Unschuldiges Begehren - Sandra Brown - E-Book

Unschuldiges Begehren E-Book

Sandra Brown

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Beschreibung

Mitten aus dem Leben und mitten ins Herz!

Hailey Asthon ist eine attraktive und selbstbewusste junge Frau, die ihr Leben allein meistert – so scheint es zumindest, doch hinter der kühlen Fassade verstecken sich ein zartes Herz und eine romantische Seele. Bislang hat Hailey noch nicht den Richtigen getroffen, erst als sie ihrem neuen Chef Tyler Scott begegnet, erwacht in ihr der Wunsch, auch einmal als begehrenswerte Frau wahrgenommen zu werden. Sie gibt sich ihm hin, doch dann versucht ihre Schwester Tyler zu verführen …

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Seitenzahl: 313

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Buch

Hailey Ashton ist eine intelligente, souveräne junge Frau, die ihr Leben im Griff hat. Dieses Bild haben zumindest die Außenstehenden von ihr, denn in Wirklichkeit ist sie nicht so zufrieden und glücklich, wie es den Anschein hat, und versteckt ihre Unsicherheit hinter einer kühlen Fassade. Ihre Arbeitsstelle als Gästebetreuerin des Vergnügungsparks Serendipity macht ihr zwar viel Spaß, aber tief in ihrem Inneren fühlt sie sich leer und einsam. Bislang hat sie noch nicht den Mann getroffen, mit dem sie gern ihr Leben verbringen möchte. Als sie jedoch ihrem Chef Tyler Scott begegnet, dem der Vergnügungspark gehört, erwacht in ihr der Wunsch, auch einmal als begehrenswerte Frau wahrgenommen zu werden. Hailey ist sich sicher, dass er der Mann ist, nach dem sie sich immer gesehnt hat, denn durch seine einfühlsame und zärtliche Art fühlt sie sich bei ihm sicher und geborgen. Bis ihre Schwester Ellen sie eines Tages besucht ...

Autorin

Sandra Brown arbeitete mit großem Erfolg als Schauspielerin und TV-Journalistin, bevor sie mit ihrem Roman Trügerischer Spiegel auf Anhieb einen großen Erfolge landete. Inzwischen ist sie eine der erfolgreichsten internationalen Autorinnen, die mit jedem ihrer Bücher die Spitzenplätze der New-York-Times-Bestsellerliste erreicht. Sandra Brown lebt mit ihrer Familie abwechselnd in Texas und South Carolina.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.sandra-brown.de

Inhaltsverzeichnis

BuchAutorinKapitel 1Copyright

Liebe Leserin,

bevor ich anfing, Thriller zu schreiben, habe ich jahrelang Romanzen verfasst. Unschuldiges Begehren wurde zum ersten Mal vor über zwanzig Jahren veröffentlicht.

Die Geschichte spiegelt die damals modernen Trends und Einstellungen wider, das Thema aber hat allzeit universelle Gültigkeit. Wie in allen Romanzen geht es auch in diesem Werk um zwei Menschen, deren Liebe unter einem schlechten Stern zu stehen scheint. Es gibt Augenblicke der Leidenschaft, des Schmerzes und der Zärtlichkeit – sie alle gehören dazu, wenn man sich in jemanden verliebt.

Das Schreiben von Romanzen hat mir großen Spaß gemacht. Sie haben eine optimistische Ausrichtung und einen ganz eigenen Charme. Falls Sie zum ersten Mal ein Buch dieser Gattung lesen, wünsche ich Ihnen dabei viel Spaß.

Sandra Brown

1

»Ashton«, meldete sich Hailey und drückte auf den erleuchteten Knopf der Gegensprechanlage.

»Miss Ashton, hier spricht Dawson.« Das statische Knistern und die Hintergrundgeräusche machten deutlich, dass der Wachmann in seinen Taschenpiepser sprach. »Kommen Sie bitte möglichst schnell zum Sidewinder. Hier ist die Hölle los, ohne dass irgendjemand sagen kann, was genau passiert ist.«

Ihr war sofort klar, dass dies ein Notruf war. Denn der ruhige, zuverlässige Mr Dawson klang vollkommen erschüttert. »Was ist los?« , fragte sie in professionell nüchternem Ton.

»Tja, dieser Typ hier macht ein Riesenaufhebens und schreit wie am Spieß, weil angeblich irgendwas mit seiner Tochter ist. Nach allem, was ich bisher mitbekommen habe, ist die Kleine auf die Damentoilette gerannt und hat sich dort eingesperrt. Inzwischen hat der Kerl eine ziemlich große Menschenmenge angelockt, und die Leute stellen alle möglichen Spekulationen an …«

»Bin sofort da.«

»Soll ich Ihnen einen Wagen schicken? Es ist heißer als …«

»Nein, ich komme zu Fuß«, antwortete Hailey schnell. »Versuchen Sie erst mal, alle zu beruhigen, Dawson. Vor allem den Vater.«

»Alles klar.«

Er schaltete seinen Piepser wieder aus, und Hailey rannte los und rief ihrer Assistentin über die Schulter »Charlene, halten Sie bitte hier die Stellung!« zu. Haileys rundum verglastes Büro lag direkt neben dem Haupteingang des Freizeitparks. Während sie sich einen Weg durch das Gedränge der Besucher bahnte, die, mit Kindern im Schlepptau und mit Kameras bewaffnet, durch die Drehkreuze auf das Gelände strömten, raubte die für September ungewohnte Hitze ihr die Luft.

Ein Gast hielt alle anderen in der Schlange auf, da er mit der Angestellten wegen einer ermäßigten Eintrittskarte stritt. Als Hailey an ihr vorüberstürzte, atmete die arme Frau erleichtert auf. »Miss Ashton …«

»Gibt es irgendein Problem, Sir?« , wandte sie sich dem Besucher zu, während sie gedanklich bei dem anderen Notfall war.

»Allerdings«, erklärte ihr der Mann in kämpferischem Ton. »Sie sagt, dass sie meinen Sohn nicht mit diesem Ticket reingehen lassen kann. Dabei ist er erst drei und kann sowieso nicht mit den großen Sachen fahren. Ich dachte …«

»Bitte, Sir, gehen Sie mit Ihrer Familie einfach durch. Ich bin sicher, dass die Eintrittskarte gültig ist«, versicherte ihm Hailey schnell. Diese Entscheidung war weder dem Management des Parks noch der Angestellten noch den anderen Gästen, die den vollen Eintrittspreis für ihre dreijährigen Kinder zahlten, gegenüber fair, aber sie hatte einfach keine Zeit, um näher auf die Sache einzugehen. Deshalb würde sie nachher noch einmal zu der Angestellten gehen und ihr deutlich machen, dass die Weigerung, den Kleinen kostenlos hereinzulassen, vollkommen korrekt gewesen war.

Mit einem knappen Kopfnicken, als der Mann ihr überschwänglich dankte, lief sie weiter durch das Tor in dem hohen grauen Holzzaun, der das für das Publikum gesperrte Areal des Parks umgab. An diesem Samstagnachmittag war der Serendipity-Freizeitpark ausnehmend gut besucht, und je größer die Besucherzahl, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass es zu irgendwelchen Krisen kam. Doch als Empfangschefin war Hailey den Umgang mit entweder durch Gott oder den Menschen verursachten kleineren Notfällen gewohnt.

Ihre mit leichten Absätzen versehenen Sandalen waren zum Joggen nicht unbedingt ideal, aber sie marschierte eilig über den in der für diese Jahreszeit untypischen Hitze flimmernden Asphalt. Ihr blütenweißer Rock wehte um ihre schlanken Beine, und sie konnte spüren, wie der Schweiß durch die grüne Baumwollbluse mit dem unterhalb von ihrem Plastiknamensschild diskret platzierten Logo ihrer Arbeitsstätte drang. Ein Glück, dass sie ihr Haar heute in einem Knoten trug, denn sonst hätten sich die schulterlangen kupferroten Strähnen in der feuchten Hitze sicher wild gelockt.

In Rekordzeit überquerte sie das Areal und trat wieder durch ein Tor. Aus dem Country Roads Theater, in dem Collegestudenten sechsmal täglich eine Revue zum Besten gaben, strömten gerade die Besucher, und sie wurde von der Menschenmenge regelrecht verschluckt.

Ihrem breiten Lächeln war nicht anzusehen, dass sich ihre Gedanken überschlugen. Ein kleines Mädchen hatte sich auf der Toilette eingesperrt? Was in aller Welt war wohl mit ihm passiert? Trotz ihrer Eile bückte sie sich nach dem Zigarettenstummel, der von einem achtlosen Besucher einfach fallen gelassen worden war. Wenn sich irgendwer vom Personal dabei erwischen ließ, dass er achtlos an irgendwelchem Müll vorüberlief, wurde er umgehend an die Luft gesetzt. Hauptsächlich jedoch sorgte das Heer von Wartungskräften, die in ihren leuchtend grünen Uniformen überall auf dem Gelände anzutreffen waren, dafür, dass der gesamte Park allzeit blitzsauber war.

Hailey kam an einem der großen Souvenirläden vorbei, in dem es Poster, T-Shirts, Kaffeebecher sowie jede Menge anderer Andenken an den Nationalpark Great Smoky Mountains, den Staat Tennessee und das Örtchen Gatlinburg zu kaufen gab. Die Geschäfte gingen offenkundig gut.

Allerdings war das Gedränge in dem Shop nicht mal annähernd so groß wie die neugierige Menge, die vor der Toilette gleich neben dem Sidewinder versammelt war. Die Achterbahn war derart groß und furchteinflößend, dass Hailey noch nie damit gefahren war. Jetzt aber achtete sie kaum auf das riesige Gerüst, sondern bahnte sich mit einem höflichen »Entschuldigung, Entschuldigung« und unter gleichzeitigem Einsatz ihrer Ellenbogen einen Weg durch das Gewühl. »Entschuldigung.« Sie schob sich an einem Mann vorbei, der ein tropfendes Eis in seinen Händen hielt, bevor sie praktisch mit Dawson zusammenstieß.

»Dawson.« Sie tippte ihn vorsichtig an der Schulter an.

Er wirbelte zu ihr herum. »Miss Ashton, Gott sei Dank …«

»Ist das endlich die Frau, auf die wir eine Ewigkeit gewartet haben?«

Die Stimme klang verächtlich, ungeduldig und erbost. Ihr Klang gab Hailey deutlich zu verstehen, dass es sich wohl kaum gelohnt hatte, so lange auf sie zu warten. Sie machte auf dem Absatz kehrt und sah in ein Paar harter grauer Augen unter zornig zusammengezogenen dunklen Brauen.

»Ich bin Hailey Ashton, die …«

»… Empfangschefin«, beendete er spöttisch ihren Satz, während er ihr Dekolleté und ihr Namensschild musterte. »Ersparen Sie mir Ihre ausschweifende Rede. Ich verlange, dass nun endlich was passiert.« Erst jetzt schaute er ihr wieder ins Gesicht. Für einen kurzen Moment erlosch der Zorn in seinem Blick, und er starrte sie mit großen Augen an. Dann atmete er hörbar ein, blinzelte und stieß mit harscher Stimme aus: »Etwas ist mit meiner Tochter passiert, aber statt endlich irgendwas zu unternehmen, stehen alle nur idiotisch rum.«

»Bitte beruhigen Sie sich, Sir, und sagen Sie mir, was geschehen ist«, bat Hailey ihn in strengem Ton. »Wenn Sie die Beherrschung verlieren, helfen Sie weder Ihrer Tochter noch sich selbst.«

Wäre die Situation nicht so dringend gewesen, hätte Hailey ihn wahrscheinlich nicht so unverhohlen kritisiert. Der Mann sah nicht so aus, als ob er sich Kritik gefallen ließ. Doch durch seine Empörung und die beleidigende Art, in der er mit ihr sprach, wurde das Problem ganz sicher nicht gelöst.

Wütend starrte er in ihre kühlen grünen Augen. Ihre nüchterne Beherrschung rang mit seiner zunehmenden Wut und gewann die Oberhand. Zähneknirschend gab er sich geschlagen und fuhr etwas ruhiger fort:

»Wir standen in der Schlange für das Ding da …« Er wies auf die Achterbahn. »Plötzlich wurde meine Tochter ohne ersichtlichen Grund kreidebleich, fing an zu schreien und rannte los. Ich lief ihr hinterher, aber sie war bereits auf die Damentoilette gestürzt, und die militante Klofrau dort hat mir den Weg versperrt. Ich …«

Hailey wandte ihm den Rücken zu. »Ist sie noch immer da drin?« , erkundigte sie sich bei Dawson, der mit dem Kopf nickte.

»Wie heißt sie?« , fragte sie den Vater, dessen Frustration sich noch verdreifacht hatte, als sie ihm einfach ins Wort gefallen war.

»Wie sie heißt?« , schrie er sie an. »Um Gottes willen, was macht das für einen Unterschied? Vielleicht ist ihr etwas Schreckliches passiert, und Sie stehen hier wie ein Roboter und wollen von mir wissen …«

»Ihr Name«, wiederholte sie.

Er raufte sich das bereits wirre dunkle Haar. »Sie heißt Faith. Verdammt, ihr Name ist Faith.«

»Danke.« Hailey lief auf die Toilette zu und rief über ihre Schulter: »Dawson, bitte schicken Sie die Leute weg. Bestellen Sie einen Wagen, und sagen Sie auf der Krankenstation Bescheid, dass ich vielleicht jemanden vorbeibringe.« Sie vergewisserte sich nicht, ob er tat, wie ihm geheißen. Denn auf Dawson war Verlass. Und genauso wenig blickte sie noch einmal auf den großen, breitschultrigen Mann, der ihr, wie sie wusste, wie ein rachsüchtiger Krieger auf den Fersen war.

Als sie in das kühle Häuschen kam, brauchte sie einen Moment, um ihre Augen nach dem blendend hellen Sonnenlicht an die dämmrige Umgebung zu gewöhnen.

Die Toilettenfrau trat lächelnd auf sie zu, und noch ehe Hailey irgendetwas fragen konnte, setzte sie zu einer ausholenden Erklärung an.

»Miss Ashton, es waren ein paar Frauen hier, und ich habe gerade eines der Waschbecken geputzt, als plötzlich dieses Mädchen schreiend durch die Tür gelaufen kam. Es hat sich in der hintersten Kabine eingesperrt. Ich habe versucht, die Kleine dazu zu bringen, dass sie mir die Tür aufmacht, aber sie weigert sich. Ich habe mich sogar auf den Toilettendeckel nebenan gestellt und über die Wand geguckt. Sie kauert in ihrer Kabine in der Ecke und heult sich die Augen aus dem Kopf. Und dann kam auf einmal dieser wild gewordene Kerl hereingerannt. Der hatte sicher irgendetwas Schreckliches im Sinn. Die anderen Frauen haben angefangen zu schreien, da sie offenbar dachten, er wäre ein Perverser oder so und machte Jagd auf dieses arme, vollkommen verschreckte kleine Ding. Ich habe alle rausgeschickt. Ich sagen Ihnen, ich …«

»Danke, Hazel«, brach Hailey die ansonsten sicher endlose Erklärung ab. »Warum warten Sie nicht draußen? Wenn ich Sie brauche, rufe ich. Und bitte lassen Sie sonst niemanden herein.«

»Sehr wohl, Ma’am.«

Hailey trat vor die Kabine, in die Faith geflüchtet war, und drückte vorsichtig die Klinke der verschlossenen Tür. »Faith? Bist du okay?« Sie erhielt keine Antwort außer einem Schluchzen, das sie bereits hörte, seit sie von draußen hereingekommen war. »Faith? Bitte lass mich rein. Ich will dir helfen. Dein Vater macht sich große Sorgen um dich.«

Das jämmerliche Weinen ebbte etwas ab. Ein paar leise Schniefer. Ein paar trockene Schluchzer. Dann ein leichter Schluckauf und ein Augenblick der Stille.

Hailey nutzte den Moment und sprach mit sanfter Stimme weiter: »Mein Name ist Hailey. Du kannst mir ruhig sagen, was geschehen ist.« Anschließend ergänzte sie intuitiv: »Wenn du möchtest, braucht sonst niemand zu erfahren, was für ein Problem du hast. Nicht einmal dein Vater.« Hailey hoffte nur, dass sie dieses Versprechen würde halten können, doch im Augenblick war einzig von Bedeutung, dass sie dieses Mädchen dazu brachte, ihr die Tür zu öffnen. Alles andere war erst mal egal.

»Sie … Sie werden es niemandem erzählen?« , stieß die Kleine mit kaum hörbarer Stimme aus.

»Nicht, wenn du das nicht willst.«

»Es ist furchtbar peinlich.« Wieder stieß sie einen Schluchzer aus. »Aber es tut auch weh.«

Haileys Nervosität nahm von Sekunde zu Sekunde zu. Sie blickte über ihre Schulter, weil sie Angst hatte, trotz ihres Befehls, sie nicht zu stören, käme jeden Augenblick der Vater angestürzt. »Was tut weh?«

Sie hörte das Rascheln von Stoff und dann das Knirschen von Metall. Die Tür des Häuschens ging nach innen auf, und in der Öffnung stand ein vielleicht elfjähriges Kind. Es trug Tennisschuhe, Shorts und hielt seine farblich dazu passende Bluse mit den Fäusten vor dem schmalen Oberkörper zu.

Zwei dunkelbraune Zöpfe mit pinkfarbenen Bändern baumelten zu beiden Seiten seines Kopfs, und durch eine Schildpattbrille blickte es aus tränenfeuchten grauen Augen zu ihr auf. Faith hatte dieselben Augen wie ihr Vater, merkte Hailey, und zugleich ging ihr die Frage durch den Kopf, wann zum Teufel ihr die Augenfarbe dieses Typen aufgefallen war.

»Hallo, Faith.« In der Hoffnung, dass das Mädchen dann aus der Kabine kommen würde, trat sie einen Schritt zurück.

»Hi.« Die Kleine machte einen Schritt nach vorn, starrte dann allerdings verlegen vor sich auf den Boden.

»Kannst du mir sagen, was passiert ist? Wo tut es dir weh?«

Das Mädchen leckte sich die Lippen, und Hailey sah das Blitzen der Metallspangen in seinem Mund. »Ich … uh … mich hat eine Biene gestochen.«

»Oh nein.« Hailey riss besorgt die Augen auf. »Bist du etwa allergisch gegen Bienen?«

Faith zuckte mit den Schultern. »Nein, ich glaube nicht. Ich meine, ich glaube nicht, dass ich jetzt sterben werde oder so«, klärte sie sie mit zitternder Stimme auf und fügte kaum hörbar hinzu: »Es brennt nur fürchterlich.«

»Und wo hat die Biene dich gestochen?«

»Draußen am Sidewinder.«

Hailey biss sich auf die Lippe, denn ein Lächeln hätte in diesem Moment ganz einfach nicht gepasst. »Ich weiß. Ich meine, wo an deinem Körper?«

»Oh.« Faith schaute eilig zu ihr auf und genauso eilig wieder fort. »Hier«, erklärte sie und riss kurzentschlossen ihre Bluse auf, als würde sie es sich vielleicht noch einmal überlegen, dächte sie darüber nach.

Hailey sah zwei rote Flecken auf der zarten, jungen, bisher kaum zur Weiblichkeit erblühten Brust. Und plötzlich war ihr alles klar. Das Mädchen war mit seinem Vater, aber offenkundig ohne seine Mutter da. Als die Biene es gestochen hatte, hatte ihm das Schamgefühl verboten, ihm zu sagen, wo das Tier gelandet war.

Haileys Herz zog sich vor lauter Mitgefühl zusammen. Sie erinnerte sich noch genau daran, wie sehr sie als Heranwachsende auf ihre Privatsphäre bedacht gewesen und wie schmerzlich ihr bereits die winzigste Veränderung an ihrem Körper aufgefallen war.

Sie trat vor eines der Waschbecken, befeuchtete dort ein Papierhandtuch und schaute das Mädchen lächelnd an. »Was glaubst du, wie die Biene dorthin gekommen ist?«

»Ich habe die Hand nach einer der Flaggen am Geländer ausgestreckt. Da sind auch ein paar Büsche.«

»Geißblatt.«

»Ja, das Zeug riecht wirklich gut. Aber wie dem auch sei, muss sie durch das Armloch meiner Bluse geflogen sein.« Wieder fingen ihre Lippen an zu zittern, und sie blickte Hailey ängstlich an. »Meinen Sie, dass Daddy böse auf mich ist? Ich glaube, ich habe mich ziemlich dämlich angestellt.«

Hailey musste ein erneutes Lächeln unterdrücken. Sie presste das nasse Papiertuch auf Faiths schmale Brust und hielt es einen Augenblick lang fest. »Ich glaube, er wird erleichtert sein, dass es nur ein Bienenstich gewesen ist«, versicherte sie ihr.

»Wobei natürlich so ein Bienenstich echt schmerzhaft ist. Aber mach dir keine Gedanken über ihn. Männer können einfach nicht verstehen, wie wir Frauen in dieser Beziehung empfinden, stimmt’s?«

Faith schüttelte den Kopf und schaute die wunderschöne Frau, die einfach alles zu verstehen schien, aus großen Augen an. »Nein. Er versteht es wirklich nicht. Er denkt, dass ich noch ein Baby bin.«

»Dabei kann jeder sehen, dass du praktisch schon erwachsen bist. Was hat er denn erwartet? Hättest du dir vielleicht vor allen Leuten deine Bluse herunterreißen und schreien sollen, dass dich eine Biene in die Brust gestochen hat?«

Mit ihrem dummen Spruch erzielte sie die erhoffte Wirkung. Faith fing an zu kichern, und Hailey nutzte den Moment und fragte das Mädchen: »Warum ziehen wir nicht erst mal deine Bluse wieder an? Halt das kalte Tuch auch weiter fest. Wir fahren mit einem Golfcart zur Krankenstation, ich mache diese fantastische Salbe auf die Stiche, damit sie aufhören wehzutun, und dann trinken wir zusammen eine Cola? Was meinst du?«

Faith blickte nervös in Richtung Tür, und Hailey fügte noch hinzu: »Die Menge hat sich garantiert zerstreut. Ich habe einem der Wachmänner gesagt, dass er die Leute wegschicken solle. Aber weißt du, falls mal jemand muss, geben wir die Damentoilette besser langsam wieder frei.«

Lachend zog das Mädchen seine Bluse wieder an, ließ sich von Hailey mit den Knöpfen helfen, kreuzte die Arme vor der Brust und hielt dadurch das kalte Tuch an seinem Platz.

Hailey fuhr mit einem zweiten feuchten Tuch durch Faiths Gesicht, bis es abgesehen von ihrer roten Nase und den leicht verquollenen Augen keinen Hinweis mehr auf das erlittene Elend gab, und dann legte sie einen Arm um die schmalen Schultern ihres Schützlings, und sie traten gemeinsam durch die Tür. Wie erhofft war von der Menschenmenge nirgends mehr etwas zu sehen. Einzig der besorgte Vater stand, zu einer Salzsäule erstarrt, an seinem Platz und blickte regungslos auf die Tür, doch sobald er seine Tochter sah, kam Leben in den Mann, und er kam mit großen Schritten auf sie zumarschiert.

»Alles in Ordnung, Faith?«

»Ja, Daddy. Es geht mir gut«, setzte sie schüchtern an.

»Was zum … in aller Welt … hat dich dazu gebracht, dich derart aufzuführen?« , herrschte er sie an.

Hailey unterbrach das Kreuzverhör, denn dafür war es ihrer Meinung nach zu früh. »Ich bringe Faith noch schnell mit einem Golfcart auf die Krankenstation. Ich glaube, dass sie in Ordnung ist, möchte aber ganz sicher gehen.« Damit führte sie das Kind in Richtung des Gefährts, das von Dawson für sie geordert worden war.

»Hören Sie, Miss …«

»Mr Dawson zeigt Ihnen sicher gern den Weg«, erklärte Hailey kühl, legte den ersten Gang des Golfcarts ein und lenkte ihn an einer Gruppe ausgelassener Teenager vorbei. Hätte sie sich noch mal umgedreht, hätte sie gesehen, dass der Kerl die Hände in die Hüften stemmte und so grimmig das Gesicht verzog, als hätte er sie mit Vergnügen eigenhändig umgebracht.

Innerhalb von wenigen Minuten schlossen Hailey und das Mädchen Freundschaft, und als sie den kleinen Backsteinbau betraten, plauderten sie angeregt. Da die Krankenschwester gerade einen älteren Gast versorgen musste, dem die Anstrengung des Parkbesuchs zu viel geworden war, führte Hailey Faith in einen der kleineren Behandlungsräume und holte die Salbe aus dem Schrank.

»Sag mir, wenn es wehtut«, murmelte sie leise, während sie ein wenig Balsam aus der Silberdose auf die beiden roten Flecken gab. Kaum war sie damit fertig, hörte sie, dass jemand durch die Eingangstür in den Empfangsbereich gelaufen kam. »Das ist Daddy«, stellte Faith unglücklich fest. »Ich wette, dass er total sauer auf mich ist.«

»Überlass ihn einfach mir. Hättest du jetzt gerne deine Cola?« , fragte Hailey sie in ruhigem Ton.

»Ja, bitte. Haben Sie etwas dagegen, wenn ich sie hier drinnen trinke?«

Hailey konnte ihren Wunsch, den Vater nicht sofort zu sehen, durchaus verstehen und blickte sie mit einem mitfühlenden Lächeln an. »Du kannst hier in diesem Zimmer bleiben, so lange du willst.«

Sie verließ den Raum, zog die Tür hinter sich zu und trat vor den Kerl, der direkt vor dem Empfangstisch zornentbrannt von einem Bein aufs andere trat. »Wo ist sie?« , herrschte er sie an. Nie zuvor in ihrem Leben hatte Hailey jemanden getroffen, der so unhöflich gewesen war wie dieser Mann.

»Sie ist noch im Behandlungsraum«, antwortete sie und stellte sich vor den Kühlschrank an der Wand. »Ich habe ihr gesagt, dass ich ihr eine Cola bringe.«

»Eine Cola!« , explodierte er. »Ich vergehe hier vor Angst, und Sie bieten ihr erst mal eine Cola an?«

Ohne auf ihn einzugehen, machte sie die Coladose auf und trug sie wortlos in den anderen Raum, wo Faith auf der Untersuchungspritsche saß und mit ihren langen, dünnen Beinen baumelte, wobei sie die Nichtraucherposter an den Wänden las.

Mit einem wohlerzogenen »Danke« nahm sie die ihr angebotene Dose an.

Hailey schaute sie an und erkundigte sich vorsichtig: »Wo ist denn deine Mutter, Faith?«

Das Mädchen ließ den Kopf sinken und murmelte in seine Brust: »Sie ist vor ein paar Monaten gestorben.«

Etwas in der Richtung hatte Hailey sich bereits gedacht. »Ich denke, ich sollte deinem Vater etwas von den Stichen sagen, was meinst du?« Faith nickte mit dem Kopf, und Hailey tätschelte ihr nacktes Knie, verließ abermals den Raum und zog die Tür hinter sich zu.

Faiths Vater hockte auf der Kante der mit Kunstleder bezogenen Couch, sprang allerdings sofort wieder auf, als er Hailey näher kommen sah. »Bleiben Sie ruhig sitzen«, bot sie ihm mit ruhiger Stimme an. »Weil ich nämlich erst noch ein Formular ausfüllen muss.«

Sie bemühte sich zu ignorieren, dass der Kerl am Überkochen war, nahm hinter dem Schreibtisch Platz, zog das erforderliche Formular aus einer Schublade und spannte es umständlich in die Schreibmaschine ein.

»Also, wie …«

»Zur Hölle mit Ihren verdammten Formularen«, herrschte er sie an. »Ich will wissen, was mit meiner Tochter ist – und zwar jetzt sofort.« Obwohl seine Stimme deutlich leiser und vor allem ruhiger als bei ihrer Auseinandersetzung draußen war, klang sie bedrohlicher als je zuvor. Außerdem saß er jetzt nicht mehr auf dem Sofa, sondern stand direkt vor ihrem Tisch.

Sie blickte zu ihm auf. Er stützte sich mit beiden Händen auf der Schreibtischplatte ab und schob sein Gesicht gefährlich dicht an sie heran. Zum allerersten Mal sah Hailey ihn als Mann und nicht als anstrengenden Gast, der einen normalen Arbeitstag zur Katastrophe werden ließ.

Seine Augen waren noch genauso kalt und so entschlossen wie vorher, als sie zur Achterbahn gekommen war. Die Flügel seiner langen, schmalen Nase waren vor Zorn gebläht, und sein breiter Mund bildete augenblicklich einen dünnen Strich, würde jedoch in entspanntem Zustand sicher voll und sinnlich ausschauen. Sein starrsinnig gereckter Kiefer und sein festes Kinn zeugten von einer Willenskraft, die einem Menschen, der so dumm oder so mutig war, sich mit ihm anzulegen, sicherlich gefährlich würde, und sein momentan zerzaustes, aber sorgfältig geschnittenes Haar wies in Höhe seiner Schläfen ein paar attraktive Silbersträhnen auf.

Über seiner breiten Brust und den Muskeln seiner wunderbar gebräunten Oberarme spannte sich ein blaues Polohemd, und durch die legere Stoffhose, die etwas dunkler als das Hemd des Mannes war, wurden seine schmalen Hüften und die harten Oberschenkel noch betont. Unterhalb des schlanken, muskulösen Halses konnte man im offenen Kragen seines Hemdes einen Hauch der dunklen Haare sehen, von denen die beeindruckende, maskuline Brust wahrscheinlich überzogen war.

So dicht über sie gebeugt erschien er ihr noch viel bedrohlicher als draußen bei der Achterbahn, wo sie zumindest nicht allein mit ihm gewesen war. Seine Männlichkeit war eine Kraft, die beinahe mit Händen greifbar war, und höchstens eine Närrin legte sich mit einem derart starken und entschlossenen Typen an. Hailey musste schlucken, klärte ihn dann allerdings nüchtern auf: »Faith wurde von einer Biene gestochen. Ich habe eine schmerzstillende, antiseptische Salbe auf die Wunde aufgetragen, und jetzt ruht sie sich noch etwas aus.«

Mit einem Seufzer der Erleichterung stieß sich der Kerl von ihrem Schreibtisch ab, richtete sich wieder auf und fuhr sich mit dem Handrücken über die feuchte Stirn. Kaum aber war ihm bewusst geworden, dass sein Kind nicht wirklich in Gefahr war, schaute er Hailey erneut durchdringend aus seinen grauen Augen an. »Und was zum Teufel hat dann dieses ganze Aufhebens gesollt? Warum hat sie mir nicht einfach gesagt, dass sie gestochen worden ist, statt wegzurennen und sich auch noch auf der Toilette einzusperren?«

»Weil sie in die Brust gestochen worden ist.« Hailey blickte ihn reglos an. Auch seine grauen Augen und sein fester Mund drückten nicht die allerkleinste Regung aus. »Ihre Tochter wird langsam zu einer jungen Dame, Mr …«

»Scott.«

»Mr Scott. Die Veränderungen, die ihr Körper augenblicklich durchmacht, machen sie verlegen. Die Schmerzen durch die Stiche haben sie erschreckt, aber vor allem hat sie sich für die Stelle geschämt, an der sie gestochen worden ist. Es war ihr einfach peinlich, Ihnen zu erzählen, was geschehen war.«

»Aber das ist doch total verrückt. Schließlich habe ich schon öfter weibliche Brüste gesehen.«

Aus irgendeinem Grund, den Hailey nicht benennen wollte, war ihr plötzlich siedend heiß, und sie rang erstickt nach Luft. Himmel, jetzt benahm sie sich genauso lächerlich wie Faith …

»Auch wenn Ihnen das vielleicht verrückt erscheint, ist für ein empfindsames, sensibles junges Mädchen im Alter Ihrer Tochter der Gedanke unerträglich … dass ein Mann es unbekleidet sieht.«

»Aber ich bin ihr Vater«, meinte er in einem Ton, der sein mangelndes Verständnis verriet.

»Trotzdem, Mr Scott. Ich weiß, es fällt Ihnen nicht leicht, das zu verstehen, aber bitte versuchen Sie es wenigstens. Faith ist völlig außer sich. Sie hat eine Heidenangst davor, dass Sie wütend auf sie sind.«

Mit einem unterdrückten Fluch warf er sich wieder auf die Couch und fuhr sich ein ums andere Mal frustriert mit einer Hand über das starrsinnig gereckte Kinn. Es war ihm deutlich anzusehen, dass er versuchte, etwas zu verstehen, was in seiner Welt bisher nicht vorgekommen war, und als er wieder zu ihr aufschaute, nahm sie in den grauen Augen einen ungewohnten weichen Ausdruck wahr. »Ich schätze, ich habe genauso überreagiert wie Faith.«

Jetzt blickte Hailey ihn mit einem echten Lächeln an. »Was völlig verständlich ist. Ich bitte um Verzeihung, aber ich habe Faith gefragt, wo ihre Mutter ist, und sie hat mir erzählt, dass Ihre Frau vor ein paar Monaten gestorben ist.«

»Sie war nicht meine Frau.« Er bemerkte Haileys plötzlich bleiche, fassungslose Miene, woraufhin er erklärte: »Als Faith geboren wurde, war sie meine Frau, doch schon kurz danach wurden wir geschieden, und Faith hat all die Zeit bei ihr gelebt. Vor ein paar Monaten starb Monica bei einem Bootsunfall, und erst da kam Faith zu mir.« Und mit einem selbstironischen Lächeln fügte er hinzu: »Wissen Sie, ich finde mich erst langsam in die Vaterrolle ein.«

Hailey blickte vor sich auf den Tisch und dann wieder schüchtern zu ihm auf. »Ein Kind allein großzuziehen ist sicher kein beneidenswerter Job. Unter diesen Umständen kann ich verstehen, dass es für Sie und Faith manchmal bestimmt noch nicht ganz einfach ist.«

Weshalb in aller Welt ging sie mit einem Mal auf die persönlichen Probleme dieses Mannes ein? Aber er hatte davon angefangen, oder etwa nicht? Könnte sie es also wagen, ihm noch einen Rat zu geben, selbst wenn der ganz sicher nicht erbeten worden war? »Bitte bedenken Sie, dass es nichts Sensibleres, emotional Unausgeglicheneres und Anstrengenderes als ein heranwachsendes Mädchen gibt.«

Seine dunklen Brauen zogen sich zusammen, während gleichzeitig in seine Augen ein schelmisches Blitzen trat: »Außer einem heranwachsenden Jungen, der bei einem heranwachsenden Mädchen landen will.«

Über Haileys grüne Augen senkten sich zwei dunkle Wimpernschleier, und eine ausnehmend ansprechende Röte überzog ihr eben noch blasses Gesicht. Statt ihm ins Gesicht zu sehen, wandte sie sich erneut der

Die amerikanische Ausgabe erschien 2001 unter dem Titel Seduction by Designbei Warner Books, Inc., New York

1. Auflage

Deutsche Taschenbuchausgabe Oktober 2012 bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Copyright der Originalausgabe © 1983 by Sandra Brown Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2012 by Verlagsgruppe

Random House GmbH Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel, punchdesign, München Umschlagmotiv: Shutterstock Images LLC Redaktion: Anita Hirtreiter ED · Herstellung: sam Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

eISBN 978-3-641-10322-4

www.blanvalet.de

www.randomhouse.de

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