spüren bekommen.

»Kommen Sie morgen in mein Büro, dann besprechen wir den Fall, um den es geht, und die Einzelheiten Ihres Auftrags. Teilen Sie Ihren Freunden und Verwandten mit, dass Sie in den nächsten Wochen keine Zeit für sie haben werden. Wenn alles nach Plan läuft, winkt Ihnen nach erfolgreicher Durchführung des Auftrags eine Beförderung. Sie sind der beste Mann für diesen Job, da bin ich mir sicher, und ich habe keine Bedenken, dass etwas schiefgehen könnte.«

»Alles klar, Chief«, erwiderte ich und fuhr mir mit der Hand durch mein dichtes Haar. Zum Friseur sollte ich auch mal wieder, schoss es mir durch den Kopf.

»Noch eine Frage, bevor Sie gehen: Sie haben keine Verbindung zu sozialen Medien, oder? Heutzutage kann Ihr Gesicht überall auftauchen. Ich möchte nicht, dass Sie enttarnt werden.«

»Nein, nichts dergleichen.« Das erste Mal, dass ich froh war, kein Facebook zu benutzen.

»Danke, Logan«, sagte der Chief und machte Anstalten, so schnell wie möglich aus dem Büro zu kommen.

»Haben Sie noch ein Date?«, zog ich den Chief scherzhaft auf als er seine Jacke von der Garderobe nahm und mich aus dem Büro begleitete.

»Ein Date? Nein, Sie wissen doch, dass ich seit zwanzig Jahren verheiratet bin«, antwortete er und zwinkerte mir zu.

»Ich treffe mich gleich mit meiner Tochter zum Essen.«

»Sie haben eine Tochter? Wieso weiß keiner im Revier davon?« Noch nie hatte der Chief irgendetwas von einer Tochter erzählt. Meine Neugier war geweckt.

»Madison ist nicht meine richtige Tochter, aber es fühlt sich so an, als wäre sie es«, erklärte der Chief.

»Dann wünsche ich Ihnen viel Spaß bei Ihrem Essen.«

»Danke Logan, bis morgen.«

»Bis morgen, Chief!«

Auf der Heimfahrt fielen mir vor Müdigkeit beinahe die Augen zu, und ich hatte Angst, in einen Sekundenschlaf zu fallen. Ich sah kurz in den Rückspiegel. Meine dunkelbraunen Augen hatten sich fast mit meinen Tränensäcken verbunden.

Furchtbar, dachte ich und legte einen Gang zu, um schneller nach Hause zu gelangen. Ich überlegte, um was für einen Fall es sich wohl handelte und um wen es ging. Für meinen letzten Undercovereinsatz hatte ich nach Las Vegas reisen müssen. Es handelte sich um einen Casinobetrug, und nun fragte ich mich, ob ich in Los Angeles bleiben oder woanders hin verfrachtet werden würde. Es war oft so, dass sich die Polizei eines Bezirks die Polizisten aus anderen Regionen auslieh, da die Bösen die meisten Cops aus ihrer eigenen Stadt kannten. Als Undercoverpolizist spielte man mit seinem Leben, und es war keine Seltenheit, dass ein verdeckter Ermittler verschwand, weil er aufgeflogen war. Die meisten hatten jedoch Glück, entweder wurde der Täter gefasst oder sie kamen in das Zeugenschutzprogramm. Ich hatte bei meinem letzten Undercovereinsatz nur einen kleinen Fisch im großen Becken gefangen, aber es reichte für eine Anklage aus und ich konnte zurück nach Los Angeles.

Meine Familie wohnte in San Francisco, und ich war froh, sie nicht ständig um mich zu haben. Meine Mutter machte sich rund um die Uhr Sorgen und bat mich immer, sie zurückzurufen, wenn ich mal nicht auf meinem Handy zu erreichen war. Manchmal kam ich mir noch wie ein kleiner Junge vor. Freunde hatte ich in Los Angeles nicht viele. Diejenigen, die ich zu meinen Freunden zählte, waren Diego Garcia und Matthew Anderson. Mit Diego hatte ich die Ausbildung zum Polizisten angefangen, ihm vertraute ich mein Leben an. Er war mein Partner und mein bester Freund. Wenn ich ein Problem hatte, hatte er immer ein offenes Ohr für mich, egal ob es um Liebesprobleme oder etwas anderes ging. Diego war mittlerweile seit zwei Jahren verheiratet und seine Frau erwartete das erste Kind. Ich freute mich für ihn, natürlich nicht, ohne ein bisschen neidisch zu sein. Seine Gattin Sarah war bezaubernd, die hätte ich auch nicht mehr losgelassen.

Ich hatte ein kleines Appartement am Rande von Los Angeles und war froh, endlich meine Beine hochlegen zu können. Zu Hause angekommen, stellte ich mir schnell ein Fertigessen in die Mikrowelle und machte es mir danach auf dem Sofa bequem. Ich schaffte es nicht einmal mehr, das Gericht vollständig aufzuessen, da ich so müde war, und bewegte mich von der Couch zum Bett.

Eine Frau neben mir zu haben, wäre jetzt ganz schön, dachte ich und war nach wenigen Minuten schon im Reich der Träume angelangt.

Madison

Ich legte meine Pistole auf den Schreibtisch, nahm meine Marke ab, behielt sie noch einen Augenblick in der Hand und strich langsam über das goldene Wappen, das sich reliefartig vom Untergrund abhob. Anschließend wanderte mein Blick Richtung Polizeiausweis, der sich in meinem Dienstausweismäppchen direkt in dem Fach neben meiner Marke befand. Special Agent Madison West. Federal Bureau of Investigation. Department of Justice, las ich in Gedanken. Das FBI hatte mir sprichwörtlich das Leben gerettet und ich war ihm etwas schuldig. Eine FBI-Agentin zu sein, war kein Zuckerschlecken, aber es war das Beste, das mir passieren konnte. Ich liebte meinen Job und lebte dafür. Eine Familie hatte ich nicht. Ich war in einem Kinderheim aufgewachsen und nie adoptiert worden. Mit sechzehn Jahren hatte ich den Highschoolabschluss in der Tasche gehabt und war aus Chicago verschwunden, hinaus in die weite Welt, um mein Glück zu finden – was jedoch mein größtes Unglück geworden war.

»Madison, wenn Sie das nicht tun möchten, haben wir Verständnis dafür. Das wissen Sie, oder?«, riss mich mein Chef aus meinen Gedanken und musterte mich mit einem besorgten Blick.

Er wusste von meiner Vergangenheit und davon, was ich durchgemacht hatte. Doch auf das, was mir jetzt bevorstand, konnte mich kein Mensch vorbereiten.

»Nein, ich bin die perfekte Agentin für diesen Auftrag, das wissen Sie genauso gut wie ich. Ich werde Ethan schnappen und ihn endgültig hinter Gitter bringen«, sagte ich fest entschlossen und ließ meine Marke auf den Schreibtisch sinken. Ich hatte sie seit meiner offiziellen Ernennung zum Special Agent nicht mehr aus der Hand gegeben, und es fiel mir sichtlich schwer, sie loszulassen.

»Madison, Sie schaffen das. Ich glaube an Sie. Ein Einzimmerappartement ist ab morgen in South Los Angeles für Sie angemietet. Wenn Sie etwas benötigen, rufen Sie an. Meine und Mirandas Telefonleitung sind jederzeit für Sie geöffnet. Falls Sie dringend Hilfe brauchen, schreiben Sie eine SMS mit dem Codewort Beans, dann werden wir sofort eingreifen und Sie aus Ihrer Notlage befreien«, erklärte mein Chef, Mr. Miller, und knetete nervös seine Hände.

»Das ist nicht mein erster Undercovereinsatz, das wissen Sie doch.«

»Natürlich, aber es ist das erste Mal, dass Sie direkt mit Ihrer Vergangenheit konfrontiert werden.«

»Ich habe Ihnen so viel zu verdanken, dass ich diesen Fall kaum ablehnen kann.« Mein Gewissen plagte mich, weil er so viel für mich getan hatte, und ich würde den Auftrag schon allein deshalb machen.

»Sie wissen, dass wir Beweise benötigen, um den Laden hochnehmen zu können. Da die Polizei vom LAPD es nicht geregelt bekommt, müssen wir leider eingreifen. Wir brauchen nicht nur Ethan. Er hat Händler in ganz Los Angeles County. Wir benötigen deren Namen und Adressen, alles, was sich finden lässt, sodass wir den Drogenhandel eindämmen können«, meinte Miller voller Überzeugung.

»Ja. Ich werde mich an seine Fußsohlen heften«, erklärte ich, bereit aufzustehen.

»Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg. Sie packen das«, sagte mein Chef und schüttelte meine Hand.

Ich machte mich auf den Weg nach Hause. Unterwegs rief ich Stevens, einen alten Freund, an, denn eigentlich hatte ich vorgehabt, mit ihm am Abend essen zu gehen. Da die Mission jedoch bereits morgen losgehen sollte, hatte ich keine Zeit. Er klang ein wenig beleidigt, aber eine Erklärung, warum genau ich absagte, konnte ich ihm zu diesem Zeitpunkt noch nicht liefern. Mein neuer Auftrag war alles andere als einfach und ich wollte die verbleibende Zeit mit meiner Mitbewohnerin verbringen.

Zu Hause angekommen, band ich mir meine langen, braunen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen. Mit einem Meter siebzig war ich nicht die Größte unter den Frauen beim FBI, aber ich war zufrieden. Ich bediente mich an der Süßigkeitenschachtel, die im Wohnzimmer stand, und biss genüsslich in einen Schokoladenriegel. Schokolade war einfach die beste Medizin, besonders bei Stress.

»Hey Liebes, wenn du nicht so viel Sport machen würdest, würdest du mittlerweile nicht mal mehr durch die Tür kommen, weil du zu breit wärst«, sagte Grace und umarmte mich.

Mit dieser Aussage hatte sie so was von recht. Ich machte mehr Sport als jeder andere Agent, denn ich wollte fit sein, da ich auch mal während der Einsätze rennen musste. Viele meiner Kollegen hatten sich im Laufe der Zeit gehen lassen. und waren nie wieder so leistungsfähig gewesen wie in Quantico. Es gab zwar regelmäßige Checks, die nachweisen sollten, dass man fit war, das hielt die meisten aber nicht davon ab, keinen Sport zu machen.

Ich lebte mit meiner besten Freundin Grace in Marina del Rey, einem schönen Stadtteil von Los Angeles, direkt am Meer. Da ich keinen Freund hatte, war ich froh, dass am Abend jemand in der Wohnung auf mich wartete, auch wenn es nur meine Freundin war.

Grace war als Bürokauffrau bei einer Produktionsfirma für Werbefilme tätig. Wie sollte ich ihr erklären, dass ich die nächsten Wochen nicht mit ihr unter einem Dach leben konnte? Sie wusste zwar, dass ich für das FBI arbeitete, aber ich wollte sie unter keinen Umständen mit meiner Vergangenheit konfrontieren; das wollte ich niemandem antun. Ich ließ die Vergangenheit lieber Vergangenheit sein. Wenn ich Grace einweihen würde, wäre die Gefahr einfach zu groß, dass ihr etwas zustoßen könnte.

»Grace, du weißt ja, dass ich beim FBI arbeite«, fing ich an.

»Ja, du bist meine Action-Heldin«, antwortete Grace und warf ihr rotes, lockiges Haar zurück. Mit ihren grünen Augen erinnerte sie mich immer an die Disney-Prinzessin Merida.

Vor vier Jahren hatte ich Grace kennengelernt. Ich hatte eine Mitbewohnerin gesucht, und Grace war die Erste gewesen, die sich vorgestellt hatte. Es war Freundschaft auf den ersten Blick. Wir machten seitdem einfach alles zusammen, es würde mir schwerfallen, sie so lange nicht an meiner Seite zu haben. Keiner durfte von meiner Mission erfahren, denn sonst würde ich jeden in meiner Umgebung in Gefahr bringen, und das war das Letzte, was ich wollte.

»Ich habe einen neuen Auftrag bekommen, und das heißt, ich werde in den nächsten Wochen nicht hier sein. Das geht aus ermittlungstaktischen Gründen einfach nicht«, sagte ich und sah sie an.

Grace’ Gesicht versteinerte, und ihr Lächeln, das sie sonst auf den Lippen trug, verschwand.

»Grace, es tut mir so leid. Ich liebe es, mit dir zusammenzuwohnen, und möchte das auch auf keinen Fall missen – nicht, dass du das falsch verstehst.«

»Aber Madison! Was mache ich nur ohne dich? Du bist mein Fels in der Brandung. Du kannst nicht für mehrere Wochen einfach untertauchen. Wo gehst du denn hin und wann kommst du zurück?«

»Das sind Fragen, die ich dir nicht beantworten kann. Du darfst nicht wissen, wo ich mich aufhalte, das sind die Regeln des FBI. Geheimhaltung und so.«

»Ist es gefährlich? Dir wird doch nichts passieren?«

Ich konnte ihr nicht die Wahrheit erzählen, aber die Mission, die ich übernommen hatte, war alles andere als ungefährlich.

»Grace, wie gesagt, ich darf dir nichts dazu sagen. Es wird alles gut gehen. Ich werde ständig vom FBI überwacht. Ich werde während dieser Zeit eine neue Handynummer haben, sodass du mich nicht kontaktieren kannst.«

»Aber was ist, wenn ich dich brauche?«, fragte Grace mit einem schiefen Lächeln im Gesicht.

»Du wirst das auch allein hinbekommen. Sobald ich zurück bin, machen wir einen Mädelsabend. Wir bestellen Pizza, essen Eis und quatschen die ganze Nacht.«

»Einen Tag? Nein, eine Woche! Wir werden ein paar Tage in Las Vegas verbringen und mal richtig die Sau rauslassen. Darauf freue ich mich. Es wird genial werden.«

»Das klingt doch nach einem Plan«, erwiderte ich und war froh, dass sie sich wieder ein wenig beruhigt hatte.

»Wann geht die Mission los?«, fragte sie daraufhin.

»Morgen.«

Kapitel 2

Logan

Der Wecker riss mich aus meinem Schlaf und ich warf sogleich einen Blick auf meine Uhr. Fuck. Ich war zu spät und hatte vergessen meinen Wecker umzustellen.

Der Chief wird ausrasten, dachte ich mir und sprang schnell unter die Dusche. Mit erhöhter Geschwindigkeit schaffte ich es anschließend innerhalb von zwanzig Minuten von meiner Wohnung zum Department.

»Sorry, Chief«, sagte ich, als ich gehetzt in das Büro trat.

Seine Mimik sprach Bände und vereiste regelrecht das Zimmer. »Wenn Sie sich so bei Ihrem Undercoverjob verhalten, dann haben Sie keine guten Karten, Mr. Connor. Ich möchte, dass Sie diese Mission erledigen, weil Sie der Beste und normalerweise auch zuverlässig sind, oder habe ich mich in Ihnen getäuscht?«, fragte der Chief und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Es tut mir leid. Ich habe verschlafen. Es war nicht gerade leicht, nach einer Achtzehn-Stunden-Schicht genügend Schlaf zu bekommen.«

»Beschweren Sie sich jetzt etwa auch noch?«, fragte mein Chef, und sein Schnurrbart fing wie wild an zu vibrieren.

Ich hielt mich lieber zurück bevor er einen Tobsuchtsanfall bekam, was nicht selten war. »Nein, natürlich nicht«, erwiderte ich und zeigte zugleich Reue indem ich mich entschuldigte. Ich wollte die letzten Momente auf dem Revier nicht mit einem Streit verbringen.

»Also, Logan, es geht um Ethan Armstrong. Jemals von ihm gehört?«, fragte der Chief und reichte mir eine Akte.

»Ethan Armstrong? Nein«, gab ich zu.

»Vielleicht nicht unter diesem Namen, sondern unter Snuffie. Das ist sein Spitzname bei den Gangs.«

»Snuffie. Natürlich, da klingelt es sofort.« Snuffie befand sich schon lange auf unserem Radar. Wir wollten ihn, Kalifornien wollte ihn, halb Amerika wollte ihn. Als ich vor acht Jahren mit dem Polizeidienst begonnen hatte, war Snuffie gerade eingebuchtet worden. Er saß knappe fünf Jahre, ehe er wegen guter Führung freikam. Angeblich koordinierte er die Kokainlieferungen aus Südamerika und verteilte diese über L.A. County. Ihm gehörte außerdem ein Nachtclub namens Warm Snails.

»Und ich soll Snuffie hinter Gitter bringen? Beweise sammeln?«, hakte ich nach.

»Genau. Sie sollen Beweise für seine Taten sammeln. Wir haben bereits drei Männer in den letzten Jahren darauf angesetzt und keiner von ihnen konnte ihm irgendeine illegale Aktivität nachweisen. Nicht einen Strafzettel wegen Falschparkens hatte er.«

»Schon mal auf die Idee gekommen, dass er mit den Drogen abgeschlossen hat und vielleicht wirklich ein gesetzestreuer Bürger geworden ist?«

»Snuffie und gesetzestreu? Niemals. Er lenkt weiterhin die Geschäfte. Wir haben anhand seiner IP-Adresse minimale Beweise, dass er in illegale Geschäfte verwickelt sein könnte, aber es reicht nicht, um den Laden hochzunehmen, geschweige denn für einen Durchsuchungsbefehl. Genau dafür brauchen wir Sie. Sie bekommen einen neuen Namen, die übliche Prozedur. Hier ist Ihr Ausweis.«

Ich nahm ihn entgegen und warf als Erstes einen Blick auf den Namen: Aiden Carter. So sollte ich also ab jetzt genannt werden.

»Aiden Carter? Wer hat sich denn den Namen ausgedacht?«, fragte ich nach und begutachtete das Foto auf meinem neuen Ausweis.

»Nicht wichtig. Sie müssen an Snuffie herankommen, seine rechte Hand werden, ihn ausspionieren, so gut Sie nur können. Es werden harte Wochen werden, da mache ich Ihnen nichts vor. Matthew wird Sie im Auge behalten und Ihnen helfen, sollte es zu irgendwelchen Schwierigkeiten kommen. Diego hat allerdings keine Ahnung, wo Sie sind und an was für einem Fall sie arbeiten werden. Er weiß nur, dass es sich um einen geheimen Auftrag handelt. Erzählen Sie ihm bitte nichts.«

»Toll, meinem besten Freund nichts zu sagen, ist nicht gerade leicht. Sie rechnen also jetzt schon mit Schwierigkeiten?«

»Snuffie ist kein Nullachtfünfzehn-Drogendealer, Connor. Sie müssen vorsichtig an die Sache herangehen. Wenn er Ihnen gegenüber misstrauisch wird, kann das schwerwiegende Folgen für uns haben, sodass wir vielleicht nie wieder an ihn herankommen. Sie sollten zunächst Ihre Erscheinung verändern. Am besten in das Gegenteil von dem, wie Sie jetzt aussehen«, sagte der Chief und seine Augen funkelten.

»Wirklich sehr freundlich von Ihnen«, entgegnete ich ironisch.

»Logan, Sie sehen wie ein netter Polizist von nebenan aus. Das ist wichtig für das LAPD, aber Sie gehen nicht als Krimineller durch. Dank Ihrer langjährigen Erfahrung bei der Polizei wissen Sie ja mittlerweile, wie die typischen Bandenmitglieder aus South L.A. aussehen. Auch wenn sich das klischeehaft anhören mag, nehmen Sie sie als Vorbild.«

»Heißt das, ich soll rumlaufen wie der letzte Penner?«

»Nein, das soll es natürlich nicht heißen. Aber Gangs tragen gern Tattoos. Bedeutet für Sie, dass Sie jetzt wenigstens Ihre Tattoos frei zeigen können, die Sie wie ein kleiner Junge zu verstecken versuchen.«

Ich lachte kurz auf – das erste Mal bei einem Gespräch mit dem Chief. Es war nicht so, dass mir meine Tattoos peinlich waren. Ab meinem achtzehnten Lebensjahr hatte ich meinen Körper damit verziert. Mit zwanzig hatte ich mir einen Phönix quer über die Brust tätowieren lassen, er steht für die Vergänglichkeit, gleichzeitig jedoch auch dafür, dass man nach schweren Zeiten sprichwörtlich wiederauferstehen kann. Auf dem Rücken prangte ein großes Kreuz mit einer Krone. Dieses sollte für meinen Glauben stehen. Ich versteckte meine Tattoos nicht immer, wusste aber, wie manche Leute darauf reagierten. Somit war es ganz gut, dass meine Uniform die Tattoos verdeckte.

»Es ist ein sehr wichtiger Fall für mich, weil ich diesen Menschen endlich hinter Gittern sehen möchte. Ich hoffe, dass Sie diese Aufgabe ernst nehmen«, sagte der Chief eindringlich.

»Wieso? Kennen Sie Snuffie?«

»Ja, ich bin derjenige, der ihn vor neun Jahren verhaftet und ins Gefängnis gebracht hat. Ich verabscheue diesen Menschen zutiefst und hoffe, dass er nach einer erneuten Festnahme nicht wieder entlassen wird. Die Menschheit ist sicherer, wenn er im Knast sitzt.«

So hatte ich den Chief noch nie erlebt. Es musste irgendetwas Schlimmes vorgefallen sein, sonst würde er nicht so betroffen reagieren. Aber danach fragen wollte ich ihn nicht. Das Einzige, was ich meinerseits tun konnte, war, den Auftrag erfolgreich zu erledigen.

»Wie soll ich anfangen? Soll ich einfach in seine Bar schneien, in der er mich dann mit offenen Armen empfängt?«, fragte ich mit einem ironischen Unterton in der Stimme.

»Natürlich nicht. Ethan wird Ihnen nicht so schnell vertrauen. Er wird Sie sicherlich auf die Probe stellen wollen. Der Vorteil für uns ist, dass er gerade erst einen seiner Männer aus seiner Gang geworfen hat. Er ist also auf Hilfe angewiesen.«

»Ach, und ich bin der Held, der vorbeikommt und sich zufällig als kompetenter Ersatz erweist?«

»Richtig. Sie werden versuchen, diese Mission ohne Schaden zu überstehen. Wenn Sie jemanden brauchen, Matt und ich sind zu allen Schandtaten bereit.«

»Okay, dann hoffe ich, dass alles glattgeht und ich so schnell wie möglich Hinweise auf Snuffies illegale Aktivitäten finde. Sonst noch was, bevor Sie mich in die große weite Welt hinaus entlassen?«

»Nein, Logan, vielen Dank. Ich wünsche Ihnen für diese Mission alles Gute«, sagte der Chief und gab mir die Hand.

»Danke, ich werde Sie nicht enttäuschen«, antwortete ich.

»Da bin ich mir sicher.«

Ich fuhr nach Hause und genoss den Tag mit Netflix. Am Abend aß ich schnell etwas und wollte früh schlafen gehen. Nach dem Zähneputzen sah ich das letzte Mal in den Spiegel. Adios, Logan Connor. Ich würde mich nicht mehr rasieren, damit mein Bart in den nächsten Tagen ausgiebig wachsen konnte. Ab morgen würde ich ein neuer Mensch sein: Aiden Carter.

Madison

Nachdem ich mich, wie in einer herzergreifenden Szene in einer Soap, von Grace verabschiedet hatte, ging ich als Erstes zum Friseur. Meine Haare waren eigentlich dunkelbraun, aber mein früheres Ich war blond.

»Ich hätte gerne helle Haare«, sagte ich. Ich hatte mit Absicht einen anderen Friseur als sonst aufgesucht, damit kein Bekannter wusste, wie ich in wenigen Stunden aussehen würde. »Ein sehr helles Blond, bitte«, fügte ich hinzu und verabschiedete mich von meinem braunen Naturhaar.

»Blond? Aber Darling, du hast so wunderschönes braunes Haar. Willst du dir das wirklich nicht noch überlegen?« Er fuhr mir über meine Haare und rieb sich über die Stirn.

»Nein, es muss hellblond sein«, antwortete ich mit verschränkten Armen.

»Das wird eine Tortur. Du wirst einige Stunden in diesem Salon verbringen müssen.«

»Kein Problem. Mein Arbeitgeber möchte, dass ich blond bin.«

»Uh, dann würde ich diesen Job sofort schmeißen!«

»Ich liebe diesen Job«, erwiderte ich, als der Friseur die Farbe auf meinem Kopf verteilte. Ich atmete den altvertrauten Geruch von Wasserstoffperoxid ein.

Nach einigen Stunden und fast verätzter Nase hatte ich hellblonde Haare. Es war ein ungewohnter Anblick im Spiegel. Seit dem Tag, an dem ich meinen Ex-Freund verraten hatte, war ich nicht mehr blond gewesen.

Ein mulmiges Gefühl machte sich in meiner Bauchgegend breit. Mein Magen verkrampfte sich und mir wurde langsam schlecht. Du musst das durchziehen, schoss es mir durch den Kopf.

Es war, als wären die letzten neun Jahre nicht existent. Mein Gesicht hatte zwar Falten bekommen, aber meine türkisblauen Augen und meine Gesichtszüge waren noch die gleichen wie damals, als ich jung, naiv und verliebt gewesen war.

Mit sechzehn war ich von Chicago nach Los Angeles gezogen und hatte vergeblich nach dem Glück gesucht. Zuerst arbeitete ich als Kellnerin in einem Fast-Food-Lokal, wo ich einen der Kunden kennenlernte. Er war sieben Jahre älter als ich, hatte grün leuchtende Augen und war ein Sonnyboy. Ich glaubte jedes Wort, das mein damaliger Traummann mir erzählte. Er war der Sohn eines Barbetreibers gewesen und schmiss mit Geld geradezu um sich. Ich war so verliebt in ihn, hatte das Gefühl genossen, dass er scheinbar alles für mich tat. Es war nicht nur sein Aussehen, dass mich faszinierte, sondern ebenso seine Art.

Ich hatte angefangen, in der Bar seines Vaters als Stripperin und Kellnerin zu arbeiten. Natürlich durfte keiner erfahren, dass ich minderjährig war. Irgendwann bekam ich von seinen illegalen Drogengeschäften Wind. Er erzählte mir, dass wir bald auf Hawaii leben, Kinder haben und glücklich sein würden. Ich blieb bei ihm.

Nach drei Jahren war allerdings etwas vorgefallen, das ich nicht mit mir vereinbaren konnte, und ich war den Weg gegangen, von dem er dachte, ich würde ihn nie gehen. Ich war diejenige gewesen, die ihn verraten hatte. Metaphorisch gesprochen, hatte ich ihm eiskalt das Messer in den Rücken gerammt und ihn damit in die Knie gezwungen – was zuvor kein anderer geschafft hatte. Alle fürchteten sich vor ihm.

Mein Ex-Freund war ein schmächtiger junger Mann gewesen, aber irgendetwas hatte er an sich gehabt, das mich angezogen hatte. Jedoch hatte er eine Tat begangen, mit der ich nicht leben konnte, sodass ich geflohen war – und zwar direkt in die Arme der Polizei von Los Angeles.

Zum Glück hatte ich keine Drogen im Blut gehabt, denn wenn ich eines niemals getan hatte, dann war es, Drogen zu nehmen. Mein Ex hatte sie mir oft angeboten, zugegriffen hatte ich jedoch nicht.

Der damals zuständige Polizist, Michael Stevens, wurde zu einem meiner engsten Vertrauten, und auch heute rief ich ihn an, wenn es mir schlecht ging. Er hatte mich zum FBI nach Quantico geschickt, und dort wurde ich zu einem der besten Agents meines Jahrgangs. Anschließend kehrte ich nach Los Angeles zurück, um in Stevens Nähe zu sein. Er war so eine Art Vaterersatz für mich und wir trafen uns alle paar Monate zum Essen. Heute war er Chief des L.A. Police Departments. Ich wusste, dass er stolz auf mich war und dass ich wie eine Tochter für ihn war. Er durfte auf keinen Fall von meiner Mission erfahren, denn er würde mit allen Mitteln versuchen, mich aufzuhalten, und das konnte ich nicht zulassen. Nicht, wenn es um Ethan Armstrong ging.

Ich nahm die restlichen zwei Kartons aus meinem Auto und betrat das kleine Appartement, das für mich angemietet worden war. Auf der Klingel stand bereits mein alter Name. Ein nostalgisches Gefühl überkam mich. Es war ein Einzimmerappartement, spartanisch eingerichtet, aber für das Leben, das ich ab morgen leben sollte, reichte es.

Kapitel 3

Hailey

Ich zog mir ein weißes, kurzes Sommerkleid über, das meine langen Beine betonte und meinen BH ein wenig durchscheinen ließ. Dazu kombinierte ich hohe Riemchensandalen. Die Haare hatte ich mir zuvor auf Lockenwickler gedreht, sodass blonde Korkenzieherlocken auf meine Schultern herabflossen. Das größte Problem war nun, in die Bar zu kommen. Ich war so lange nicht mehr in diesem Milieu unterwegs gewesen, dass ich den Slang, der dort alltäglich war, ganz vergessen hatte.

Ich fuhr mit meinem Auto zum Parkplatz des Etablissements und stieg nervös aus. Du kannst das, Hailey, versuchte ich mir selbst ein wenig Mut zu machen.

Ein hünenhafter, bulliger Glatzkopf stand vor der Bar und hielt die Arme vor der Brust verschränkt. Ein großer Löwenkopf prangte auf seinem massiven Oberarm, sein Bauchansatz schaute aus dem engen, weißen Tanktop hervor.

»Hey«, sagte ich freundlich, vielleicht ein wenig zu freundlich.

»Wer bist du, Mädchen? Ich habe dich hier noch nie gesehen«, entgegnete er und spuckte mir anschließend vor die Füße.

Hätte er meine nagelneuen Sandalen getroffen, wäre ich ausgeflippt. Er war jung, aber durch die Furchen in seinem Gesicht wirkte er wesentlich älter.

»Diesen Satz wirst du in ein paar Tagen nicht mehr sagen, Kleiner«, erwiderte ich und schnippte mit den Fingern.

»Was willst du hier?«, fragte der Türsteher.

»Ich möchte zu Snuffie«, sagte ich mit einem arroganten Unterton in der Stimme. Perfekt, Hailey, jetzt hast du den Slang erwischt, lobte ich mich selbst.

»Snuffie empfängt nicht jede Bitch von der Straße, du brauchst schon einen triftigen Grund, um vom Chef persönlich in Empfang genommen zu werden«, antwortete er und rotzte mir erneut vor die Füße.

Ich schnaubte laut und versuchte, unbeeindruckt davon zu sein. Natürlich hätte ich ihm am liebsten eine Abreibung verpasst, und trotz seines massigen Gewichtes wäre es mir bestimmt gelungen.

»Ich bin seine Ex. Er wird mich mit Sicherheit wiedersehen wollen«, erwiderte ich siegessicher.

»Oh, dann bist du Hailey? Die berühmt-berüchtigte Hailey?«

Hatte Ethan in der Zwischenzeit keine Freundin gehabt oder woher wusste der Kerl gleich meinen Namen?

»Du hast schon von mir gehört?«, fragte ich perplex. Hatte Ethan etwa herausgefunden, dass ich ihn damals bei der Polizei verraten hatte?

»Natürlich, jeder in dieser Bar hat von dir gehört. Die kleine Schlampe, die sich nach der Verhaftung verpisst hat und nie mehr aufgetaucht war. Snuffie wird erfreut sein, dich wiederzusehen!«, sagte er laut lachend und gewährte mir einen Blick auf seine gelben Zähne.

Er zerrte mich am Ellenbogen in die Bar und seine Finger hinterließen Abdrücke auf meiner Haut. Nun war ich schneller in meiner Vergangenheit angelangt als erwartet. Die Lokalität hatte sich in all den Jahren nicht sonderlich verändert. Es gab eine Bühne mit verschiedenen Stangen, Privatbereiche für gewisse Dienste und der ellenlange Tresen, an der ich mehr Abende verbracht hatte, als mir lieb gewesen war. Der Geruch, der in meine Nase strömte, erinnerte mich sofort an früher. Es war ein synthetischer Erdbeergeruch, der so süß war, dass man am liebsten die Erdbeerluft in sich einsaugen wollte.

»Snuff? Hier ist jemand für dich. Ich bin vor der Tür, falls es Ärger gibt«, rief der Glatzkopf in den menschenleeren Raum.

Das Licht in der Glasvitrine strahlte die Spirituosen hell an, dadurch wirkte die Bar geheimnisvoll. Dieses Flair hatte ich jahrelang nicht mehr gespürt.

»Alles klar«, hörte ich eine Stimme aus dem Flur.

Jemand kam mir entgegen, aber es war noch so dunkel, dass ich ihn nicht erkennen konnte. Ich nahm das Klackern von Schuhen wahr, und mein Herz fing an zu rasen.

»Hallo?«, fragte die mir bekannte Stimme in den Raum.

»Ethan?«, gab ich zaghaft zurück.

»Ethan? Ethan hat mich seit neun Jahren keine Menschenseele mehr genannt«, erwiderte die Person, die jeden Moment vor mir stehen würde.

Ich sah ihn von Weitem auf mich zukommen. Er hatte sich stark verändert, war kräftiger, muskulöser, älter geworden. Er war nicht mehr der kleine schmächtige Junge, der er einst gewesen war. Als er ins Licht trat, begutachtete ich sein Gesicht: Seine Nase zierte mittlerweile ein Höcker, wahrscheinlich war sie einmal gebrochen gewesen. Seine Kleidung bestand aus einem schicken hellblauen Anzug. Es war ein ganz anderer Kleidungsstil als der, den er früher getragen hatte.

»Hailey Jackson«, sagte er, fast ohne eine Regung zu zeigen.

Dann stand er direkt vor mir und seine eisblauen Augen starrten mich an, ehe er ausholte und mir mit der flachen Hand heftig ins Gesicht schlug. Mein Kopf drehte sich dadurch um fünfundvierzig Grad. Im ersten Augenblick schmerzte es so sehr, dass mir der Atem wegblieb.

»Dass ich dich Miststück jemals wiedersehen würde, damit hätte ich im Leben nicht gerechnet«, sagte Ethan und hielt für einen Moment seine Hand. Vielleicht war selbst für ihn der Hieb zu hart gewesen.

Er konnte doch nicht ahnen, dass ich ihn bei der Polizei angeschwärzt hatte, oder? Snuffie hatte viele Feinde gehabt, jeder hätte ihn verraten können.

»Es tut mir leid, dass ich damals einfach gegangen bin«, sagte ich leise. Meine Wange schmerzte, dass ich kaum mit der Hand darüber fassen konnte. Ich war durch mein jahrelanges Training beim FBI viel gewohnt, aber Ethan hatte mit solch einer Härte zugeschlagen, dass ich nicht rechtzeitig reagieren konnte.

»Dir tut es leid? Verdammt, ich saß fünf Jahre hinter Gittern, musste meine Geschäfte vom Knast aus organisieren, ehe ich endlich jemanden beim Wiederaufnahmeverfahren schmieren konnte, um entlassen zu werden«, erklärte Ethan in seiner typisch großspurigen Art, die mich ganz an früher erinnerte.

Klasse, so schnell hatte ich das Geständnis, dass er nicht einfach so aus dem Knast gelassen worden war. Ergo, er wusste nicht, dass ich es gewesen war, die ihn verpfiffen hatte.

»Ich hatte Angst, ins Gefängnis zu kommen, weil ich noch minderjährig gewesen bin und in einer Bar gearbeitet habe«, gab ich kleinlaut zu.

»Du hattest Angst? Wovor? Du hattest nie irgendetwas mit den Sachen, die ich angestellt habe, zu tun. Ich habe dich in meinen Verhören nicht erwähnt, weil ich dich geliebt habe.«

Bumm. Das hatte seit Ethan niemand mehr zu mir gesagt. Geliebt.

Ich erinnerte mich an die Nacht zurück, in der sich alles verändert hatte: Ethan hatte Streit mit seinem Vater gehabt, den er nicht ausstehen konnte. Sie hatten sich schon zuvor immer wieder in die Haare bekommen und handfeste Auseinandersetzungen gehabt, aber an diesem Abend waren beide betrunken gewesen und Ethan war völlig durchgedreht, nachdem sein Vater ihm Hausverbot in der Bar erteilt hatte.

»Nimm deine Schlampe und verpiss dich aus meinem Laden, du Hurensohn«, hatte Ethans Vater, Edward, gerufen.

Ich hatte mich in einem der Privaträume versteckt und durch einen Türschlitz geschaut.

»Ich soll abhauen? Meiner Mutter gehörte das Geld, mit dem du dieses Geschäft gekauft hast. Es ist auch MEINE Bar«, schrie Ethan zurück.

»Ich streiche dich morgen aus meinem Testament, du kleiner Bastard. Du bist das Letzte und ein Ebenbild deiner Mutter.«

»Das nimmst du sofort zurück!«, brüllte Ethan und zog eine Waffe unter seinem T-Shirt hervor. »Nimm es zurück!«

»Oh, will mich der kleine Junge jetzt erschießen? Das traust du dich sowieso nicht. Gib die Pistole her.«

Ethans Vater näherte sich ihm. Dieser versuchte zurückzuweichen, aber er stürzte auf ihn. Ein Schuss löste sich, Edward bekam die Kugel ab und brach zusammen. Ich starrte geschockt auf den Mann, der auf dem Boden lag, und gab kein Geräusch von mir.

»Vater? Ich war das nicht. Ich war das nicht. Wieso ist hier Blut?«, stotterte Ethan, der nicht fassen konnte, was er getan hatte.

»Hailey? Hailey!« Er rief meinen Namen und rannte aus der Bar. Er hatte nicht gewusst, dass ich in der Bar war und suchte mich.

Tränen waren in mir aufgestiegen und ich war, so schnell ich konnte, davongelaufen. Direkt zur nächsten Polizeistation.

»Ethan, es ist viel passiert. Ich möchte mich bei dir entschuldigen. Aber in der letzten Zeit habe ich ausgiebig nachgedacht und ich habe dich wirklich vermisst«, sagte ich leise.

»Ich habe dich so lange nicht mehr gesehen und trotzdem hast du dich kaum verändert. Du siehst scharf aus wie eine Granate, das muss man dir lassen«, erwiderte Ethan und leckte sich über die Lippen.

»Können wir von vorn anfangen?«

»Von vorn anfangen? Du hast gut reden.« Seine Pupillen waren so groß, dass selbst ein Laie erkennen konnte, dass er auf irgendeiner Droge war. Er lief nervös auf und ab und überlegte. Ethan schien mir nicht zurechnungsfähig zu sein.

»Okay, Hailey, lass uns reden. Wir gehen zu mir«, sagte Ethan, der sich mittlerweile beruhigt hatte. Ich nickte zustimmend, etwas anderes blieb mir auch gar nicht übrig.

Meine Vergangenheit hatte mich mit einem Mal wieder eingeholt. Die Begegnung mit Ethan warf mich völlig aus der Bahn. Für diesen Mann hätte ich vor neun Jahren alles getan und hoffte nun, nie wieder zu dem kleinen verschüchterten Mädchen von damals zu werden.

Aiden

Der erste Tag meines neuen Lebens als Aiden Carter sollte anbrechen. Die perfekte Illusion wurde von den Technikern des LAPD geschaffen. Ein komplett gefälschter Lebenslauf mit einigen Straftaten wurde online gestellt. Meine Akte war dick und wirkte real.

Der erste Weg am heutigen Tag führte mich zu einem Friseur. Zu dem wollte ich sowieso schon seit ein paar Wochen gehen.

»Wie soll ich dir denn die Haare schneiden?«, fragte der schwul wirkende Friseur, der all meine im Kopf bestehenden Klischees bestätigte.

»Kurz«, erwiderte ich.

»Kurz? Du hast so tolles, blondes dickes Haar, es wäre eine Schande, es zu schneiden.«

»Muss sein, für die Arbeit«, antwortete ich kurz und knapp.

»Ach, gestern hatte ich erst eine junge Frau hier, die sich auch die Haare für ihren Job färben ließ. Was ihr Leute heute alles für eure Arbeitgeber tut, ist unbeschreiblich. Bist du für das Militär tätig? Du hast wirklich einen unglaublich tollen Körper«, erwähnte der Friseur und begutachtete meine Brust, die durch das enge Hemd zusätzlich betont wurde.

»Danke. Nein, ich bin Polizist.«

»Und die müssen heutzutage kurze Haare haben?«

»Ja.«

»Und wortkarg sind wir auch noch. Du wirst immer interessanter.«

Zum Glück dauerte das Haareschneiden nicht allzu lange, wobei ich nach einem Blick in den Spiegel ein wenig über den Kurzhaarschnitt erschrak. Das war nicht mehr Logan Connor, denn der trug seine Haare gerne ein paar Zentimeter länger.

Nach dem Friseurbesuch drehte ich eine Runde im Fitnessstudio, ehe ich ins Warm Snails aufbrach. Mit meinem grünen Tanktop und meiner schwarzen Hose hätte ich wirklich als Typ vom Militär durchgehen können. Die Akte, die mir der Chief gegeben hatte, hatte ich mir noch einmal kurz durchgelesen, damit ich die wichtigsten Leute in der Umgebung von Snuffie kannte. Der engste Kreis seiner Vertrauten bestand zum Glück nur aus vier Personen. Dazu zählten sein Bodyguard Hugh Jones, der Barkeeper Max Langer, Tony Smith, einer seiner Handlanger, und seine rechte Hand Jason McAdams.

Ich näherte mich dem Eingang und mich beschlich ein merkwürdiges Gefühl. Es war eine Bar in einem dreckigen Teil von South Los Angeles. Die Gebäude waren heruntergekommen und die Fassadenfarbe von der Sonne ausgeblichen. Das Schild, auf dem in großen neonroten Buchstaben Warm Snails aufleuchtete, hing schief über dem Eingang. Es war früher Abend, und ich wollte mit Snuffie unter vier Augen sprechen, ohne seine Freunde, die sich scheinbar meistens in seiner Nähe aufhielten. Ich musste sein Vertrauen gewinnen.

Ein bulliger Typ, der laut Akte Hugh sein musste, musterte mich schon von Weitem. Er sah auf mich herab, denn er war mit seinen zwei Metern etwa einen Kopf größer als ich. Durch seine massige Statur wirkte er wie ein Riese, aber das alles durfte mich nicht einschüchtern.

»Was willst du hier?«, fragte er und nahm seine Sonnenbrille ab.