Vamps - Nicole Arend - E-Book
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Vamps E-Book

Nicole Arend

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Beschreibung

Hoch in den Schweizer Alpen liegt, gut vor den Blicken der Menschen verborgen, ein Internat. Keine gewöhnliche Schule, sondern eine hochmoderne, luxuriöse Eliteschmiede für Vampire. Aus allen Teilen der Welt schicken die reichsten und mächtigsten Vampirfamilien ihre Sprösslinge hierher, damit sie die Fertigkeiten lernen, die sie brauchen, wenn sie ihren Platz in der Vampirgesellschaft einnehmen wollen. Neben ihrem strengen Lehrplan gehören Intrigen, Sex und Partys zum Alltag der verwöhnten Jungvampire. Es ist eine Welt, in die der achtzehnjährige Dillon so gar nicht passen will. Der Halbvampir sieht sich aufgrund seiner menschlichen Seite von vorneherein in der Außenseiterrolle. Doch Blut lügt nicht, und in Dillons Blut schlummert eine uralte Macht, die ihn schon bald an die Spitze der Eliteakademie katapultiert ...

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Seitenzahl: 543

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Das Buch

»In tenebris refulgemus – In der Dunkelheit leuchten wir«

Als Dillon Halloran kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag in dem abgelegenen Internat hoch in den Schweizer Alpen ankommt, erscheint ihm das Motto seiner neuen Schule wie ein düsteres Versprechen. Dillon ist bei seinem menschlichen Vater aufgewachsen, doch nun soll der Dhampir sein vampirisches Erbe antreten. Da ist das luxuriöse Institut, in dem die Söhne und Töchter der einflussreichsten Vampirfamilien der Welt zur Schule gehen, genau der richtige Ort. Findet Dillons Vater. Doch Dillon hat Schwierigkeiten, sich in seinem neuen Leben unter Vampiren zurechtzufinden, zu dem nun nicht nur der Unterricht in Fächern wie Fliegen, Gedankenkontrolle und Internationale Vampirbeziehungen gehören, sondern auch Intrigen, Sex und zügellose Partys. Dass die Hälfte seiner Mitschüler ihm, dem Halbvampir, das Blut aussaugen will, erleichtert ihm die Eingewöhnung auch nicht gerade. Doch in Dillons Blut schlummert eine uralte Kraft, die ihn schon bald an die Spitze der Eliteakademie katapultiert. Damit macht er sich allerdings mächtige Feinde …

Die Autorin

Nicole Arend bereiste als Dokumentarfilmerin die ganze Welt, bevor sie ihre Liebe zum Schreiben und vor allem zu den Vampiren in der Literatur entdecke. Mit Vamps hat sie sich einen Traum erfüllt und ihren Debütroman vorgelegt. Nicole Arend lebt mit ihrer Familie in London.

NICOLE AREND

Roman

Aus dem Englischen übersetztvon Antonia Zauner

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

Titel der Originalausgabe

VAMPS – FRESH BLOOD

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe: 09/2023

Redaktion: Michelle Stöger

Copyright © 2022 THE WRITER’S ROOM PUBLISHING LIMITED

Copyright © 2023 der deutschsprachigen Ausgabe undder Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN 978-3-641-30160-6V002

www.heyne.de

Für Rob

1

Neues Blut

In ein kleines Tal hoch oben in den Schweizer Alpen schmiegt sich das winzige Städtchen Arnes. Majestätische schneebedeckte Berge ragen über einer Ansammlung von Holzhäusern auf und verdecken die tief am Himmel stehende Wintersonne, wodurch es hier zu kalt und zu dunkel für ein populäres Skiresort ist.

Um 17.30 Uhr am ersten November war es bereits stockdunkel. Lediglich das sanfte Glühen der Straßenlaternen und die festlichen Lichterketten über der schmalen Hauptstraße spendeten Licht. Der uralte Dorfladen war geschlossen, die weiß getünchte Kirche kalt und leer. Die verblichenen grünen Fensterläden, die jede Holzhütte zierten, waren zugezogen. Und trotz der fröhlichen Weihnachtskränze an den Türen waren auch diese fest verrammelt.

Keine Seele war zu sehen. Eine dichte Schneeschicht lag über dem ganzen Dorf, und die Stille wog schwer. Selbst der sanfte Sprühregen des Wasserfalls, der sich über die Ostseite des Berges ergoss, stand still – vorübergehend erstarrt.

Das kehlige Brüllen eines mächtigen Motors durchbrach die Stille, und nur Sekunden später raste ein leuchtend roter Lamborghini Urus über das vereiste Kopfsteinpflaster und kam schlitternd auf dem Dorfplatz zum Stehen. Die Beifahrertür öffnete sich, und ein schlankes Mädchen stieg aus. Eisblondes Haar floss in einer perfekten, seidigen Masse ihren Rücken hinab. Sie war teuer gekleidet: hautenge Jeans, eine dicke Kunstfellweste und dazu passende Overknees.

Sie blickte mit ihren stechenden eisblauen Augen die Hauptstraße hinauf und rief: »Ernsthaft? Das hier ist es?«

Ein hochgewachsener, attraktiver Mann, der nicht alt genug aussah, um ihr Vater zu sein, stieg auf der anderen Seite aus.

»Was hast du erwartet, Celeste?«, knurrte er. »Ich habe dich gewarnt.«

»Ich dachte an etwas, das malerisch, aber doch mondän ist – wie Gstaad.«

»Dort ist viel zu viel los«, antwortete ihr Vater. »Für unsere speziellen Anforderungen ist dieser Ort perfekt.«

In einiger Entfernung wurde Dillon Halloran mit Unbehagen bewusst, dass sie ihr Ziel beinahe erreicht hatten. Eine leichte Schweißschicht bildete sich auf seiner Stirn. Er und sein Vater Gabriel hatten sich auf einem Schlitten von acht Huskies das schmale Tal hinaufziehen lassen. In sechs Kilometern Entfernung war einer der Hunde aus dem Geschirr ausgebrochen, doch trotz Dillons Bemühungen hatte das nicht ausgereicht, um ihre Reise zu sabotieren; sie hatten lediglich eine halbe Stunde verloren.

Jetzt, am anderen Ende des Städtchens, noch weit vor den ersten Straßenlaternen, begannen die Hunde langsamer zu werden, bis sie schließlich ganz stehen blieben und Gabriel zwangen, scharf abzubremsen. Das Rudel stand regungslos da, den Blick auf das Städtchen vor ihnen gerichtet, und dann stießen sie alle zusammen ein langes, tiefes Heulen aus. Dillon lehnte sich zu seinem Vater und wies auf die aufgebrachten Huskies.

»Das ist komisch, Dad. Es ist, als wüssten sie, dass da oben etwas nicht stimmt.«

Gabriel kannte sich aus mit Tieren, und er vertraute ihren Instinkten. Unsicherheit lag in der Luft, und Dillon sah, wie er gegen das Bedürfnis ankämpfte, die Hunde einfach wenden zu lassen und so schnell wie möglich wieder den Berg hinunterzurasen.

Dampf stieg aus den Nasen der Tiere und bauschte sich um sie herum zu Wolken. »Ich will nicht gehen. Bitte zwing mich nicht«, flehte Dillon seinen Vater an.

Gabriel seufzte. »Dillon, wir haben doch darüber geredet. Ich habe deiner Mutter versprochen, dass ich dich, sobald du achtzehn bist …«

»Warum willst du so dringend ein Versprechen halten, das du einer Frau gegeben hast, der wir nicht einmal wichtig genug waren, um bei uns zu bleiben, Dad?«

»Ich habe es dir doch schon gesagt – die Sache ist kompliziert. Sie hat uns verlassen, um dich zu beschützen, und ich muss mein Versprechen ihr gegenüber halten.«

Dillon zog eine finstere Miene. »Beschützen? Wovor genau?«

»Genau deshalb musst du gehen. Du musst etwas über dich und die Welt deiner Mutter lernen.«

Dillon schüttelte zornig den Kopf. »Sie hat sich nicht für meine Welt interessiert – warum sollte mich ihre kümmern?«

»Du kannst nicht ändern, wer du bist. Schau mal, wir haben jetzt keine Zeit, um zu reden. Du bist ohnehin schon spät dran.«

»Komm schon, Dad, nichts davon ergibt Sinn. Können wir nicht einfach umdrehen und nach Hause fahren?«

Gabriel sagte nichts, er umarmte Dillon nur fest.

»Ich habe dein ganzes Leben lang auf dich aufgepasst, mein Sohn. Aber das kann ich jetzt nicht mehr. Und ich glaube, ganz tief drin weißt du das bereits.« Gabriel schaute noch einmal auf die Uhr. »Du musst jetzt los und dich selbst besser kennenlernen. Aber denk daran, Dillon«, Gabriel zeigte auf seine Brust und klopfte auf sein Herz, bevor er weitersprach, »das hier macht uns zu dem, was wir sind.«

Als er Dillon noch einmal an sich zog, legte er ihm eine alte Kette um den Hals. Der seltsame feuerrote Stein in dem dreieckigen Anhänger funkelte im Mondlicht.

»Trag sie mit Stolz, mein Sohn. Es bedeutet mir eine Menge. Sie hat mal deiner Ma gehört, aber sie wollte, dass ich sie dir gebe. Nimm sie niemals ab, und egal was auch da oben passiert, verliere …« Er stockte und räusperte sich. »Verliere niemals den Mut.«

Jetzt war keine Zeit, sich die Kette genauer anzusehen. Mit seinen Gefühlen kämpfend, schob Dillon sie unter den Kragen seines Pullovers, und sie fühlte sich schwer an auf seiner Brust, direkt über seinem Herzen. Nach einer letzten Umarmung löste er sich von seinem Vater und schnallte sich mit feuchten Augen die Schneeschuhe an, die Gabriel noch in Irland für ihn angefertigt hatte. Er blinzelte heftig und begann über den Schnee zu stapfen, wobei er es nicht wagte, sich noch einmal umzusehen. Nach einer kurzen Pause hörte er den Pfiff seines Vaters und das aufgeregte Bellen der Hunde, als der Schlitten wendete und auf dem Weg, den sie gekommen waren, wieder nach unten fuhr.

Er war so in Gedanken versunken, dass er die beiden Schneemobile nicht hörte, bis sie beinahe bei ihm waren. Er fluchte laut und warf sich zur Seite, als einer der Fahrer ihm etwas zurief, wild schlingerte und dann vorbeiraste.

Als Celeste und ihr Vater die Schneemobile hörten, die sich rasant aus südlicher Richtung näherten, wirbelten sie blitzschnell herum. Innerhalb weniger Minuten tauchte das erste auf, schoss zwischen den Nadelbäumen hindurch, beschrieb einen eleganten Kreis und kam dann in einer Wolke aus Eis und Schnee zum Halten. Der unfassbar attraktive Junge, der darauf saß, stellte den Motor ab und sprang mit der Grazie eines natürlichen Athleten in einem hohen Satz von dem Gefährt. Seine braunen Augen leuchteten vom Rausch der Fahrt, und er schüttelte sich Schnee aus dem dunklen Haar. Er entdeckte Celeste und hatte Schwierigkeiten, die Augen abzuwenden, bis er sich an seine Manieren erinnerte und ihrem Vater die Hand hinstreckte, um sich vorzustellen.

»Hi, ich bin Ace. Freut mich, Sie kennenzulernen, Sir.«

Celestes Vater musterte ihn kalt, ehe er, seine Hand ignorierend, antwortete: »Ich bin Eric Torstensson, und das hier ist meine Tochter Celeste.«

Aces Augen verschlangen ihr perfektes Gesicht. »Schön, dich kennenzulernen«, sagte er mit einem gedehnten amerikanischen Akzent.

Celeste, die es eindeutig gewohnt war, dass sich ihr alle zu Füßen warfen, lächelte huldvoll. »Netter Auftritt.«

Ace fuhr sich mit der Hand durch den langen Pony. »Ja nun, dieser Ort ist ziemlich abgelegen. Meine Leute mussten in Florida bleiben und sich um ein paar kurzfristige Probleme kümmern, also dachte ich, dass ich auch einfach etwas Spaß haben könnte.«

Die beiden ortsansässigen Männer auf dem zweiten Schneemobil hatten unterdessen hastig einen Koffer und eine Reisetasche aus Leder von einem angehängten Schlitten geladen. Ohne sich zu verabschieden, ließen sie die Motoren aufheulen und rasten so schnell über den unregelmäßigen, schneebedeckten Untergrund davon, dass sie immer wieder hoch in die Luft geschleudert wurden.

»Weiß auch nicht, warum sie nicht noch ein wenig bleiben wollen«, grinste Ace.

Celeste lachte leise und enthüllte dabei perfekte, leicht spitz zulaufende weiße Zähne, ehe sie dichter an den Lamborghini trat, als zwei Mercedes Gs und ein Aston Martin DBX mit getönten Scheiben schnurrend zum Halten kamen. Auf den Kühlerhauben flatterte die rumänische Flagge, und ein Chauffeur beeilte sich, die Hintertür des ersten Wagens zu öffnen. Aus dem zweiten Auto sprangen Bodyguards, und ein feingliedriger Junge mit rabenschwarzem Haar und einem dunklen Wintermantel streckte die langen Beine von der Rückbank.

»Bram Danesti«, verkündete er auf Englisch mit einem leichten Akzent und ließ einen leicht überheblichen Blick über sie hinwegwandern, wobei er sich anders als Ace nicht den Hauch eines Interesses an Celestes Schönheit anmerken ließ.

»Ah, Bram, du musst Alexandrus Sohn sein. Ist dein Vater auch hier?«, wollte Celestes Vater wissen. »Ich muss dringend mit ihm sprechen.«

Er ging auf ihn zu, um mit dem sehr attraktiven, aber einschüchternden Mann zu sprechen, der jetzt auf der anderen Seite des Mercedes ausgestiegen war.

Bram wandte sich an Celeste. »Dann weißt du ja vermutlich, dass mein Vater drei Jahre in Folge zum Vertreter seines Jahrgangs gewählt wurde. Ich plane, in seine Fußstapfen zu treten.«

Celeste zuckte nicht mit der Wimper. »Freut mich auch, dich kennenzulernen.«

Bram verengte leicht die Augen.

»Ich denke, du wirst feststellen, dass ich eine starke Konkurrentin bin«, fuhr sie mit eisiger Gelassenheit fort.

Bram grinste. »Abwarten.«

Ace trat mit ausgestreckter Hand vor. »Hi, Ace Ellison.«

Bram löste die Augen von Celeste und ignorierte seine Hand ebenfalls. »Ah, du also bist der Orangensafterbe.«

Aces perfekt geschnittenes Gesicht zeigte keinen Anflug von Verärgerung über den spöttischen Tonfall. »Das stimmt, mein Vater hat sein ganzes Geschäftsimperium auf Orangensaft gegründet. Er sagt immer, dass selbst in unserer Welt ein zu privilegiertes Leben jegliche Ambitionen töten kann. Das ist einer der Gründe, warum ich allein hergekommen bin«, sagte er und ließ den Blick über die zwei Mercedes und die Bodyguards schweifen.

Bram verspannte den Kiefer. Er wollte gerade antworten, als Celeste das Wort ergriff.

»Der sieht aber interessant aus«, sinnierte sie.

Ein außergewöhnlich großer und muskulöser Junge kam auf sie zu. Er trug lediglich ein legeres T-Shirt und Jeans, die Kälte schien ihm nichts anhaben zu können, und als er sich die Tasche über die Schulter warf, wölbte sich sein riesiger Bizeps. Seine Dreadlocks waren fein säuberlich eingedreht und zu einem üppigen Pferdeschwanz in seinem Nacken zusammengefasst. Eine alte Kette mit einer goldenen Münze hing um seinen Hals. Kurz starrten Celeste, Ace und Bram ihn an.

Völlig ungerührt stellte er sich vor. »Hey, ich bin Jeremiah.« Seine Stimme war tief und melodisch mit einem leichten jamaikanischen Einschlag.

Celeste fasste sich als Erste wieder, warf sich das Haar über die Schulter und lächelte zu ihm auf. »Hi, ich bin Celeste.«

Jeremiah lächelte lässig zurück. »Celeste, schöner Name.«

»Danke.« Sie wies auf ihren Vater, der intensiv auf Brams Dad einredete. »Es war der Name der Mutter meines Vaters. Hattest du es weit hierher?«

»Ich komme aus der Nähe von Montego Bay, also nur ein kleiner Sprung über den Atlantik, schätze ich.«

Das laute Wummern eines glänzenden schwarzen Helikopters, der jetzt über den Bergen auftauchte, dröhnte durch das Tal. Als er zur Landung ansetzte, verzog Celeste das Gesicht und bedeckte ihre empfindlichen Ohren mit einem Paar fellbesetzter Ohrenschützer. Kräftige Landescheinwerfer fluteten die alte Eislaufbahn mit Licht, und als er fast unten angekommen war, verursachten die sich drehenden Rotorblätter einen kleinen Schneesturm. Aus diesem Wirbel aus Schnee und grellem Licht sprangen ein Junge und ein Mädchen, die sich duckten, um nicht von den Rotoren erfasst zu werden, und dann mit der Grazie von Geparden über das schneebedeckte Eis zu ihnen liefen.

Von Nahem wirkte der Junge stahlhart. Er hatte kurz geschorenes helles Haar und eine beeindruckende Anzahl von Tätowierungen. Über die Motoren hinweg rief er: »Ich bin Aron, und das ist meine Zwillingsschwester Ásta. Wir kommen aus Island und freuen uns, euch kennenzulernen.«

Ásta wirkte alles andere als begeistert und schüttelte ihren geraden blonden Bob, während sie ihren Bruder verärgert ansah. Listige grüne Augen über rasiermesserscharfen Wangenknochen unterzogen Celestes atemberaubende eisige Schönheit einer abschätzenden Musterung.

Dillon kämpfte sich immer noch durch den Schnee auf das Dorf zu. Als er sich aus der Bahn des Schneemobils werfen musste, war einer der Riemen seiner Schneeschuhe gerissen. Er hatte ihn, so gut es ging, wieder befestigt, aber er kam nur quälend langsam voran. Der Anblick des schwarzen Helikopters über ihm trug nur noch weiter zu seiner Verärgerung bei, und Schweiß rann über sein Gesicht, während er einmal mehr den linken Fuß aus dem Schnee zog.

Schließlich erreichte er die Hauptstraße ins Dorf, und er konnte die Schneeschuhe ausziehen. Gerade als er sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, raste ein Ferrari FF die letzte Kurve herauf und heulte an ihm vorbei.

»Meine Güte«, murmelte er. »Wer zum Geier sind diese Leute?«

Quietschend blieb der Ferrari vor den anderen Autos stehen, und ein sündhaft schöner Junge glitt aus dem unfassbar tief liegenden Sitz. Er besaß den kleinen, drahtigen Körperbau eines Rennfahrers und wirkte mit seinen schräg stehenden, funkelnden Augen, dem Diamantohrring und dem dunklen, gewellten Haar ebenso glamourös. Er schwang sich die Lederjacke über eine Schulter, ehe er direkt auf die Gruppe zukam und sie fast mit seinem Eau des Cologne erstickte. Mit einem anzüglichen Lächeln in Celestes und Ástas Richtung stellte er sich als Angelo da Silva vor, Sohn des weltberühmten Polospielers Seve da Silva.

Funken flogen, als er und Ásta sich in die Augen blickten. »Freut mich, dich zu treffen, Angelo«, grinste sie und blickte durch ihre stark getuschten Wimpern zu ihm auf.

Ein geschmeidiges und ausnehmend schönes nigerianisches Mädchen, das gleichzeitig mit dem Helikopter angekommen war, stand etwas am Rand der Gruppe aufgeregter Teenager. Zwei Erwachsene, die leicht als ihre Eltern zu identifizieren waren und bei denen es sich um berühmte Wissenschaftler handelte, unterhielten sich gerade mit den anderen Eltern. Sie ließ den Kopf hängen, starrte auf ihre Füße und zeichnete mit der Spitze ihres Stiefels Muster in den Schnee.

Ace wollte sie schon zu ihnen rufen, doch dann entdeckte er Dillon in seinem abgenutzten Wollpulli, der mit Rucksack und den Schneeschuhen auf dem Rücken die Hauptstraße heraufkam.

»Hey, das ist der Trottel, den wir weiter unten fast überfahren hätten«, rief er. »Was macht der hier?«

Als Dillon sich der Gruppe näherte, begann sein Herz schneller zu schlagen. Noch nie in seinem Leben hatte er eine Gruppe derart glamouröser und einschüchternder Leute gesehen. Was hatte sein Vater sich nur gedacht?

Er unterdrückte das Bedürfnis, sich umzudrehen und wegzulaufen, und weil er nicht wusste, wer hier das Sagen hatte, wandte er sich sowohl an die Teenager als auch an die kleine Elterngruppe. »Tut mir leid, dass ich zu spät bin, es gab ein paar Probleme.« Jedes einzelne Augenpaar richtete sich jetzt auf ihn. »Ich bin Dillon Halloran«, fügte er nervös hinzu. Der Junge, den er in dem vorbeirasenden Ferrari gesehen hatte, näherte sich ihm mit zusammengekniffenen Augen, und er sah aus, als würde er ihn gleich anspringen und bei lebendigem Leib verspeisen.

»Was macht er hier?«, zischte er.

»Mir wurde gesagt, das hier sei der Treffpunkt«, erklärte Dillon, der nicht zurückwich, obwohl sein Herz heftig pochte.

»Lass das, Angelo!«, fauchte ein tough wirkendes Mädchen neben ihm und versuchte ohne Erfolg, ihn wegzuziehen.

Einer der großen, attraktiven Jungen in der Hauptgruppe durchbrach die Stille. »Schneeschuhe? Ich dachte, die wären schon im achtzehnten Jahrhundert ausgestorben!«, scherzte er.

Dillon trat unbehaglich von einem Bein aufs andere, hob jedoch das Kinn und blickte ihm direkt in die Augen. »Mein Dad hat sie mit seinen eigenen Händen für mich gemacht. Und sie haben mich hierhergebracht, oder?«

»Okay, sorry … Dillon, ja? Ich bin Ace. Das war sehr schlau von deinem Vater. Ich wünschte, ich hätte solche gehabt statt des Schneemobils«, sagte er völlig ernst.

Aces Gesichtsausdruck war so glatt, dass Dillon nicht einschätzen konnte, ob er sich über ihn lustig machte oder nicht.

»Ja, diese Schneemobile sahen ziemlich anstrengend zu fahren aus«, meinte Dillon achselzuckend. Weil die meisten anderen ihn immer noch anstarrten und er sich nicht sicher war, was jetzt von ihm erwartet wurde, schob Dillon sich näher an das schöne Mädchen heran, das am Rand stand und weniger einschüchternd wirkte als die anderen. »Hi, ich bin Dillon.«

Als sie ihn aus ihren großen braunen Augen anstarrte, musste er an ein Reh denken, das gleich in die Sicherheit des Waldes zurückflitzen würde.

»Ich weiß, hast du vorhin schon gesagt«, antwortete sie.

»Uff, tut mir leid«, murmelte er und fühlte sich wie ein Vollidiot. Sie war eindeutig nicht so schüchtern, wie sie aussah.

Dann schien sie doch Mitleid mit ihm zu haben. »Ich bin Sade. Du hast einen ganz schönen Auftritt hingelegt.«

»Freut mich, dich kennenzulernen, Sade. Hast du eine Ahnung, warum alle mich anstarren – oder was er für ein Problem hat?«, fragte er und nickte in Angelos Richtung, der ihn zum Glück nicht mehr beachtete und stattdessen allen seinen Ferrari vorführte.

»Das weißt du nicht?«, fragte Sade.

»Ehrlich nicht. Es ist nicht die Kleidung, oder?«

»Na ja, ich will ja nicht unhöflich sein«, sie spielte beim Sprechen an einem goldenen Armband herum, »aber du siehst – wie formuliere ich das am besten – anders aus. Wenn du dir die anderen ansiehst, niemand von uns verändert sich, egal wie hell oder dunkel unsere Hautfarbe ist.«

»Was meinst du damit? Meine Haut?«

»Na ja, tut mir leid, aber du wirkst verschwitzt und als wäre dir heiß, deine Wangen sind rot.«

Verlegen schob er seine dunklen, wirren Locken zurück und sah sich um. Sie hatte recht. Trotz der Kälte sahen sie alle verblüffend perfekt aus. Niemand hatte eine rote oder laufende Nase, und ihre Haut war so weich und gleichmäßig, dass man keine Poren erkennen konnte – als wären sie aus Marmor gemeißelt.

»Und wir haben alle das hier gehört«, fügte sie hinzu und zeigte auf sein Herz.

»Oh, das, tut mir leid, dass ich atme!«, rief er.

»Leise!«, flüsterte sie und sah sich nervös um.

»Kennst du die alle?«

»Nicht wirklich, aber ich glaube, dass die große Blonde Celeste heißt. Ace hast du ja schon kennengelernt – er scheint sich schon entschlossen zu haben, der Clown der Gruppe zu sein. Ásta und Aron sind die Zwillinge aus Island. Sie hat Angelo mit dem Ferrari für dich abgelenkt. Der übellaunige, düstere Junge ist Bram, und der große, atemberaubende ist Jeremiah.«

»Oh, toll, sieht aus, als würde ich da perfekt reinpassen … als Maskottchen«, scherzte er und wurde mit einem Lächeln belohnt, bei dem ihr ganzes Gesicht aufleuchtete.

Ein leises Pfeifen lenkte sie ab, und sie blickten beide auf. Ein Wanderfalke und ein Rabe glitten über ihre Köpfe hinweg und landeten elegant in der Mitte des Stadtplatzes. Sofort verwandelten sie sich in eine übernatürlich schöne Frau und einen gepflegten Mann mit einem glänzenden schwarzen Bart.

Ehrfürchtiges Schweigen legte sich über die ganze Gruppe. Dillon, der mit offenem Mund hinstarrte, überlegte, dass die Frau die Rektorin sein musste. Eine Rektorin, die gerade noch ein Vogel war. Er schüttelte ungläubig den Kopf, doch als ihre durchdringenden smaragdgrünen Augen über ihn hinwegglitten, verspürte er eine intensive Mischung aus Bewunderung und Entsetzen.

Obwohl sie neben den Teenagern um sie herum klein wirkte, strahlte sie Macht und Selbstsicherheit aus. Ein edles Wollcape mit Kapuze bedeckte nur teilweise ihre perfekte Porzellanhaut und die dichten kastanienbraunen Locken, die ihr bis zur Taille fielen. Ein tiefrotes Samtkleid in der gleichen Farbe wie ihre Lippen schmiegte sich an ihre Sanduhrfigur, die von einem schmalen, filigranen Goldkettchen um ihre Taille zusätzlich betont wurde.

»Willkommen in Arnes und herzlichen Glückwunsch.« Ihre Stimme war leise und melodisch. »Ich bin Madame Dupledge, die Rektorin der ältesten und exklusivsten Vampirakademie der Welt: Vampire Academiae ad Meritum, Peritia et Scientia, besser bekannt als VAMPS. Sie steht für Exzellenz, Kompetenz und Wissen. Ihr werdet nun Teil einer kleinen Elite, die von ihrer Ausbildung hier profitiert und große Dinge in der Welt erreicht hat. Ich hoffe, dass ihr euren Aufenthalt hier gut nutzen und irgendwann euer Potenzial voll ausschöpfen werdet.«

Verstohlen sah Dillon sich während Madame Dupledges Ansprache um. Ace, Bram und Celeste wirkten entschlossen. Ásta rollte mit den Augen, und Angelo grinste sie an.

»Das hier«, sie wies auf den Mann neben ihr, »ist Mr. Hunt.«

Der bärtige Mann in einem eleganten schwarzen Skianorak verbeugte sich, lächelte jedoch nicht.

»Er ist unser Konrektor und wird euch für die nächste Etappe unserer Reise instruieren. Der Standort von VAMPS ist ein streng gehütetes Geheimnis. Wir versuchen, die Reisewege so kurz wie möglich zu halten. Deshalb werdet ihr über die dunkelsten Monate bei uns bleiben, bis zum Ende unseres Jahres am einunddreißigsten März.«

Dillon senkte den Blick auf seine Stiefel, um die Welle von Heimweh und Entsetzen zu verbergen, die ihn jetzt überkam. Wie sollte er fünf Monate inmitten einer Gruppe feindseliger Vampire überleben?

»Nun, ich denke, wir haben die Anwohner für heute Nacht genug gestört. Bitte verabschiedet euch von euren Eltern, damit wir uns so schnell wie möglich auf unsere Abreise vorbereiten können. Einige Schüler sind bereits dort und warten darauf, euch kennenzulernen.«

Während alle ihr Gepäck holten und sich von ihren Eltern verabschiedeten, sah Dillon zu, wie Brams Vater Madame Dupledge zur Seite zog und angeregt auf sie einredete. Als sie ihn höflich zurückwies, um mit einem anderen Elternteil zu sprechen, verdunkelte sich seine Miene vor Wut, und er richtete einige dringliche Worte an Bram. Beide warfen Dillon einen finsteren Blick zu. Hastig schaute er weg, aber er war sich ziemlich sicher, dass er ihre Botschaft verstanden hatte. Der düstere, vor sich hin brütende Bram und sein Vater waren nicht glücklich darüber, dass er VAMPS besuchte.

Um sich abzulenken, sah er zu, wie die anderen sich von ihren Eltern verabschiedeten. Er beobachtete keine emotionalen Szenen wie die zwischen ihm und seinem Vater. Sades Eltern schienen sich zum Abschied für Anweisungen statt Umarmungen entschieden zu haben, und er sah, wie sie ihren schön geformten Kopf hängen ließ wie eine zarte Orchidee.

Während die Supercars und Luxus-SUVs nach und nach davonrollten, rief Mr. Hunt: »Hört zu, ich will, dass ihr zwei Gruppen bildet: Flieger und Nicht-Flieger.«

Dillon hatte keine Ahnung, was beides sein sollte. »Flieger? Was zur Hölle heißt das?«, flüsterte er Sade zu, die so nett gewesen war, wieder zu ihm zurückzukehren.

»Wenn du das nicht weißt, dann bist du ein Nicht-Flieger, glaub mir. Ich bin auch einer.«

Dillon sah zu, wie Ace und Aron einander abklatschten und johlten, als sie sich der Flieger-Gruppe anschlossen. Bram, Celeste, Ásta und Jeremiah gingen grinsend mit ihnen.

»Ich erwarte tadelloses Benehmen auf diesem Flug«, warnte Mr. Hunt sie, und seine scharfen, vogelähnlichen Augen glitten über jeden Einzelnen von ihnen.

»Ihr anderen werdet mit Madame Dupledge reisen. Lasst euer Gepäck da. Angestellte der Schule werden in Kürze hier ankommen.«

»Zu schade«, murmelte Angelo und warf Dillon einen abfälligen Seitenblick zu. »Ich hätte Lust auf einen Snack.«

Ásta schnaubte belustigt und versuchte, ihr Lächeln zu verbergen, als Mr. Hunt sie mit einem missbilligenden Stirnrunzeln ansah.

»Alle, die mit mir kommen: Macht euch bereit.«

Ace, Aron und Jeremiah johlten wieder.

»Wollen wir darauf wetten, wer zuerst dort ist?«, fragte Ace.

Celeste und Ásta seufzten.

»Bereit?« Mr. Hunt beugte sich vor wie ein Vogel, der dabei war, sich in die Lüfte zu schwingen. »Ich zähle bis drei.«

Die Teenager hörten auf, sich gegenseitig anzustoßen, und wurden sofort stocksteif und aufmerksam.

»Eins … zwei … drei«, brüllte Mr. Hunt, und auf einmal waren sie weg.

Dillon zuckte zusammen. »Warte mal – wo sind sie hin?«

Sade musterte ihn neugierig. »Du weißt echt nicht viel über uns, oder?«, merkte sie an, ohne unfreundlich zu klingen.

»Nein«, gab er zu. »So gut wie nichts. Meine Mutter hat uns direkt nach meiner Geburt verlassen, und seitdem sind da nur ich und Dad. Er hat mich vor all dem hier abgeschirmt. Ich komme immer noch nicht ganz damit klar, um ehrlich zu sein. Ich habe erst vor einer Woche erfahren, dass ich herkommen würde.«

»Meine Familie ist eine der Elitevampirfamilien. Ich musste mein ganzes Leben lang die Erwartungen meiner Geschwister und Eltern erfüllen«, seufzte sie. »Du hast Glück, dass du frei bist.«

»Ich würde das nicht als Glück bezeichnen«, antwortete Dillon heftig. »Das hier ist einfach nur seltsam.«

»Kommt jetzt zu mir«, unterbrach sie Madame Dupledge und winkte den Rest der Gruppe in die Mitte des Platzes.

Etwas beklommen näherte Dillon sich ihr. Sade und Angelo folgten ihm. Aus der Nähe war ihre Anziehung greifbar, und er roch einen süßen, übermächtigen Duft. Dillon schwirrte der Kopf, und er hatte das überwältigende Bedürfnis, sie zufriedenzustellen.

»Gut«, sagte sie, »haltet euch jetzt an meinem Cape fest, und was immer auch geschieht, lasst auf keinen Fall los.«

Dillon, der Angelo immer noch nicht über den Weg traute, stellte sich auf die andere Seite mit Sage zwischen ihnen, ehe er nach dem Cape griff und ein elektrischer Schock ihn durchfuhr. Jedes Nervenende kribbelte und pulsierte, als wäre er in Eiswasser gefallen.

»Gut gemacht.« Madame Dupledge lächelte anerkennend. Dann wandte sie sich allen zu und sagte: »Viel Spaß …«

Mit einem leichten Beben, wie dem Flattern von Fledermausflügeln, lösten sie sich in Luft auf. Bis auf die verlassenen Gepäckhaufen herrschte wieder Ruhe auf dem Dorfplatz. Lediglich ein grüner Fensterladen öffnete sich einen winzigen Spalt, und ein kleiner Junge spähte heraus, ehe der Ruf seiner Mutter zu hören war und der Laden sich mit einem Knall wieder schloss.

2

Erstes Blut

Die kalte Bergluft traf Dillons Gesicht wie eine heftige Ohrfeige. Seine Wangen brannten, und seine Augen tränten. Er schnappte ungläubig nach Luft, als ihm klar wurde, dass sie flogen, und fluchte laut. Sofort entriss ihm der Wind den Atem. Sie schossen in einem unglaublichen Tempo über Ansammlungen von Fichten und weite Schneeflächen hinweg. Jedes Mal, wenn sie die Richtung oder Höhe wechselten, ging eine Vibration durch den Mantel in seine Hand. Zunehmende Panik und Übelkeit drohten ihn zu überwältigen.

»Komm schon, Dillon, reiß dich zusammen«, knurrte er an sich selbst gewandt. »Lass bloß nicht los.«

Madame Dupledge führte sie an. Er, Sade und Angelo waren hinter ihr in einer engen Pfeilformation aufgereiht. Ihr Cape flatterte wild, und er klammerte sich vor Angst erstarrt daran fest. Als würde sie seine Panik spüren, drehte sie sich mit fliegenden Locken zu ihm um und flüsterte etwas. Und irgendwie konnte er sie über das Dröhnen des Windes in seinen Ohren hören.

»Tief durchatmen – es wird besser. Versuch es zu genießen.«

Mit weit geöffnetem Mund atmete er hastig die eisige Luft ein, und als seine Augen sich der Geschwindigkeit angepasst hatten, sah er zu den anderen hinüber. Sade lächelte ihn aufmunternd an, und er entspannte sich etwas. Madame Dupledges Cape vibrierte mit einer unsichtbaren Energie, die in seine Hand floss und ihn beruhigte, und während sie immer höher hinaufstiegen, veränderte sich die Landschaft unter ihnen zu atemberaubender Schönheit. Sie glitten über ein verlassenes Skiresort hinweg, wandten sich nach Norden, und er erschauderte, als sie einen unheilvoll funkelnden Gletscher hinaufrasten. Höher und höher stiegen sie, bis sie ganz oben ankamen und Madame Dupledge auf etwas in der Ferne deutete. Dillon konnte nichts sehen außer einer Reihe blasser Berggipfel, die jenseits eines zugefrorenen Sees zu erahnen waren. Sade und Angelo hatten scheinbar außergewöhnlich gute Augen – oder sie wussten, wonach sie Ausschau halten mussten –, denn sie nickten und lächelten beide. Madame Dupledge raste im Sturzflug auf den See unter ihnen zu, und sein Magen protestierte heftig, sodass Dillon sich ganz darauf konzentrieren musste, sich nicht zu übergeben. Als sie tief über den zugefrorenen See hinwegschossen, ließ die Nähe des Erdbodens ihn sich wieder etwas besser fühlen, und er beobachtete Madame Dupledge und wie sie ihren Körper drehte und wendete. Als er entdeckte, dass er die Richtung wechseln konnte, indem er leicht die Schultern drehte, lockerte sich sein Halt an ihrem Cape. Das Gefühl, wirklich zu fliegen, schickte einen Adrenalinrausch durch seinen Körper, der ihm direkt in den Kopf stieg, weshalb er verpasste, dass Madame Dupledge sie warnte, sich gut festzuhalten. Als sie plötzlich nach rechts schwenkte, wurde ihm das Cape aus der Hand gerissen.

Eine Millisekunde lang griff er ins Leere, dann stürzte er mit einem Übelkeit erregenden Gefühl mehrere Meter in die Tiefe. Er drehte sich in der Luft und zappelte wild mit Armen und Beinen. Die gefrorene Oberfläche des Sees raste auf ihn zu. Augenblicklich tauchte Madame Dupledge ab, und er erhaschte einen Blick auf Sades und Angelos entsetzte Mienen, bevor sie ihn am Rücken seines Pullis packte. Kurz schlitterten sie über das Eis, ehe sie wieder an Höhe gewannen.

»Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich festhalten«, zischte sie und blickte wütend über ihre Schulter. »Du musst noch eine Menge lernen.«

Stumm vor Schock und hyperventilierend, nickte er. Mehr als nur eine Menge. Er war so damit beschäftigt, sich in Grund und Boden zu schämen, weil er sich so zum Narren gemacht hatte, dass er nicht besonders auf seine Umgebung achtete, bis sie bei der ersten Bergkette ankamen. Etwas daran ließ ihn genauer hinsehen, und als sie sich näherten, wurde ihm klar, dass das gar kein richtiger Berggipfel war. Jemand hatte ein unfassbares futuristisches Gebäude in den Berg hineingebaut. Es hatte die Form eines umgedrehten Fangzahns, der sich nach den Wolken reckte. Außen war es vollständig mit metallicgrauen, rautenförmigen Platten bedeckt, die dort, wo das Mondlicht sie traf, silbern schimmerten. Es schien keine Fenster oder Türen zu geben. Dillons Herz raste – es sah gleichzeitig atemberaubend und unglaublich unheilvoll aus.

Madame Dupledge raste mit ihnen den Berg hinauf. Kurz sah Dillon die anderen drei – und sein eigenes vor Furcht erstarrtes Gesicht – in der spiegelnden Fassade des Gebäudes aufblitzen. Als Madame Dupledge über der Spitze kreiste, entdeckte er, dass es vorne und hinten zwei Vorsprünge gab, die an den Seiten mit zwei konvexen, in der Mitte nach unten gewölbten Elementen verbunden waren. Etwas, das aussah wie ein riesiges ovales Vergrößerungsglas, das auf einer flachen Kuppel aus Glas und Metall saß, bildete das Dach. Aus dem Zentrum des Gebäudes kam gedämpftes Licht und schien sanft in den Himmel hinauf wie eine riesige Taschenlampe.

»Wow, das ist Wahnsinn!«, rief er überrascht. Er hatte ein modriges, altes Geisterschloss erwartet.

Madame Dupledge nickte, und nach einer letzten Runde um das Dach wies sie auf zwei weitere Gipfel in der Ferne. »Dort drüben wohnen die älteren Vampire – wir nennen sie Gipfel Eins und Gipfel Drei.«

Dillon spähte hinüber, aber für ihn sahen sie aus wie normale Berge. Was immer sich dort befand, war gut getarnt. Im nächsten Moment raste Madame Dupledge an der Rückseite des Gebäudes und einem guten Viertel des Berges hinunter. Beinahe hätte er geschrien, als sie sich drehte und direkt auf eine Felswand zuflog. In letzter Sekunde glitt eine unauffällige Metalltür auf, und sie schossen tief in den Berg hinein. Sein Herz machte erneut einen Satz. Es bestand keine Chance, dass er hier jemals rauskam, es sei denn, er lernte fliegen. Sie folgten einem breiten Betontunnel mit Neonlampen und modernen Überwachungskameras. Nach dem atemberaubenden Äußeren des Gebäudes sah es hier drin überraschend zweckmäßig aus. Schließlich erreichten sie eine weitere Tür.

»Macht euch bereit«, sagte Madame Dupledge, bremste und landete sanft mit ihnen auf dem Betonboden.

Als Dillons Beine wieder festen Untergrund spürten, bebten sie, als wäre er ein Astronaut bei seiner Rückkehr auf die Erde. Leise öffnete sich die Tür und malte ein Rechteck aus Licht auf den Boden. Ein Vampir in einem engen schwarzen Rollkragenpulli und schmal geschnittenen Hosen begrüßte sie.

»Willkommen zurück, Madame.« Er verbeugte sich. »Wie war die Reise?«

»Danke, Rufus, sie war ein wenig aufregend«, antwortete sie und warf Dillon einen eisigen Blick zu, unter dem er errötete. Rufus riss überrascht die Augen auf, und Dillon spürte Angelo neben ihm zucken.

Hastig scheuchte Madame Dupledge sie alle hinein. Ein berauschender bittersüßer Geruch mit einem Hauch von etwas Dunklerem hüllte sie ein, als die Tür sich mit einem Schwall kalter Bergluft hinter ihnen schloss. Dillon schauderte leicht und bekämpfte den Drang zu fliehen. Sie waren jetzt in einem minimalistischen weißen Flur. In die Mitte des edlen Fliesenbodens war das Schulwappen eingelassen – mit den Buchstaben VAMPS senkrecht darunter. Dillon schauderte, als er das lateinische Motto übersetzte: In Tenebris Refulgemus – »In der Dunkelheit leuchten wir«. Wenigstens war seine katholische Erziehung nicht gänzlich Zeitverschwendung gewesen.

»Das Schulgebäude verfügt über zwölf Stockwerke«, erklärte Madame Dupledge. »Wir befinden uns gegenwärtig im fünften Stock. Die Unterbringung der Schüler und die Angestelltenquartiere befinden sich in den Kellergeschossen. Die Zeremonienhalle, wo wir uns später heute Abend treffen werden, ist ganz oben, unter dem Dach.«

Sie hatten zwei Aufzüge aus Glas und Stahl erreicht.

Madame Dupledge wandte sich an Rufus. »Kannst du Angelo bitte zeigen, wo er sich ausruhen kann? Er hat eine lange Reise hinter sich und scheint an die Grenzen seiner Selbstkontrolle zu kommen.«

Dillon wagte es, einen Blick auf Angelo zu werfen, der ihn anstarrte und angespannt mit den Fingern auf seine Schenkel trommelte.

»Natürlich, Madame.« Rufus verbeugte sich und trieb Angelo vor sich her in den Aufzug.

Madame Dupledge sah Sade an. »Ich möchte gerne allein mit Dillon sprechen, aber ich wäre dir dankbar, wenn du danach wieder zu uns kommen und ihn zu euren Zimmern begleiten könntest. Elias …«, Dillon zuckte zusammen, als ein weiterer schwarz gekleideter Vampir im Flur hinter ihnen auftauchte, »… wird dir zeigen, wo du warten kannst.«

Sade deutete eine kleine nervöse Verbeugung an. »Natürlich, Madame.«

Madame Dupledge drehte sich wieder zu Dillon um, und er wich erschrocken einen halben Schritt zurück. Auf ihrem Gesicht stand plötzlich kaum unterdrückte Wut.

»Dillon, würdest du mir bitte in mein Büro folgen.«

Sie drehte ihm den Rücken zu und stieg so schnell in einen weiteren Lift, dass Dillon blinzeln musste. Mit panischer Angst und Wut auf seinen Vater im Bauch zwang er sich, ihr zu folgen. Was hatte sein Dad sich nur dabei gedacht, ihn hierherzuschicken?

Augenblicklich schlossen sich die Türen, und sie schossen nach oben. Trotz seiner düsteren Gedanken nahm Dillon wahr, dass sie sich in einem vertikalen Glaszylinder befanden, der bis tief hinunter in das Gebäude zu reichen schien. Als er nach oben blickte, sah er den Nachthimmel, und ihm wurde klar, dass der Lift sich bis in das Glasdach erstreckte, das er von außen gesehen hatte. Von hier aus konnte man in jedes Stockwerk gelangen. Als sie anhielten, vermutete Dillon, dass sie sich im neunten Stock befinden mussten.

Halb ging er und halb rannte er in dem Bemühen, Madame Dupledge zu folgen, die auf wundersame Weise keine Geräusche beim Gehen zu machen schien. Dillons feste Stiefel stampften hinter ihr her. Sie befanden sich jetzt in einem wunderschönen Atrium, das sich halbmondförmig um die Röhre in der Mitte legte. Von ihm aus gelangte man in Madame Dupledges Büro, das nicht minder beeindruckend war. Ein rautenförmiges Fenster, das er bei ihrem Flug an der Fassade hinauf nicht hatte entdecken können, beherrschte die Außenwand und eröffnete den Blick auf den See darunter. Er vermutete, dass es von außen getönt sein musste. Die Bürotür und die gewölbte Innenwand bestanden aus Glas, das das sanfte Mondlicht aus dem Atrium in den Raum fließen ließ, der nahezu perfekte Proportionen aufwies und minimalistisch gehalten war. Nichts lag auf dem wunderschönen, glänzenden Parkett, und ein atemberaubendes Gemälde der Akademie zwischen den Berggipfeln aus der Vogelperspektive zierte eine der sauberen weißen Wände. Vier Porträts ehemaliger VAMPS-Rektoren hingen wie eine in die Vergangenheit gewandte Zeitreise an der anderen Wand. Dillon erschauderte, als er sich den extrem gut gekleideten Direktor aus dem sechzehnten Jahrhundert ansah, der eine Grimasse zog und dabei lange, grausame Fangzähne enthüllte, als würde er jeden Moment den Maler des Porträts anspringen. Augenblicklich schlossen sich elektrische Jalousien, und Spotlights an der Decke gingen an und spendeten schwaches Licht, während Madame Dupledge hinter einen wunderschönen hellen Holzschreibtisch trat. Kerzen in Glaszylindern verströmten den gleichen berauschenden bittersüßen Geruch, den er schon im Flur wahrgenommen hatte. Das blaue Leuchten zweier extraflacher Monitore auf dem Schreibtisch erhellte den kalten Zorn in ihrem Gesicht. Und plötzlich fühlte er sich trotz seines rasenden Herzens von ihr angezogen. Vor dem Schreibtisch hielt er an und stand dann verlegen dort. Zu seiner Schande schlotterten ihm vor Angst leicht die Knie.

»Dillon, tu so etwas Dummes nie wieder«, zischte sie, und ihre Augen waren wie zwei Dolche. »Du hättest dich umbringen können. Sicherlich ist dir bewusst, was für ein Privileg es ist, hier zu sein?«

Beinahe panisch vor Angst und wütend auf sich selbst, weil er sich so von ihr einschüchtern ließ, murmelte er: »Na ja, wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mal, warum ich hier bin. Mein Vater hat gesagt, ich muss wegen eines Versprechens herkommen, das er einer Mutter gegeben hat, an die ich mich nicht einmal erinnere.« Er konnte eine Spur von Bitterkeit in seinem Tonfall nicht unterdrücken.

Ein Teil der Wut in Madame Dupledges Ausdruck verwandelte sich in Erstaunen. »Aber du weißt, was du bist, oder, Dillon?«

»Ich bin ein Dha… ein Dhampir«, stotterte Dillon. »Aber ehrlich gesagt glaube ich, dass es da einen Fehler gab; es gibt keine echten Anzeichen dafür, wissen Sie, also an mir, meine ich.«

Sie ignorierte ihn und fuhr fort: »Es gibt nur sehr wenige Dhampire, da Verbindungen zwischen Menschen und Vampiren in unserer Welt ein großes Tabu sind. Gemischte Beziehungen sind gefährlich für Menschen.«

Dillon schluckte, auf seiner Stirn brach Schweiß aus.

»Nur aus sehr wenigen geht Nachwuchs hervor, und das Kind überlebt nur selten. Aber du hast überlebt. Und deshalb bist du hier, Dillon. Deshalb bist du etwas Besonderes. Und deshalb darfst du keine dummen Risiken eingehen.«

»Ehrlich, ich verstehe nicht einmal die Hälfte von dem …«

»Dillon, deine Mutter entstammt einer Familie von mächtigen Vampiren, die weit in die Vergangenheit zurückreicht. Normalerweise können weibliche Vampire keine Kinder mit männlichen Menschen zeugen. Wir wissen bis jetzt nicht einmal, wie du überlebt hast. Ihre Gene sind so stark. Deshalb ist es wichtig, dass du jetzt, da du volljährig bist, zu uns kommst – damit wir dich anleiten können und du nicht zur Gefahr für dich und andere wirst.«

»Ich bin nicht gefährlich!«, protestierte Dillon. Als ihre Miene sich verdunkelte, bereute er es sofort, aber das hier war Wahnsinn – sie mussten den Falschen erwischt haben.

»Wer ist meine Mutter dann?«, fragte er. »Mein Dad hat nie von ihr gesprochen, und ich wollte ihn nicht aufregen.«

Sie starrte ihn eindringlich an. »Es tut mir leid – es gibt gute Gründe, warum ich dir das nicht sagen darf, aber sie hatte recht, das hier ist der beste Platz für dich. Diese Akademie dient Vampiren aus der Elite und solchen, die das Potenzial haben, Überragendes zu leisten. Wir glauben, dass du über dieses Potenzial verfügst, Dillon – selbst als Halbvampir.«

Nichts, was sie erklärte, ergab Sinn.

»Ich verstehe immer noch nicht, warum das so eine große Sache ist«, sagte er und spürte, dass er wieder zornig wurde.

Ihre Augen verengten sich etwas. »Ich verstehe, dass das eine Menge neuer Informationen sind. Es ist besser so.«

Frustriert ballte er die Hände zu Fäusten, doch dann tauchte Elias in der Tür auf, was wohl bedeutete, dass die Unterhaltung zu Ende war.

Madame Dupledge sprach dringlich zu ihm. »Vertrau mir einfach, Dillon, und es wird dir hier gut ergehen.«

Er zuckte die Achseln, weil er nicht wusste, was er sagen sollte. »Ich versuche es«, murmelte er und wandte sich ab.

Als er die Tür erreicht hatte, ergriff sie erneut das Wort. »Deine Mutter. Sie hatte einen so starken Charakter, dass sie ihr Verlangen beherrschen und dich und deinen Vater schützen konnte. Du verstehst vielleicht jetzt noch nicht, wie schwer das war, aber du wirst es bald sehen.«

Er zögerte und drehte sich noch einmal um. Sie blickte durch das rautenförmige Fenster auf den eisigen See unter ihr, und ihr schönes Gesicht wirkte seltsam traurig. Ja, verdammt, er verstand rein gar nichts. Dann hatte er eben eine mächtige Vampirmutter. Das spielte keine Rolle, solange weder sein Vater noch Madame Dupledge ihm sagen wollten, wer sie war.

»Hier lang«, wies Elias ihm den Weg.

Dillon folgte ihm zurück zum Aufzug und in den fünften Stock hinunter, wo Sade auf ihn wartete.

»Bist du okay?«, flüsterte sie, als sie zu ihnen in den Lift stieg.

»Es war komisch«, antwortete er. »Ich erzähle es dir später.«

Auf dem Weg nach unten standen sie schweigend nebeneinander, und Sade spielte an ihrem Armband herum. Im dritten Stock hielten sie an. Elias führte sie in ein weiteres kreisrundes Atrium und wies auf die Gänge, die auf beiden Seiten davon abzweigten.

»Das hier ist Gipfel Eins, oder G1, wie wir ihn nennen. Der Sargkorridor.«

Elias deutete auf etliche offen stehende Türen, und Dillons Augen wurden groß, aber er folgte Sade trotzdem zur dritten Tür. Aus dem Raum perlte Lachen. Als sie hineinblickten, stand dort ein feingliedriges Mädchen mit kurzem dunklen Haar und einer gepiercten Nase, das wild gestikulierend eine Reihe von Katastrophen beschrieb, die dazu geführt hatten, dass sie den Treffpunkt in Arnes verpasst hatte, und was für ein Glück es war, gleich darauf jemanden zu treffen, der auf dem direkten Weg zur Schule war. Ace, der auf etwas lungerte, das nach einer glatten, verchromten, ovalen Kapsel aussah, genoss jede Minute davon.

Als er Dillon und Sade entdeckte, rief er gedehnt: »Hey, wo wart ihr denn?«

Das Mädchen unterbrach sich mitten im Satz, und ihre meeresgrünen Augen wurden groß. »Guter Gott«, rief sie mit einem hochgestochenen britischen Akzent. »Bist du etwa ein Dhampir?«

Ihre Reaktion war so direkt, dass Dillon lächeln musste. »Sieht so aus. Scheinbar bin ich so eine Art Besonderheit hier.«

»Wie aufregend!«, sagte sie und kam näher, um ihn zu beäugen. »Ich habe noch nie jemanden von deiner Art getroffen, und du bist vermutlich der erste, der VAMPS besucht. Ich frage mich«, sie hielt inne, um ihn von Kopf bis Fuß zu mustern, »was so besonders an dir ist.«

Wieder lächelte Dillon, der spürte, wie sie ihn aus seiner üblichen Reserve lockte. »Ich wünschte, ich wüsste es, ehrlich. Aber das ist alles neu für mich. Und mit neu meine ich, ich weiß es seit letzter Woche.«

»Nicht dein Ernst!«

»Doch.«

»Nun«, sagte sie, »dann ist es mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen, Dillon. Das macht die ganze Sache gleich viel interessanter. Ich bin übrigens Cora de Courtenay.«

Dillon, der ganz fasziniert von ihren funkelnden Augen war, erinnerte sich plötzlich wieder an seine Manieren. »Oh, und das hier ist Sade. Wir sind zusammen hergeflogen.«

Cora richtete ihren Suchscheinwerferblick auf Sade, packte sie und wirbelte sie herum. »Ausgezeichnet!«, verkündete sie. »Gehörst du zur Dauda-Familie?«

Sade war ein wenig verlegen, trotzdem erhellte jetzt ein schönes Lächeln ihr Gesicht. »Ja.« Sie nickte.

»Kein Wunder.« Cora pfiff anerkennend.

Cora hatte ein Talent dafür, andere aus der Reserve zu locken.

»Habt ihr eure Zimmer schon gefunden?«, fragte Ace.

»Nein. Was ist das?« Dillon zeigte auf Aces längliche Kapsel. »Ach, kommt schon, ihr schlaft doch nicht wirklich da drin?«

Ace und Cora brachen in Gelächter aus.

»Natürlich tun wir das, Dummkopf – das ist ein Sarg!«, schnaubte Ace. »Deshalb nennt man es den ›Sargkorridor‹.«

»Woher soll ich das wissen, mein Vater ist nicht der verdammte Graf Dracula!«, fauchte Dillon. »Ich dachte, das mit den Särgen wäre einfach ein Mythos – irgendetwas aus dem Mittelalter.«

Cora schien die Heftigkeit seines Zorns zu erschrecken. »Tut mir leid, Dillon, wir haben es nicht böse gemeint. Es ist erfrischend, jemanden kennenzulernen, der, wie soll ich es sagen, einen so unschuldigen Blick auf unsere Welt hat. Bitte frag mich, was immer du wissen willst.«

Er war etwas besänftigt, warf Ace aber immer noch böse Blicke zu, als er murmelte: »Das ist fair, danke, Cora. Ich werde darauf zurückkommen. Ich schätze, wir sehen uns besser mal nach unseren Zimmern um.«

Auf keinen Fall würde er vor Ace etwas fragen. Durch die offenen Türen konnten sie sehen, dass die meisten Zimmer bereits belegt waren. Celeste verstaute gerade den Inhalt ihrer Reisetaschen in dem großen Raum nahe dem Aufzug, der Fenster hatte, die auf die Mitte des Gebäudes hinausgingen.

Celeste sah Dillon an. »Wir sollen uns ein Zimmer teilen.«

Der Gedanke schien sie nicht gerade zu begeistern, also wandte er sich an Sade. »Würdest du gerne mit mir tauschen?«

»Sicher. Das Zimmer sieht toll aus.«

»Natürlich.«

»Danke.«

Er schnappte sich seinen Rucksack und ging den Flur hinunter, bis er bei dem Zimmer mit dem letzten freien Sarg ankam. Es hatte die größte Entfernung zum Lift und war viel kleiner als das, in dem er gerade gewesen war. Jeremiahs große Gestalt füllte es fast gänzlich aus.

»Sieht aus, als hätten wir den Kürzeren gezogen«, sagte er schulterzuckend.

»Lass uns lieber keine Witze über ›Kurze‹ machen, wenn wir uns wirklich ein Zimmer teilen sollen«, grinste Dillon, den Jeremiahs Freundlichkeit überraschte.

Trotz der beschränkten Dimensionen hätte man das Zimmer locker in einem coolen Skandi-Magazin sehen können. Hinter zwei Schiebetüren an einer Metallstange verbarg sich der Stauraum für Kleidung. An entgegengesetzten Enden des Zimmers waren zwei Retro-Schreibtische mit Regalen angebracht. Es hätte wie ein normales Zimmer ausgesehen, wären da nicht die beiden Sargkapseln gewesen. Jeremiah hatte seine Tasche auf die linke geworfen, die etwa einen halben Meter länger und breiter war als die andere. Vorsichtig hob Dillon den Deckel des Sargs auf der linken Seite. Er war mit flauschigem schwarzem Samt ausgekleidet.

»Das muss ein Witz sein! Auf keinen Fall kann ich in so einem Ding schlafen.«

»Zugegeben, es ist schon etwas seltsam«, sagte Jeremiah. »Zu Hause schlafe ich nicht in so einem. Aber hier ist man streng, was Traditionen angeht. Du solltest es mal versuchen – ist deutlich bequemer, als es aussieht. Wir dürfen ihn auch selbst dekorieren.«

»Ich nehme dich mal beim Wort.« Dillon schloss den Deckel wieder. »Aber auf keinen Fall schlafe ich mit geschlossenem Deckel. Ich atme schließlich Luft.«

Jeremiah saß auf seinem Sarg und sah ihn neugierig an.

»Es geht mich ja nichts an, aber wie kommt es überhaupt, dass du hier bist?«

»Ich habe meine Mutter nie kennengelernt, deshalb geht es wohl darum, dass ich die Sachen lernen soll, die sie mir nie beigebracht hat. Ich werde achtzehn, und plötzlich finde ich heraus, dass sie ein Vampir war und das hier der beste Ort für mich sein soll … sagen sie zumindest.«

»Vermutlich ist er es dann auch. Bei der Einführungszeremonie finden wir sicher mehr heraus.«

»Einführungszeremonie?«

»Da schwören wir, dass wir die Regeln befolgen werden, und Gerüchten zufolge dürfen wir auch Madame Dupledges Blut trinken.«

Dillon starrte ihn an. »Ihr richtiges Blut? Auf keinen Fall, du willst mich doch verarschen, oder?«

»Mach dir keine Gedanken.« Jeremiah grinste. Seine Pupillen weiteten sich auf unheimliche Weise, bis seine außergewöhnlichen braun-grünen Augen schwarz waren, und er sagte: »Es soll großartig sein.«

Dillon schreckte leicht zurück. Jeremiah erinnerte ihn an seine Katze zu Hause, kurz bevor sie zum Sprung ansetzte. Der Junge bemerkte sein Unbehagen, und sofort wurde sein Gesicht wieder normal.

»Sorry, ich kann nicht anders. Schätze, du wirst dich an uns gewöhnen müssen.«

»Und vielleicht umgekehrt auch? Ihr seid nur alle so …«, er suchte nach dem richtigen Wort, »… raubtiermäßig.«

»So kann man es auch nennen.« Jeremiah lachte, aber dann sagte er etwas ernster: »Deshalb sind wir so gefährlich, Dillon, und Dhamp, das darfst du nicht vergessen. Deshalb sind wir hier – damit wir unsere instinktgetriebene Seite beherrschen lernen.«

»Jeremiah, ich glaube, ich habe bisher noch nicht mal Instinkte!«

Coras Kopf tauchte in der Tür auf. »Hey, tut mir leid, euch zu stören. Ich dachte, ihr würdet gerne wissen, dass wir uns jetzt alle auf den Weg in den großen Saal machen.«

»Danke …« Jeremiah erhöhte die Strahlkraft seines unglaublichen Lächelns, und Dillon lachte leise, als er den leicht weggetretenen Ausdruck auf Coras Gesicht sah.

»Was?«, wollte sie wissen.

»Nichts.« Er zuckte die Achseln.

»Du kannst nicht einfach lachen und mir dann nicht sagen, worüber.« Ihr Ausdruck war rebellisch.

»Nun, ich schätze, Jeremiah hat gerade getestet, ob er mit seinem unwiderstehlichen Charme die Höschen fliegen lassen kann, aber vermutlich hatte er keinen Erfolg damit.«

Jeremiah lachte. Kurz wirkte Cora peinlich berührt, doch dann grinste sie.

»Du hast recht. Er ist unwiderstehlich. Aber mein Höschen ist da, wo es hingehört … noch«, sagte sie mit Nachdruck und sah Dillon an.

Er spürte, wie er leicht rot wurde.

»Äh, ihr seid nicht allein, okay«, unterbrach Jeremiah sie. »Ich mag es nicht, wenn man über mich redet, als hätte ich jenseits meines Aussehens nichts zu bieten. Da drin befindet sich ein verdammt gutes Gehirn.« Er tippte sich an den Kopf.

»Tut mir leid, Jeremiah«, entschuldigte sich Cora. »Aber … wir wissen, dass du ein verdammt gutes Gehirn hast, sonst wärst du nicht hier, also sei nachsichtig mit uns und lass uns dich ein wenig bewundern. Wir kommen sicher schnell darüber hinweg.«

»Na dann …« Jeremiah grinste. »Vielleicht gar nicht mal so schnell.«

Cora warf die Hände in die Luft. »Ich gebe auf! Ihr Vampirtypen wisst nicht, was ihr wollt. Wir müssen los, sonst werfen sie uns raus, bevor wir richtig angefangen haben.«

Sie schoss in den Flur hinaus.

»Warte«, rief Jeremiah. »In den Anweisungen stand, wir sollen angemessene Abendgarderobe tragen.«

»Wirklich?« Sie stieß einen beeindruckenden Fluch aus, und Jeremiah hob die Augenbrauen. »Wir treffen uns in fünf Minuten in meinem Zimmer. Bis dahin sollte Ace auch fertig damit sein, sich hübsch zu machen – falls er es schafft, mir nicht noch einmal zu erzählen, dass er bei dem Flug hierher alle geschlagen hat.«

Dillon blickte ihr hinterher und schüttelte den Kopf.

»Hey, tut mir leid, dass ich dich mit Fragen nerve, aber was bedeutet ›angemessene Abendgarderobe‹ genau? Damit ist kein seltsames Dracula-Cape oder so etwas gemeint, oder?«

»Nein, nur ein Jackett und eine Krawatte.«

Jeremiah wühlte bereits in seinem Schrank. Dillon fluchte noch einmal und öffnete seinen Rucksack. So etwas hatte er nicht. Er bezweifelte, dass sein Vater überhaupt das Geld für ein Jackett gehabt hätte. Jeremiah war unterdessen mit blitzschneller Vampirgeschwindigkeit in ein perfekt geschnittenes schwarzes Jackett, ein blütenweißes Hemd und eine Samtfliege geschlüpft.

Dillon blieb der Mund offen stehen. »Niemand wird darüber hinwegkommen, dich so zu sehen«, murmelte er.

Jeremiah grinste. »Ich weiß. Und jetzt sehen wir zu, dass wir etwas für dich auftreiben.«

Dillon musste sich beeilen, um mit ihm Schritt zu halten – nicht nur waren Jeremiahs Beine dreißig Zentimeter länger als seine, er lief auch mit Vampirgeschwindigkeit.

»Klar, geh du mal. Ich komme dann hinterher«, keuchte Dillon und sah, wie Jeremiah augenblicklich den Flur hinunter verschwand.

Als er – völlig außer Atem – bei Coras Tür ankam, hatte sich eine Gruppe gebildet, und Jeremiah schüttelte entschuldigend den Kopf. »Tut mir leid, Dillon, aber niemand hat ein Jackett übrig.«

Bram, der aussah, als wäre er bereits im Smoking geboren worden, warf Dillon in seinem dicken irischen Pulli und Jeans einen angewiderten Blick zu. Ein kompakter Junge mit leuchtend fuchsrotem Haar und einem fröhlichen Gesicht kam auf ihn zu und stellte sich vor.

»Hi, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Frederick. Ich bin gerade aus Deutschland hier angekommen.«

Wie Bram sprach er perfektes Englisch mit lediglich dem Hauch eines deutschen Akzents.

Als Dillon einen Schritt auf ihn zutrat, sah er, wie Fredericks Nasenflügel sich weiteten und sein fröhliches Gesicht für einen Moment ernst wurde. »Hi, ich bin Dillon«, sagte er schnell.

»Dillon, der Dhampir«, meinte Bram gedehnt. »Klingt gar nicht mal schlecht.«

Frederick wirkte verwirrt. »Ein Dhampir? Echt? Ich wusste gar nicht …«

»Dass in VAMPS auch Dhampire aufgenommen werden?«, beendete Dillon den Satz für ihn und fragte sich, ob das ewig so weitergehen würde.

Kurz trat peinliche Stille ein, bis Ace einen lauten Pfiff ausstieß. Celeste und Sade kamen auf sie zu. Jede von ihnen komplementierte die Schönheit der jeweils anderen perfekt. Celeste trug ein rückenfreies hellblaues, bodenlanges Kleid, das über ihren schlanken Kurven schimmerte. Sade hatte sich für eines in Puderrosa entschieden, das ihrer strahlenden Haut einen warmen Unterton gab und ihre schmale Taille betonte. Ihr schien die Aufmerksamkeit peinlich zu sein, doch Celeste sonnte sich darin.

Celeste sah Ace scharf an. »Ich möchte dich bitten, nicht so zu pfeifen, Ace, es ist ungehobelt, altmodisch und entwürdigend, vor allem für jemanden, der eine ausgezeichnete Bildung genossen hat wie wir.«

Ace sah nicht wirklich geläutert aus, doch er verbeugte sich. »Ich entschuldige mich. Tut mir leid, wenn ich dich beleidigt haben sollte. Darf ich es wiedergutmachen, indem ich dich in den Saal geleite?«

Celeste senkte den Kopf. »Du darfst«, willigte sie ein und ergriff seinen Arm.

Zusammen gaben sie ein atemberaubendes Paar ab. Ásta und Angelo folgten ihnen. Ásta trug jetzt ein hautenges schwarzes Kleid mit rautenförmigen Cut-outs, unter denen man ihre blasse, straffe Taille sehen konnte. Schwindelerregend hohe Louboutins mit blutroten Sohlen ließen sie auf Angelos Größe anwachsen, der den Arm um sie gelegt hatte und sanft über ihre nackte Haut strich. Dillon war beschämt von der offensichtlichen Anziehung zwischen ihnen, und er schaute schnell weg.

Frederick hakte sich bei Sade unter und brachte sie zum Kichern, indem er mit ihr von dannen tanzte, obwohl sie einen Kopf größer als er war. Cora stürmte aus ihrem Zimmer und blieb dann abrupt stehen. Ihr wirres, stacheliges Haar und das hauchzarte waldgrüne Kleid betonten ihre leuchtenden Augen und ihre schlanke Figur perfekt. Ein Paar Doc Martens komplettierte den Look und ließ ihn lässig und cool wirken.

»Seid hier alle wegen mir hier?«, rief sie, als sie Aron, Bram und Dillon sah.

Bram bot sofort an, sie zu begleiten, und Dillon war überrascht, als sie sich bei ihm unterhakte. Da sie beide dunkles Haar und ähnlich aristokratische Züge hatten, wirkten sie beinahe wie Bruder und Schwester. Kurz spürte Dillon tief in seinem Bauch etwas zucken, das er noch nie zuvor gefühlt hatte. Er wusste nicht, wie er je so kultiviert und selbstbewusst auftreten sollte, wie sie es taten. Als würde sie seine Unsicherheit spüren, drehte Cora sich zu ihm um und lächelte entschuldigend.

Aron zuckte die Achseln. »Schätze mal, wir bleiben allein zurück, oder, Vamps? Hey, Dillon, ich habe kein Extrajackett, aber ich habe einen Anzug, vielleicht möchtest du den ja mal anprobieren. Wir sind etwa gleich groß.«

Dillon blickte auf seinen Pulli und seine Jeans hinunter. Er hatte es nicht zugeben wollen, aber er fühlte sich unwohl, nicht so fein gekleidet zu sein wie die anderen. Er achtete nicht auf die Stimme seines Vaters in seinem Kopf, die sagte, schäm dich nicht dafür, wer du bist, und nickte mit einem dankbaren Lächeln. »Das wäre toll. Vielen Dank.«

Er war überrascht, dass nach den ersten Reaktionen die meisten Vampire keine Probleme mit ihm als Dhampir zu haben schienen.

»Komm«, sagte Aron. »Mein Zimmer ist auf der anderen Seite des Atriums. Ich teile es mir mit Frederick.«

Arons und Fredericks Zimmer war größer als seines. Er und Jeremiah hatten wirklich Pech gehabt. Eine Seite des Zimmers war perfekt aufgeräumt; Aron hatte eindeutig einen Ordnungsfimmel. Keine hingeworfene Kleidung auf seinem Sarg, nichts, was aus Reisetaschen quoll. Auf dem Schreibtisch lagen lediglich ein Paar Hanteln und das neueste iPhone. Fredericks Seite war das genaue Gegenteil, sie sah aus, als hätte ein Tornado das Durcheinander aus Kleidern, Kopfhörern und persönlichen Gegenständen herumgewirbelt. Mit einem Gefühl der Unsicherheit entdeckte Dillon eine Kiste mit etwas, das aussah wie mit Blut gefüllte Flaschen. Aron schob seine Schranktür auf und reichte Dillon einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd.

»Sicher?«, fragte Dillon und schielte auf das Etikett – selbst er hatte den Namen Tom Ford schon einmal gehört, und der Anzug war ausgezeichnet geschnitten.

»Natürlich, aber probier ihn erst einmal an. Vielleicht passt er ja nicht.«

Dillon drehte ihnen den Rücken zu und schlüpfte aus Pulli und T-Shirt. Als er den Arm in das Hemd schob, fühlte das Baumwollgewebe sich kühl und luxuriös auf seiner Haut an. Seine Schulhemden waren immer kratzig gewesen und hatten gekniffen. Das Jackett war lediglich ein wenig weit an Schultern und Armen; immerhin war Aron ziemlich muskulös. Die Hosen passten perfekt. Er drehte sich zu Aron um.

»Was für eine Verwandlung!«, rief Aron und zerrte ihn zu einem Spiegel hinter der Schranktür.

Dillon starrte sein Abbild mit offenem Mund an. Er kannte den Jungen mit den wirren dunklen Locken nicht, der ihm entgegenblickte. In dem Anzug sah er größer und breiter aus, und er betonte irgendwie das intensive Blau seiner Augen.

Aron reichte ihm eine dunkle Krawatte. »Jetzt fehlt nur noch die.«

»Danke noch mal.« Er begann sie anzulegen.

»Nein, nein, nein«, tadelte Aron. »So …« Seine starken Hände waren überraschend geschickt, als er die Krawatte zu einem perfekten V band und es dann nach oben zu Dillons Kehle schob. »Das ist ein Savoy-Knoten. Sieht doch gleich viel besser aus, oder?«

Als seine Hand versehentlich Dillons warmen Hals streifte, zuckte er plötzlich zurück. Dillon sah, wie seine Nasenflügel sich blähten.

»Sieht super aus, danke noch mal, Aron«, sagte Dillon schnell.

»Kein Problem.« Aron hatte sich wieder unter Kontrolle und klopfte ihm so heftig auf den Rücken, dass Dillon einen Schritt nach vorne machte. »Wir gehen besser zurück zu den anderen.«

Jeremiah wartete immer noch im Flur auf sie.

»Wow«, grinste er. »Wer hätte das gedacht.«

Dillon grinste zurück und zeigte ihm den Mittelfinger.

»Hey, sieht aus, als hätten wir doch Gesellschaft«, murmelte Aron.

Ein zierliches Mädchen mit blauen Strähnen in ihrem glänzenden schwarzen Haar und einer großen, beinahe klobigen Sonnenbrille kam auf sie zu. Zwei der Angestellten von VAMPS kämpften mit ihrem Gepäck. Als sie näher kam, sahen die Jungen, dass sie strahlende Haut und ein zartes herzförmiges Gesicht hatte. An ihren Ohren glitzerten Diamanten, und sie trug einen maßgeschneiderten, eng anliegenden Jumpsuit mit hohen Stiefeln.

»Hi, ich bin Bik«, verkündete sie, ohne ihre Brille abzunehmen. Dillon fragte sich, ob sie vielleicht ein Problem mit den Augen hatte. »Tut mir leid, dass ich euch nicht früher treffen konnte. Mein Vater hatte noch geschäftlich in London zu tun, deshalb hat sich unsere Ankunft verspätet.«

»Wir müssen gleich für die Einführungszeremonie in den großen Saal – willst du mitkommen?«, fragte Jeremiah.

Dillon sah zu, wie Bik den Kopf in den Nacken legte, um an Jeremiah hinaufzublicken. Kurz sah er den verzauberten Gesichtsausdruck, doch sie fing sich schnell wieder.

»Danke, das wäre toll – obwohl ich mich noch nicht für das Abendessen umgezogen habe.«

»Keine Sorge.« Aron machte einen Schritt auf sie zu. »Du siehst auch so super aus. Ich bin übrigens Aron.«

»Danke, Aron. Okay, ich kann auch einfach mit euch kommen.«

Bevor Dillon sich vorstellen konnte, riss sie plötzlich den Kopf herum und starrte ihn durch ihre Brillengläser an. Nur mühsam schaffte er es, nicht zurückzuweichen.

»Was macht er hier?«, zischte sie.

Hastig trat Jeremiah zwischen sie. »Das ist Dillon – er ist ein Dhampir. Der erste, der hier aufgenommen wurde.«