Vegan Low Budget - Niko Rittenau - E-Book
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Vegan Low Budget E-Book

Niko Rittenau

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Beschreibung

Veganismus muss man sich leisten können und ist ohnehin nur etwas für Besserverdienende, so eine weit verbreitete Annahme. Mitnichten! Die Bestsellerautoren Niko Rittenau und Sebastian Copien zeigen in "Vegan Low Budget", dass eine vegane Ernährung nicht nur weltweit ein effektiver Lösungsansatz für viele der drängendsten Versorgungsprobleme unserer Zeit sein kann, sondern darüber hinaus bei richtiger Umsetzung für jeden Geldbeutel bezahlbar ist. Der Titel ist dabei Programm: großer Geschmack zum kleinen Preis – nährstoffreich, alltagstauglich und natürlich rein pflanzlich. Dabei werden keine Kompromisse gemacht, denn trotz des günstigen Preises aller Gerichte bleiben Geschmack und Gesundheitsbewusstsein nicht auf der Strecke. Wie in ihrem ersten gemeinsamen Kochbuch ergänzen sich die beiden Autoren auch hier wieder perfekt: Niko Rittenau liefert das theoretische Fundament, um ernährungswissenschaftlich optimierte vegane Ernährungskonzepte zu kreieren, und Sebastian Copien kombiniert dieses Wissen mit Handwerk und Küchentechnik, um leckere und kreative Gerichte zu entwickeln. Diese Kombination zeigt, dass gesunde Küche viel Freude machen kann und dass es viele Wege gibt, um Klassiker auch rein pflanzlich großartig umzusetzen.

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Seitenzahl: 279

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Sammlungen



VEGAN

LOWBUDGET

GROSSER GESCHMACKZUM KLEINEN PREIS

ERNÄHRUNGSTHEORIE: NIKO RITTENAUREZEPTE: SEBASTIAN COPIEN

www.instagram.com/niko_rittenau

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Vorbemerkung

Bezüglich des Gleichstellungsgedankens mögen Personalbezeichnungen wie Veganer im weiteren Verlauf des Buches bitte im Sinne von Veganer(innen) verstanden werden, um neben dem weiblichen und männlichen Geschlecht alle Menschen zu inkludieren, die sich nicht einem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen.

DER EINKAUFS- UND ERNÄHRUNGSASSISTENT FÜR UNSERE KOCHBÜCHER

Abschreiben oder Abfotografieren war gestern

Die Rezepte aus diesem Kochbuch lassen sich kostenlos auf www.mengenrechner.de an die Personenzahl und individuelle Portionsgrößen anpassen und als E-Mail auf das Smartphone schicken oder gleich dort aufrufen. Zutaten lassen sich streichen, neue Zutaten ergänzen.

Rezept- und Zutatenfilter

Man kann zum Beispiel nach veganen, vegetarischen, glutenfreien, laktosefreien oder nach Rezepten mit noch vorrätigen Zutaten suchen. Plus: Lieblingsrezepte und Einkaufslisten speichern.

Persönlicher Ernährungsassistent

Die Rezepte lassen sich nach Kalorien, Kohlenhydraten, Fett- oder Eiweißgehalt sortieren. Außerdem kann man den täglichen Kalorienbedarf und -verbrauch berechnen, Maximalwerte für Kalorien- oder Kohlenhydrataufnahme festlegen und Tagesprotokolle mit Nährwertbilanz führen.

INHALT

ERNÄHRUNGSTHEORIE

Vegane Ernährung muss nicht teuer sein

Muss es das teurere Biolebensmittel sein?

SPARTIPP 1

Lebensmittelverschwendung reduzieren und dabei Geld sparen

SPARTIPP 2

Preise vergleichen und Angebote nutzen

SPARTIPP 3

Keimen – die meisten Nährstoffe pro Cent

REZEPTE

Zauberwürzen

Frühstücksknaller

Mehr als Salat

Mehr als Suppe und Eintopf

Auf die Hand

Gemüse als Star

Alles aus dem Ofen

Alles aus der Pfanne

Deftige Klassiker rein pflanzlich

Proteinpower selbst gemacht

Ricottabällchen in Sugo auf Blumenkohlsteak

Kartoffelcreme mit gebratenen Zucchini, Pfirsich und Kräuterdressing

Minestrone mit Tofuspeck und Vollkorn-Croûtonsticks

Gefüllte Pancakes mit Bohnencreme, Bratgemüse und Dillsalat

Blumenkohl im Blätterteigmantel mit Kürbiskern-Senf-Sauce

Süßer Couscous-Auflauf mit Orange und Kürbis

Lauch-Hack-Eintopf auf Pellkartoffeln

Rote Bete mit Kerndlreis und Gemüse-Bohnen-Püree

Tacos mit Sellerie-Linsen-Creme, Röstkohl, Pfirsich und Salsa verde

Gebratene Kartoffel-Gnocchi mit Brokkoli, Tomaten und Linsen

Quinoasalat mit rustikalen grünen Bohnen und Ponzu-Spinat

Gulasch mit böhmischen Knödeln

Seitan-Schaschlik mit Ofen-Letscho und Röstbrot

Feta-Melonen-Salat mit Knoblauch-Pita

Vegane Kaspressknödel mit Kartoffel-Vogerl-Salat

Vegane Tiroler Kasspatzln mit grünem Salat

Sellerie-Kartoffel-Rösti mit Spinat und Joghurt-Sellerie-Creme

Flatbreads mit Linsensalat, Blumenkohl und Tikka-Joghurt

LIEBE LESERINNEN UND LESER,

eine vegane Ernährung kann entgegen weitverbreiteter Vorurteile auch mit kleinem Budget schmackhaft und nährstoffbedarfsdeckend umgesetzt werden. In diesem Buch bieten wir nicht nur zahlreiche Rezepte, die genau das unterstreichen, sondern auch die Theorie, wie man die vegane Ernährung unkompliziert und nährstoffoptimiert im Alltag umsetzen kann und dabei den eigenen Geldbeutel schont.

Uns ist es wichtig, mit diesem Buch zu zeigen, dass vegane Low-Budget-Gerichte nicht mit Kompromissen in Sachen Qualität und Geschmack einhergehen müssen, sondern dass es bereits genügt, wenn man etwas preissensibler einkauft, also auf pflanzliche Grundnahrungsmittel mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis setzt, und Lebensmittelabfälle reduziert. Unser gemeinsames Kochbuch ist dabei aber keineswegs ein Plädoyer für übertriebene Sparsamkeit oder für Billigprodukte zu Dumpingpreisen. Wir möchten stattdessen ein gesundes Preisbewusstsein und die Nachfrage nach preiswerten anstatt billigen Lebensmitteln fördern und zeigen, dass man weder eine Kochlehre noch ein Studium der Ernährungswissenschaften absolvieren muss, um sich ausgewogen und lecker vegan zu ernähren. Gleichzeitig wollen wir das Thema der Nahrungsmittelverschwendung hinterfragen und Wege aufzeigen, wie man zugunsten unseres Planeten und der eigenen Brieftasche diesem Problem entgegensteuern kann.

Wir verzichten in den Rezepten in diesem Buch auf kostspielige, ausgefallene und exotische Lebensmittel und erklären, wie man einige teurere Produkte wie Seitan einfach selbst machen kann. Die Lebensmittel für unsere Rezepte findet man, von wenigen Ausnahmen abgesehen, sowohl im konventionellen Supermarkt als auch beim Discounter. Man muss dafür also nicht unbedingt in den Bioladen – auch wenn wir das natürlich gern empfehlen, wenn es das Budget zulässt. Wichtig anzumerken ist in diesem Kontext, dass das vorliegende Buch kein „Quick and easy“-Kochbuch für die vegane Blitzküche ist. Vollwertig, lecker und gleichzeitig günstig zu kochen geht nicht in 10 Minuten. Das vorweggenommen, sei aber gesagt, dass sich unter den Rezepten viele alltagstaugliche und schnellere Gerichte im Bereich von 20 bis 30 Minuten Zubereitungszeit befinden. Es gibt aber ebenso auch welche, die längere Schmor- oder Backzeiten haben. Die Portionen in den Rezepten sind dabei großzügig bemessen – denn was ist schlimmer als hungrige Esser nach einer Mahlzeit? Da lohnt es, lieber großzügiger zu kalkulieren und notfalls bei kleineren Essern die Reste am nächsten Tag zu genießen.

Im ersten Teil des Buches schreiben wir einleitend über das Vorurteil, dass vegane Ernährung nur etwas für Besserverdiener oder gar ein Luxusproblem unserer Wohlstandsgesellschaft ist. Er zeigt auf, welche versteckten Kosten sich jeweils in Lebensmitteln befinden und dass die vorherrschende Geiz-ist-geil-Mentalität in Bezug auf Nahrungsmittel unsere Gesellschaft zukünftig noch teuer zu stehen kommen wird. Darüber hinaus behandeln wir die Frage, ob der Aufpreis bei Biolebensmitteln wirklich gerechtfertigt ist oder ob man auch mit gutem Gewissen konventionell vegan essen kann. Zusätzlich gibt es unsere Top-3-Spartipps. Im Anschluss daran wird anhand eines beispielhaften Tagesplans mit Gerichten aus diesem Kochbuch veranschaulicht, dass man durchschnittlich für weniger als 5 Euro pro Tag hochwertig und lecker vegan frühstücken, zu Mittag und zu Abend essen kann – Nahrungsergänzungsmittel für sämtliche potenziell kritischen Mikronährstoffe der veganen Ernährung bereits inklusive.

Für den zweiten Teil des Buches haben wir eine Vielzahl preiswerter und schmackhafter veganer Gerichte für jede Tageszeit kreiert. Viele der Gerichte bedienen sich einer der Zauberwürze-Mischungen (siehe Seite 66 ff.), die auf schnelle und günstige Weise einen deftigen Geschmack ermöglichen. Egal, ob Umamipaste, Cajun-Gewürz oder käsige Cheeze-Sauce – durch solche Alleskönner gelingen die folgenden Rezepte immer. Die Rezepte orientieren sich dabei stets an der ernährungswissenschaftlichen Datenlage. So entstehen wohlschmeckende vegane Gerichte, die auch gesundheitsförderlich sind und zeigen, wie vielfältig die vegane Ernährung sein kann.

Viel Freude beim Nachkochen und herzlichste Grüße, Niko Rittenau und Sebastian Copien

VEGANE ERNÄHRUNG MUSS NICHT TEUER SEIN

Die vegane Ernährungsweise ist doch nur ein Auswuchs unserer Wohlstandsgesellschaft und ein Luxuslebensstil für Besserverdienende ohne echte Sorgen. So oder so ähnlich hat sich eine vorherrschende Meinung etabliert, die ungeprüft, aber hundertfach wiederholt immer wieder in den Medien verbreitet wird. Genährt wird dieser Eindruck einerseits durch saftige Preise bei „Ersatzprodukten“, aber eben auch von klischeebehafteten Veröffentlichungen in Zeitungen und auf Internetplattformen, die oft genug noch genau dieses Zerrbild der veganen Ernährung zeichnen. Ein Musterbeispiel dafür ist eine „Untersuchung“ aus dem Jahr 2015, betitelt mit „Vegan – die neue Marketing-Lüge“, die ohne weitere Datenerhebung zum Thema zu folgendem Fazit gelangt: „Vegan ist zu teuer: Für einen durchschnittlichen Wocheneinkauf zahlt ein Veganer bis zu 50 % mehr als ein Non-Veganer […]. Ein veganer Lebensstil scheint nur für Großverdiener erschwinglich.“1 Es verwundert daher nicht, dass eine Umfrage an über 1.000 Fleischessern aus England unlängst ergab, dass zwar ein Großteil der Befragten mit den ethischen und ökologischen Beweggründen des Veganismus übereinstimmt, allerdings eine vegane Ernährung für viele von ihnen aus Gründen des Geschmacks, der Unbequemlichkeit und der Kosten nicht infrage kommt.2

VEGANE KÜCHE MUSS NICHT LANGWEILIG SEIN

Die Rezepte in diesem Buch zeigen, dass man mit ein paar Grundkenntnissen zu den richtigen Kochtechniken und zur Geschmackslehre unzählige vegane Gerichte kreieren kann, die so schmackhaft wie Gerichte mit Fleisch und Käse sein können. Das angebotene vegane Ersatzproduktsortiment in den Supermärkten, das sich von Jahr zu Jahr verbessert und immer weniger Wünsche offenlässt, schafft ebenfalls mehr Abwechslung, überzeugt aber leider bisher nicht bei allen veganen Alternativen. Wie stark das Angebot an neuen veganen Produkten wächst, illustriert Abbildung 1. Die Abbildung zeigt den prozentualen Anteil veganer Markt-Neueinführungen im Verhältnis zur Gesamtheit der Lebensmittel-Neueinführungen im Verlauf der vergangenen Jahre.

Anteil veganer Produkt-Neueinführungen 2012–2018 (Lebensmittel exklusive Getränken)

Abb. 1: Anteil veganer Produkt-Neueinführungen in Relation zur Gesamtheit an Neueinführungen pro Jahr3

So war im Jahr 2012 nur 1 % der Produkt-Neueinführungen vegan. Im Folgejahr hatte sich dieser Wert bereits vervierfacht und 2016 waren es bereits 13 %. Zwei weitere Jahre später ist dieser Wert auf 14 % gestiegen. Gemäß der Zukunftsprognosen ist noch kein Ende des Vegan-Trends – der im Grunde mehr eine nachhaltige Veränderung unserer Gesellschaft als ein Trend ist – zu erwarten.4 Vor allem in Deutschland kann man sich als vegan lebende Person glücklich schätzen, denn bereits mehrere Jahre in Folge ist Deutschland an der Spitze der Top-10-Länder mit dem höchsten Anteil an veganen Lebensmittel- und Getränkeeinführungen, wie Abbildung 2 zeigt. Knapp dahinter befinden sich Großbritannien und die USA auf den Plätzen 2 und 3.

Durch dieses stetig wachsende und sich kontinuierlich verbessernde vegane Lebensmittelangebot wird zukünftig der Geschmack kein valides Argument mehr gegen den Umstieg auf eine vegane Ernährung sein.

VEGANE ERNÄHRUNG MUSS NICHT (!) BEQUEM SEIN

Mit der steigenden Angebotsvielfalt verliert auch der Einwand mangelnder Bequemlichkeit im Alltag zunehmend an Relevanz. Parallel zur Entwicklung der Vielfalt der veganen Angebote im Supermarkt hat sich die Anzahl der rein veganen Gastronomiebetriebe in Deutschland zwischen 2013 und 2018 mehr als verdreifacht.6 Aber auch wenn die vegane Lebensweise nicht von Jahr zu Jahr unkomplizierter und alltagstauglicher würde, wäre die reine Bequemlichkeit als einziges Argument für die schwerwiegende Interessenverletzung an den Grundbedürfnissen des Tiers sehr schwach. Dennoch ist es ein wichtiger Punkt, den es zukünftig verstärkt aufzugreifen gilt: Die ethischere, ökologischere und gesündere Alternative sollte auch in möglichst vielen Supermärkten, Bioläden und Discountern gut verfügbar sein, um die Hürde für den Konsumenten möglichst niedrig zu halten.

Dass Fleischessern und Vegetariern das Wohlergehen von Tieren zumindest nicht grundsätzlich egal ist, zeigen zahlreiche Umfragen. So stimmen in einer Befragung beispielsweise über 85 % der Befragten der Aussage zu, dass Tiere „vorher gut gelebt haben“ sollten, wenn sie „für unser Essen sterben müssen“.7 In weiteren Befragungen stimmten darüber hinaus zwischen 73 und 78 % der Deutschen zu, dass die Notwendigkeit einer verstärkten staatlichen Regulierung des Umgangs mit Tieren in der Landwirtschaft besteht, damit Tiere „artgerecht[er]“ gehalten werden.8,9 Der Veganismus geht hier noch einen Schritt weiter und steht dafür ein, dass Tiere nicht nur ein besseres Leben bis zu ihrem Tod haben sollen, sondern dass wir als Gesellschaft unsere Nahrungsgewohnheiten neu denken und Tiere gar nicht mehr als Nahrungsmittel, sondern als Individuen mit Rechten sehen. Dabei geht es nicht darum, Tieren dieselben Rechte wie Menschen zuzusprechen (viele dieser Rechte hätten für sie schlichtweg keinen Zweck), aber zumindest ihr Grundbedürfnis auf ein unversehrtes Leben zu respektieren. Allerdings ist selbst der niedrigschwellige Wunsch vieler Konsumenten nach wenigstens einer besseren Behandlung der „Nutztiere“ nicht mit der Produktion von Billigfleisch und anderen tierischen Discount-Lebensmitteln vereinbar, die den weit überwiegenden Teil aller Lebensmittel vom Tier in westlichen Ländern ausmachen.

Top 10 Länder mit dem höchsten Anteil an veganen Lebensmittel- und Getränkeeinführungen (Juli 2017–Juni 2018)

Abb. 2: Ranking der Länder mit dem höchsten Anteil an veganen Lebensmittel- und Getränkeeinführungen 2017/20185

IST VEGAN ZU TEUER ODER SIND TIERISCHE PRODUKTE ZU GÜNSTIG?

So stellt sich die Frage, ob vegane Produkte wirklich zu teuer sind oder ob die marktüblichen Tierprodukte nicht schlicht nur deswegen so günstig sind, da wir „Nutztiere“ auf eine Art und Weise behandeln, die selbst viele Fleischliebhaber bei direkter Konfrontation nicht mit ansehen können. In einer Befragung von über 5.000 Personen gab daher auch etwa die Hälfte an, dass Fleisch in Deutschland teurer sein sollte. Zwei Drittel sind sogar dafür, Werbung für Billigfleisch zu verbieten.10 Erneut gehen Wunsch und Realität weit auseinander. Es liegt in der Natur der Sache, dass eine Ware günstiger produziert werden kann, wenn die Beteiligten in der Wertschöpfungskette ausgebeutet werden. Aber ebenso, wie es ethisch geboten ist, beispielsweise Kleidung aus Kinderarbeit abzulehnen, erfordert es die Gerechtigkeit auch, unseren Umgang mit Tieren grundsätzlich zu überdenken. Denn: Allein in Deutschland ist die Nachfrage nach Milch, Eiern und Fleisch im Jahr 2019 für über 872 Millionen verstorbene und getötete „Nutztiere“ verantwortlich zu machen11 und es kann nicht behauptet werden, dass diese Tiere bis zu ihrem Tod ein gutes Leben geführt hätten. Hinzu kommen die auf der Jagd erschossenen Tiere sowie Milliarden Fische und andere Meerestiere. Um das in Relation zu setzen: 2019 lebten etwa 83 Millionen Menschen in Deutschland. Das bedeutet, dass Jahr für Jahr etwa zehnmal mehr „Nutztiere“ in Deutschland ohne Fische und Meerestiere getötet werden, als hierzulande Menschen leben. Abbildung 3 schlüsselt die Gesamtzahl der getöteten Tiere zum besseren Verständnis auf.

Steffen Augsberg vom Deutschen Ethikrat bezeichnete das Tierschutzrecht dementsprechend als das heuchlerischste Rechtsgebiet, da nirgends „so viel oben drin steht und so wenig unten ankommt“.13

Aktuell ist ein weiterer Aspekt ins Licht der Öffentlichkeit geraten: Es ist nicht nur so, dass der Status quo lediglich Tieren gegenüber eine himmelschreiende Ungerechtigkeit ist, sondern auch Schlachthofmitarbeiter müssen zum Teil unter unwürdigen Bedingungen arbeiten. Stellvertretend für die Berichterstattung im Frühling 2020 kann Alois Berger zitiert werden, der das Geschehen für den Deutschlandfunk im Mai wie folgt kommentierte: „Im Grunde wissen wir seit Langem, dass in den Schlachthöfen vieles falsch läuft. Dass die Rumänen, Bulgaren, Türken, die dort arbeiten, es sich oft nicht leisten können, zum Arzt zu gehen oder krank zu Hause zu bleiben. Weil sie schlecht versichert sind, weil sie nicht mal den Mindestlohn bekommen, Krankengeld sowieso nicht. Weil sie von Subunternehmern ausgebeutet werden und die deutschen Verantwortlichen sich nicht verantwortlich fühlen. […] Die verantwortungslose Preisdrückerei findet nicht nur in den Schlachthöfen statt, sie fängt schon auf den Bauernhöfen an, und sie ist nicht gut für die Qualität des Fleisches. Vor allem Schweine und Geflügel werden in den meisten deutschen Mastbetrieben unter unsäglichen Bedingungen gehalten. Hauptsache, billig. Möglich ist das nur durch den exzessiven Einsatz von Antibiotika. Ohne Antibiotika würde unter diesen Bedingungen kein Schwein und kein Masthuhn das Schlachtalter erreichen. Selbst mit Medikamenten verendet in Deutschland jedes fünfte Schwein noch im Stall. Und von denen, die es bis zum Schlachthof schaffen, ist ein großer Teil krank. […] Das ist nicht nur ein Tierschutzproblem. In deutschen Ställen werden mehr Antibiotika verabreicht als in allen Krankenhäusern zusammen. […] Man muss sich das mal vorstellen. Wir erleben gerade, was es heißt, wenn sich eine Krankheit [das Coronavirus] ausbreitet, gegen die es kein Medikament gibt. Und gleichzeitig lassen wir es zu, dass unsere wichtigsten Notfallmedikamente wirkungslos werden – nur damit Fleisch billig bleibt“.14

Im Jahr 2019 durch die Nahrungsmittelproduktion getötete Tiere

Abb. 3: Im Jahr 2019 durch die Nahrungsmittelproduktion getötete Tiere12

Auch wenn zu diesen Ausführungen manches berichtigend, kritisch oder zumindest ergänzend anzumerken wäre, ist hier etwas Wichtiges angesprochen, nämlich die Tatsache, dass weltweit etwa 70 bis 80 % der Antibiotika nicht in der Humanmedizin, sondern in der „Nutztierhaltung“ Verwendung finden und dass gerade ein verantwortungsloser Einsatz von Antibiotika – der hier nicht pauschal allen „Nutztierhaltern“ unterstellt werden soll – das Risiko erhöht, dass sich antibiotikaresistente Erreger ausbreiten.15 Antibiotika stellen laut einer Befragung von Ärzten durch das internationale Royal College of Physicians of Edinburgh die weltweit bedeutendste medizinische Entwicklung der vergangenen 50 Jahre dar,16 aber ein vermehrtes Auftreten von Resistenzen könnte diesen Fortschritt in Zukunft Stück für Stück zunichtemachen.

TIERHALTUNG UND DAS AUFTRETEN VON ZOONOSEN

Auch abseits von Antibiotikaresistenzen geht die Ausbeutung von Tieren mit einer weiteren, ganz allgemeinen Gefahr für die Weltgesundheit einher. Die Rede ist von Zoonosen, also von Infektionskrankheiten, „die von Bakterien, Parasiten, Pilzen, Prionen oder Viren verursacht und wechselseitig zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können“.17 Insgesamt sind etwa 60 % der existierenden menschlichen Infektionskrankheiten tierischen Ursprungs – ebenso wie mindestens 70 % der beim Menschen neu auftretenden Infektionskrankheiten.18

Der Mensch ist zwar seit jeher mit Krankheitserregern aus dem Tierreich in Kontakt, die Häufigkeit, mit der Zoonosen auftreten, dürfte jedoch mit dem Beginn der „Nutztierhaltung“ vor etwa 15.000 Jahren stetig zugenommen haben.21,22 In diesem Kontext muss darauf hingewiesen werden, dass die Vereinten Nationen den global noch immer steigenden Appetit auf Tierisches und insbesondere die sogenannte Massentierhaltung zu den wesentlichen Quellen von Zoonosen zählen.23 Auch Prof. Dr. Christian Drosten, Leiter der Virologie an der Berliner Charité, hält die „Massentierhaltung“ in all ihren Erscheinungsformen für einen der bedeutendsten Risikoherde für zukünftige Seuchen und betont, dass nun angesichts der COVID-19-Pandemie „notwendige Veränderungen in Angriff“ genommen werden müssen. „Das Problem ist der Fleischhunger in der sich ausweitenden Gesellschaft.“24

Gerade in Zeiten von Corona, in denen Wildtiermärkte zumindest zeitweise im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit waren und immer wieder zum Grundübel erklärt wurden, ist es wichtig, nicht zu vergessen, dass etwa drei von vier neuen Krankheitserregern, die eine Gefahr für die menschliche Gesundheit darstellen, aus der klassischen „Nutztierhaltung“ stammen.25

Wie Dr. Gauden Galea von der World Health Organization (WHO) betont, wird es niemals einen Verzehr von „Nutztieren“ ohne Infektionsrisiko geben.26 Solange Menschen Tiere essen, müssen sie also damit rechnen, dass sich auch deswegen Zoonosen ausbreiten. Eine keineswegs neue Einsicht, für die es Corona als Warnschuss nicht gebraucht hätte, wie zum Beispiel ein fast schon prophetisches Editorial im „American Journal of Public Health“ aus dem Jahr 2007 belegt: „Obwohl manche Zoonosen wohl nicht zu vermeiden sind, ist viel menschliches Leid auf zoonotische Erkrankungen zurückzuführen, die zu vermeiden gewesen wären, wenn Menschen Tiere besser behandelt hätten. Man denke, um ein Beispiel zu geben, an die ‚wet markets‘ [Orte, an denen noch lebendige beziehungsweise kurz vor dem Verkauf geschlachtete Tiere verkauft werden], die zum Ausgangspunkt der Verbreitung einer Influenza oder einer schweren Atemwegserkrankungsepidemie werden könnten.“ „Diejenigen, die Tiere essen, schaden nicht nur den Tieren [indem diese getötet werden] und gefährden sich selbst, sondern sie gefährden das Wohlergehen anderer Menschen, die diesen Planeten bewohnen oder erst zukünftig bewohnen werden.“27 Die Massentierhaltung erschafft ein – im negativen Sinn – einzigartiges Ökosystem, in dem die Entstehung von neuen sowie die Verbreitung von gängigen Krankheitserregern und deren Übertragung auf den Menschen gefördert werden.28 Bedenkt man die Kosten, die sich daraus regelmäßig für das Gesundheitssystem und aus notwendig gewordenen Sicherheitsmaßnahmen etc. ergeben (allein Salmonellen-Infektionen verursachen in der EU jährlich Kosten von bis zu 3 Milliarden Euro!),29 wird deutlich, dass der Preis an der Supermarktkasse sehr oft nicht den Preis widerspiegelt, den unser Appetit auf tierische Nahrungsmittel tatsächlich hat.

Gesundheitliche und wirtschaftliche Gefahr für die Gesellschaft:

Zoonosen und Antibiotikaresistenzen

Abb. 4: Statistiken zum Auftreten neuartiger Zoonosen und zur Gabe von Antibiotika in der „Nutztierhaltung“19,20

DER WAHRE PREIS VON FLEISCH UND CO.

Noch gewichtiger wird diese Feststellung, sobald die Kosten der negativen Folgen auf unsere Umwelt (eine differenzierte Darstellung des Problems stellt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bereit)30 und weitere Aspekte berücksichtigt werden: Steuerliche Begünstigungen (zum Beispiel reduzierter Steuersatz für Milch und Fleisch gegenüber dem regulären Steuersatz für Pflanzenmilch und pflanzlichen Fleischersatz) und Subventionen verzerren die Ladenpreise zusätzlich und so wird unter Beachtung dieser und weiterer Aspekte deutlich, dass (industriell produzierte) tierische Lebensmittel auch deswegen so günstig sind, weil ein nicht unerheblicher Teil der Kosten von Billigtierprodukten abseits der Supermarktkasse bezahlt wird.31

Nach Reis und Zucker sind Rindfleisch und Milch die am dritt- bzw. viertstärksten subventionierten Lebensmittel in den OECD-Ländern.32 Die EU setzt ihren gewaltigen Agrarhaushalt besonders für sogenannte Direktzahlungen ein. Dieses Instrument soll laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft „die Einkommens- und Risikoabsicherung landwirtschaftlicher Betriebe in Form einer von der Produktion unabhängigen Zahlung“ unterstützen.33 Da sich die Zahlungsansprüche eines Betriebs „ausschließlich nach der Betriebsfläche“ und nicht nach der agrarischen Nutzung richten,34 stehen die EU-Subventionen seit Jahren in der Kritik. Einer von Greenpeace veröffentlichten Berechnung zufolge geht daher fast jeder fünfte Euro des gesamten EU-Haushalts an Futtermittelproduzenten und „nutztierhaltende“ Betriebe, da rund 71 % der in der EU landwirtschaftlich genutzten Flächen der Produktion tierischer Lebensmittel dienen.35

Vor dem Hintergrund, dass die Diskussionen über den wahren Preis unseres Lebensstils zunehmend in der Mitte der Gesellschaft ankommen, erscheinen seit einigen Jahren auch Studien, die sich genau dieses Themas aus verschiedenen Blickwinkeln annehmen und von denen zumindest zwei kurz angerissen seien:

Ein Wissenschaftlerteam rund um Marco Springmann hat den in Anbetracht des unbefriedigenden Wissensstands zweifelsfrei angreifbaren, aber dennoch relevanten Versuch unternommen, zu ermitteln, wie hoch rotes und verarbeitetes Fleisch besteuert sein müsste, damit auch die mit dem Verzehr assoziierten Kosten für das Gesundheitssystem sowie Arbeitskraftverluste durch einen frühen Tod abgedeckt wären.36 Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Preise für verarbeitete Fleischprodukte in einkommensstarken Ländern mehr als doppelt so hoch sein müssten und dass rotes Fleisch in Ländern wie Deutschland einen Preisaufschlag von über 20 % benötigen würde.

In Deutschland hat Tobias Gaugler an der Universität Augsburg die Arbeitsgruppe „Märkte für Menschen“ aufgebaut und untersucht mit seinem Team unter anderem die ökologischen Folgekosten unseres Konsums von tierischen Lebensmitteln.37 Ihren aktuellsten Berechnungen zufolge müsste der Preis „für Fleisch aus konventioneller Aufzucht“ um 173 % steigen (Biofleisch um 126 %) und handelsübliche Milch würde sich um 122 % verteuern, wenn die ökologischen Kosten schon an der Supermarktkasse aufgefangen werden sollen.38 Beauftragt hatte diese Studie überraschenderweise der zur Rewe-Gruppe gehörende Discounter Penny, der von den Ergebnissen direkt Gebrauch gemacht hat: Im September 2020 eröffnete in Berlin ein neuer Penny-Markt, der bei jeweils acht konventionell und ökologisch erzeugten Eigenmarken-Produkten neben dem zu zahlenden Preis auch einen Preis angibt, der die wahren Kosten einschließt. Am Regal für Biohackfleisch entdeckt man deshalb nicht nur ein Preisschild mit 2,25 Euro, sondern auch eines mit 5,09 Euro.39

Obgleich nicht bestritten werden soll, dass solche Berechnungen die öffentliche Diskussion bereichern und von der Politik berücksichtigt werden müssen, darf auch hier nicht übersehen werden, dass die zugrunde liegenden Modelle anfechtbar sind, weswegen man sie stets differenziert besprechen sollte. Bei allen Diskussionen rund um den Preis tiersicherer und pflanzlicher Lebensmittel darf aber nicht vergessen werden, dass es nicht die Kostenpunkte oder Einsparpotenziale sind, die die Kernargumente einer veganen Ernährung sind, sondern die tierethischen Argumente, die weiterhin im Mittelpunkt stehen.

Wie hoch die indirekten Kosten unseres gegenwärtigen Umgangs mit Tieren am Ende tatsächlich auch sein mögen, sicher ist: Da sie aktuell nicht direkt an der Kasse in Rechnung gestellt werden, bezahlen wir alle dafür – ob wir nun tierische Lebensmittel konsumieren oder nicht.

Abb. 5: Verkaufspreis und die wahren Kosten von Biohackfleisch39

ZELLBASIERTES FLEISCH ALS ETHISCHERE UND UMWELTFREUNDLICHERE ALTERNATIVE

Es ist davon auszugehen, dass die durch die COVID-19-Pandemie erneut hochgekochte Debatte über die industrielle Tierausbeutung in den nächsten Jahren aus einem ganz anderen Grund noch hitziger geführt werden wird: Die sogenannte Cellular Agriculture (zellbasierte Landwirtschaft) wird zukünftig mit Lebensmitteln wie „Cultivated Meat“ und „Flora-Based Milk“ dafür sorgen, den Konsum von tierischen Lebensmitteln von der massenhaften „Nutztierhaltung“ und Schlachtung sowie den damit verbundenen Problemen zu entkoppeln. So könnte Fleisch aus Zellkulturen bis zu 96 % weniger Treibhausgasemissionen verursachen, den Flächenbedarf um etwa 99 % senken, den Wasserbedarf um bis zu 96 % reduzieren und zusätzlich auch noch ohne Antibiotika auskommen,40 wie Abbildung 6 illustriert.

Darüber hinaus könnte es ab einer bestimmten Produktionsmenge sogar günstiger als konventionelles Fleisch aus der Massentierhaltung werden und es besteht die prinzipielle Möglichkeit, dass Cultivated Meat nicht nur aufgrund des reduzierten Infektionsrisikos, sondern auch wegen der Zusammensetzung gesünder ist.

Vorteile von Cultivated Meat

Abb. 6: Positive Eigenschaften von Cultivated Meat im Vergleich zu konventionellem Fleisch41

VEGANE ERNÄHRUNG MUSS NICHT TEUER SEIN

Ein Teil der deutschen Bevölkerung legt beim Lebensmitteleinkauf immer noch allzu oft eine Geiz-ist-geil-Mentalität an den Tag und gibt im Durchschnitt nur 12,6 % des Einkommens für Lebensmittel aus. Zieht man den europäischen Mittelwert als – vor dem Hintergrund der Einkommensunterschiede nicht gerade unproblematischen – Vergleichswert heran, liegt dieser Wert nur knapp über der Hälfte der durchschnittlichen Lebensmittelausgaben.42 In der Schweiz liegt der durchschnittliche Ausgabenanteil bei 11,5 % und in Österreich bei 12,1 %, sodass sich hier ein ähnliches Bild ergibt.

Deutsche geben für Freizeitaktivitäten, Kulturveranstaltungen, Alkohol, Tabak, Hotels, Café- und Restaurantbesuche im Schnitt 17,5 % ihres Einkommens aus, also deutlich mehr als für Lebensmittel. In der Schweiz und in Österreich liegen diese Ausgaben mit rund 24 bzw. fast 21 % sogar noch deutlich höher. Das Budget für höherwertige und/oder fairer bzw. schonender produzierte, etwas teurere Lebensmittel wäre also durchaus vorhanden – oft genug scheint es eher eine Frage der Prioritäten als ein Mangel an Möglichkeiten zu sein.

Wer den Einwand formuliert, dass eine vegane Ernährung zu teuer sei, meint damit vermutlich nicht die Preise von veganen Grundnahrungsmitteln wie Getreide, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst, sondern denkt wohl eher an spezielle Superfoods, Nussmuse und Ähnliches oder an vegane Convenience-Produkte wie Fleisch- und Käseersatz. Erstere benötigt es in einer veganen Ernährung allerdings nicht, um sich ausgewogen und schmackhaft zu ernähren. Das unterstreichen auch die Rezepte von Sebastian in diesem Buch, die allesamt ohne diese Zutaten auskommen. Letztere müssen ebenfalls aus ernährungsphysiologischer Sicht nicht Teil der veganen Ernährung sein, jedoch mögen viele Menschen den Geschmack tierischer Erzeugnisse und nutzen daher gern pflanzliche Fleisch-, Milch- und Käsealternativen, die zum aktuellen Zeitpunkt oft noch deutlich teurer als ihre tierischen Äquivalente sind. (Einige Fleischersatzprodukte wie Seitanerzeugnisse können allerdings mit etwas Übung auch leicht und deutlich günstiger selbst gemacht werden.) Zu bedenken ist außerdem, dass die steigende Nachfrage auch zu einer Erhöhung der Produktionsmenge führt, sodass mittelfristig damit gerechnet werden kann, dass Lebensmittel wie Pflanzenmilch, Pflanzenjoghurts, veganer Käse sowie Fleisch- und Wurstalternativen zunehmend günstiger werden.43

Eine Berechnung aus dem Jahr 2020 für Großbritannien hat außerdem gezeigt, dass die Kostenunterschiede zwischen einer ausgewogenen Mischkost („normal balanced diet“) und einer ausgewogenen veganen Ernährung anscheinend ohnehin zu vernachlässigen sind. Im Durchschnitt kostete eine ausgewogene vegane Ernährung pro Tag nur 22 Cent mehr als eine ausgewogene Mischkost.44 Laut den Ergebnissen dieser Studie war zwar eine ausgewogene vegetarische Ernährung die günstigste Variante unter diesen dreien, aber erneut wurden hier die zuvor diskutierten tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten nicht einberechnet.

Wie teuer oder günstig eine vegane Ernährungsweise letztendlich ist, hängt in erster Linie davon ab, wie hoch der Anteil an unverarbeiteten pflanzlichen Grundnahrungsmitteln im Vergleich zur Menge an verarbeiteten veganen Convenience- bzw. Ersatzprodukten, exotischen Superfoods etc. ist. Während Erstere im Durchschnitt deutlich günstiger als tierische Lebensmittel sind, können Letztere zum aktuellen Zeitpunkt noch deutlich teurer sein.

Da weder diese Produkte noch teure Superfoods zwingend Bestandteil einer veganen Ernährung sind, können die dafür üblichen Preise auch nicht als Argument gegen den Veganismus angeführt werden. Wenn überwiegend zu Hause gekocht und preissensibel eingekauft wird, ist eine bedarfsgerechte vegane Ernährung mit jedem Budget vereinbar, denn Getreide, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, saisonale Frischware und tiefgefrorenes Gemüse sowie Obst sind auch in guter Qualität zu niedrigen Preisen erhältlich.

KLEINES BUDGET – GROSSER GENUSS

Um zu zeigen, dass eine vegane Ernährung entgegen dem Vorurteil nicht nur schmackhaft, sondern auch preiswert sein kann, haben wir dieses Kochbuch als Ergänzung des „Vegan-Klischee ade!“-Kochbuchs geschrieben. Das Feedback auf unser erstes gemeinsames Kochbuch war insgesamt überragend, aber wir verstehen und respektieren die Stimmen, für die viele der Rezepte zu aufwendig, teuer oder exotisch waren. Aus diesem Wunsch nach einem veganen Kochbuch, das ohne allzu exotische Zutaten auskommt, ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis bei den Rezepten aufweist und dennoch in Summe die Nährstoffbedarfsdeckung sicherstellen kann, ist die Idee für das „Vegan Low Budget“-Kochbuch entstanden. Wenn man preissensibel einkauft, kann man mit den Rezepten aus diesem Buch für weniger als 5 Euro pro Tag drei volle Mahlzeiten inklusive der passenden Nährstoffsupplementierung erhalten und damit auch mit kleinem Budget schmackhaft und bedarfsdeckend essen.

Wir haben versucht, die Zutaten so auszuwählen, dass man diese fast ausnahmslos in jedem konventionellen Supermarkt und zu großen Teilen sogar bei Discountern bekommt. Es gibt lediglich eine Handvoll Zutaten, die man mitunter nur im Bioladen erhält oder einfach online bestellen kann, die wir im Rahmen unseres veganen Low-Budget-Konzepts aber für unverzichtbar halten. So haben wir beispielsweise einige Rezepte mit der äußerst nahrhaften veganen Proteinquelle Tempeh, die traditionell aus Sojabohnen hergestellt wird, aber ebenso mit Kichererbsen, Reis und anderen Hülsenfrüchten und Getreiden hergestellt werden kann. Wenn das Budget für Tempeh aus dem Bioladen nicht ausreicht, kann man in vielen Asia-Läden Tempeh in akzeptabler Qualität zu einem deutlich günstigeren Preis kaufen oder diesen mit etwas Übung und den richtigen Starterkulturen selbst machen. Auch Seitan lässt sich gut selbst herstellen – auf Seite 247 zeigen wir im Detail, wie das funktioniert. Alternativ kann er noch schneller aus Glutenpulver hergestellt werden. Selbst gemacht ist er nicht nur deutlich günstiger, sondern in vielen Fällen auch wesentlich schmackhafter als fertig gekaufte Seitanprodukte. Seitan selbst herzustellen, benötigt etwas Zeit und Übung, aber man wird mit einer schmackhaften veganen Proteinquelle belohnt, die neben Hülsenfrüchten, Tofu, (Vollkorn-)Getreiden und Kernen vor allem für die etwas deftigere pflanzliche Küche von großem kulinarischen Wert ist.

Bei Sorge um die weitverbreiteten, aber überwiegend unbegründeten Zweifel an der gesundheitlichen Unbedenklichkeit des regelmäßigen Soja- und Glutenverzehrs bei Personen, die keine Soja- bzw. Weizenallergie aufweisen und keine Autoimmunerkrankungen wie Zöliakie haben, seien die jeweiligen Kapitel zu Soja und Getreide im ausführlichen Sachbuch „Vegan-Klischee ade!“ oder die jeweiligen Youtube-Videos zu diesen Themen auf dem Kanal von Niko Rittenau empfohlen. Weitere Informationen und Bezugsmöglichkeiten für verschiedene vegane Grundnahrungsmittel in der Low-Budget-Küche gibt es unter www.nikorittenau.com/low-budget.

MUSS ES DAS TEURERE BIOLEBENSMITTEL SEIN?

Vorweggenommen: Wir beide beziehen den weitaus überwiegenden Teil unserer Lebensmittel aus biologischem Anbau und empfehlen das auch unseren Lesern, sofern es das Budget zulässt. Dennoch verstehen wir, dass es zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht für alle Personen im selben Maß möglich ist, und gerade in einem Buch wie diesem zum Thema der möglichst günstigen veganen Ernährung kommt oft die Frage auf, wie groß der gesundheitliche und ökologische Unterschied zwischen biologischer und konventioneller Ware ist. Ohne Frage – biologische Lebensmittel sind im Durchschnitt deutlich teurer als konventionelle Produkte. Vergleicht man die gängigen Lebensmittel miteinander, ergibt sich eine durchschnittliche Preisdifferenz zwischen konventioneller und biologischer Ware von etwa 50 bis 100 %.45,46 Bioprodukte sind also im Durchschnitt etwa eineinhalbmal bis doppelt so teuer. Allerdings gibt es auch hier Ausnahmen: Die Kosten für ein durchschnittliches konventionelles Premiumsortiment (Lebensmittel erster Qualität) sind nur etwa 5 % niedriger als die durchschnittlichen Ausgaben für das gleiche Warensortiment mit biologisch erzeugten Produkten. Allerdings dürfen nicht nur die Kosten in die Gesamtbetrachtung einbezogen werden, die der Kunde an der Kasse direkt bezahlt, sondern es muss auch über die bereits erwähnten versteckten Kosten gesprochen werden, die die Lebensmittelproduktion verursacht. Sollte sich zeigen, dass biologische Lebensmittel hier deutlich besser abschneiden, müssten die höheren direkten Kosten für den Konsumenten im Laden ins Verhältnis zu den langfristigen Zusatzkosten für die gesamte Gesellschaft gesetzt werden und Wege gefunden werden, wie man versteckte Kosten tatsächlich auf die verursachenden Produkte aufrechnen kann, um realistischere Preise zu erhalten, die die wahren Kosten der Nahrungsmittel widerspiegeln.

VERSTECKTE KOSTEN KONVENTIONELLER PRODUKTE

Zu den versteckten Kosten gehören zum Beispiel jene Zusatzkosten durch Umweltverschmutzung und Klimawandel, die durch die Produktion gewisser Lebensmittel anfallen, die aber nicht direkt auf das Produkt aufgeschlagen werden und somit zukünftigen Generationen auferlegt werden, anstatt sie anteilig dem Produzenten bzw. dem Konsumenten von heute aufzuerlegen. Würden diese Kosten auf Produkte aufgeschlagen werden, wären viele Discounterprodukte gar nicht mehr so günstig bzw. der Preisunterschied zu nachhaltigeren Alternativen wäre deutlich geringer. Eine Studie der Universität Augsburg mit dem Titel „How much is the dish? – Was kosten uns Lebensmittel wirklich?“ zeigte beispielsweise, dass biologisch hergestellte Lebensmittel deutlich geringere versteckte Zusatzkosten (auch externe Folgekosten genannt) als ihre konventionellen Äquivalente verursachen.47 Die Studie deckte eine erhebliche Fehlbepreisung und damit Marktverzerrung auf, die zwischen den aktuellen Erzeugerpreisen und den wahren Kosten des jeweiligen Produkts liegt. Die mit Abstand höchsten versteckten Zusatzkosten gehen mit der Produktion konventionell hergestellter Produkte tierischen Ursprungs einher. Konventionell erzeugte tierische Produkte müssten laut den Studienautoren auf Erzeugerebene (je nach Lebensmittel) etwa zwei- bis dreimal (200 bis 300 % Aufschlag) so teuer sein, als es derzeit der Fall ist, um die mittel- bis langfristigen Zusatzkosten für die Gesellschaft abzubilden. Die niedrigsten versteckten Kosten ergaben sich in der Untersuchung für Biolebensmittel pflanzlichen Ursprungs, die weniger als 10 % betrugen. Würde man diesen Faktor einberechnen, wäre der Preisunterschied zwischen biologischen und konventionellen Produkten bereits in bedeutendem Maß geringer. Die in diese umfangreiche Untersuchung eingeschlossenen Studien verglichen dabei stets die Umwelteffekte der Produktionsmethoden in Bezug auf die Anbaufläche und so wurden auch die Ertragsunterschiede pro Hektar zwischen biologischer und konventioneller Produktion berücksichtigt. Wie im einleitenden Kapitel bereits dargestellt, wäre unter Berücksichtigung dieses Aspekts auch eine stark auf Tierprodukten beruhende mischköstliche Ernährung deutlich teurer als eine pflanzenbetonte Ernährung – sowohl konventionell als auch biologisch.

PREISUNTERSCHIEDE IM LAUFE DER PRODUKTIONSKETTE

In der Diskussion berücksichtigt werden muss auch, dass Bioprodukte in der Erzeugung selbst oft gar nicht so viel teurer sind, als es der letztendliche Preisunterschied im Laden vermuten lassen würde. Die teils erheblichen Preisunterschiede für den Kunden ergeben sich nämlich zu großen Teilen erst nach der Produktion, also in der weiteren Wertschöpfungskette.48 Der höhere Biopreis spiegelt demnach bei Weitem nicht nur die Bioqualität bzw. die Bioerzeugungsmethode des jeweiligen Produkts wider. Tabelle 1 illustriert, dass die Mehrkosten für Bioprodukte auf der Erzeugerebene mehrheitlich verhältnismäßig gering sind und dass der Großteil des Preisunterschieds erst im Verlauf der folgenden Verwertungsschritte entsteht.

Herstellungspreis vs. Verkaufspreis von Lebensmitteln

Tab. 1: Mehrpreis ausgewählter Biolebensmittel auf Erzeuger- und Verbraucherebene49

Das ist zugleich eine gute und eine schlechte Nachricht. Schlecht deshalb, weil Konsumenten somit in einigen Fällen nicht in erster Linie für die Bioqualität und Bioproduktionsmethoden mehr bezahlen, sondern für das unwirtschaftlichere System rundherum.

Die gute Nachricht ist im Gegenzug, dass sich Bioprodukte zukünftig preislich deutlich näher an den Preisen konventioneller Lebensmittel bewegen, wenn die Nachfrage und damit auch die Produktionsmengen gesteigert werden können und sich einige Verbesserungen in der gesamten Wertschöpfungskette umsetzen lassen. Um das zu realisieren, sind allerdings sämtliche Akteure des Biomarkts gefordert und eine ernsthaft an der Förderung des ökologischen Landbaus interessierte Politik ist notwendig.50

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die erheblichen Preisunterschiede auf der Konsumentenebene durch effizientere Wirtschaftssysteme der Biobranche (und zukünftig größere Produktionsmengen) sowie die Anhebung der Preise konventioneller Produkte deutlich reduziert werden könnten und sollten. Letzteres erscheint schon deswegen geboten, da das Transparentmachen der so oder so anfallenden indirekten bzw. langfristigen Kosten dazu beitragen dürfte, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass wir nun einmal nur diesen einen Planeten haben.

SIND BIOLEBENSMITTEL AUTOMATISCH UMWELTFREUNDLICHER?

Aktuelle Forschungsergebnisse belegen, dass die Entscheidung, was wir essen, einen äußerst bedeutsamen Einfluss darauf hat, wie groß unser ökologischer Fußabdruck ausfällt.51