Verantwortung führt! - Thorsten Knobbe - E-Book

Verantwortung führt! E-Book

Thorsten Knobbe

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Beschreibung

Braucht es in Zeiten von New Work, flachen Hierarchien und Wunsch nach grenzenloser Entfaltung überhaupt noch Führung? Thorsten Knobbe beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja und zeigt Wege aus dem Dilemma. In seinem Buch fasst er den Kern und die Wirkmechanismen von Führung zusammen und zeigt, wie sich Rituale, Rollen und Organisationsformen in der neuen Arbeitswelt ändern müssen. Als Lösung definiert er einen neuen Führungsbegriff, der sich mehr an der Verantwortung für ein Ziel oder eine Sache als an hierarchischer Legitimation orientiert. Zudem erfahren Organisationen, wie sie ihren Nachwuchs an Verantwortung heranführen und bei allen Mitarbeitenden eine positive Dynamik erzeugen können. Inhalte: - Führung ist im Wandel: das Verantwortungsprinzip als Gradmesser - Warum die Führungskrise alle Generationen betrifft und hier zugleich die Lösung liegt - Warum Vertrauensbildung, Mut und die Orientierung am Kunden wichtig sind - Führungsgespräche: Was Vorstände, Unternehmerinnen und Entscheider sagen - Wie das neue Führungsverständnis auch formal erfolgreich verankert wird - Die Rolle von Topmanagement, Führungskräften und HR in der VerantwortungsführungDie digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.

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Inhaltsverzeichnis

InhaltsverzeichnisHinweis zum UrheberrechtmyBook+ImpressumVorwort1 Zur Situation2 Führung ist notwendig – und ­zunehmend in Not 2.1 Verstehen wir überhaupt, was Führung ist? 2.2 Gibt es objektiv gute Führung?2.3 Das immergleiche Bedürfnis – Menschen wollen ­anerkannt werden2.4 Zwischenfazit3 Führung oder Management?3.1 Management und Leadership – nicht oder selten dasselbe3.2 Leadership und Führung – bedingt dasselbe3.3 Führung und Management definiert3.4 Ein einheitliches Führungsverständnis ist kein Selbstläufer4 Grenzen bekannter Glaubenssätze4.1 US-amerikanischer Bias4.2 Einzelfälle werden verallgemeinert4.3 Idealistisches und vereinfachtes Menschenbild4.4 Das Grüner-Tisch-Syndrom4.5 Bezug auf Schönwetterphasen4.6 Kommunikation zur falschen Zeit 5 Führung und Vertrauen 5.1 Die Instanz der Vertrauensforschung5.2 Was bedeutet fehlendes Vertrauen?5.3 Der Vertrag des Vertrauens5.4 Vertrauensbildung fängt ganz oben an5.5 Faktoren der Vertrauensbildung und -erhaltung6 Vordenker der kooperativen Führung 6.1 Der Teamansatz – vielfach erprobt und neu beleuchtet, stets aktuell6.2 Wirksame Teams – und was tun die Team Leader?6.3 Kooperative Arbeitsformen – der Blick in die Praxis6.4 Von einem Extrem ins andere 6.5 Die Führungskräfte, die ›Leader‹, stehen auch hier bitte nicht im Weg6.6 Nenne es Team, nenne es Squad, nenne es Zirkel …7 Der monetäre Vorteil: ­Kooperation kürzt Kosten 8 Das Wertegerüst: Elemente einer ­erfolgversprechenden Führungskultur8.1 Der äußere und formale Rahmen8.1.1 ESG – Environmental, Social and Governance8.1.2 Corporate Governance und Compliance8.2 Mut zeigen und mit Überzeugung vorangehen8.3 Verhältnis von Arbeit und Leben8.4 Konsequente Kundenperspektive, auch gegen den Strom8.4.1 Kaizen wegen Kundenfokus – nicht bloßem Qualitätsfokus8.4.2 Alarm schlagen, wenn die Kundenorientierung zurückgeht8.5 Entscheiden und Bestehen in der volatilen Welt 8.5.1 Informationen und Systeme richtig handhaben8.5.2 Unsicherheiten akzeptieren, offen kommunizieren8.6 Klare und empathische Kommunikation auf Augenhöhe 8.6.1 Individuell, empathisch, verständlich8.6.2 Rückmeldung ermöglichen und fördern – und zuhören8.6.3 Digitale Lösungen – Gefahr der falschen Ritualisierung 8.6.4 Einheitlich von der Spitze 8.7 Fairness, Anstand und Anerkennung 8.7.1 Fairness: gleicher Qualitätsmaßstab, aber Anpassung der Erwartungen an unterschiedliche Bedingungen 8.7.2 Wie also zeigen Führungskräfte konsensfähigen Anstand?9 Führungsgespräche 9.1 Gregor Baer: Vom Nachwuchs kann man lernen, flexibel und anpassungsfähig zu sein9.2 Christoph Beichelt: Mehr Initiative und ­Eigenverantwortung9.3 Jean-Claude Biver: Zukunft sichern9.4 Pierre Biver: Der jungen Generation nicht nur zuhören, sondern vor allem von ihr lernen9.5 Wilhelm Friedrich Boyens: Unternehmen können heute nur noch von Teams gemanagt werden9.6 Nils Bracker: Führung wieder mehr als Unternehmertum begreifen9.7 Lisa Rosa Bräutigam: Für die hybride Transformation gibt es keine Blaupause 9.8 Valeria Gargiulo: Man darf Menschen in Krisenphasen nicht sich selbst überlassen9.9 Viviana Mehlan: Die Fachkompetenz von der ­Personalverantwortung entkoppeln 9.10 Dr. Meike Schäffler: Führung ist etwas, das von beiden Seiten funktionieren muss9.11 Peter Yoogiul Son: Menschen aus dem Hintergrund ­befähigen, ihnen die Bühne bereiten 9.12 Christian Spies: Zuhören und den Moment erkennen, wann Unterstützung geboten ist9.13 Franz Sebastian Welter: Führungskraft werden jetzt ­diejenigen, die gern mit Menschen umgehen9.14 Anka Wittenberg: Familie und Arbeit ehrlich und ­dauerhaft vereinen können9.15 Zwischenfazit 10 Es führt, wer Verantwortung übernimmt10.1 Ein neues Führungsverständnis etablieren – aber wie?10.1.1 Bisher filtert man zu oft neue Gesichter mit alter Präferenz heraus10.1.2 Langjährige Führungskräfte sollen sich ändern – klappt das?10.1.3 Löst das Arbeiten in Frameworks das Führungsproblem?10.1.4 Löst das Arbeiten in einer Matrixorganisation das Führungsproblem?10.1.5 Frameworks und Egalitarismus können die Bürokratie sogar erhöhen10.1.6 Der Blick in die USA 10.1.7 Holistischer Ansatz – für die neue Führung das Beste aus den Welten10.1.8 Die übernommene Verantwortung bestimmt die Führung10.2 Wann Verantwortung vor allem Führung bedeutet 10.3 Die neue Führungsverantwortung umfasst nur zwei ­Aufträge10.4 An Führung heranführen10.4.1 Die Ambitionierten nicht vergessen10.4.2 Anbieten, säen – und auf fruchtbaren Boden hoffen10.4.3 Raum für Experimente – auch die Etablierten lernen dazu10.4.4 Frameworks können helfen, auch wenn sie Führung nicht obsolet machen10.5 Die neuen Aufgaben der Personalentwicklung10.5.1 Schritt 1: Problembewusstsein schärfen, neues Führungsverständnis sichern 10.5.2 Schritt 2: Verbindlichkeit der etablierten Führungskräfte sichern 10.5.3 Schritt 3: Verbindlichkeit der Nachwuchskräfte sichern10.5.4 Schritt 4: Vertrauensklima erzeugen und sichern10.5.5 Schritt 5: Durch Qualifizierung und Mentoring zur Verantwortungsübernahme befähigen 10.5.6 Eine mutige HR, die selbst Pate steht10.6 Karrierewege im neuen Führungskontext10.6.1 Spielerische, aber institutionalisierte Oszillation zwischen Rolle, Organigramm und Organisationsform10.6.2 Kommerzielle Ergebnisverantwortung nicht für jede Rolle 10.6.3 Eine Personalentwicklungskomponente auch in funktionalen Rollen10.7 Best Output Leadership – Führen zu großen Ergebnissen11 Danksagung12 Postscript – Definitionen, Lehrsätze, ­Zusammenfassungen im Überblick12.1 Über Führung 12.2 Vertrauenskultur und Systemvertrauen12.3 Führung nach dem Verantwortungsprinzip12.4 Auswertung der FührungsgesprächeLiteraturverzeichnisDer AutorIhre Online-Inhalte zum Buch: Exklusiv für Buchkäuferinnen und Buchkäufer!Stichwortverzeichnis

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Thorsten Knobbe

Verantwortung führt!

1. Auflage 2024, Juni 2024

© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Freiburg

www.haufe.de

[email protected]

Bildnachweis (Cover): © AndriiYalanskyi, iStock

Produktmanagement: Mirjam Gabler

Lektorat: Ursula Thum, Text+Design Jutta Cram, Augsburg

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere die der Vervielfältigung, des auszugsweisen Nachdrucks, der Übersetzung und der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, vorbehalten. Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit.

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Vorwort

TealNew WorkDieses Buch hat sich im Laufe der Entstehung anders entwickelt, als ich es zunächst intendiert hatte. Ursprünglich wollte ich eine Bestandsaufnahme zur Lage der Führung in deutschen Unternehmen und Unternehmen in Deutschland vornehmen – basierend auf meiner Dozentur für Leadership an der Internationalen Hochschule (IU, Campus Dortmund) und den daran angelagerten Forschungsaktivitäten. Der Bedarf schien mir angesichts der vielen krisenhaften und demografischen Umstände, die Deutschland, Europa und die Welt seit einigen Jahren heimsuchen, gegeben. Die modernen Führungs- und Organisationskonzepte von Agilität bis hin zur New Work – im anglo-amerikanischen Kontext eher als Teal (= türkise Organisation) bekannt – tun ihr Übriges, um tradierte Glaubenssätze ins Wanken zu bringen.

Dann ergaben sich mehr und mehr Möglichkeiten, hoch profilierte Führungskräfte unterschiedlichster Couleur und Altersstufen im Rahmen von Interviews zu befragen. Ursprünglich wollte ich nur exemplarisch ein paar wenige Eindrücke aus der Praxis geben, denn zu viel Theorie tut unserem Thema nicht gut. Je mehr positive Rückmeldungen ich bekam, desto größer wurde der Interviewteil des Buches, eins führte zum anderen. Natürlich, die Einblicke und Befunde bleiben qualitativ, dafür aber kommen sie aus erster Hand. Herbe Rückschläge möchte ich allerdings nicht verschweigen: Leider hatten gerade Frauen, die durch ihre exponierten Rollen sicher höchst interessante Beiträge hätten liefern können, meistens gar nicht erst geantwortet oder abgesagt. Anders Männer – ich musste meine Anfragen an Männer sogar wieder einstellen, um ein zu krasses Missverhältnis der Geschlechter zu vermeiden. Das kann kein Zufall sein und sagt eventuell einiges über die Möglichkeiten oder den Willen beider Geschlechter zur Außendarstellung aus.

Die diverse Zusammensetzung der Befragten aus erfahrenen Führungskräften, aber auch aus Nachwuchsführungskräften unterschiedlichster Branchen hat mich davon abgebracht, einen handbuchartigen Ratgeber zu schreiben. Ich möchte eher relevante, bereitzustellende Voraussetzungen auf organisatorischer und kultureller Ebene für eine erfolgversprechende Führung fallweise vorschlagen oder in Erinnerung rufen. So gibt es immer Unternehmen oder Organisationen, die vorangehen – doch taugen sie als generelles Vorbild? Nicht alles in diesem Buch wird gänzlich neu sein, vielmehr möchte ich Impulse für Adaptionen an möglichst viele Unternehmen geben, ohne zu konkret etwaige Vorreiter heranzuziehen.

Mir geht es in diesem Buch nicht nur um den Nachwuchs. Doch ist dieses Buch auch ein großes Plädoyer für eine bessere Wahrnehmung, Berücksichtigung, Eingliederung und Ausbildung des Führungskräftenachwuchses. Die jungen Generationen Z und Y sind unsere Zukunft. Durch meine erwähnte Dozentur habe ich das Privileg, regelmäßige Diskussionen mit jungen Menschen der Generation Z zu führen, und es ist meistens ein Erlebnis. Das Bild ist vielfältig und gibt definitiv Anlass zur Hoffnung, entgegen dem Tenor mancher Studie. Man muss nur den richtigen Hebel finden, die richtige ­Basis für eine Verständigung herstellen, und schon findet man auch bei der Generation Z das Feuer der Leidenschaft. Vielfach brennt es nur anders als das der Generation Golf oder der Boomer.

Wenn dieses Buch zur Verständigung der Generationen beiträgt und dadurch Organisationen noch erfolgreicher werden, freut mich das besonders.

1 Zur Situation

Der Anlass für ein Buch über Führung könnte dringlicher kaum sein. Beginnen wir mit dem großen Bild. In den vergangenen beiden Jahrzehnten wurde die Welt und damit die zunehmend globalisierte Wirtschaft von mehreren heftigen Krisen geschüttelt. Die Folgen waren und sind schwerwiegend, gerade für das Verständnis, was gute Führung ist und was sie insbesondere für den Nachwuchs bedeutet.1

Der erste Einschlag in die zuvor recht lange boomende Weltwirtschaft war die Dotcom-Krise im Jahr 2001, die nicht nur durch den 11. September, sondern vor allem durch wilde Spekulationen an den Kapitalmärkten ausgelöst wurde. Zu viele Investoren und Banker wetteten auf eine glorreiche Zukunft der neuen Digitalunternehmen und vergaßen darüber, genau hinzuschauen, welches Geschäftsmodell und vor allem welche Substanz dahintersteckte. Oft genug musste man nach kurzer Zeit feststellen: keine.

Das nächste Beben erfasste im Jahr 2007 die Finanzmärkte mit dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers, die sich verhoben hatte mit meist faulen Immobilienkrediten und undurchsichtigen Bündelprodukten von Kreditbesicherungen, deren Struktur und Risiko am Ende keiner mehr verstand. Dieses Ereignis zog einen Dominoeffekt nach sich, der die gesamte Weltwirtschaft in den Abgrund zu reißen drohte. Mit Mühe konnte schließlich durch das Eingreifen der Politik und die Verstaatlichung oder Teilverstaatlichung einiger Banken das Schlimmste verhindert werden. Dieses Ereignis warf zum ersten Mal weltweit und hartnäckig die Frage nach der Verantwortung der handelnden Personen, insbesondere des Topmanagements der betroffenen Banken, auf. Bisher unangetastete Prinzipien der Unternehmensführung, vor allem das Mantra der Gewinnmaximierung, kamen auf den Prüfstand. Plötzlich wurden auch moralische Fragen gestellt. Wie gut ist Gier tatsächlich? Wo liegen die Grenzen? Nach welchem moralischen Kompass soll entschieden und gehandelt werden? Im Grunde: Was ist gute Führung?

2019 brach die Coronapandemie über die Welt herein und brachte einmal mehr tradierte oder vermeintliche Gewissheiten in Wirtschaft und Politik durcheinander. Indem die Wirtschaft relevanter Länder durch Lockdowns in die partielle Dysfunktionalität rutschte, allen voran die bis dato für den Welthandel immens wichtige chinesische, kamen zahlreiche Lieferketten erheblich ins Stocken. Plötzlich stand die Versorgungssicherheit mit essenziellen Gütern, darunter Medikamenten, auf dem Spiel.

Das Credo, nach dem der global günstigste, hinreichend lieferfähige Anbieter zum ­bevorzugten Produzenten oder gar zur alleinigen Beschaffungsquelle avancieren sollte, geriet gehörig ins Wanken. Schlagartig wurden potenziell fatale Abhängigkeiten deutlich, die man allerdings bei genauem Hinsehen schon vorher hätte entdecken können. Nur hatte offenbar niemand so genau hinschauen wollen, sobald der Preis angesichts engster Vorgaben und die Produktqualität der gehandelten Güter zumindest einigermaßen stimmte. Die Globalisierung und Abhängigkeit von bestimmten Ländern sind so lange vorteilhaft, wie man selbst genügend und verlässlich Gewinn erzielt.

War die Coronapandemie nach allem, was bis dato bekannt ist, mindestens auch natürlicher Ursache und damit in ihrem Auftreten wohl kaum zu beeinflussen, so war der Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 offensichtlich eine Chef-Entscheidung im Kreml, die vor allem in Europa die Wirtschaft und in gewisser Weise auch die Politik ins Wanken brachte. Es dauerte gefühlt sehr lange, bis maßgebliche europäische und gerade auch deutsche Verantwortliche aufgewacht waren, einen neuen Weg zumindest ausriefen und so etwas zeigten wie: Führung.

Über die Bedrohungen noch ganz anderer Art, insbesondere den Klimawandel, der das Leben auf der Erde um einiges ungemütlicher machen dürfte, möchte ich hier gar nicht erst vertiefend eingehen. Im Gegensatz zu den vorgenannten Katastrophen haben wir es hier mit einer sehr lang währenden Herausforderung zu tun, die wahrscheinlich über Generationen die vielfältigsten Bemühungen erfordern wird. Genau diese Bemühungen aber werden vermehrt und teils überaus vehement von der jungen Generation eingefordert. Ihr gehen die Maßnahmen gegen den Klimawandel oft nicht weit und vor allem nicht schnell genug. Sie vermissen in ihrem Sinne: Führung.

Diese wenigen Schlaglichter auf Krisen und Herausforderungen zeigen sehr deutlich: Krisenhafte Ereignisse können vielfältige Ursachen haben, doch mindestens die dargestellten Folgen gehen vor allem auf eines zurück – ausbleibende, zögerliche oder sogar schlechte Führung. Und wenn die handelnden und vor allem (im wahrsten Wortsinn) entscheidenden Personen mal nicht für die Ursache der Krise verantwortlich sein sollten, dann verbocken sie die Krisenbewältigung – so das breite Medienecho. Längst scheint die junge Generation ein ähnliches Urteil gefällt zu haben und sich zu fragen: Ist der ›Laden‹ noch zu retten, für was und wen lohnt sich berufliches Engagement überhaupt?

Generation ZGeneration YGeneration Z, Work-Life-BalanceGeneration Z, ArbeitszeitflexibilitätGeneration Z, ArbeitsortflexibilitätZwar gehen die Meinungen über die bis 30-jährigen Berufstätigen, die sogenannte ­Generation Z und ihre Werte, Denkweisen und Ziele bisweilen auseinander. Die weltweite Deloitte-Generationsstudie von 2023 etwa bescheinigt der Generation Z und den etwas älteren Millennials, also der Generation Y, unter anderem eine hohe Priorisierung der Work-Life-Balance mit einer Verschiebung hin zu mehr Privatleben, flexibler Arbeitszeiten und von Nachhaltigkeit, besonders im Hinblick auf den Klimawandel.2 In die gleiche Richtung geht eine Studie von Zenjob, insbesondere, was den Wunsch nach flexibleren Arbeitszeiten und Autonomie anbelangt.3 Doch bekommt das Bild hier Risse, denn eindeutig ausgeprägt sind die Präfenzen eben nicht immer. So wollen 78 Prozent der Befragten aus der Generation Z feste Arbeitszeiten haben, doch 70 Prozent im Urlaub erreichbar sein. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag des Automobilzulieferers Continental bekunden gar 77 Prozent der Befragten, dass Arbeit ihnen wichtig sei4 – ob wichtiger als Freizeit, wird in den zitierten Quellen nicht erörtert.

Man liest es allenthalben in den Fachmedien und ich kann es zumindest anekdotisch aus unserer Beratungspraxis bestätigen: Von der jungen Generation werden vermehrt flexible Arbeitszeiten und -modelle eingefordert, ein höherer Sinn im eigenen Tun für das Unternehmen erwartet und eine gewisse Unverbindlichkeit gezeigt. Das kurze Hallo, eine schnelle Nachricht auf das Mobiltelefon, eine kurze E-Mail – und vielleicht auf Nimmerwiedersehen. Eine Anfrage ist nichts mehr als eine spontane Eingebung und Rückfragen sind eher lästig oder gar beängstigend. Die ernsthafte Beschäftigung mit dem Anliegen, ja eine womöglich tiefergehende Analyse, an der man dann noch mitarbeiten soll und an deren Ende man womöglich eine Verpflichtung eingehen muss, schrecken ab. Ebenso wollen viele Führungskräfte erkannt haben, dass die Generation Z aufgrund einer überbehüteten Kindheit sehr ängstlich und unselbstständig ist, wenig Initiative zeigt und Fehler unbedingt vermeiden möchte.5 Bevor man etwas falsch macht und Kritik riskiert oder wenn etwas schon im Vorhinein Unbehagen auslöst, macht man lieber gar nichts.

Generation Z, GhostingAuf die Spitze getrieben wird die Unverbindlichkeit durch sogenanntes Ghosting: Bewerberinnen und Bewerber sind nach einem ersten Gespräch nicht mehr erreichbar oder treten eine Stelle einfach nicht an. Sie haben sich buchstäblich in Luft aufgelöst. Dieses Phänomen tritt nicht nur vereinzelt auf, wenn man den vielen Stimmen aus der Personalrekrutierung glauben darf.

Generation Z, UnternehmenszweckGeneration Z, NachhaltigkeitIn anderen Fällen wird bereits früh in der Bewerbungsphase der Zweck des Unternehmens insistierend hinterfragt. Und was ein Unternehmen für die Nachhaltigkeit und gegen den Klimawandel tut, kann die Entscheidung pro oder contra Stellenantritt massiv beeinflussen. Auch die Möglichkeit des Aufstiegs wird nicht mehr automatisch als positiv wahrgenommen. Die klassische Führungskarriere mit viel Verantwortung für andere Menschen, vielleicht noch garniert mit langen Auslandsaufenthalten, hat jedenfalls als Wunschbild in der Breite ausgedient. Persönliche Entfaltungsmöglichkeiten nach den eigenen Regeln und Präferenzen scheinen schwerer zu wiegen.6

Die junge Generation zeigt sich nicht dankbar für die Gelegenheit, in einem angenehmen Umfeld für gutes Geld arbeiten zu dürfen – sie erwartet Dankbarkeit dafür, dass sie diese Gelegenheit wahrnimmt. So ist die Lage. Eine Verschiebung von Werten ist unverkennbar, und die Konvention dessen, was als angemessenes Verhalten, angemessene Kommunikation und eine angemessene Erwartungshaltung verstanden wird, hat sich mit verschoben. Bei Kritik ist man allerdings beleidigt oder sofort stark verunsichert, unter größerer Belastung bricht man gleich ganz zusammen. Auch diese Merkmale fördern mehrere Umfragen zutage.7

Die Gründe für derartige Verschiebungen in den Prioritäten, Glaubenssätzen und Präferenzen mögen vielfältig sein. Ein gewichtiger Grund, und diesen erlebe ich auch in unserer eigenen Beratungspraxis, ist der Vertrauensverlust in das System. Die erwähnten massiven Krisen haben das Vertrauen der jungen Generation in die Akteure auf wirtschaftlicher und politischer Ebene eher erschüttert als gestärkt und unter anderem zu einer gänzlich anderen Haltung vieler junger Berufstätiger zu klassischen Karrierethemen geführt. Man gibt nicht mehr alles für ›die da oben‹, um dann möglich bald selbst dazuzugehören.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die – bei Erscheinen dieses Buches – jüngste Studie der Wirtschaftsjunioren Deutschland konstatiert, für 82 Prozent der Befragten seien gute Verdienstmöglichkeiten am wichtigsten. Schon 74 Prozent nämlich sehen eine gute Work-Life-Balance als wichtig oder sehr wichtig an, und auf dem dritten Platz steht mit 71 Prozent die Möglichkeit einer abwechslungsreichen Tätigkeit.8

Dazu kommt die demografische Entwicklung, die der unterstellten oder faktischen Vielwilligkeit bzw. Ich-Bezogenheit der jungen Generation in die Karten spielt. Wer rare Kompetenzen mitbringt, kann sich eben mehr erlauben. Auch das ist die Situation. Die jüngste Studie von McKinsey & Company, in der 500 Personalverantwortliche zum Thema befragt wurden, förderte zutage, dass weniger als zwei Drittel der ausgesprochenen Jobangebote angenommen werden.9 Dieses Verhalten alarmiert, da die deutsche Konjunktur im Herbst 2023 und auch im ersten Quartal 2024 nicht rundläuft.

HomeofficeArbeitsortflexibilitätUnd als wäre dies alles noch nicht genug, hat die Coronapandemie neue Arbeitsmodelle mit einer viel stärkeren Betonung (oder überhaupt erst der Einführung) des Arbeitens von zu Hause aus (Homeoffice) befördert. Was zuvor eher als Auffrischung der Arbeitskultur hin zu einer größeren Dynamik – gern auch Agilität genannt – gedacht war, wurde in vielen Unternehmen plötzlich und notgedrungen zum Standard. Und dies in einer viel krasseren Form als ursprünglich gedacht, denn die Agilität betraf nicht mehr nur die Arbeitsorganisation, sondern buchstäblich den Raum. Operierte früher allenfalls der Außendienst aus dem Homeoffice heraus, blieben nun ganze Abteilungen schlicht daheim.

New WorkPräsent war dieser Trend hin zu einer alternativen Arbeitsorganisation im deutschsprachigen Raum schon zuvor als sogenannte New Work, einer von Frithjof Bergmann in den 1970er-Jahren begründeten Denkrichtung, die Arbeit anders als bis dato üblich gestalten wollte. Im Kern soll die Arbeit demnach vor allem sinnstiftend sein, ja Freude bereiten, und nicht mehr als Zwang und Begrenzung der persönlichen Freiheit empfunden werden.10 Spätestens seit der Coronapandemie wird New Work weit über diese eher philosophische Betrachtung hinaus als Sammelsurium unkonventioneller Arbeitsweisen und Organisationsformen verstanden und vor allem in der Breite angewendet. New Work hat sich also vom konzeptionellen Ursprungsgedanken entfernt und der Organisationsebene stark angenähert, aber – oder gerade deshalb – an umso mehr Stellen der Arbeitswelt in immer neuen Formen Einzug gehalten.

Die etablierte Arbeitswelt ist also von mindestens zwei Seiten unter Druck geraten. Es steht nicht nur der Sinn der Arbeit und damit auch der eines eventuellen beruflichen Aufstiegs zur Disposition, sondern auch die Art des Arbeitens.

Nun gedachte man mit dem Abklingen der Coronapandemie das Rad zurückzudrehen. Die Rolle rückwärts aber fällt viel schwerer als vermutet, es soll etliche junge Bewerberinnen und Bewerber geben, die sich wundern, wenn sie mehr im Standortbüro als zu Hause arbeiten sollen. So manche Personalerinnen und Recruiter reiben sich da die Augen.11

Was also tun? Größte wirtschaftliche und gesellschaftliche Herausforderungen stehen einer Generation an Arbeitskräften gegenüber, die viele Regeln neu bestimmen oder es zumindest möchten und versuchen. Natürlich gilt dies nicht für die junge Generation per se und einige meiner Aussagen sind bewusst pointiert gehalten. Der Trend aber ist Realität und führt zu einigem Kopfzerbrechen in den Chefetagen.

Eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit tradierten Strukturen und Prozessen dürfte sich zudem über mehrere Generationen erstrecken, vielleicht sogar bis zur Generation Golf/Generation X oder den Boomern.12 Diese zumindest für den deutschsprachigen Raum vorliegende Erkenntnis deutet darauf hin, dass die überproportionale Betonung der jungen Generation im Diskurs zwar gerade mit Blick auf die Zukunft das Kernphänomen einer drohenden Führungs- oder gar breiten Arbeitskräfteverknappung beschreibt, jedoch auch in dieser Hinsicht keinesfalls das ganze Bild zeigt.13

Insoweit kann auch dieses Buch sich einer gewissen Verallgemeinerung nicht entziehen, und es wird hiermit explizit auf diese hingewiesen. Immerhin bietet es durch das Kapitel »Führungsgespräche« und durch Erlebnisse aus unserer eigenen Beratungspraxis zumindest punktuelle Bestätigungen, Modifizierungen und Relativierungen der Forschungsergebnisse und somit hoffentlich einen brauchbaren Erkenntnisgewinn.

Eines aber ist klar: Führung nach bewährtem Rollenmuster und in bewährten personellen wie auch organisatorischen Strukturen funktioniert nicht mehr per se. Das Bewährte bewährt sich nun nicht mehr automatisch. Doch ohne Führung im Sinne einer Richtungsweisung und Entscheidungsübernahme überlebt keine Organisation, und sei sie noch so egalitär oder agil aufgestellt. Der Erfolg währt bis zum nächsten Konflikt strategischer Tragweite oder bis zum Gebot einer schwerwiegenden Entscheidung, für die jemand unterschreiben und formell die Verantwortung übernehmen muss. Wie kann dieser Spagat gelingen?

Ein neues Führungsverständnis ist gefragt.

1 Als ›junge Generation‹ bezeichne ich die sogenannte Generation Y (in den 1980er- und 1990er-Jahren geboren) und Generation Z (circa 1997 bis 2012 geboren). In diesem Buch verwende ich für beide Generationen auch den inzwischen verbreiteten Begriff ›Young Professionals‹.

2 Deloitte: 2023 Gen Z and Millennial Survey. https://www2.deloitte.com/de/de/pages/innovation/contents/millennial-survey.html.

3 Zenjob: Gen-Z-Studie 2022: Das wünschen sich junge Arbeitnehmer*innen von ihrem Job.

4 Vgl. Zeit online/dpa (2023): Generation Z und Arbeitsmarkt – Was wollen die Jungen? Meldung vom 02.08.2023.

5 Vgl. dazu a) Belkin, Douglas et al. (2023): »How Do I Do That?« The New Hires of 2023 Are Unprepared for Work. Remote learning during the pandemic left students short of basic skills. Now companies are trying to teach them on the job. The Wall Street Journal. b) Hart, Jordan (2023): Managers say Gen Zers aren’t getting work done and lack basic social skills – and it’s driving them crazy. Business Insider online; Anmerkung: Zwar wird im vorliegenden Buch auf US-amerikanische Quellen wegen der oft fraglichen Gültigkeit für den deutschsprachigen Raum mit Vorbehalten verwiesen – die in diesen Artikeln dargestellten Verhältnisse decken sich allerdings mit jenen aus zahlreichen deutschen Umfragen.

6 Vgl. Telser, Franziska (2023): Wie die Generation Z den Arbeitsmarkt aufmischt. Handelsblatt Nr. 159, 18./19./20. August 2023, S. 48 ff.

7 Vgl. Gelowicz, Svenja: »Viele Babyboomer sind an ihre Belastungsgrenzen gekommen«. WirtschaftsWoche online vom 18.02.2023. Gelowicz bezieht sich hier auf eine Studie von Naemi Brandt (Acting Like a Baby Boomer? Psychological Science 33, Februar 2022, S. 282–396).

8 Genius, Kilian et al. (2023): Ansprüche vor erstem Arbeitstag. Worauf die Generation Z bei der Berufswahl schaut. N-TV.de

9 Vgl. Reintjes, Dominik (2023): Wählerische Kandidaten. »Das wird Unternehmen in den nächsten fünf bis zehn Jahren wirklich zu schaffen machen«. WirtschaftsWoche online vom 09.11.2023. Anmerkung: Offen bleibt in dieser Quelle die Alterskohorte, wobei aber nach aller Logik einer repräsentativen Umfrage hinreichend viele junge Menschen unter den Untersuchten sein dürften. Das Original der Studie war bei McKinsey & Company bis dato nicht erhältlich.

10 Vgl. Bergmann, Frithjof (2019): New Work New Culture: Work We Want and a Culture That Strengthens Us. Zero Books. Es ist schwer, das Konstrukt Bergmanns zu klassifizieren, weshalb ich es im vorliegenden Buch, je nach Kontext, auch als Konzept, Rahmen und Ansatz bezeichne.

11 Vgl. Allak, Hasan (2024): Weg mit dem tradierten Betriebssystem! WirtschaftsWoche online vom 17.02.2024.

12 Generation Golf/X = Jahrgang 1966 bis 1980, Boomer = bis 1966 geboren.

13 Vgl. Hoffmann, Maren (2024): Deutschlands erschöpfte Chefs. Manager Magazin online vom 15.02.2024.

2 Führung ist notwendig – und ­zunehmend in Not 

Wenn wir also unterstellen, dass die beschriebenen Phänomene zumindest als Tendenz richtig erkannt, hinreichend belastbar und virulent sind, dann geraten Unternehmen perspektivisch in Führungsnot – wenn sie es nicht schon sind. Fragen wir uns doch noch einmal, und zwar provokant: Müssen Organisationen überhaupt im systematischen Sinne geführt werden? Gerade in den letzten 10 bis 15 Jahren haben doch flache und agile Organisationen stark an Popularität gewonnen, Selbstorganisation scheint dem Zeitgeist zu entsprechen.14 Spricht das nicht gegen die Notwendigkeit einer Führungsstruktur?

14 Zur wissenschaftlichen Vertiefung empfehle ich das Buch von Michela Moser Hierarchielos führen, erschienen bei Springer Gabler 2017.

2.1 Verstehen wir überhaupt, was Führung ist?

FührungsverständnisOhne die entscheidende Frage, ob wir überhaupt verstehen, was Führung ist, zu wissenschaftlich zu beantworten, müssen wir doch einen etwas genaueren Blick auf das Thema werfen. In der Fachliteratur wird Führung jedenfalls nicht einheitlich begriffen und dargestellt. Aus der Perspektive meiner internationalen Beratungserfahrung jedenfalls kann ich nur sagen, dass kulturelle Faktoren das Verständnis von Führung maßgeblich beeinflussen.15 Trotz Globalisierung ändert sich an diesen Verhältnissen nach unserer Beobachtung auch wenig. In unserem europäischen, vielleicht genauer westeuropäischen, traditionellen Verständnis wird Führung durch Führungskräfte ausgeübt, die einen fest zugeordneten Stamm an Mitarbeitenden anleiten – denen gegenüber sie weisungsbefugt sind, denen sie Aufgaben zuteilen können und die sie beurteilen. Gern wird zudem von Management gesprochen, wenn Führung gemeint ist.

Zudem ist der Fachdiskurs in Europa und vielleicht besonders in West- und Nordeuropa durch US-amerikanische Impulse geprägt. Daher referenzieren viele Veröffentlichungen über Führung bewusst oder unbewusst auf amerikanische Quellen, und nicht wenige transportieren das tradierte Bild der starken Führungskraft, die von der Spitze die Richtung vorgibt und Gefolgschaft erwartet.

Kurt Lewin und Max Weber – fast vergessene Wegbereiter

In doppelter Ironie wird der Pionier der Erforschung von Führung und Verhalten, der deutschstämmige Psychologe Kurt Lewin, im Diskurs nur noch selten erwähnt: Bis heute werden zwar munter seine Ideen umgewälzt, jedoch ohne den Vordenker zu nennen, und wenn doch, dann geht er als reiner Amerikaner durch. Getrost darf man bei Sichtung auch der aktuellen Forschung und Publikationen zu Führung annehmen, dass die drei von ihm definierten Führungsstile – autoritär, kooperativ und demokratisch – immer noch zur Basis der Betrachtung und Beschreibung von Führungsstilen gehören.16

Gleiches gilt für die Thesen von Max Weber, dessen vier vorgeschlagene Führungsstile – autokratisch, patriarchalisch, charismatisch und bürokratisch – nicht mehr als zukunftsfähig angesehen werden, aber faktisch in der einen oder anderen Ausprägung weiterleben. So kollidiert beispielsweise die bürokratische Führung frontal mit den New-Work-Ansprüchen17, aber wer einmal, zumindest in Deutschland, ein behördliches Verfahren durchlaufen hat, trifft auf Webers Thesen an vielen Ecken. So vernachlässigt die Vordenker, so präsent ihr Erbe!

Dass Peter Drucker, einer der am meisten zitierten US-Experten zu Führung und Management, gebürtiger und sozialisierter Österreicher war, ist nur eine weitere Ironie der Geschichte. Wo wir die Vordenker in den USA suchen, finden wir unter deren berühmtesten Vertretern einige europäische Einwanderer, manchmal ohne es zu ahnen. Sie halten uns, nun amerikanisiert, den Spiegel vor. Was offenbar in Europa kein Echo fand oder keine Möglichkeit zur Entfaltung erhielt, muss erst von jenseits des Atlantiks zurückschallen, um aufgenommen zu werden.

Dieses Phänomen der Amerikanisierung zeigt vor allem die Anziehungskraft und Stärke der USA als richtunggebende Wirtschafts- und Wissenschaftsnation für Europa. Wir bewegen uns in der Diskussion um Führung also zumeist in einem von den USA aus geprägten Rahmen. Das ist zunächst weder gut noch schlecht, es hilft aber, verschiedene Denkrichtungen und Begriffe bis hin zu fein granulierten Handlungsempfehlungen einzuordnen.

Das Verständnis von Peter Drucker

Mit Peter Drucker und seinen Thesen haben wir einen wichtigen Fixpunkt gefunden. Die Frage, ob sich Drucker eher mit Führungs- oder vielmehr mit Managementthemen befasst hat und was überhaupt der Unterschied zwischen beiden ist, muss für das ­weitere Verständnis von Führung interessieren.

So veröffentlichte Drucker meist in englischer Sprache, was das Verständnis etwas verkompliziert. Er schreibt häufiger von Management18, nicht von Leadership, und ihm wird aufgrund seiner immer wieder durchscheinenden Skepsis gegenüber der Vorbildfunktion charismatischer Führungspersönlichkeiten zugeschrieben, dass die Unternehmensführung eher als Handwerk zu betrachten sei denn als angeborenes Talent.

Executives, MerkmaleEin genauer Blick in die von ihm vorgeschlagenen Handlungsweisen und auch Eigenschaften von Executives, wie er die Akteure auch nennt, rückt diese recht nahe an unser heute weithin vertretenes Verständnis von Führung. Er schreibt, dass wirksame Executives

sich das notwendige Wissen besorgen, das sie zur Ausübung ihrer Funktion und zur Erzielung von Ergebnissen benötigen, und zwar regelmäßig;

einen Aktionsplan erstellen;

handeln, indem sie

die Verantwortung für Entscheidungen übernehmen,

die Verantwortung für eine Kommunikation in beide Richtungen wahrnehmen, damit sie eine stetige Resonanz und relevante Informationen erhalten,

eher die Möglichkeiten und Chancen fokussieren als die Probleme und danach handeln,

Sitzungen produktiv gestalten, wobei der jeweilige Zweck der Sitzung zu beachten ist, da jeder Zweck eine bestimmte Vorbereitung, Teilnehmerzusammensetzung und inhaltliche Agenda erfordert;

immer im ›Wir‹ und nicht im ›Ich‹ denken und handeln, denn das Wohl der Organisation, die überdies immer größer ist als man selbst, geht vor.19

Ich habe die Thesen und Zusammenhänge etwas verkürzt dargestellt, um die Essenz herauszuschälen. Es fällt auf, dass hier klassische Eigenschaften von Führung nach unserem Verständnis dargelegt werden, die nichts an Aktualität eingebüßt haben. Ohne ein Team nämlich, das die handelnde Person, hier eben der oder die Executive, unmittelbar beeinflusst, funktioniert die Ausführung der genannten Aufgaben und Verantwortlichkeiten nicht oder sie sind gleich ganz überflüssig. Die Ausübenden dieser Rollen kann man getrost ›Führungskräfte‹ nennen – sie praktizieren Führung, mindestens indem sie Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, das auf weitere Personen in der Organisation unmittelbar ausstrahlt.

Neben Peter Drucker möchte ich noch zwei anerkannte Vordenker hinzuziehen, die ihre Spuren besonders im deutschsprachigen Raum hinterlassen haben.

Fredmund Malik und das Führungshandwerk

So befasst sich Fredmund Malik intensiv mit Führungs- und Managementfragen und man kann seine Denkrichtung durchaus als Verlängerung von Drucker begreifen. Auch Malik ist zu viel Charisma einer Führungspersönlichkeit eher suspekt, er begreift Führung als zu erlernendes Handwerk,20 spricht sogar häufiger von Management als von Führung. Darüber hinaus definiert er kristallklar das Ziel von Management, nämlich Ergebnisse zu erzielen: »Management ist der Beruf des Resultate-Erzielens oder Resultate-Erwirkens.«21 Wiederum wird hier nicht ganz klar, inwieweit Führung und Management unterschieden werden. Hinter beiden Begriffen stehen bei Malik stets Aufgaben, die Entscheidungen verlangen und Konsequenzen für andere in der Organisation oder extern als Kunden oder Geschäftspartner haben.

Management, WirksamkeitManagement, ResultatorientierungVor allem aber ist Malik einer der wenigen, die die Bedeutung von Management für unser Leben betont und dabei Führungsaspekte mindestens einschließt (so heißt sein wohl berühmtestes Werk Führen, Leisten, Leben). »Fast alles, was uns innerhalb unserer Gesellschaft wichtig sein muss, hängt von Management ab, von der Professionalität und Qualität, mit der dieser Beruf ausgeübt wird. Das ist keineswegs begrüßenswert, aber es ist Realität.«22 Für ihn ermöglicht oder beschädigt Management nichts weniger als unser »Wohlstandsniveau«23 insgesamt, auch da viele weltmarktführende Unternehmen aus Ländern kommen, die keine typischen Standortvorteile, darunter Rohstoffe oder sehr niedrige Lohn- und Arbeitskosten, im Übermaß vorzuweisen haben, wie etwa die Schweiz und Japan24, Deutschland sicherlich auch. Für Malik zählt nur die Wirksamkeit des Managements – wer in diesem Sinne wirkt, handelt richtig und wer nicht, gefährdet oder zerstört den Erfolg.25 Wirksamkeit in diesem Kontext bedeutet für Malik vor allem Resultatorientierung.26

Reinhard Sprenger und die Unabdingbarkeit der Führung

Auch Reinhard Sprenger, der als einer der renommiertesten deutschen Vordenker gilt, stellt die Notwendigkeit von Führung an sich überhaupt nicht infrage, sondern definiert sie gleich generalistisch mit dem Zweck, das »… Überleben des Unternehmens zu sichern«.27 Im Klartext: Wo nicht geführt wird – wie auch immer Führung nun genau aussieht –, muss man das Chaos erwarten, welches eine Organisation früher oder später in den Abgrund reißt. Zu viele divergierende Interessen und Zielsetzungen stünden einem Vakuum an Orientierung gegenüber, da es keine Instanz gebe, Konflikte zu entscheiden. Die Erkenntnisse der soziometrischen Forschung untermauern die Gefahr, nach der Gruppen gänzlich ohne Führung verwahrlosen oder sich am Ende doch eine Führungspersönlichkeit, sei es formell oder informell, erwählen.28 Damit betrachte ich die Eingangsfrage, warum die systematische Führung einer Organisation insgesamt und auch innerhalb einer Organisation, also in Teilorganisationen nötig ist, als beantwortet.

Dass wir uns überhaupt mit dieser doch ein wenig trivial wirkenden Frage auseinandergesetzt haben, liegt auch am Zeitgeist. Insbesondere der Trend zum agilen Arbeiten – auch hier sei einschränkend angemerkt: was auch immer Agilität genau bedeutet – suggeriert, dass es keine Führung im obigen Sinn mehr braucht. Flache Hierarchien und sogenannte agile Arbeitsformen werden spätestens seit den 2010er-Jahren als überlegen dargestellt. Allerdings wird in den wenigsten Vorschlägen und Konzepten die Führungsfrage durchdacht, ja teils nicht einmal angedacht. Zumindest mit Blick auf die konkrete agile Organisationseinheit wird die Führungsfrage gern zugunsten größtmöglicher Selbstorganisation und Selbstregulierung in den Hintergrund gedrängt – vielleicht auch, weil Führung mit einem radikal gedachten egalitären und agilen Ansatz kollidiert. Sie stört das so schön gemalte Bild.

Nebenbei, auch Sprenger sieht im konkreteren Zweck der Führung die Erzielung von Erfolg29 – genauer, eines Erfolgs, der vertraglich vereinbart ist, und dieser kann »… Profit sein, Umsatz, Umsatzrendite, Kapitalrendite, Marktanteil, Fluktuation, Lieferfristen«30. Er spannt also einen weiten Bogen, der vor allem die Vielfältigkeit der Relevanz von Führung verdeutlicht.

Überdies betrachtet Sprenger explizit die ganze Organisation mit ihren Hierarchieebenen oder Einheiten. Es gibt kein Entrinnen, könnte man sagen. Unterschiedlich ist allein die Reichweite der Handelnden. Eine Vorständin strahlt auf das gesamte Unternehmen ab, ein Teamleiter auf sein Team. Doch beider Führungsaktionen müssen zum Ziel haben, das nachhaltige Überleben des Unternehmens zu sichern.

15 Interessierten sei an dieser Stelle die Studie Cultures and Organizations von Geert Hofstede zur Vertiefung empfohlen. Wir haben folgende Ausgabe als Referenz genutzt: Hofstede, Geert (1991): Cultures and Organizations. Software of the Mind. McGraw-Hill International (UK) Limited.

16 Lewin, K. et. al. (1939): Patterns of Aggressive Behavior in Experimentally Created Social Climates. The Journal of Social Psychology, Volume 10, 1939.

17 Auf Webers Thesen wird in der Praxis, wenn überhaupt, noch schlagwortartig verwiesen, ohne konkrete Einordnung in das Gesamtwerk. Dazu mag beitragen, dass die Bände Wirtschaft und Gesellschaft erst posthum ab 1922 erschienen sind und Weber sich nicht mehr im Diskurs äußern konnte.

18 Vgl. Drucker, Peter (1954): The Practice of Management. Harper & Row.

19 Vgl. Drucker, Peter (2006): Classic Drucker. Essential Wisdom of Peter Drucker from the Pages of the Harvard Business Review. Harvard Business School Publishing Corporation. S. 115–126.

20 Malik, Fredmund (2000): Führen Leisten Leben. Wirksames Management für eine neue Zeit. DVA. S. 68 ff.

21 Ebd., S. 73.

22 Ebd., S. 49 f.

23 Vgl. ebd., S. 50.

24 Vgl. ebd., S. 50.

25 Wortwahl und Credo ziehen sich durch Maliks gesamtes Werk, werden hier in ebd. erstmalig auf Seite 18 angesprochen.

26 Vgl. ebd., S. 73 ff.

27 Sprenger, Reinhardt (2012): Radikal führen. Campus. S. 18. Anmerkung: Auslassungen in kurzen wörtlichen Zitaten, die im Fließtext stehen, werden in diesem Buch wegen der besseren Lesbarkeit mit drei Punkten ohne Klammern markiert.

28 Vgl. Saaman, Wolfgang (1990): Effizient führen. Gabler, S. 31 ff. sowie Geramanis, Olaf/Hutmacher, Stefan (Hrsg.) (2019): Der Mensch in der Selbstorganisation – Kooperationskonzepte für eine dynamische Arbeitswelt. Springer Gabler, 77 ff.; Anmerkung: Die Soziometrie soll hier nicht weiter beleuchtet werden, jedoch sei hingewiesen auf die Protagonisten Jakob L. Moreno, Elton Mayo und George C. Homans sowie, besonders aus Sicht der Forschung zur Bürokratie, Max Weber.

29 Vgl. ebd., S. 21.

30 Vgl. ebd., S. 22.

2.2 Gibt es objektiv gute Führung?

Führungsverständnis, objektive KriterienSprenger betont ähnlich wie Malik, dass es gute Führung im engeren Sinne eines personenbezogenen Führungsverhaltens nicht gebe, ja diese nicht einmal in der Theorie definierbar sei – ausschließlich sei erfolgreiche von erfolgloser Führung zu unterscheiden.31 Damit stehen die Autoren beileibe nicht allein, wenn es auch eine – womöglich noch viel größere – Anzahl an Publikationen gibt, in denen jede Menge praktische Tipps für die sogenannte gute Führung stehen.32 Wir stochern also einmal mehr im Nebel, können Führung für sich genommen nicht oder kaum qualifizieren oder quantifizieren.

Führung ohne Kontext, ohne ein wünschenswertes, erreichtes Ergebnis ist unmöglich zu beurteilen und damit auch kaum zu erlernen. Führung im Kontext, also eingebettet in eine mehr oder eben weniger erfolgreiche Organisation, wäre demnach die einzige überhaupt legitim zu analysierende Konstellation. Auch darauf lässt Sprenger sich ungern ein, liefert aber Orientierung, indem er konstatiert, »… ein Unternehmen ist dann gut geführt, wenn es gute Produkte produziert und diese zu fairen, marktgebildeten Preisen anbietet …«33. Das ist eine sehr technokratische Betrachtung, aber dafür in dieser Granulierung eine eindeutige und obendrein leicht zu verstehende.

31 Vgl. ebd., S. 24 ff.

32 Auf weitere Quellen verzichte ich hier zugunsten der besseren Lesbarkeit, ein Blick auf die Bestsellerlisten der Führungsliteratur über die letzten 20 Jahre sollte genügen.

33 Ebd., S. 26.

2.3 Das immergleiche Bedürfnis – Menschen wollen ­anerkannt werden

Führungsverhalten