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Nehmen wir an, ein Römer aus der Antike käme mit der Zeitmaschine zu uns. Bei allen Eingewöhnungsschwierigkeiten – er würde eine Menge aus seiner Welt in unserer erkennen: Man fährt etwa auf gut ausgebauten Straßen zu professionell besetzten Gerichten, wo Rechtsanwälte Prozesse im Römischen Rechtskreis und in lateinischer Schrift ausfechten. Die römische Kultur lebt weiter. Während des Bestehens des Imperium Romanum war die Romanisierung der eroberten Länder sehr erwünscht, denn sie sicherte die Herrschaft des Weltreiches. Römische Dichter sind bis heute eines der Vorbilder für abendländische Dichtung. Unsere Vorstellungen von Schule und Rhetorik fußen auf der römisch-hellenischen Welt. Wir verwenden Wörter wie Gips, Mörtel, Turm, Fenster, Becher, Lampe, Möbel, Engel, Feier, Kloster, Krone, Zins, Markt, Pacht, Straße, Butter, Käse, Koch, Schule, Tinte, Konjunktur, Inflation und Konkurrenz. Diese sind nur eine kleine Auswahl von Begriffen lateinischer Herkunft. Unsere Zeit teilen wir mit Monaten ein, die römische Namen tragen. Wer die Vergangenheit kennt, versteht die Gegenwart besser. Rom ist noch heute fast überall gegenwärtig. Ob in Sprache und Literatur, im Recht und in Verwaltung, Architektur und Medizin, im Sport, in der Kunst, im Ingenieurwesen – in allen diesen Bereichen finden sich erhebliche römische Ursprünge und nicht alle sind uns bewusst. Kommen Sie mit auf eine Entdeckungsreise, die übrigens noch immer nach dem römischen Alphabet geschrieben ist.
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Seitenzahl: 171
Alexander Rudow, Anja Stiller
Unser römische Erbe. Wie das alte Rom die heutige Welt prägt
1. Auflage 2024
Copyright © 2024 Regionalia Verlag,
ein Imprint der Kraterleuchten GmbH, Gartenstraße 3, 54550 Daun
Einbandgestaltung: Björn Pollmeyer
Lektorat: Handverlesen GbR, Bonn
Coverbild: iStock.com/Crisfotolux
ISBN E-Book 978-3-95540-776-6
ISBN Print 978-3-95540-399-7
www.regionalia-verlag.de
Einleitung
Roms wahre Größe zeigt sich in seiner Hinterlassenschaft
Wir sind Rom
Ein Imperium, das bis heute wirkt
Rom ist auch eine Idee
Nosce te ipsum
Allgemeine medizinische, anthropologische und demographische Daten aus dem alten Rom
Acht Missstände, an denen sich bis heute nichts geändert hat
Eine hochentwickelte Wirtschaft und Finanzwelt
Ein komplexes, quasiglobalisiertes Wirtschaftssystem
Effizienter Handel und logistische Meisterleistungen
Schecks in antiken römischen Banken
Sind die antiken Römer Kapitalisten?
Oder ist Kapitalismus nicht vornehm genug für die Patrizier?
Freie Arbeit trotz Sklaverei
Erste Mietskasernen – die insulae
Der Aufbau eines römischen Hochhauses
Mietwucher
Umweltverschmutzung und -ausbeutung
Die Entwaldung des Mittelmeerraums
Das Grönlandeis weist bis heute die Luftverschmutzung nach
Müllentsorgung ins Wasser
Die lateinische Schrift und die romanischen Sprachen
Kleine Geschichte der lateinischen Sprache
Das lateinische Alphabet
Weihnachten, Karneval oder beides? Die Saturnalien
Wein, Sex und Orgien
Von der Orgie zur Schicksalsgemeinschaft – und später zu Weihnachten?
Medizin im Römischen Reich
Hippokrates, Galenos und die Vier-Säfte-Lehre
Pflanzenheilkunde und Chirurgie
Nicht alles funktioniert wie beabsichtigt
Die Leibgarde des Kaisers
Für den Herrscher und seinen Schutz nur das Beste
Luxuriöse Kasernen für die Elite
Sauberkeit und Hygiene im antiken Rom
Wirklichkeit und Irrtümer
Rom von seiner schmutzigen Seite
Das hygienische Rom
Eine effizente und effektive Verwaltung
Roms Verwaltung nach dem Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr.
Neue Wasserleitungen für Neapel – aber pronto!
Sperrventile für Warm- und Kaltwasser
Körper- und Schönheitspflege
Attraktive Männer
Frauen und das Make-up
Masken und Cremes
Sex, Pornographie und Orgien
Was ist eine ordentliche Orgie?
»Er hatte Lust auf Männer wie Frauen«
Erfindung ultrakonservativer oder populistischer Kreise
Frivole Unterhaltung und Mittel der Politik
Bekanntes Beispiel – ein antiker »Sexratgeber«: Ovid
Liebe und Sex werden zum Politikum
Exemplarisch: das Bordell Lupanar in Pompeji
Ungewohntes und Vertrautes aus der Küche des alten Roms
Die Mahlzeiten
Was es noch nicht gibt
Was es gibt
Was wir nicht mehr essen
Römische Laptops und andere Computer
Hightech, USB-Buchsen und YouTube
Let’s get serious – der älteste Computer der Welt
Ein zusammenkorrodierter Klumpen – der Mechanismus von Antikythera
Knute und Emanzipation zugleich: Paideia und Humanismus
Wie heute: kulturelle Codes zementieren Herrschaft
Non vitae, sed scholae discimus – oder war das umgekehrt?
Seneca über das »Bulimie-Lernen«
Cicero und die humanitas
Von der römischen Justiz zum Rechtsstaat
Cicero & Co. schaffen die Grundlagen für heute
Roms »finsteres Mittelalter«
Der erste römische Kodex: das Zwölftafel-Gesetz
Das Zivilrecht – so strukturiert wie heute das deutsche BGB
Das Strafrecht – Ciceros großer Auftritt gegen Verres
Das römische Prozessrecht
Multikulti im Imperium Romanum
Integration im Bundesgenossenkrieg (bellum sociale)
Ägypten und Rom: Zwei dominante Kulturen treffen zusammen
Wer nicht interagiert, geht unter
Was ist das römische Erbe?
Literaturverzeichnis
Register
Bildtafeln
1 Handelsnetz im Römischen Reich um 180 n. Chr.
2 Gustave Boulanger, Der Sklavenmarkt (1882).
3 Die Verbreitung der romanischen Sprachen weltweit.
4 Die Prätorianer rufen Claudius 41 n. Chr. zum Princeps aus (Gemälde von Lawrence Alma-Tadema von 1867).
5 Die römische Aquäduktbrücke Pont du Gard
6 Sittsam und trist – die Gouvernante aus dem viktorianischen Zeitalter, gemalt von Richard Redgrave (1844).
7 Die Entwicklung »Roms« von 218 v. Chr. bis 117 n. Chr.
8 Nachbau des Antikythera-Mechanismus von Mogi Vicentini, 2007.
9 Das Forum Romanum. An den Rednertribünen
10 Cesare Maccari: Cicero klagt Catilina an. Historisierendes Fresko in der Villa Madama in Rom (1888).
11 Fjodor Andrejewitsch Bronnikow: Gekreuzigte Sklaven (1878).
12 Die italienische Halbinsel um 100 v. Chr., vor dem Bundesgenossenkrieg.
13 Darstellung der Taktik der Schlacht bei Actium.
14 Die Eroberung Roms durch die Barbaren 410 n. Chr., Phantasiegemälde von Joseph-Noël Sylvestre (1890).
15 Die herkömmliche Rekonstruktion der so genannten Völkerwanderungen
16 Vergil liest vor Augustus und Octavia aus der Aeneis. Historiengemälde von Jean-Joseph Taillasson aus dem Jahr 1787.
»Was haben die Römer je für uns getan?« So fragt John Cleese rhetorisch als Anführer der »Volksfront von Judäa« in der Komödie Das Leben des Brian. Rhetorisch deshalb, weil er davon ausgeht, dass die Römer für die Juden so ungefähr das Entbehrlichste sind, was man sich vorstellen kann. Leider aber fällt den begleitenden Revolutionären im antiken Judäa eine Menge ein: »den Aquädukt«, »die sanitären Einrichtungen«, »die schönen Straßen«, »medizinische Versorgung«, »Schulwesen«, »den Wein«, »die öffentlichen Bäder«, »die öffentliche Ordnung« – und schließlich: »den Frieden«. Da kommt schon einiges zusammen damals in Judäa, im Film bei Monty Python. Aber wie ist es mit uns heute, in der Wirklichkeit des 21. Jahrhunderts? Was ist römisch an unserem Leben? Kann man heute überhaupt von römischem Erbe auf breiter Front reden?
Roms Gründungsmythos: Die kapitolinische Wölfin säugt Romulus und Remus. (Bildnachweis: gemeinfrei)
Eins ist klar: Wenn Rom die Macht war, von der wir immer lesen – keine Supermacht im heutigen Sinne, sondern die einzige Macht in der bekannten Welt –, dann muss sich die wahre Größe des Imperium Romanum in dem zeigen, was seinen Untergang überdauert. Insofern ist es mit untergegangenen Reichen wie mit Menschen: Unsterblich werden sie durch ihre Hinterlassenschaft. Bach lebt weiter durch seine Musik, Shakespeare durch seine Literatur, Leonardo durch seine Kunst, Voltaire durch seine Philosophie, Curie durch ihre Naturwissenschaft ... Wodurch aber lebt das antike Rom heute weiter?
Man könnte allerdings den Gedanken seltsam finden, unser heutiges Leben solle Römisches in sich tragen – denn große Teile des Verbreitungsgebietes für das vorliegende Buch in Deutschland gehörten nie zum Imperium Romanum. Dasselbe gilt für andere Regionen Europas: Irland etwa, Skandinavien, Polen … und trotzdem ist ein bleibender römischer Einfluss auch außerhalb der Grenzen des alten Reiches nicht zu bestreiten. Selbst die Germanen aus dem Barbaricum jenseits des Limes blieben schon in der Antike nicht unbeeinflusst von römischer Zivilisation, und die heutigen Bewohner des altertümlichen, »barbarischen« Germania magna leben ganz selbstverständlich mit etlichen Errungenschaften des römischen Lebens.
Das Römische Reich und seine Provinzen zur Zeit seiner größten Ausdehnung unter Kaiser Trajan im Jahre 117. (Bildnachweis: gemeinfrei)
Heine stellt sich in Caput XI seines Deutschland. Ein Wintermärchen ironisch vor, wie ein »römisches« Deutschland aussähe, wenn die Römer das Gebiet der Germanen zur Gänze erobert hätten (unter Bezug auf die Varusschlacht):
Wenn Hermann nicht die Schlacht gewann,
Mit seinen blonden Horden,
So gäb es deutsche Freiheit nicht mehr,
Wir wären römisch geworden!
In unserem Vaterland herrschten jetzt
Nur römische Sprache und Sitten,
Vestalen gäb es in München sogar,
Die Schwaben hießen Quiriten!
Der Hengstenberg wär ein Haruspex
Und grübelte in den Gedärmen
Von Ochsen. Neander wär ein Augur
Und schaute nach Vogelschwärmen.
Birch-Pfeiffer söffe Terpentin,
Wie einst die römischen Damen.
(Man sagt, dass sie dadurch den Urin
Besonders wohlriechend bekamen.)
Der Raumer wäre kein deutscher Lump,
Er wäre ein röm’scher Lumpacius.
Der Freiligrath dichtete ohne Reim,
Wie weiland Flaccus Horatius.
Der grobe Bettler, Vater Jahn,
Der hieße jetzt Grobianus.
Me hercule! Maßmann spräche Latein,
Der Marcus Tullius Maßmanus!
Die Wahrheitsfreunde würden jetzt
Mit Löwen, Hyänen, Schakalen
Sich raufen in der Arena, anstatt
Mit Hunden in kleinen Journalen.
Wir hätten einen Nero jetzt,
Statt Landesväter drei Dutzend.
Wir schnitten uns die Adern auf,
Den Schergen der Knechtschaft trutzend.
Der Schelling wär ganz ein Seneca,
Und käme in solchem Konflikt um.
Zu unsrem Comelius sagten wir:
»Cacatum non est pictum.«
Gottlob! Der Hermann gewann die Schlacht,
Die Römer wurden vertrieben,
Varus mit seinen Legionen erlag,
Und wir sind Deutsche geblieben!
Unsinn aus dem 19. Jahrhundert: Hermann befreit Germania. In Wirklichkeit befreit umgekehrt die römische Zivilisation die germanische von einiger Rückständigkeit. (Bildnachweis: gemeinfrei)
»[...] Deutsche geblieben!« Nein. Sind wir nicht. Was Heine selbst vollkommen klar ist, das verfälschen auch heute noch Menschen mit Ausdrücken wie »echt deutsch« oder »original deutsch«. Die Germanen zur Zeit des Imperium Romanum sind keine Deutschen, sondern entwickeln sich über eine jahrtausendelange Ethnogenese zu dem Volk, das später in den Grenzen Deutschlands lebt. Bei dieser Entwicklung spielen vieleVölker und Kulturen eine Rolle, die die Deutschen beeinflussen und bereichern. Eine besonders wichtige dieser Kulturen ist die römische. Zugespitzt: ohne Rom kein Deutschland. Zumindest nicht so, wie wir es heute kennen.
Die Göttin Roma steht auch im ehemaligen Barbaricum. Hier im Schlosspark Hellbrunn in Salzburg. (Bildnachweis: Wikimedia Commons, Wolfgang Sauber)
Natürlich gilt dieser prägende Einfluss Roms ebenso für viele andere Staaten in Europa und auf der ganzen Welt. Solange es aber Nationen gibt, deren Menschen ich in irgendeiner Form einander zugehörig fühlen, mag es hilfreich sein, »das Römische« einer Nationalgemeinschaft zu verstehen. Gleichzeitig weist das Römische Reich über den Gedanken der Nation hinaus. Man mag beim konstituierenden Merkmal des Imperiums an Preußen denken, das weder ein einheitliches Staatsvolk noch ein festes Staatsgebiet kennt, sondern sich auf eine Staatsidee stützt (so auch die »Romidee«, dazu sogleich). Sebastian Haffner stellt in Preußen ohne Legende heraus, dass Preußen neben seiner Wahrnehmung als Militärstaat die Staatsideen von Vernunft, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit betont (Haffner 1998, S. 53).
In dieser Hinsicht ist Rom vom preußischen Staat gar nicht so weit entfernt:
Statue der Dea Roma auf dem Kapitolsplatz in Rom. Die Göttin personifiziert und symbolisiert den römischen Staat und die Stadt. (Bildnachweis: gemeinfrei)
Auch für das Römische Reich spielen seine Armeen eine zentrale Rolle, aber zugleich wird dieses Gebilde im Innern von etwas zusammengehalten, das die historische Forschung heute »Romidee« nennt. Diese Romidee reicht über die griechisch-römische Paideia hinaus, das Ideal der klassischen Bildung im intellektuellen und ethischen Sinn. Die Paideia dient vor allem als Bindeglied der Oberschicht. Die Romidee dagegen bezeichnet ein einigendes Band für das ganze Imperium: Vorstellungen, wonach der Stadt Rom eine universelle Vorrangstellung in Politik, Kultur und Religion zukommt Zusammengefasst handelt es sich dabei also um die Herrschaftsideologie des Römischen Reiches. Rom sei von der Vorsehung dazu bestimmt, der Welt Führung, Friede und eine beständige Ordnung zu bringen. In der Spätantike wandelt sich diese Vorstellung dahingehend, Rom sei das christliche Haupt der Welt.
Vereinfacht gesprochen beginnt die Neuzeit in Europa damit, dass man sich wieder an das römische Erbe erinnert. Es ist die Wiedergeburt oder Renaissance.
Wenn man zugegebenermaßen unwissenschaftlich vom »finsteren Mittelalter« spricht, so meint man damit eine Zeit, in der die wissenschaftlichen, kulturellen und zivilisatorischen Errungenschaften der Antike in Vergessenheit geraten, gerade auch die Errungenschaften der römischen Antike. Mit der Wiederbesinnung auf Rom und die Antike kehrt auch die alte Vorrangstellung der Romidee zurück und eine Vorrangstellung des antiken Roms. »Unsere« Neuzeit ist also bestimmt vom römischen Erbe.Wenn wir den Erblasser kennen und wissen, wie wir seinVermächtnis zum Teil unseres modernen Lebens machen, dann verstehen wir uns selbst besser. In diesem Sinne wünschen wir im Sinne Ciceros: Nosce te ipsum. – Erkenne dich selbst.
Fassade des Anthropologiemuseums in Madrid mit der Aufschrift Nosce te ipsum. – Erkenne dich selbst. (Bildnachweis: Wikimedia Commons, Luis García)
Am Anfang unserer Ausführungen zum römischen Erbe sollen zunächst ein paar allgemeine Daten stehen. Schließlich sollte man wissen, wovon die Rede ist, wenn im Folgenden von »den Römern«, vom »Römischen Reich« oder ganz einfach von »Rom« die Rede ist.
Zuvor noch eine Einschränkung: Da das Römische Reich eine Zeitspanne von nahezu 1 000 Jahren, vom 8. Jh. v. Chr. bis zum 7. Jh. n. Chr., umfasst und sich innerhalb dieses Jahrtausends natürlich vieles geändert hat, gelten diese Angaben für die Zeit der Hochblüte Roms und damit im Wesentlichen für das 2. nachchristliche Jahrhundert. Ohne eine solche »idealtypische« Eingrenzung würde man sich bei sämtlichen Angaben in zu vielen Details verlieren, was der Übersichtlichkeit eines allgemeinen Überblicks eher ab- als zuträglich wäre.
Wir beginnen mit den »Rahmendaten«: Die Menschen im antiken Rom werden nicht alt. Zumindest nicht nach heutigem Verständnis. Und sie sind auch nicht besonders groß. Knochen- und Skelettfunde geben uns darüber Aufschluss.
Dazu im Folgenden ein paar Angaben:
Die Männer in der Zeit zwischen dem 1. und dem 2. Jh. n. Chr. sind im Durchschnitt 1,65 Meter groß, die Frauen sind mit 1,55 Meter zehn Zentimeter kleiner. Das Größenverhältnis zwischen den Geschlechtern entspricht damit ungefähr dem von heute, wenn auch die absolute Größe eine andere ist. An der Größe hat sich übrigens über viele Jahrhunderte nichts geändert. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, genau genommen in den 1960er und 1970er Jahren, wird die Grenze von 1,70 Meter überschritten. Heute ist ein durchschnittlicher europäischer Mann 1,76 Meter groß, eine europäische Frau 1,64 Meter.
Außerdem sind die Menschen im alten Rom leichter, als wir es heute sind: 65 Kilogramm wiegt ein durchschnittlicher Mann, 49 Kilogramm eine Frau. Gemessen an der Größe ist das zwar kein Untergewicht, was es in absoluten Zahlen bei den Menschen von heute wäre. Insgesamt kann man aber durchaus feststellen, dass Übergewicht noch nicht sehr verbreitet ist.
Die Lebenserwartung der Menschen im alten Rom ist nicht sehr hoch. Sie beträgt im Durchschnitt 41 Jahre beim Mann und 29 Jahre bei der Frau. Dabei spielen vor allem Geburt und Kindbett eine entscheidende Rolle dafür, dass die Frauen noch wesentlich früher sterben als die Männer. Natürlich sind das durchschnittliche Angaben. Es gibt auch Menschen, die 90 Jahre alt werden, sie gelten aber als die absoluten Ausnahmen.
Vor allem die Kindersterblichkeit im antiken Rom ist hoch, die der Jungen sogar um einiges höher als die der Mädchen: Etwa 42 Prozent aller Jungen werden nicht älter als zehn Jahre, bei den Mädchen sind es dagegen nur 34 Prozent, die vor ihrem zehnten Lebensjahr sterben.
Bei den Zwanzig- bis Dreißigjährigen kehrt sich diesesVerhältnis allerdings um: 25 Prozent aller jungen Frauen sterben während dieser Zeit, aber nur 18 Prozent aller Männer. Den Grund für die hohe Sterblichkeit der Frauen sieht man im bereits erwähnten häufigen Tod im Kindbett, einem Risiko, das für die Frauen in hochzivilisierten Gesellschaften heute kaum noch besteht.
Eine interessante Parallele zu unserer heutigen Zeit ergibt übrigens die Analyse der Zähne: Sklaven hatten weniger Karies als Gutsbesitzer! Ein eindeutiger Beleg dafür, dass Karies damals wie heute ein Phänomen der Wohlstandsgesellschaft ist. Denn die Sklaven ernährten sich – wenn auch mit Sicherheit nicht freiwillig – zucker- und kohlenhydratärmer als ihre reichen Herren.
… zumindest nicht in Großstädten und, glaubt man dem Wissenschaftsjournalisten und Historiker Alberto Angela, erst recht nicht in Rom. Zugegeben, ein »Erbe« im engeren Sinne sind diese im Folgenden genannten Schwierigkeiten nicht. Aber sie werfen doch ein interessantes Licht auf die in manchen Punkten gar nicht so unterschiedlichen Lebensbedingungen in den Großstädten von damals und heute. Problematisch waren und sind:
Der Verkehr: Bereits im Jahr 45 n. Chr. erlässt Julius Caesar eine Vorschrift, der zufolge tagsüber nur Fahrzeuge mit öffentlichem Interesse in den Straßen Roms fahren dürfen. Aber daran halten sich offenbar nicht viele Menschen, damals wie heute gilt es als erstrebenswertes Privileg, in Rom mit dem Privatfahrzeug zu fahren, wann und wo auch immer man möchte.(Bildnachweis: Pixabay)
Lärm in Rom
(Bildnachweis: gemeinfrei)
Ebenso polemisch wie unmissverständlich nimmt der Dichter Martial (40–102/104 n. Chr.) Stellung zu »Lärm und Chaos« im alten Rom:
In Rom gibt es keinen einzigen Platz, wo man meditieren oder sich ausruhen könnte. Morgens quälen dich die Grundschullehrer, nachts die Bäcker und tagsüber das Hämmern der Kupferschmiede. Da steht der Geldwechsler und schüttet auf seinem schmierigen Tisch Neros Münzen aus. Dort schlägt der Juwelier mit seinem glänzenden Hämmerchen auf spanisches Gold ein. Und die Fanatiker des Bellona-Kults (eine Kriegsgottheit) hören nie auf zu schreien; der Schiff-brüchige erzählt an eine Holzplanke geklammert seine Geschichte, der kleine jüdische Junge ist von seiner Mutter dazu abkommandiert, dich um Almosen anzugehen; der triefäugige Verkäufer preist laut seine Schwefelhölzchen an …
(Martial, zit. n. Angela 2011, S. 191f.)
Eine Wirtschaft hat Gesichter. Bei den USA als aktuell größter Volkswirtschaft der Welt sind dies etwa die Porträts von George Washington, Thomas Jefferson, Abraham Lincoln oder Benjamin Franklin, die uns auf Münzen und Geldscheinen begegnen. Im antiken Rom der Kaiserzeit sind die Cäsaren die Gesichter der Wirtschaft, wie Augustus, Tiberius, Caligula oder Claudius. Bei einem Sensationsfund aus dem Jahr 2008 sind sogar Gesichter aus zwei-einhalb Jahrhunderten in einem Schatz vereint: Ein Hobbyarchäologe geht mit seinem Metalldetektor über ein Feld in der Nähe der englischen Stadt Warwick und entdeckt dabei ein weißes Tongefäß. Es steckt randvoll mit Silbermünzen, insgesamt 1155 Stück, sogenannte Denarii aus dem Imperium Romanum. Die älteste der Münzen stammt von ungefähr 192 v. Chr., die jüngste von etwa 63 n. Chr.
Die Frage ist: Warum tritt ein Sammelsurium von Denarii aus mehr als 250 Jahren in einem einzigen Schatz auf? Und wie gelangte das Geld nach Britannien, in diese entlegene Ecke des Imperiums? Die Antwort ist, dass im Römischen Reich bereits ein komplexes, quasiglobalisiertes Wirtschaftssystem existiert. Die Handelsbeziehungen reichen über Tausende Kilometer und umfassen Import und Export. Das Netz aus Bargeld,Währungen und Wechselkursen ist riesig und spielt in diesem System eine zentrale Rolle. Eine einheitliche Währung gibt es nämlich lange nicht im Imperium, erst ab 294 n. Chr. mit einer Münzreform unter Diokletian (Kaiser von 284 bis 305 n. Chr.). Enorm ist auch die Zeitspanne, die die antiken Münzen in ihrer Gültigkeit überdauern. Große Altersunterschiede sind bei Silbermünzen damals gang und gäbe.
Ein Denar aus der Ära des Augustus, um Christi Geburt. (Bildnachweis: Wikimedia Commons, Gunthram)
Die Münzen behalten ihren Wert auch nach einem Machtwechsel und bleiben im Umlauf. Der riesige Herrschaftsbereich des Imperiums ist vor Diokletians Münzreform in währungstechnischer Hinsicht auch geographisch sehr heterogen, ein Flickenteppich. Das gilt vor allem in der Levante, dem östlichen Mittelmeerraum. Mit der einheitlichenWährung versucht Diokletian, einer grassierenden Inflation Herr zu werden (Wienecke-Janz 2008, S. 301). In diesem Bereich denkt man schnell an an die Währungspolitik der Heutigen Europäischen Union und eine noch verbreitete Ablehnung des Euro. Die Vielfalt der unterschiedlichen Währungen im Römischen Reich erklärt sich aus der schrittweisen Erweiterung des Imperiums. Wenn Rom neue Gebiete erobert, belässt es diesen regelmäßig die lokalen Währungen und Münzen. Die ptolemäischen Tetradrachme in Ägypten zum Beispiel behält Größe, Wert und Zusammensetzung bei. Die Römer prägen sie einfach weiter. Allerdings erhält das lokale Geld oft neue Bilder, und zwar römische. In einigen Fällen produziert man die Regionalwährung wohl sogar in Rom und verfrachtet sie dann in die Provinz. Man vermutet, dass die Hauptstadt den Provinzen ihr Geld als Identifikationsfaktor belassen möchte.