Utopia - Thomas Morus - E-Book

Utopia E-Book

Thomas Morus

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Beschreibung

Der Philosoph und Staatsmann Thomas Morus (1478 - 1535) schildert in seinem bekanntesten Werk, das gleichzeitig auch das wohl wichtigste historische Traktat des zu Ende gehenden Mittelalters ist, eine in weiter Zukunft liegende ideale Gesellschaft. Mit seinem bekanntesten Werk schafft Morus die Grundlage der Sozialutopien. Die Erstveröffentlichung von "Utopia" geschieht auf Betreiben des ebenfalls berühmten Humanisten und persönlichen Freundes Erasmus von Rotterdam Anfang des 16. Jahrhunderts. Morus übt - was zur damaligen Zeit kein geringer Affront ist - Kritik an den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen Europas, insbesondere Englands. Gekleidet ist das aufgezeichnete Gedankenspiel Morus' in den Bericht eines Seemanns, der bei den Utopiern, wie die Einwohner dieses Idealstaates genannt werden, gelebt haben soll. Aufgezeigt werden politische Entscheidungsprozesse, Jurisprudenz, Religionsfreiheit, aber auch soziale Verhaltensregeln und Wirtschaftsfragen. "Auch die, die vom Christentum nichts wissen wollen, machen trotzdem niemanden abspenstig und lassen jeden, der dazu übertritt, unbehelligt." [Abschnitt "Die Religion der Utopier"] Das Buch ist so prägend, dass es gleichsam die Gattung der Utopien begründet. Bedeutende Nachfolger sind "A Modern Utopia" von H. G. Wells, "Ecotopia" von Ernest Callenbach und "Island" von Aldous Huxley. Morus wird nach Intrigen am englischen Königshof eingekerkert, sein Vermögen eingezogen und am 6. Juli 1535 enthauptet - eine vorangehende Folter hat ihm der König Heinrich VIII. erlassen. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 219

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Thomas Morus

Utopia

Thomas Morus

Utopia

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-954183-19-7

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Inhaltsverzeichnis

Das Buch

Ori­gi­nal­ti­tel

Vor­re­de zu dem Wer­ke über den bes­ten Zu­stand des Staa­tes

Tho­mas Mo­rus grüßt sei­nen Pe­ter Ägid aufs herz­lichs­te.

Ers­tes Buch

Rede des treff­li­chen Ra­pha­el Hyth­lo­de­us über den bes­ten Zu­stand des Staa­tes, ver­öf­fent­licht von dem er­lauch­ten Tho­mas Mo­rus, Bür­ger und Vi­ce­co­mes der rühm­lich be­kann­ten bri­ti­schen Haupt­stadt Lon­don.

Zwei­tes Buch

Des Ra­pha­el Hyth­lo­de­us Rede über den bes­ten Zu­stand des Staa­tes

Die Städ­te, na­ment­lich Amau­ro­tum

Die Ob­rig­kei­ten

Die Hand­wer­ke

Der Ver­kehr der Uto­pier mit­ein­an­der

Die Rei­sen der Uto­pier

Die Skla­ven

Das Kriegs­we­sen

Die Re­li­gi­on der Uto­pier

Dan­ke

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Ihr Jür­gen Schul­ze

99 Welt-Klas­si­ker

Der Tee der drei al­ten Da­men

Arme Leu­te und Der Dop­pel­gän­ger

Der Vam­pir

Der selt­sa­me Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Der Idi­ot

Jane Eyre

Effi Briest

Ma­da­me Bo­va­ry

Ili­as & Odys­see

Ge­schich­te des Gil Blas von San­til­la­na

und wei­te­re …

Das Buch

Der Phi­lo­soph und Staats­mann Tho­mas Mo­rus (1478 - 1535) schil­dert in sei­nem be­kann­tes­ten Werk, das gleich­zei­tig auch das wohl wich­tigs­te his­to­ri­sche Trak­tat des zu Ende ge­hen­den Mit­tel­al­ters ist, eine in wei­ter Zu­kunft lie­gen­de idea­le Ge­sell­schaft.

Mo­rus ist ein hu­ma­nis­ti­scher Au­tor. Er ist ein Hei­li­ger und Mär­ty­rer der rö­misch-ka­tho­li­schen Kir­che. Mit sei­nem be­kann­tes­ten Werk schafft er die Grund­la­ge der So­zia­lu­to­pi­en.

Die Erst­ver­öf­fent­li­chung von »Uto­pia« ge­schieht auf Be­trei­ben des eben­falls be­rühm­ten Hu­ma­nis­ten und per­sön­li­chen Freun­des Eras­mus von Rot­ter­dam An­fang des 16. Jahr­hun­derts. Die ers­te deut­sche Über­set­zung er­scheint 1524. Mo­rus übt -- was zur da­ma­li­gen Zeit kein ge­rin­ger Affront ist - Kri­tik an den po­li­ti­schen und ge­sell­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen Eu­ro­pas, ins­be­son­de­re Eng­lands.

Ge­klei­det ist das auf­ge­zeich­ne­te Ge­dan­ken­spiel Mo­rus’ in den Be­richt ei­nes See­manns, der bei den Uto­pi­ern, wie die Ein­woh­ner die­ses Ideal­staa­tes ge­nannt wer­den, ge­lebt ha­ben soll. Auf­ge­zeigt wer­den po­li­ti­sche Ent­schei­dungs­pro­zes­se, Ju­rispru­denz, Re­li­gi­ons­frei­heit, aber auch so­zia­le Ver­hal­tens­re­geln und Wirt­schafts­fra­gen.

Die Uto­pier bil­den eine auf Gleich­heit und Recht­staat­lich­keit ba­sie­ren­de Ge­sell­schaft, die nach Bil­dung und De­mo­kra­tie strebt. Jeg­li­cher Be­sitz ist bei ih­nen ge­mein­schaft­lich, An­wäl­te sind un­be­kannt und Krie­ge wer­den mit aus­län­di­schen Söld­nern ge­führt.

»Auch die, die vom Chris­ten­tum nichts wis­sen wol­len, ma­chen trotz­dem nie­man­den ab­spens­tig und las­sen je­den, der dazu über­tritt, un­be­hel­ligt.« [Ab­schnitt »Die Re­li­gi­on der Uto­pier«]

Das Buch ist so prä­gend, dass es gleich­sam die Gat­tung der Uto­pi­en be­grün­det. Be­deu­ten­de Nach­fol­ger sind »A Mo­dern Uto­pia« von H. G. Wells, »Eco­to­pia« von Er­nest Cal­len­bach und »Is­land« von Al­dous Hux­ley.

Mo­rus wird nach Int­ri­gen am eng­li­schen Kö­nigs­hof ein­ge­ker­kert, sein Ver­mö­gen ein­ge­zo­gen und am 6. Juli 1535 ent­haup­tet -- eine vor­an­ge­hen­de Fol­ter hat ihm der Kö­nig Hein­rich VIII. er­las­sen.

*

In­for­ma­tio­nen über Gra­ti­s­an­ge­bo­te und Neu­ver­öf­fent­li­chun­gen un­ter:

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Originaltitel

LIBELLUS VERE AUREUS NEC mi­nus sa­lu­ta­ris quam fes­ti­vus de op­ti­mo reip. sta­tu, de­que nova In­su­la Uto­pia au­to­re cla­ris­si­mo viro Tho­ma Moro in­clutae ci­vi­ta­tis Lon­di­nen­sis cive & vi­ce­co­mi­te cura M. Pe­tri Ae­gi­dii Ant­ver­pi­en­sis, & arte Theo­do­ri­ci Mar­ti­ni Alus­ten­sis, Ty­po­gra­phi al­mae Lo­va­ni­en­si­um Aca­de­mi­ae nunc pri­mum ac­cu­ra­tis­si­me edi­tus.

Cum gra­tia & pri­vi­le­gio.

*

Ti­tel der Erst­aus­ga­be aus dem Jah­re 1516

Vorrede zu dem Werke über den besten Zustand des Staates

Thomas Morus grüßt seinen Peter Ägid aufs herzlichste.

Fast schä­me ich mich, mein liebs­ter Pe­ter Ägid, daß ich Dir dies Büch­lein über den Staat von Uto­pi­en erst nach bei­na­he ei­nem Jah­re schi­cke. Hast Du es doch ohne Zwei­fel in­ner­halb von an­dert­halb Mo­na­ten er­war­tet, da mir ja, wie Du wuß­test, bei die­sem Wer­ke die Mühe der Er­fin­dung des Stof­fes ab­ge­nom­men war und ich mir auch in be­treff der Glie­de­rung nichts aus­zu­den­ken brauch­te. Denn ich hat­te nur das wie­der­zu­ge­ben, was ich mit Dir zu­sam­men Ra­pha­el ge­ra­de so hat­te er­zäh­len hö­ren. Des­halb lag auch kein An­laß vor, mich hin­sicht­lich des Sti­les ab­zu­mü­hen. Ra­pha­el konn­te sich ja gar nicht ge­sucht aus­drücken; denn ers­tens sprach er, ohne daß er es vor­her wuß­te und sich vor­be­rei­ten konn­te, so­dann ist er, wie Du weißt, im La­tei­ni­schen nicht so zu Hau­se wie im Grie­chi­schen, und schließ­lich kommt mei­ne Rede der Wahr­heit um so nä­her, je mehr sie sich sei­ner nach­läs­si­gen und schlich­ten Aus­drucks­wei­se nä­hert, und um die Wahr­heit al­lein muß und will ich mich bei die­ser Sa­che küm­mern.

Ich gebe denn auch zu, mein Pe­ter, das, was ich vor­fand, hat­te mir so viel Ar­beit ab­ge­nom­men, daß fast nichts mehr zu tun üb­rig­b­lieb. An­dern­falls hät­te ja auch Er­fin­dung oder Glie­de­rung des Stof­fes nicht we­nig Zeit und Stu­di­um ei­nes nicht un­be­deu­ten­den und recht ge­lehr­ten Geis­tes er­for­dert. Wür­de man nun nicht bloß eine der Wahr­heit ent­spre­chen­de, son­dern auch ge­schmack­vol­le Dar­stel­lung ver­lan­gen, so hät­te ich das nicht leis­ten kön­nen, auch wenn ich all mei­ne Zeit und all mei­nen Ei­fer auf­ge­wendet hät­te. So aber, da die­se Schwie­rig­kei­ten weg­fie­len, die zu be­wäl­ti­gen viel Schweiß ge­kos­tet hät­te, blieb ein­zig und al­lein die ein­fa­che Auf­zeich­nung des­sen üb­rig, was ich ge­hört hat­te, und das war wirk­lich kei­ne Ar­beit mehr. Aber selbst zur Er­le­di­gung die­ser so un­be­deu­ten­den Ar­beit lie­ßen mir mei­ne üb­ri­gen Ge­schäf­te fast noch we­ni­ger als kei­ne Zeit. Neh­men mich doch dau­ernd mei­ne Ge­richtssa­chen in An­spruch. Bald füh­re ich einen Pro­zeß, bald bin ich Bei­sit­zer, bald schlich­te ich einen Han­del als Schieds­rich­ter, bald ent­schei­de ich einen an­de­ren als Rich­ter, bald be­su­che ich die­sen in ei­ner amt­li­chen, bald je­nen in ei­ner ge­schäft­li­chen An­ge­le­gen­heit. Wäh­rend ich so fast den gan­zen Tag au­ßer­halb mei­nes Hau­ses frem­den Leu­ten und nur den Rest mei­nen An­ge­hö­ri­gen wid­me, kann ich für mich, d. h. für mei­ne Stu­di­en, nichts er­üb­ri­gen. Denn kom­me ich nach Hau­se, so muß ich mit mei­ner Frau plau­dern, mit den Kin­dern schwat­zen und mit dem Ge­sin­de spre­chen. Al­les das rech­ne ich zu mei­nen Pf­lich­ten, weil es er­le­digt wer­den muß. Es muß aber er­le­digt wer­den, wenn man nicht in sei­nem ei­ge­nen Hau­se ein Fremd­ling sein will. Man muß sich über­haupt Mühe ge­ben, so lie­bens­wür­dig wie mög­lich zu de­nen zu sein, die ei­nem die Na­tur als Beglei­ter auf dem Le­bens­we­ge vor­ge­se­hen oder die der Zu­fall oder ei­ge­ne Wahl dazu ge­macht hat. Nur darf man sie nicht durch Leut­se­lig­keit ver­der­ben und die Die­ner nicht durch Nach­sicht zu sei­nen Her­ren wer­den las­sen. Über dem, was ich an­ge­führt habe, geht ein Tag, geht ein Mo­nat, geht ein Jahr hin. Wann also kom­me ich da zum Schrei­ben? Und da­bei habe ich noch gar nicht vom Schla­fen ge­spro­chen und auch noch nicht ein­mal vom Es­sen, das bei vie­len Leu­ten nicht we­ni­ger Zeit in An­spruch nimmt als der Schlaf, der fast die Hälf­te der Le­bens­zeit für sich be­an­sprucht. Aber für mich ge­win­ne ich nur so viel Zeit, wie ich mir vom Schla­fen und Es­sen ab­steh­le. Weil das nur we­nig ist, so habe ich die Uto­pia auch nur lang­sam fer­tig­ge­bracht; weil es aber im­mer­hin et­was ist, so ist sie doch nun end­lich fer­tig ge­wor­den, und ich schi­cke sie Dir zu, da­mit Du sie liest und mich dar­auf auf­merk­sam machst, falls mir et­was ent­gan­gen sein soll­te. Nun habe ich frei­lich in die­ser Be­zie­hung ziem­lich viel Zu­trau­en zu mir -- ich woll­te, mit mei­nem Geis­te und mit mei­nem Wis­sen stün­de es eben­so wie mit mei­nem Ge­dächt­nis, das mich nur manch­mal im Sti­che läßt --, doch ist mein Zu­trau­en nicht so groß, daß ich an­neh­men dürf­te, mir könn­te nichts ent­fal­len sein. Denn auch mein Fa­mu­lus, Jo­han­nes Cle­mens, hat mich sehr be­denk­lich ge­stimmt. Wie Du ja wohl weißt, war er da­mals da­bei, und ich las­se ihn an je­der Un­ter­hal­tung teil­neh­men, aus der er et­was ler­nen kann; denn von die­sem Schöß­ling, der im La­tei­ni­schen wie im Grie­chi­schen zu grü­nen be­gon­nen hat, er­hof­fe ich der­einst einen gu­ten Er­trag. So­viel ich mich näm­lich er­in­ne­re, hat Hyth­lo­de­us er­zählt, jene Brücke von Amau­ro­tum über den Fluß Any­drus sei 500 Dop­pel­schrit­te lang. Mein Jo­han­nes aber mein­te, man müs­se 200 ab­zie­hen; der Fluß sei dort nicht brei­ter als 300 Dop­pel­schrit­te. Be­sin­ne Dich doch bit­te noch ein­mal dar­auf! Wenn Du näm­lich der glei­chen Mei­nung bist wie Jo­han­nes, so will auch ich zu­stim­men und einen Irr­tum mei­ner­seits an­neh­men. Soll­test Du aber selbst Dich nicht mehr be­sin­nen kön­nen, so bleibt ste­hen, wor­auf ich mich selbst zu be­sin­nen glau­be. Wenn ich mich näm­lich auch vor je­der falschen An­ga­be in dem Bu­che streng hü­ten will, so zie­he ich doch in Zwei­fels­fäl­len die Un­wahr­heit der Lüge vor, weil ich Tu­gend hö­her schät­ze als Klug­heit. Frei­lich wäre die­ser Scha­den leicht zu hei­len, wenn Du Ra­pha­el selbst münd­lich oder schrift­lich fra­gen woll­test. Das mußt Du so­wie­so tun we­gen ei­nes an­de­ren Be­den­kens, das uns ge­kom­men ist, ich weiß nicht, ob mehr durch mei­ne oder Dei­ne oder Ra­phaels ei­ge­ne Schuld. Denn we­der ist es uns in den Sinn ge­kom­men, da­nach zu fra­gen, noch ihm, es uns zu sa­gen, in wel­cher Ge­gend je­nes neu­en Erd­teils Uto­pia liegt. Wahr­haf­tig, wie gern wür­de ich mit et­was Geld von mir die­se Un­ter­las­sung un­ge­sche­hen ma­chen! Denn ers­tens schä­me ich mich ein we­nig, nicht zu wis­sen, in wel­chem Mee­re die In­sel liegt, von der ich so viel zu be­rich­ten weiß; so­dann aber gibt es bei uns den einen und den an­de­ren, vor al­lem aber einen from­men Theo­lo­gen von Be­ruf, der dar­auf brennt, Uto­pia zu be­su­chen, nicht aus eit­lem und neu­gie­ri­gem Ver­lan­gen, Neu­es zu se­hen, son­dern um die ver­hei­ßungs­vol­len Kei­me un­se­rer Re­li­gi­on dort zu pfle­gen und noch zu ver­meh­ren. Um da­bei ord­nungs­ge­mäß zu ver­fah­ren, hat er be­schlos­sen, sich vor­her einen Mis­si­ons­auf­trag vom Paps­te zu ver­schaf­fen und sich von den Uto­pi­ern so­gar zum Bi­schof wäh­len zu las­sen. Da­bei stört es ihn durch­aus nicht, daß er sich um die­ses Vor­ste­her­amt erst be­wer­ben müß­te. Al­ler­dings ist sein Ehr­geiz, wie er meint, des­halb gott­ge­fäl­lig, weil er nicht durch Rück­sicht auf Ehre oder Ge­winn, son­dern durch Rück­sicht auf die Re­li­gi­on be­dingt ist.

Des­halb wen­de Dich, mein Pe­ter, ich bit­te Dich dar­um, ent­we­der münd­lich, wenn es Dir ohne Um­stän­de mög­lich ist, oder brief­lich an Hyth­lo­de­us und sor­ge da­für, daß in die­sem mei­nen Wer­ke nichts Fal­sches steht oder nichts Wah­res ver­mißt wird. Und viel­leicht ist es bes­ser, ihm das Buch selbst zu zei­gen. Ei­ner­seits näm­lich ist nie­mand an­ders eben­so im­stan­de, einen et­wai­gen Irr­tum zu be­rich­ti­gen, an­der­seits kann er das selbst auch nur, wenn er durch­liest, was ich ge­schrie­ben habe. Au­ßer­dem wirst Du auf die­se Wei­se mer­ken, ob er da­mit ein­ver­stan­den ist, daß ich die­ses Buch schrei­be, oder ob er är­ger­lich dar­über ist. Falls er sich näm­lich vor­ge­nom­men hat, sei­ne Aben­teu­er selbst auf­zu­zeich­nen, so möch­te er viel­leicht nicht -- und ich be­stimmt auch nicht --, daß ich ihm Duft und Reiz sei­ner Er­zäh­lung im vor­aus weg­neh­me, in­dem ich den Staat Uto­pia all­ge­mein be­kannt­wer­den las­se. Al­ler­dings bin ich, wenn ich ganz of­fen sein soll, auch mir sel­ber noch nicht recht im kla­ren, ob ich das Buch über­haupt er­schei­nen las­se. Denn der Ge­schmack der Men­schen ist so ver­schie­den, und man­che sind so ei­gen­sin­nig, so un­dank­bar und so un­sin­nig in ih­rem Ur­teil, daß of­fen­bar die Leu­te viel glück­li­cher sind, die in Freu­de und Froh­sinn ihr ei­ge­nes Ich be­frie­di­gen, als die­je­ni­gen, die sich zer­mür­ben in dem Be­stre­ben, et­was zu ver­öf­fent­li­chen, was für an­de­re, die wäh­le­risch oder un­dank­bar sind, ein Nut­zen oder ein Ver­gnü­gen sein könn­te. Die meis­ten ha­ben kei­nen Sinn für li­te­ra­ri­sche Din­ge; vie­le ver­ach­ten sie; ein Bar­bar lehnt al­les als schwer ab, was nicht gänz­lich bar­ba­risch ist; ge­lehr­te Pe­dan­ten ver­schmä­hen al­les als ab­ge­grif­fen, was nicht von ver­al­te­ten Aus­drücken strotzt; man­chen ge­fällt nur das Alte, den meis­ten nur das ei­ge­ne Wis­sen. Die­ser ist so mür­risch, daß er von Scher­zen nichts wis­sen will, die­ser wie­der so fade, daß er kei­ne Wit­ze ver­trägt; man­che sind so platt­na­sig, daß sie je­des Na­se­rümp­fen scheu­en wie ein von ei­nem tol­len Hund Ge­bis­se­ner das Was­ser, an­de­re wie­der sind so wet­ter­wen­disch, daß sie im Sit­zen et­was an­de­res gel­ten las­sen als im Ste­hen. Man­che sit­zen in den Knei­pen, ur­tei­len am Bier­tisch über die Ta­len­te der Schrift­stel­ler und ver­ur­tei­len sie mit großem Nach­druck, ganz wie es ih­nen be­liebt, in­dem sie einen je­den in sei­nen Schrif­ten gleich­sam beim Schop­fe neh­men und ihn zau­sen, wo­bei sie selbst aber vor der Hand in Si­cher­heit und, wie man so sagt, weit vom Schuß sind. Denn rund­um sind sie so glatt und kahl­ge­scho­ren, daß sie auch nicht ein Här­chen ei­nes gu­ten Man­nes an sich ha­ben, an dem man sie fas­sen könn­te. Fer­ner gibt es Leu­te, die so un­dank­bar sind, daß sie sich zwar aus­gie­big an ei­nem Wer­ke er­göt­zen, dem Ver­fas­ser aber trotz­dem kei­ne grö­ße­re Lie­be ent­ge­gen­brin­gen. Sie äh­neln den un­höf­li­chen Gäs­ten, die sich mit ei­nem üp­pi­gen Mah­le be­wir­ten las­sen und dann ge­sät­tigt heim­ge­hen, ohne dem, der sie ein­ge­la­den hat, ein Wort des Dan­kes zu sa­gen. Nun geh hin und rich­te für Leu­te mit so ver­wöhn­tem Gau­men, von so ver­schie­de­nem Ge­schmack und noch dazu von so dank­ba­rer und lie­ber Ge­sin­nung auf Dei­ne ei­ge­nen Kos­ten ein Mahl her!

Aber gleich­wohl, mein Pe­ter, be­sprich, was ich Dir ge­sagt habe, mit Hyth­lo­de­us! Spä­ter aber kann man sich ja die­se Fra­ge der Ver­öf­fent­li­chung noch ein­mal über­le­gen. Soll­te er in­des­sen nichts da­ge­gen ha­ben, so will ich bei dem, was die Her­aus­ga­be noch er­for­dert, dem Rate mei­ner Freun­de fol­gen und vor al­lem Dei­nem, da ich nun ein­mal die Mühe des Schrei­bens hin­ter mir habe und jetzt erst ver­spä­tet zur Ein­sicht kom­me. Lebe wohl, mein liebs­ter Pe­ter Ägid, nebst Dei­ner gu­ten Frau und be­hal­te mich auch wei­ter­hin lieb, da ja auch ich Dich noch lie­ber habe, als es sonst mei­ne Ge­wohn­heit ist!

Erstes Buch

Rede des trefflichen Raphael Hythlodeus über den besten Zustand des Staates, veröffentlicht von dem erlauchten Thomas Morus, Bürger und Vicecomes der rühmlich bekannten britischen Hauptstadt London.

Kürz­lich hat­te der sieg­rei­che Kö­nig von Eng­land Hein­rich, der ach­te die­ses Na­mens, ein mit al­len Tu­gen­den ei­nes her­vor­ra­gen­den Fürs­ten ge­zier­ter Herr­scher, ei­ni­ge nicht be­lang­lo­se Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten mit Karl, dem er­ha­be­nen Kö­nig von Ka­sti­li­en. Zu den Ver­hand­lun­gen dar­über und zur Bei­le­gung die­ser Strei­tig­kei­ten schick­te mich Kö­nig Hein­rich als Ab­ge­sand­ten nach Flan­dern, und zwar zu­sam­men mit dem un­ver­gleich­li­chen Cuth­bert Tun­stall, den der Kö­nig erst kürz­lich un­ter über­aus star­kem und all­ge­mei­nem Bei­fall mit dem Amte des Archi­vars be­traut hat. Über sei­ne Vor­zü­ge will ich nichts sa­gen, nicht als ob ich fürch­te­te, in­fol­ge un­se­rer Freund­schaft könn­te mein Ur­teil zu we­nig den Tat­sa­chen ent­spre­chen, son­dern weil sei­ne Tüch­tig­keit und Ge­lehr­sam­keit grö­ßer ist, als ich sie rüh­men könn­te, und au­ßer­dem über­all be­kann­ter und be­rühm­ter, als daß sie noch ge­rühmt zu wer­den brauch­te, ich müß­te denn, wie man sagt, die Son­ne mit der La­ter­ne zei­gen wol­len. In Brüg­ge tra­fen wir -- so war es ver­ab­re­det -- die Be­auf­trag­ten des Kö­nigs Karl, al­les treff­li­che Män­ner. Un­ter ih­nen be­fand sich der Prä­fekt von Brüg­ge, ein hoch­an­ge­se­he­ner Mann, der Füh­rer und das Haupt der Ab­ord­nung; ihr Spre­cher und ihre See­le je­doch war Ge­org Tem­si­ci­us, der Propst von Cas­sel, ein Red­ner von ei­ner nicht nur er­wor­be­nen, son­dern auch an­ge­bo­re­nen Be­red­sam­keit, au­ßer­dem ein über­aus er­fah­re­ner Ju­rist und im Ver­han­deln ein vor­treff­li­cher Meis­ter durch sei­ne Be­ga­bung und be­stän­di­ge Pra­xis. Ein und das an­de­re Mal ka­men wir zu­sam­men, ohne in ge­wis­sen Fra­gen eine rech­te Ei­ni­gung zu er­zie­len. Da ver­ab­schie­de­ten sich die an­de­ren für ei­ni­ge Tage von uns und reis­ten nach Brüs­sel, um sich bei ih­rem Fürs­ten Be­scheid zu ho­len. In­zwi­schen be­gab ich mich -- die Ge­schäf­te brach­ten es so mit sich -- nach Ant­wer­pen. Wäh­rend mei­nes Auf­ent­hal­tes dort kam häu­fig au­ßer an­de­ren, aber im­mer als liebs­ter Be­su­cher, Pe­ter Ägid aus Ant­wer­pen zu mir. Er ge­nießt großes Ver­trau­en bei sei­nen Lands­leu­ten und nimmt eine an­ge­se­he­ne Stel­lung ein, ver­dient aber die an­ge­se­hens­te. Man weiß näm­lich nicht, wo­durch sich der jun­ge Mann mehr aus­zeich­net, ob durch sei­ne Bil­dung oder sei­nen Cha­rak­ter; ist er doch ein sehr gu­ter Mensch und zu­gleich ein großer Ge­lehr­ter, au­ßer­dem ein Mann von lau­te­rer Ge­sin­nung ge­gen alle, sei­nen Freun­den ge­gen­über aber von sol­cher Herz­lich­keit, Lie­be, Treue und auf­rich­ti­gen Nei­gung, daß man kaum einen oder den an­de­ren ir­gend­wo fin­det, den man als einen ihm in je­der Be­zie­hung gleich­wer­ti­gen Freund be­zeich­nen möch­te. Er be­sitzt eine sel­te­ne Be­schei­den­heit; nie­man­dem liegt Ver­stel­lung so fern wie ihm; nie­mand ist schlich­ter und zu­gleich klü­ger. Fer­ner kann er sich so ge­fäl­lig und harm­los-wit­zig un­ter­hal­ten, daß der so an­ge­neh­me Um­gang und die so lie­be Plau­de­rei mit ihm zu ei­nem großen Tei­le mich die Sehn­sucht nach der Hei­mat und dem hei­mi­schen Herd, nach mei­ner Frau und mei­nen Kin­dern leich­ter er­tra­gen ließ; denn schon da­mals war ich über vier Mo­na­te von da­heim fort, und in über­aus be­ängs­ti­gen­der Wei­se quäl­te mich das Ver­lan­gen, sie wie­der­zu­se­hen.

Ei­nes Ta­ges hat­te ich in der wun­der­schö­nen und viel­be­such­ten Lieb­frau­en­kir­che am Got­tes­dienst teil­ge­nom­men und schick­te mich an, nach Been­di­gung der Fei­er von dort in mei­ne Her­ber­ge zu­rück­zu­keh­ren, da sehe ich Pe­ter zu­fäl­lig sich mit ei­nem Frem­den un­ter­hal­ten, ei­nem äl­te­ren Man­ne mit sonn­ver­brann­tem Ge­sicht und lan­gem Bart. Der Man­tel hing ihm nach­läs­sig von der Schul­ter her­ab, und sei­nem Aus­se­hen und sei­ner Klei­dung nach war er ein See­mann. So­bald mich Pe­ter er­blick­te, kam er auf mich zu und grüß­te. Als ich ant­wor­ten woll­te, nahm er mich ein we­nig bei­sei­te und frag­te: »Siehst du den da?« Da­bei zeig­te er auf den, mit dem ich ihn hat­te spre­chen se­hen. »Den woll­te ich ge­ra­de jetzt zu dir brin­gen.« -- »Er wäre mir sehr will­kom­men ge­we­sen«, ant­wor­te­te ich, »und zwar dei­net­we­gen.« -- »Nein«, sag­te er, »viel­mehr sei­net­we­gen, wenn du den Mann nur schon kenn­test. Denn nie­mand in der gan­zen Welt kann dir heut­zu­ta­ge so viel von un­be­kann­ten Men­schen und Län­dern er­zäh­len, und, wie ich weiß, bist du ja ganz ver­ses­sen dar­auf, so et­was zu hö­ren.« -- »Also war mei­ne Ver­mu­tung«, sag­te ich, »gar nicht so falsch. Denn gleich auf den ers­ten Blick habe ich ihn als See­mann er­kannt.« -- »Und doch hast du dich stark ge­irrt; er fährt we­nigs­tens nicht als Pa­linurus, son­dern als Odys­seus oder viel­mehr als Pla­to. Denn die­ser Ra­pha­el -- so heißt er näm­lich, und sein Fa­mi­li­enna­me ist Hyth­lo­de­us -- ist nicht we­nig be­wan­dert im La­tei­ni­schen und sehr be­wan­dert im Grie­chi­schen, und zwar hat er die grie­chi­sche Spra­che des­halb mehr ge­trie­ben als die der Rö­mer, weil er sich ganz der Phi­lo­so­phie ge­wid­met und er­kannt hat­te, daß auf dem Ge­bie­te der Phi­lo­so­phie im La­tei­ni­schen nichts von ir­gend­wel­cher Be­deu­tung vor­han­den ist au­ßer ei­ni­gem von Sene­ca und Ci­ce­ro. Dann über­ließ er sein vom Va­ter er­erb­tes Gut, in dem er wohn­te, sei­nen Brü­dern, schloß sich -- er ist näm­lich Por­tu­gie­se -- dem Ame­ri­go Ve­spuc­ci an, um sich die Welt an­zu­se­hen, und war des­sen stän­di­ger Beglei­ter auf den drei letz­ten sei­ner vier See­rei­sen, die man schon hier und da ge­druckt le­sen kann. Von der letz­ten je­doch kehr­te er nicht mit ihm zu­rück. Er be­müh­te sich viel­mehr dar­um und er­preß­te von Ame­ri­go die Er­laub­nis, zu je­nen vier­und­zwan­zig zu ge­hö­ren, die am Ende der letz­ten See­rei­se in ei­nem Kas­tell zu­rück­ge­las­sen wur­den. So blieb er denn dort zu­rück, ent­spre­chend sei­ner Sin­nes­art, die mehr nach ei­nem Auf­ent­hal­te in frem­dem Lan­de als nach ei­nem Grab­ma­le ver­langt. Führt er doch dau­ernd sol­che Sprü­che im Mun­de wie ›Un­ter dem Him­mels­ge­wöl­be ruht, wer kei­ne Urne hat‹ und ›Zum Him­mel ist es von über­all her gleich weit‹. Die­ser Wa­ge­mut wäre ihm ohne Got­tes gnä­di­gen Bei­stand nur all­zu teu­er zu ste­hen ge­kom­men. Nach Ve­spuc­cis Abrei­se durch­streif­te er dann zu­sam­men mit fünf Ka­me­ra­den aus dem Kas­tell zahl­rei­che Län­der und ge­lang­te schließ­lich durch einen wun­der­ba­ren Zu­fall nach Ta­pro­ba­ne und von dort nach Ca­li­quit. Hier hat­te er das Glück, por­tu­gie­si­sche Schif­fe an­zu­tref­fen, auf de­nen er schließ­lich wi­der Er­war­ten heim­kehr­te.«

Als Pe­ter mit sei­ner Er­zäh­lung fer­tig war, dank­te ich ihm für sei­ne Ge­fäl­lig­keit und sei­ne Be­mü­hun­gen, mir die Un­ter­hal­tung mit ei­nem Man­ne zu er­mög­li­chen, die mir sei­ner Mei­nung nach will­kom­men war, und wand­te mich Ra­pha­el zu. Wir be­grüß­ten ein­an­der, wech­sel­ten jene bei der ers­ten Be­geg­nung mit Frem­den all­ge­mein üb­li­chen Re­dens­ar­ten und gin­gen dann in mei­ne Woh­nung. Hier setz­ten wir uns im Gar­ten auf eine Ra­sen­bank und fin­gen an, mit­ein­an­der zu plau­dern.

Da er­zähl­te uns denn Ra­pha­el, wie er es zu­sam­men mit sei­nen im Kas­tell zu­rück­ge­blie­be­nen Ka­me­ra­den nach Ve­spuc­cis Abrei­se an­ge­stellt habe, durch Freund­lich­kei­ten und Schmei­che­lei­en all­mäh­lich die Zu­nei­gung der Ein­ge­bo­re­nen zu ge­win­nen, nicht nur ohne Ge­fahr, son­dern auch in Freund­schaft un­ter ih­nen zu le­ben und da­mit auch noch die Gunst und Wert­schät­zung ei­nes Fürs­ten -- sein und sei­nes Lan­des Name sei ihm ent­fal­len -- zu er­lan­gen. In sei­ner Frei­ge­big­keit -- so er­zähl­te er wei­ter -- ver­sah die­ser ihn und fünf sei­ner Ka­me­ra­den reich­lich mit Le­bens­mit­teln und Geld für eine Ex­pe­di­ti­on, die sie dann zu Was­ser mit Fahr­zeu­gen und zu Lan­de mit Wa­gen un­ter­nah­men und auf der sie ein höchst zu­ver­läs­si­ger Füh­rer zu an­de­ren Fürs­ten ge­lei­te­te, an die sie war­me Emp­feh­lungs­schrei­ben mit­hat­ten. Dann ge­lang­ten sie nach ei­ner Rei­se von vie­len Ta­gen zu fes­ten Plät­zen, Städ­ten und gar nicht schlecht ein­ge­rich­te­ten volk­rei­chen Staa­ten. Zwar lie­gen un­ter dem Äqua­tor, wie Ra­pha­el er­zähl­te, und von da aus auf bei­den Sei­ten etwa bis zur Gren­ze der Son­nen­bahn wüs­te und der dör­ren­den Son­nenglut dau­ernd aus­ge­setz­te Ein­öden: Un­wirt­lich­keit rings­um und ein trost­lo­ser An­blick, ab­schre­ckend al­les und un­kul­ti­viert, Schlupf­win­kel von wil­den Tie­ren und Schlan­gen oder schließ­lich auch von Men­schen, die Bes­ti­en we­der an Wild­heit noch an Ge­fähr­lich­keit nach­ste­hen. Fährt man aber wei­ter, so wird al­les all­mäh­lich mil­der: das Kli­ma we­ni­ger rauh, die Erde von ein­la­den­dem Grün schim­mernd, zah­mer die Na­tur der Le­be­we­sen. End­lich be­kommt man Men­schen, Städ­te und fes­te Plät­ze zu Ge­sicht, und un­ter ih­nen herrscht ein un­un­ter­bro­che­ner Han­dels­ver­kehr, nicht nur un­ter­ein­an­der und mit den Nach­barn, son­dern auch mit fer­nen Völ­kern, und zwar zu Was­ser und zu Lan­de.

Da­durch bot sich für Ra­pha­el die Ge­le­gen­heit, vie­le Län­der dies­seits und jen­seits des Mee­res zu be­su­chen; denn je­des Schiff, das aus­ge­rüs­tet wur­de, nahm ihn und sei­ne Beglei­ter sehr gern mit. Wie er er­zähl­te, hat­ten die Schif­fe, die sie in den ers­ten Län­dern zu se­hen be­ka­men, fla­che Kie­le und Se­gel aus zu­sam­men­ge­näh­ten Pa­py­rus­blät­tern oder aus Wei­den­ge­flecht, an­ders­wo auch aus Häu­ten. Auf der Wei­ter­fahrt be­geg­ne­ten sie Schif­fen mit spitz­ge­schnä­bel­ten Kie­len und Se­geln aus Hanf; am Ende war al­les so wie bei uns. Die See­leu­te wa­ren nicht un­er­fah­ren in Mee­res- und Him­mels­kun­de. Aber einen au­ßer­or­dent­li­chen Dank ern­te­te Ra­pha­el da­für, daß er sie im Ge­brauch des Kom­pas­ses un­ter­wies, den sie bis da­hin über­haupt noch nicht kann­ten. Des­halb hat­ten sie sich auch nur zag­haft ans Meer ge­wöhnt und ver­trau­ten sich ihm nicht ohne Grund nur im Som­mer an. Jetzt aber ach­ten die See­leu­te im Ver­trau­en auf den Ma­gnet­stein die Ge­fah­ren des Win­ters ge­ring, al­ler­dings mehr sorg­los als ge­fahr­los. Da­her be­steht die Ge­fahr, die­se Er­fin­dung, die ih­nen, wie man glaub­te, großen Vor­teil brin­gen wer­de, kön­ne in­fol­ge ih­rer Un­vor­sich­tig­keit große Schä­den ver­ur­sa­chen.

Was Ra­pha­el an den ein­zel­nen Or­ten, wie er er­zähl­te, ge­se­hen hat, das al­les hier mit­zu­tei­len, wür­de zu weit füh­ren und ist auch nicht der Zweck die­ses Bu­ches. Vi­el­leicht wer­de ich es ein­mal an an­de­rer Stel­le er­zäh­len, be­son­ders al­les das, des­sen Kennt­nis von Nut­zen ist, wie z. B. in ers­ter Li­nie die rich­ti­gen und klu­gen po­li­ti­schen Maß­nah­men, die er bei ge­sit­te­ten Völ­kern wahr­ge­nom­men hat. In be­treff die­ser Din­ge be­frag­ten wir ihn näm­lich am meis­ten, und über sie sprach er auch am liebs­ten, wäh­rend wir es vor­läu­fig un­ter­lie­ßen, uns nach Un­ge­heu­ern zu er­kun­di­gen, dem Lang­wei­ligs­ten, das es gibt. Denn Scyl­len und räu­be­ri­sche Ce­lä­no­nen, men­schen­fres­sen­de Lästry­go­nen und der­glei­chen ab­scheu­li­che Un­ge­heu­er sind fast über­all zu fin­den, aber Bür­ger, die in ei­nem ver­nünf­tig und wei­se ge­lei­te­ten Staa­te le­ben, wohl nir­gends. Wenn er nun aber auch bei je­nen un­be­kann­ten Völ­kern vie­le ver­kehr­te Ein­rich­tun­gen wahr­ge­nom­men hat, so hat er doch auch nicht we­ni­ges auf­ge­zählt, was als Bei­spiel die­nen kann, die Feh­ler un­se­rer Städ­te, Na­tio­nen, Völ­ker und Herr­schaf­ten zu ver­bes­sern, und wor­über ich, wie ge­sagt, an an­de­rer Stel­le ein­mal spre­chen muß. Jetzt will ich nur sei­nen Be­richt über Sit­ten und Ein­rich­tun­gen der Uto­pier wie­der­ge­ben, wo­bei ich je­doch das Ge­spräch vor­aus­schi­cke, in des­sen Ver­lauf ihn eine Wen­dung dazu ver­an­laß­te, die­sen Staat zu er­wäh­nen.

Mit großer Klug­heit hat­te Ra­pha­el auf­ge­zählt, was hier und dort falsch war -- si­cher­lich war es sehr viel auf bei­den Sei­ten des Ozeans --, dann aber auch, wel­che Maß­nah­men bei uns und eben­so bei je­nen an­de­ren ver­stän­di­ger sind. Er hat­te näm­lich Sit­ten und Ein­rich­tun­gen ei­nes je­den Vol­kes so fest im Ge­dächt­nis, als hät­te er an je­dem von ihm be­such­ten Orte sein gan­zes Le­ben zu­ge­bracht. Da staun­te Pe­ter und mein­te: »Ich muß mich in der Tat wun­dern, mein Ra­pha­el, daß du nicht in die Diens­te ei­nes Kö­nigs trittst; denn das weiß ich zur Ge­nü­ge: es gibt kei­nen, dem du nicht sehr will­kom­men wä­rest, da du es mit die­sem dei­nen Wis­sen und die­ser dei­ner Kennt­nis von Ge­gen­den und Men­schen ver­stehst, ihn nicht bloß zu un­ter­hal­ten, son­dern auch durch Bei­spie­le zu be­leh­ren und ihm mit dei­nem Rat zu hel­fen. Auf die­se Wei­se könn­test du für dich selbst aus­ge­zeich­net sor­gen und zu­gleich al­len dei­nen An­ge­hö­ri­gen sehr nüt­zen.«

»Was mei­ne An­ge­hö­ri­gen be­trifft«, er­wi­der­te Ra­pha­el, »so küm­mern die mich we­nig; ih­nen ge­gen­über habe ich näm­lich, wie ich glau­be, mei­ne Pf­licht so ziem­lich er­füllt. Denn was an­de­re erst, wenn sie alt und krank sind, ab­tre­ten, ja so­gar auch dann nur un­gern, wenn sie es nicht län­ger be­hal­ten kön­nen, das habe ich un­ter mei­ne Ver­wand­ten und Freun­de ver­teilt, und zwar zu ei­ner Zeit, da ich nicht mehr bloß ge­sund und frisch war, son­dern so­gar schon in jun­gen Ta­gen. Sie müß­ten also, mei­ne ich, mit mei­ner Frei­ge­big­keit ei­gent­lich zu­frie­den sein und dürf­ten nicht au­ßer­dem noch ver­lan­gen und er­war­ten, daß ich mich ih­ret­we­gen ei­nem Kö­nig als Knecht ver­din­ge.«

»Halt!« sag­te da Pe­ter. »Ich mein­te, du soll­test nicht ein Knecht, son­dern ein Die­ner von Kö­ni­gen wer­den.«

»Das ist nur ein ganz klei­ner Un­ter­schied«, ant­wor­te­te Ra­pha­el.

»Wie du die Sa­che auch nen­nen magst«, sag­te da Pe­ter, »ich bin je­den­falls der An­sicht, daß das der Weg ist, nicht nur an­de­ren in per­sön­li­chem und öf­fent­li­chem In­ter­es­se zu nüt­zen, son­dern auch dei­ne ei­ge­ne Lage glück­li­cher zu ge­stal­ten.«

»Glück­li­cher? auf ei­nem Wege, vor dem mir graut?« frag­te Ra­pha­el. »Jetzt lebe ich, ganz wie es mir be­liebt, und das ist, wie ich si­cher ver­mu­te, bei den we­nigs­ten Fürs­ten­die­nern der Fall. Es gibt ja auch ge­nug Leu­te, die sich um die Freund­schaft der Mäch­ti­gen be­mü­hen. Da soll­te man es nicht für einen großen Ver­lust hal­ten, wenn die­se auf mich und den einen oder den an­de­ren mei­nes­glei­chen ver­zich­ten müs­sen.«