Vampire in Bremen - 50 Kurzgeschichten aus der Hansestadt - Farina von Augustusburg - E-Book

Vampire in Bremen - 50 Kurzgeschichten aus der Hansestadt E-Book

Farina von Augustusburg

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Beschreibung

Wenn man fragt, wo Aleria die Vampirin zu finden ist, wo sie wohnt, wo ihr Nachtclub sich befindet oder ob sie und die anderen Vampire hier in Bremen irgendwo zu sichten sind, dann zucken die meisten mit ihren Schultern. Hier in Bremen Vampire? Nein wir haben keine Schattenwesen! Öffne dies Buch und lass dich eines besseren belehren, in 50 Kurzgeschichten aus der Hansestadt

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Farina von Augustusburg

Vampire in Bremen – 50 Kurzgeschichten aus der Hansestadt

Farina von Augustusburg

Vampire

inBremen

50 Kurzgeschichten aus der Hansestadt

Großdruck-Edition

Schlachte Zauber

An der Schlachte, wo die Weser fließt,

wo der Zauber der Nacht, die Stadt umschließt, treffen sich Gestalten, geheim und frei,

von Fogelvrei, bis hin zum Vampirgeschrei.

Die Freibeuter, mutig und kühn,

segeln durch die Nacht, im Mondenschein glüh´n, mit Augen, die funkeln, wie Sterne so klar, erzählen sie Geschichten - wunderbar.

Vampire, die Schatten der Nacht,

erwachen wenn die Stadt erwacht,

mit Aleria, an ihrer Seite so stark,

schützen sie Bremen, bis zum Morgengrauen Mark.

Fogelvrei, die Künstler so frei,

verzaubern die Stadt, mit Magie und Geschrei, ihre Lieder und Tänze, so wild und rein,

lassen die Herzen der Bremer, erblühen fein.

An der Schlachte, wo alles sich trifft,

wo die Magie der Nacht, die Stadt durchdringt, leben sie zusammen, in Harmonie,

Freibeuter, Vampire, Fogelvrei, in Symphonie.

Aleria saß gedankenversunken in ihrem Büro und betrachtete gegenüberliegend, das hohe Gebäude, hinter deren Fenster an manchem Tag, so einiges zu beobachten war. Aus Neugierde hatte sie Spätabends den Versuch gestartet, in das Innere zu schauen. Also nicht, dass Aleria eine perverse Ader hat aber es gab da mal eine Situation, wo sie sich Sorgen machte denn kurze Zeit später, war dort plötzlich ein Zimmer leer gewesen. Die Person, samt allem was dort vorzufinden war, war komplett verschwunden und einen Tag später befand sich schon ein neuer Patient dort.

“Komische Klinik“, flüsterte sie, nahm ihr Fernglas, um genauer das unter die Lupe zu nehmen, was sie interessierte.“ Es wird Zeit, dass ich dort...“ In dem Augenblick klopfte es an der Türe. Sie legte das Fernglas in die unterste Schublade, ihres Schreibtisches, als Rohan auch schon im Rahmen stand.

“Aleria, hast du einen Moment Zeit für mich“, fragte er sie. “Klar, komm rein“, gab sie zurück und deutete mit einer kurzen Handbewegung auf den Stuhl, ihr gegenüber, wo ihr Küchenchef gleich Platz nahm.

“Alles in Ordnung?“ Wollte er wissen denn er sah, dass sie nachdenklich ausschaute.

“Nicht wirklich. Da drüben in der Klinik, braut sich wieder mal was zusammen“, gab sie zurück. Sie öffnete ihr Haargummi, strich die langen, schwarzen Haare zusammen und schloss den Zopf wieder. Wenn etwas nicht stimmte dann kräuselte sich ihr Haaransatz und das, obwohl es ja eigentlich nicht sein kann wenn man über Zweihundert Jahre tot ist. “Da ist die Psychiatrie“, antwortete Rohan. “ Was soll sich denn da zusammenbrauen. Außer das vielleicht die Patienten etwas mehr schlafen wenn es ihnen gesundheitlich nicht so gut geht.“ “Hast du eine Ahnung“, antwortete Alerie. “ Vor ein paar Jahren, da war Thomas bei mir noch Küchenchef im Bremer Leckerland. Drüben war noch keine Psychiatrie, sondern eine ganz normale Station. Sag mal, was wolltest du eigentlich. Du bist doch nicht hier, um über frühere Krankenstationen zu sprechen“, äußerte sie, dabei sah sie seinen ernsten Blick. Rohan atmete tief durch.

“Stimmt. Aleria, ich brauche früher meinen Urlaub, muss nach Hause. Es gibt Probleme mit meiner Schwester. Sie will nicht den Mann heiraten den meine Eltern für sie ausgesucht haben.“

“Wie jetzt. Doch nicht etwa ne Zwangsehe“, frage sie ganz erschrocken. “Nee, im Gegenteil. Narima hatte den Wunsch diesen Mann zu heiraten. Außerdem mit Siebenundzwanzig wird es Zeit. Meine Familie drängte sie nie. Sie hat erst Schule gemacht dann studiert. Danach in einer Anwaltskanzlei gearbeitet. Ihr Wunsch war es, dass meine Eltern ihren Mann aussuchen. Und jetzt, zwei Monate vor der Hochzeit, will sie ihn nicht. Sie sagt, das es Gründe gibt, das sie ihn nicht mehr heiraten kann.“ Rohan legte seine Hände um die Augen. Es herrschte einen Moment Stille in dem kleinen Büro, bis Rohan nochmal tief Luft holte, sich die Augen trocken rieb mit einem Taschentuch.

“Wir hatten vermutet das sie einen anderen Mann kennengelernt hat, dass wäre auch kein Problem gewesen aber nein, dass ist es auch nicht. Das Problem ist, dass der Mann noch von nichts weiß und wir uns große Sorgen machen. Darum muss ich jetzt schon nach Indien fliegen.“ Aleria hatte alles in Ruhe mit angehört. Sie stand auf, setzte für beide eine Tasse Kaffee an, stellte Milch und Zucker plus eine Schale mit Keksen auf den Schreibtisch.

“Im Grunde ist es kein Problem, dass du fliegen kannst. Ich müsste das nur mit Stefan absprechen, ob er...“

Rohan winkte ab. “Ich habe heute Morgen mit ihm telefoniert. Er hat gesagt, dass er einspringt. Ich solle nur mit dir alles absprechen.“ Aleria stellte jedem eine Tasse Kaffee hin, dann breitete sie die Arme aus, lächelte und gab zu verstehen, dass sie es liebte wenn ihre Freunde miteinander in der Not alles besprechen. “ Das nenne ich ein Team.“ Beide tranken aus ihren Tassen. Rohan stellte seine, leise wieder auf den Unterteller, nahm sich zwei Kekse und schaute Aleria an. “Danke Chefin.“

“Nicht dafür“, lächelte sie.

“Und jetzt erzähle mir bitte, was ist damals gegenüber auf der Station passiert. Bin neugierig.“ Er lächelte zurück. Aleria drehte sich in ihrem Bürostuhl herum, so dass sie das alte Gebäude gegenüber sehen konnte. “ Hast du gut gegessen“, wollte sie wissen. “Sehr gut. Aber ich bin nicht so empfindlich wenn du meinst, dass sich mir gleich mein Magen umdrehen wird. Außerdem, wir Inder können sehr viel unangenehmes vertragen und wenn es mal zu schlimm wird dann trinken wir einen selbst gekochten Chai, mit viel Zucker und die Welt ist fast wieder in Ordnung.“

Der Speiseplan

Herbert Pille, seit über drei Jahren als Küchenchef tätig, hatte die Nase bis oben hin gestrichen voll. Besonders aber platzte ihm der Kragen, an jenem besagten Dienstag, als wieder mal von Seitens der Klinikleitung ein Meeting anstand. Es ging bei den Themen u.a. um das leidige Thema Sparmaßnahmen und das für die Patienten gesünder gekocht werden sollte. Aber ohne die Preise zu erhöhen. Eher würde ihm der Gürtel noch enger geschnallt. Das Budget reichte kaum und Herbert wusste bald nicht mehr, wie er für die Erkrankten noch Fleisch auf den Teller zaubern sollte. Das es immer mehr Vegetarische und Vegane Patienten gab, darüber war er froh. So konnte er die Gerichte für all jene ausgleichen, die Fleisch mochten. Natürlich versuchte man immer öfters Fleischlos anzubieten, jedoch murrten einige Patienten, besonders die Männer. Herbert hatte sich nach dem Meeting mit seinem Freund Ernst Wollhuber, der auch Chefarzt der Inneren Station war, zusammengesetzt. Ernst erkannte die Lage, aber eine Lösung hatte auch er nicht. Ganz im Gegenteil. Ihm war es daran gelegen, die Erkrankten lieber einen Tag länger zur Kontrolle auf Station zu lassen, als wie jetzt vorgesehen, sie noch früher nach Hause zu entlassen. Natürlich wird ein Erkrankter in seinem häuslichen Umfeld schneller gesund. Dazu gibt es die Ambulanten Pflegedienste, die aber auch immer mehr unterbezahlt und mit weniger Personal bestückt sind. Davon konnte man auf den Stationen auch ein Lied singen. Aber wem sagte man das. Der führenden Regierung, ist das eh egal.

Hauptsache man verschleudert die Steuern da, wo es sinnlos ist. Im eigenen Land herrscht viel Notstand, nur sehen das die wenigsten. Nicht, dass jede Partei so denkt aber die ganz oben an der Spitze, reiben sich die Finger sowieso. Ach, ein ewiger Kreislauf der nicht enden möge. Herbert und Ernst waren sich mal wieder einig. Beide wussten, dass nun wirklich eine Lösung, für alle, her musste. Und somit verabredeten sie sich, für Samstagmittag zwölf Uhr, im Schnoor, zum gemeinsamen Mittagessen, um das geplante miteinander zu besprechen. Dazu sollte man sagen, für alle, die nicht aus Bremen kommen: Es wird Zeit, dass ihr das Schnoor besucht. Wer einmal hier gewesen, der kennt die Besonderheit der kleinen Gassen, mit deren bezaubernden Häuschen, wo man Kaffeesieren kann und jeder auf seine Kosten kommt.

Die Wochen vergingen und auch bei Aleria hatte der Alltag so seine Tücken. Sie verbrachte ihre Zeit damit, wenn der Schreibtisch mal etwas leer war, sich Gedanken zu machen, über früherer Zeiten. Auch was das Medizinische betraf, hatte sie durchaus andere Jahrzehnte miterlebt, wo die Medizin noch lange nicht so fortgeschritten war, wie heute. Daher machte sie in ihrer Freizeit gerne ein paar Abstecher in das alte Gebäude gegenüber. Zum Vorteil war es doch, in andere Figuren schlüpfen zu können, so dass sie nicht auffiel. Wie eben auch in der besagten Nacht, wo sie durch Zufall, versteht sich, dass mitbekam, was sie hellhörig werden lies. Sie befand sich auf der vierten Etage, die mit ihrem Büro gegenüber fast auf Augenhöhe verbunden war und bekam die Unterhaltung zweier Ärzte mit. Jedenfalls dachte sie, dass es zwei Ärzte waren, die sich über einen Patienten unterhielten, der durch eine Leberzirrhose im Endstadium nicht mehr lange zu leben hatte. Sie sah, wie einer der beiden etwas abgestützt über dem Schreibtisch sich zu dem anderen beugte und äußerte: “Du weißt, ich könnte dir jederzeit helfen und eine Hand, wäscht die andere. Wir sind doch Freunde, oder?“ Durch gewisse Medikamente gab man dem Mann noch etwa ein Jahr. Der Patient auf Zimmer Zwölf, sozusagen gegenüber von ihrem Büro, lag fest schlafend in seinem Bett, wie Aleria sich vergewisserte. Sie beobachtete ihn, wobei sein Zimmernachbar anscheinend nicht im Zimmer sich befand aber das Bett so aussah, als ob er gleich wiederkommen würde. Aleria schenkte dem ganzen keine weitere Aufmerksamkeit. Sie besuchte die Neugeborenen Station, machte dann noch einen Abstecher in die Pathologie und entschied sich, den Besuch in der Klinik zu beenden. Diesen aber zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen, um sich dann den OP Bereich näher anzuschauen. Im Laufe des Abends hatte sie in ihrem kleinen Büro noch ein paar Schreibarbeiten zu erledigen, wobei ihr Zimmer Zwölf, nicht ganz aus dem Sinn ging. In der Nacht hatte Aleria vor, in die Nähe von Hannover zu kommen. Dort war die Blutbank, worüber sie sich seit geraumer Zeit ernährte. Die Jahre, wo man sich an den Hälsen der Menschen bediente, waren schon lange vorbei. Außerdem war sie eine der wenigen, die es eh verabscheut hatte, ihre blitzblanken Zähne in einen beschmutzten Hals zu hauen. Aber zu Anfang ihres Ablebens blieb ihr natürlich nichts anderes übrig. Lang, lang, ist´s her, wie man so schön sagt.

Nachdem er ihm die letzte Infusion gegeben hatte, beschloss er, die Nachtrunde etwas nach hinten zu legen, indem er mit der anderen Flurseite anfing und die Zimmer kontrollierte. Seine Kollegin war damit einverstanden, die Medikamente für den Frühdienst zu stellen, so konnte Manfred ganz in Ruhe die Wäschewagen bestücken und dann seine Runde nochmals machen. Ihm war zwar aufgefallen, dass Dr Lemming auf der Station war aber anscheinend hatte er den Dienst mit einem Kollegen getauscht. Das war nichts außergewöhnliches. Daher grüßte er ihn nur kurz, machte aber dann weiter, mit seinen Aufgaben. Die Nacht verlief leider nicht so, wie geplant denn gegen vier Uhr, stellte man auf Zimmer Zwölf den Tod des Patienten fest, mit der Leberzirrhose, nachdem man alles versucht hatte, ihn zu reanimieren. Er war im Schlaf verstorben. Bei der weit fortgeschrittenen Erkrankung, konnte dies durchaus passieren. So wurde er dennoch in die Pathologie gebracht, wo der weitere Verlauf stattfand. Da der Patient keine weiteren Angehörigen hatte, fand der rechtliche Rahmen bei dem Verstorbenen statt.

Aleria hatte am nächsten Tag beobachtet, dass ein neuer junger Mann auf dem Platz lag. Das ging wirklich sehr schnell. Auch die anderen Male, wo sie das ein oder andere beobachten konnte, fand sie die plötzlichen Todesfälle recht merkwürdig, so dass sie beschloss, sich die Sache mal etwas näher anzuschauen.

Aus der Ferne klingelte es.

Der Weckton eines Handys riss ihn aus seinen Träumen. Wobei er diesmal richtig froh darüber war, seine Augen öffnete, kurz tief durchatmete und sich langsam auf die Bettkante setzte. Wenn das so weiterging, sollte er sich mal einen Termin bei einem guten Psychotherapeuten klar machen.

In der letzten Zeit häuften sich seine Alpträume. Auch wenn er im Moment gestresst war, was er schließlich so nie gewollt hatte, machten ihm die Träume arge Sorgen. Herbert stand auf, ging zuerst ins Bad auf Toilette dann duschte und rasierte er sich, um danach einen starken Kaffee in der Küche aus seiner neuen Kaffeemaschine zu trinken.

Er legte sich dann alles Werkzeug zurecht, was er brauchen würde. Dabei ging er sehr sorgfältig vor, um nachher nicht jede Kleinigkeit suchen zu müssen. Er backte sich zwischendurch drei Croissants auf, aß diese mit Himbeermarmelade und ging danach zurück ins Schlafzimmer, wo er sich den wasserdichten, grünen Latex Anzug und die ebenso, farblich abgestimmten grünen Gummihandschuhe, schön sorgfältig und in Ruhe anzog. Danach streifte er dann seine schwarzen Gummistiefel über die dicken, selbstgestrickten, bunten Socken. Über die Stiefel legte er noch die Schuhüberzieher. Zufrieden mit sich, kontrollierte er im Spiegelbild seines Kleiderschrankes, ob die eingearbeitete Kopfbedeckung aus Latex, alle Haare, ordentlich verdeckt hielt. Da alles in Ordnung war, nahm er, vor sich hin pfeifend, den Schlüsselbund von der Kommode. Er verließ sein Haus, um hintenherum durch den Keller, in die Waschküche zu gehen.

Beim Betreten der alten Räume, kamen ihm Erinnerungen hoch, als seine Mutter, an den Montagen, die große Waschschüssel aufsetzte, um die Wäsche dort, noch von Hand zu waschen. Es war ja nicht so, dass er seiner Mutter keine Waschmaschine gekauft hatte. Aber Mama Helga lehnte den neumodischen Mist, wie sie dazu sagte, ab und wusch lieber weiter per Hand. Bis zu ihrer Operation an den Knien und der Hüfte. Erst da sah sie ein, wie praktisch eine Waschmaschine sein kann. Herbert schaltete in dem Raum das Licht, mit dem alten Schalter an, ging durch die Waschküche, wo der Putz bereits von den Wänden abblätterte und die Spinnen es sich in zig Spinnweben gemütlich gemacht hatten. Rechts um die Ecke befand sich eine weitere Türe. Diese schloss Herbert mit einem großen, alten Schlüssel auf, wobei die Türe quietschende Laute von sich gab. Dort, links an der Wand, suchte er im dunkeln einen Lichtschalter den er, als er diesen gefunden hatte, herumdrehte. Schummriges Licht, zeigte ihm den Weg zu einer sehr steilen, alten Steintreppe nach unten. Da das Haus nicht gut isoliert war, hatte sich Feuchtigkeit auf der Treppe gesammelt. Er ging vorsichtig nach unten, dass er nicht ausrutschte aber das kannte er bereits. Unten angekommen, gab der alte, feuchte Steinboden einen modrigen Geruch von sich. Herbert stand einen kurzen Moment dort. Sein Blick war gerichtet auf die zwei Türen, nebeneinander, ihm gegenüber. Eine davon war mit Holz verkleidet. Wo man, trotz des schlechten Lichtes im Inneren an den Wänden, die Regalböden, gut gefüllt mit Einkochgläser, in denen sich Rotkohl, Stachelbeeren, Bohnen und allerlei Verschiedenes befand, sehen konnte. Die Gläser waren mit Etiketten beklebt, wo das Datum und Inhalt zu lesen war. Der Menge nach zu urteilen, hätte man locker zwei Winter damit überleben können, als Kleinfamilie. Unter dem Kellerfenster, was mittig an der Wand zu sehen war, stand darunter eine Holzkiste, wo Kartoffeln eingelagert wurden. Diesen Bereich ignorierte Herbert. Ihn interessierte die andere Türe, zu der er direkt ging. Diese war aus feuerfestem Material, hatte zwei Sicherheitsschlösser, die er nacheinander aufschloss. Auf der rechten Seite schaltete er das Licht an. Der Raum gab genau das Gegenteil frei, von dem, was die Vorratskammer aufgezeigt hatte. An der Decke leuchteten, zwei große Strahler. Die Wände waren auf allen Seiten schallisoliert. Ein Fenster gab es nicht. Dafür zwei Klimaanlagen, plus eine weitere, feuerfeste Türe. Diese schloss er ebenfalls auf. Alle Böden waren aus einem Material, was sich sehr gut reinigen ließ. Im dritten Raum, der daran angeschlossen war, leuchtete bereits eine Lampe, die allerdings nur so hell war, dass sie die Umrisse des Inneren frei gab. Man hätte den Raum vergleichen können, mit einem gut, ausgestatteten Operationssaal der heutigen Zeit. Wobei man sich allerdings die Frage stellen würde: Was tun die beiden Menschen dort, die auf den Matratzen liegen. Eine Frau, etwa um die Zwanzig und der Mann neben ihr, um Mitte Vierzig. Beide, geknebelt und gefesselt. Zugedeckt jeder jeweils mit einer Aludecke. Ihre Augen weit aufgerissen, wo die Angst herausguckte, als sie Herbert sahen. Er nahm dem Mann, die Bedeckung weg. Dieser genau wie die Frau waren völlig entkleidet. Die Frau hatte unter sich gemacht, als sie ihre Knie anwinkelte, leicht zur Seite gebeugt.

“Waren wir etwa böse“, fragte Herbert sie. Die Frau schloss in dem Moment ihre Augen, dabei bewegte sie ihren Kopf hin und her, als wolle sie es verneinen. Herbert legte seinen Kopf zur Seite. Er ging in langsamen Schritten um sie herum, dabei beobachtete er, wie ihr Atem sehr schnell ging. Als er oben an ihrem Kopf wieder angekommen war, ging alles blitzschnell. Sie starb durch einen Genickbruch, den Herbert ihr zugefügt hatte. Die Aludecke legte er wieder über sie und ging zu dem Mann. Er hielt seine Augen jetzt zu. Tränen liefen ihm die Wangen herunter. Es dauerte hier ein wenig länger, als er auch ihn durch einen Genickbruch erledigte und auch ihm die Decke sorgfältig über das Gesicht legte, wie ein Gerichtsmediziner, der die Würde eines Verstorbenen achtet. Danach reinigte er, nach und nach, ganz in Ruhe beide Leichen. Sein Werkzeug hatte er inzwischen für das kommende vorbereitet, sodass er, wie bei jedem Vorgang, sich nicht noch damit lange aufhalten musste. Das zerlegen eines Körpers, um ihn später als Nahrungsmittel zu verarbeiten, was für ihn schon zur Routine geworden. Am Nachmittag war er fertig. Alles wurde, wie immer gut verarbeitet und eingefroren. Dabei hatte er gleich mal eine Bestandsaufnahme gemacht, um festzustellen, dass er für die kommenden Monate genug hatte, um viele Patienten satt zu bekommen, um somit an den Sparmaßnahmen mitzuarbeiten. Herbert setzte sich zufrieden am Abend mit einer Flasche Bier vor den Fernseher und kurze Zeit später schlief er auf dem Sofa ein.

Viele Monate vergingen.

Auch bei Aleria hatte sich so einiges getan. Rohan war mittlerweile aus Indien zurück und konnte freudestrahlend verkünden, dass seine Schwester doch noch eine glückliche Hochzeit feiern konnte und das es, den Göttern sei Dank, ein böses Versehen gewesen war. Der Heiratskandidat entpuppte sich als sehr fürsorglicher Ehemann, der nicht auf Abwege geraten war, sondern, er hatte seiner zukünftigen Frau ein besonders schönes Geschenk machen wollen, zur Hochzeit. Daher die vielen Heimlichkeiten. Wie sagt man in Indien: Ohne Drama, keine Liebe. Aleria hatte Rohan nochmals von der der Klinik berichtet, was sie dort herausgefunden hatte. Rohan winkte ab, dass das überhaupt nicht sein kann. Er hatte einige Kollegen, die in der deutschen Küche ihre Lehre gemacht hatten, daher wüsste er, wie sorgfältig man mit Lebensmitteln in Deutschland umgehe. Es wäre auch überhaupt nicht möglich, irgendwelche Verstorbenen aus einer Klinik zu schmuggeln denn gerade in Deutschland würde alles ganz genau schriftlich festgehalten. Auch Menschen ohne festen Wohnsitz und ohne Familie würden in Deutschland registriert wenn sie verstorben seien.

Herbert wurde an Neujahr durch das Klingeln des Weckers aus dem Schlaf gerissen. Neben im lag seine Verlobte, die ihn anlächelte. “Schatz, die Alpträume sind wieder da. Diesmal waren es vier Personen.“ Anni strich ihm über seinen Oberarm, legte ihren Kopf an seine Schulter und schloss ihre Augen.

“Schnucki, dein Speiseplan für die kommende Woche ist fertig. Habe ihn gestern Abend doch noch geschrieben. Für Sonntag dann Gulasch, mit Knödel und Rotkohl. Darauf die Woche Sonntag den Schweinebraten.“ “Wenn ich dich nicht hätte“, flüsterte Herbert.

Billy die Fledermaus

 

Ina hatte es sich an der Schlachte gemütlich gemacht, mit einem Smoothie und einem Puten-Ei-Sandwich. Wenn sie mal frühzeitig das lange Wochenende einläuten durfte, was wirklich eine Ausnahme im Moment darstellte, im Seniorenheim Am Höhlenweg, dann sollte es bitte an der frischen Luft sein und dort wo sie am liebsten sich aufhielt. Für einen Donnerstag im Spätherbst war es echt. Bremen zeigte sein schönstes Lächeln, hier in der Sonne. Nur Schade, dass sie diesen Augenblick ganz alleine verbringen musste. Ein bisschen trauerte sie Tom noch hinterher aber wenn der Blödmann meinte, nach drei Jahren mit ihr, wieder zu seiner Verflossenen krabbeln zu müssen dann bitteschön. Mit ihren Siebenundvierzig, stand ihr der Himmel noch offen, irgendwann auch mal wieder glücklich zu werden. Es ging ihr so einiges durch den Kopf, dabei biss sie genüsslich in das Sandwich. Irgendwie sowieso eigenartig, das man glaubt, weil die eine Beziehung nicht funktioniert hat, wäre es für immer vorbei. Sie saß bis in die Dunkelheit dort. Dann entschied sie sich, mal langsam aufzubrechen, um nach Findorff zu fahren. In der Münchener Straße hatte sie Glück, nahe bei ihrer Wohnung noch einen Parkplatz zu bekommen und bei ihre Lieblingspizzeria war es auch nicht so voll, das sie entschied, anstatt zu Hause zu essen, dort noch gemütlich einzukehren. So wurde aus dem kurzen Besuch, ein langer Abend den sie mit der Familie des Restaurants, bei einigen Gläsern Rotwein, verbrachte. Später, gut Zuhause angekommen, duschte sie, zog sich ihre Nachtwäsche an und öffnete das Fenster. Es war zwar nicht mehr so warm aber es reichte, um bei offenem Fenster zu schlafen. Sie stand noch eine ganze Weile da und dachte nach, als sie einen Mann auf der anderen Straßenseite sah, der aus dem Haus herauskam, zu einem Wagen ging und den Kofferraum öffnete. Dann wieder zurück zum Haus ging, die Türe einklemmte, um das diese offen blieb. Geraume Zeit verging, bis das Licht im Flur angeschaltet wurde und er nach einiger Zeit mit einem langen, so wie es aussah, schweren Teppich, der eingerollt war, dass Haus verließ. Den Teppich zog er vor sich her, rückwärts in Richtung Auto gehend, so dass sie nur seinen Rücken sah. Wer schleppt denn mitten in der Nacht, sein Inventar raus, packt es in den Kofferraum und verschwindet dann wieder im Haus. Na vielleicht will er ihn am nächsten Tag zur Mülldeponie bringen, dass leuchtet ein, ihn schon mal ins Auto zu laden. Von weitem hörte sie jemanden singen. Anscheinend noch jemand, der einen schönen Abend irgendwo verbracht hat.

 

“Nachts sind alle Katzen bunt, wenn ich drehe meine Rund... Oh Glück, der Nacht...“

“Wenn Hermann weiter hier Dienst hat und solch einen Unsinn singt, wird der mich kennenlernen“, knurrte Simba, dabei leckte er sich die linke, pechschwarze Pfote, immer wieder von vorne. Man hatte fast das Gefühl wenn er das weiter macht, dass gleich kein Fell mehr vorhanden ist. Aber das war das einzige, was ihn beruhigen konnte. Denn wenn er eins hasste dann den singenden Hermann. Seit Walter Voss in Rente gegangen war, würde Hermann ihn, anstatt mit singen zu nerven, lieber noch öfters und abwechslungsreicher, füttern. Das wäre Simba weitaus lieber gewesen. Dennoch, wenn Simba sich mal richtig zeigen würde, diesem Hermann dann könnte sich das Blatt eventuell wenden. Hermann Jansen ist Pförtner seit siebenundzwanzig Jahren und das mit Leib und Seele. Hier in Findorff bei einer alt eingesessenen Firma angestellt, wo sein Job noch sicher ist. Heute heißt das Security aber Hermann sagt weiterhin, dass er Pförtner ist. Er macht immer nur Nachtschicht. All die Jahre schon, seit er damals hier angefangen hat. Das ist so und das bleibt auch so. Als eingefleischter Junggeselle hat Hermann so seine Ansichten und Macken. Zum Beispiel taucht er jeden Abend hier auf, vollzieht seine Rituale, penibel genau.

 

Das jetzt zu erklären, würde dich verzweifeln und einschlafen lassen. Stell dir einfach einen Mann vor, etwa Ende Fünfzig, mit einem ordentlich kurz geschnittenen, dunklen Haar. Dazu ein Seitenscheitel, der ebenso ordentlich mit Brisk Frisiercreme bearbeitet ist. Seine graue Herrenhose, mit fein gebügelter Falte und weißem Oberhemd. Das ganze rundet ein Aftershave, der Marke Tabak ab. Er kommt immer mit einer schwarzen Aktentasche, worin sich seine Käsebrote, ein klein, geschnittener Apfel, plus rote Paprika und eine Thermoskanne mit schwarzem Kaffee darin befindet.

“Hey Simba. Wenn ich dich da unten so böse sitzen sehe, fällt mir eine tolle Geschichte ein. Damals als wir noch in der alten Burg Buddelduddel hausten, gab es da eine Ameisen Truppe, die von sich behaupteten, sie wären in ihrem früheren Leben mal Ritter gewesen. Dieser Haufen war fest davon überzeugt...“

“Billy lass es ganz einfach. Deine nächtlichen Geschichten, ziehen heute irgendwie gar nicht und außerdem, eine Burg mit Namen Buddelduddel, habe ich noch nie gehört. Du lügst mal wieder, dass sich die Balken biegen.“