Verbotene Liebe in der Heiligen Stadt - Francesco Sanzo - E-Book

Verbotene Liebe in der Heiligen Stadt E-Book

Francesco Sanzo

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Beschreibung

Rom, die Heilige Stadt! Auch hier passieren Morde. Im Milieu der Edel-Nutten und Transgender werden einige Sex-Arbeiterinnen brutal umgebracht. Die Polizei in Rom ermittelt wegen der unterschiedlichen Spuren zuerst in einer falschen Richtung, was sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen ändert. Die neue Oberkommissarin der Mordkommission, Nora Debole, die sich gerade von Bologna zurück in ihre Geburtsstadt hat versetzen lassen, studiert die Akten der Morde aus der Umgebung, vergleicht die Fälle, stellt Parallelen fest und hört auch auf ihr Bauchgefühl. Ihre Kollegen müssen sich daran gewöhnen, dass eine starke Frau mit kühlem Verstand das Sagen hat, die Motorrad fährt und öfter Alleingänge unternimmt. Wird Nora die undurchsichtige Lage durchschauen, die Fakten richtig einordnen und damit die Morde aufklären?

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Inhaltsverzeichnis

Sonntag, 12. Juni

Montag, 13. Juni

Dienstag, 14. Juni

Mittwoch, 15. Juni

Donnerstag, 16. Juni

Freitag, 17. Juni

Samstag, 18. Juni

Sonntag, 19. Juni

Montag, 20. Juni

Dienstag, 21. Juni

Mittwoch, 22. Juni

Donnerstag, 23. Juni

Freitag, 24. Juni

Samstag, 25. Juni

Sonntag, 26. Juni

Montag, 27. Juni

Dienstag, 28. Juni

Mittwoch, 29. Juni

Donnerstag, 30. Juni

Freitag, 1. Juli

Samstag, 2. Juli

Sonntag, 3. Juli

Montag, 4. Juli

Dienstag, 5. Juli

Francesco Sanzo

Verbotene Liebe in der Heiligen Stadt

Kriminalroman

Der Autor

Geboren in Kalabrien, folgte ich - im Alter von elf Jahren - meinem Vater 1959 nach Deutschland. Er fand im Saarland eine Arbeit auf dem Bau, konnte dadurch der Not in Süditalien entkommen und die Familie ernähren. Auch ich musste früh mit anpacken und fing als Handlanger an. Jahre später machte ich mich als Bauunternehmer selbstständig. Trotz meiner knappen Freizeit schrieb ich im Jahr 2004 mein erstes Buch.

Inzwischen im Ruhestand, habe ich in einer Alltagssprache sehr unterschiedliche Bücher geschrieben. In diesem Kriminalroman ist die Besonderheit, dass die Handlung in Rom spielt.

Meine Mentalität und Lebensart habe ich mir stets bewahrt und in meinen Büchern zum Ausdruck gebracht.

Ich bedanke mich bei meiner Frau,

sie gibt mir die Freiheit zu schreiben,

und ich bedanke mich bei allen,

die an diesem Buch mitgearbeitet haben.

Francesco Sanzo

Francesco Sanzo

Verbotene Liebe

in der

Heiligen Stadt

Kriminalroman

Sanzo-Verlag

Francesco Sanzo

Verbotene Liebe in der Heiligen Stadt

Kriminalroman

ISBN: 978-3-946560-30-2

Sanzo-Verlag, Danièle Sanzo

Ahornweg 32

66399 Mandelbachtal

Telefon: 06893-6624

Telefax: 06893-802788

E-Mail: [email protected]

Cover: Stefan Maria Alt

Manuskript-Bearbeitung: Frank Hartmann

Co-Lektorat: Astrid Pasterkamp

Buchgestaltung: Thomas Bastuck

Copyright: Sanzo-Verlag, Mandelbachtal

Das Werk, einschließlich seiner Teile,

ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen

des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung

des Verlages und des Autors unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische

oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung,

Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Die Handlung und alle handelnden Personen

sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeit mit

lebenden oder realen Personen wäre rein zufällig.

Das Buch ist auch als E-Book erhältlich.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet

diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet

über http://dnb.de abrufbar.

Druck: Druckerei Wir machen Druck, Backnang

Susi Moretti stand nachdenklich nach einer Dusche im Bademantel am Küchenfenster ihrer Wohnung, blickte hinaus auf die belebten Straßen von Rom und hielt einen Brief in ihrer Hand. Die 46-jährige erfuhr soeben von einem Nachlassverwalter, dass ihre Eltern vor kurzem bei einem Verkehrsunfall verstorben waren. Da sie keine weiteren Geschwister hatte, würde sie nun deren Vermögen erben, obwohl sie schon über zwanzig Jahre keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern gehabt hatte.

Einen bestimmten Grund dafür gab es eigentlich nicht. Susi wollte einfach frei sein und so leben, wie sie sich fühlte. Auch auf den erlernten Beruf als Krankenschwester hatte sie nie richtig Bock gehabt und es war ihr ein Graus, frühmorgens aufzustehen, um bei Wind und Wetter für andere Menschen arbeiten zu müssen. Was ihr aber seit jeher gefiel, war, auf die Schnelle Geld zu verdienen. Ganz egal, wie. Besonders gerne im horizontalen Gewerbe als ganz spezielle Dienstleisterin.

In der Nähe des Zentrums von Rom bewohnte sie nahe der belebten Via Marsala ein kleines Appartement. Dort empfing sie auch ihre Kunden, viele davon jedoch mit einer ungewöhnlichen Neigung. Es war dafür ein idealer Ort, denn ihre meist betuchten Freier konnten entweder den Zug oder das Auto nehmen. Schräg gegenüber lag außerdem ein großer Parkplatz. Und wenn die Kunden danach noch auf etwas anderes Lust hatten, gab es die Möglichkeit, dort auf einem Marktplatz einzukaufen.

Trotzdem war sie auch des Öfteren von ihrem Job regelrecht angewidert. Die wenigstens ihrer Freier waren solche Typen wie Brad Pitt oder George Clooney, eher doch wie Bud Spencer und Terence Hill, ungepflegt, ungewaschen und nur auf eine schnelle Nummer aus. Jedoch war Susi so außergewöhnlich, dass sie ein Geheimtipp in diesen Kreisen war. Der Unterhalt für ihre Wohnung und die Lebenshaltungskosten waren alles andere als billig und weil Susi für ihr Geld letztendlich hart arbeiten musste, hatte sie sich vorgenommen, anständig zu sparen, weil sie mit Sicherheit in ein paar Jahren auf der Matratze nicht mehr arbeiten konnte und auch wollte. Ihr auffallend attraktives Äußere ließ bereits jetzt schon ein paar Federn, wobei man Susi ihr Alter überhaupt nicht ansah. Vor knapp zehn Jahren sah sie eine Zeit lang älter als jetzt aus, weil damals ihr ausschweifender Kokainkonsum für kurze Zeit ihre Gesundheit fast ruiniert hätte. Susi bekam gerade noch so die Kurve, und seit dieser Zeit rührte sie keinerlei Drogen mehr an, nicht mal eine Zigarette.

Trotz des regen Kundenverkehrs in ihrem Appartement gönnte sich Susi eigentlich sehr wenig. Lediglich ein kleines weißes Auto mit rotem Verdeck und roten Sitzen hatte sie sich vor genau drei Jahren geleistet. Es war, neben einem anderen Gefährt, ein kleiner 500er Fiat Abarth. Ideal für die Heilige Stadt, wo fast nie ein Parkplatz zu finden ist, und wenn, bekam man schneller ein Protokoll wegen Falschparkens, als dass die Parkuhr abgelaufen war. Die Carabinieri haben ihre Augen überall.

Susi hatte zwar den Brief eines Notars auf der anderen Seite von Rom bekommen, aber keine Lust, in seine Kanzlei zu gehen. Im Brief stand die Frage, ob sie das Erbe annehmen und auch die Hausschlüssel ihrer Eltern für deren Anwesen abholen wollte. Jetzt, als sie also durch die Benachrichtigung erfahren hatte, dass ihre Eltern verstorben waren und sie nicht einmal an der Beerdigung teilgenommen hatte, fühlte sie sich richtig deprimiert. Eine bleierne Schwere machte sich in ihrem Kopf breit und sie dachte an ihre Kindheit zurück, bis zu dem Tag, an dem sie ihre Eltern verlassen hatte. Sie machte sich plötzlich schwere Vorwürfe, dass sie sich danach nie bei ihnen gemeldet hatte. Aber jetzt war es zu spät.

Nach ein paar Tagen erhielt Susi Moretti eine zweite Nachricht des Notars und war dadurch gezwungen, dort zu erscheinen. Sie rief bei ihm an, bat um einen Termin und mit schlechtem Gewissen akzeptierte sie die Annahme des Erbes.

Eine Woche später, an einem Sonntag, wenn ihre Kunden bei der Familie blieben und sie dadurch nicht arbeiten musste, beschloss sie spontan, auf den Friedhof zu gehen. Susi machte sich viele Gedanken, musste jedoch nicht lange suchen, um das Doppelgrab ihrer Eltern zu finden. Erstaunt stellte sie fest, dass beide in einem Familiengrab lagen. Auch für sie selbst gab es also einen freien Platz. Wenigstens nach ihrem eigenen Tod wäre sie dann wieder mit ihren Eltern zusammen.

Ihre Tante Monika Romano, die Schwester ihres Vaters, die sie auch jahrelang nicht gesehen hatte, hatte sich um alles gekümmert. Sie organisierte die Beerdigung, die Trauerfeier und das Familiengrab. Dies stand auch so im Schreiben des Notars. Sogar frische Blumen standen auf der marmornen Grabplatte, auf der noch ein verwelkter Trauerkranz lag. Susi las die eingravierte Inschrift mit den Namen ihrer Eltern und Tränen liefen ihr die Wangen hinab.

Eine knappe Viertelstunde später fuhr sie Richtung Mentana zu ihrem ehemaligen Elternhaus, das jetzt, nachdem sie die notariellen Urkunden unterschrieben hatte, ihr gehörte. Immer noch belastet mit einem schlechten Gewissen, parkte sie ihr Auto rückwärts in der Garageneinfahrt. Das laute Geräusch ihres Fiat Abarth machte die Nachbarn aufmerksam, zumindest die in der unmittelbaren Nähe. Vielleicht hatten alle schon auf diesen Moment gewartet, die sofort neugierig hinter den Gardinen standen und beobachteten, wer wohl aussteigen würde. Susi wunderte sich plötzlich, dass ein so kleines Auto einen so großen Auspuff hat. Oder hatte der vielleicht ein Loch? Jedenfalls öffnete sie sogleich die Autotür so weit wie es ging. Zuerst kam das linke Bein zum Vorschein, mit einem Stiefel bis zum Knie, dann sah man 20 Zentimeter nackte Haut, darüber ein Röckchen, das nur knapp die rot-weiß-gestreifte Unterhose, passend zur Autofarbe, bedeckte. Die männlichen Beobachter freuten sich, weil das nächste Bein sofort folgen musste. Schon stand Susi mit ihren 1,70 Metern neben ihrem Auto und blickte neugierig auf ihr Elternhaus. Langsam nahm sie ihre dunkle Sonnenbrille ab und sah zurück zur Straße. Durch die hohen Stilettos war sie tatsächlich ein ganzes Stück größer als ihr Fahrzeug. Dann zog sie kurz an ihrem Rock, doch der bedeckte danach nicht mehr als vorher. Ihr Oberkörper war mit einem ärmellosen ausgeschnittenen T-Shirt bekleidet. Die kecken Busenspitzen schauten frech nach oben, sozusagen um zu prüfen, ob die Frisur richtig sitzt. Ein BH war wie immer unnötig, erst recht bei diesen Temperaturen. So manche Nachbarinnen machten sich bestimmt sofort Gedanken, ob dieser Busen echt war oder aus Silikon. Auf ihren scharfen Kniestiefeln bewegte sie sich erotisch Richtung Haustür, sodass man alle Kurven bewundern konnte. Susi lieferte natürlich eine gekonnte Show für die Nachbarschaft und innerlich musste sie schmunzeln.

Mittlerweile gab es hinter den Gardinen rege Diskussionen. Während die Männer noch bewundernd und mit offenen Mündern der attraktiven Frau nachgafften, erklären ihre Ehefrauen sie umgehend als billige Nutte und hofften insgeheim, dass sie nicht in ihre schöne, saubere und vor allem ehrenwerte Straße einziehen würde. So nannten die Anwohner sie immer stolz. Eine Nachbarin betonte sofort: „Unsere Via Zanella muss sauber bleiben.“ Ihr Ehemann wusste aber sogleich, dass er dazu besser den Mund hielt.

Als Susi im Haus war, zog sie die Tür hinter sich zu. Die Show war zu Ende und nach ein paar Minuten bewegten sich die Gardinen in der Nachbarschaft auch nicht mehr. Susi Moretti befand sich nun dort, wo sie seit über 25 Jahren nicht mehr gewesen war. Sie ging schwermütig von einem Zimmer ins andere und landete schließlich in der Mansarde. Jedoch erinnerte sie sich sogleich wieder an viele kleine Details und fühlte sich nicht im Geringsten fremd. Zum Schluss betrat sie ihr ehemaliges Kinderzimmer, in dem sie ihre ersten 20 Lebensjahre verbracht hatte. Sie staunte, weil es noch genau so eingerichtet war wie damals, als sie ausgezogen war. Sogar das Bett war noch mit ihrer alten Micky-Maus Bettwäsche bezogen und augenscheinlich bedeckte überhaupt kein Staub ihre Jugendmöbel. Sie konnte nur ahnen, dass ihre Mutter bis zu ihrem Ableben das Zimmer gereinigt hatte. Susi liefen die Tränen herab, als sie vor einem Regal stand und ein altes Kinderbuch herausnahm. Wie oft hatte ihr Vater daraus vorgelesen, als sie abends ins Bett musste.

Susi setzte sich mit dem abgegriffenen Buch auf ihr altes Bett und spulte 25 Jahre in ihrem Kopf zurück. Sie schüttelte den Kopf, stand aber umgehend wieder auf und lief erneut in sämtliche Zimmer des Hauses. Nach einer Stunde war sie sich sicher, dass sie nicht wieder dort leben wollte. Susi beschloss, dass sie ihr Elternhaus verkaufen würde. Sie nahm sogleich ihr Handy aus ihrer Mini-Tasche und rief Timo Paglia an, einen ihrer Freier, der beruflich Immobilienhändler war, um sich kurzfristig mit ihm zu treffen. Sein Büro befand sich im selben Gebäude, in dem sie ihren Beruf ausübte. Jedoch hätte sie es wissen müssen, dass an einem Sonntag ihre Kunden bei der Familie sind. Jedenfalls nahm Timo das Gespräch nicht entgegen. Susi schaltete das Telefon wieder aus und steckte es zurück in ihre Mini-Tasche. Sie nahm sich anschließend vor, noch einmal eine Runde durch das Haus zu machen. Zum dritten Mal an diesem Tag. Irgendwann lief sie im Erdgeschoss durchs Wohnzimmer und öffnete die Tür zur Terrasse. Die Sonne schien durch die Blätter eines Feigenbaums, und die angenehme Kühle des Hauses wurde von der mittäglichen Hitze abgelöst. Sie setzte ihre Sonnenbrille auf und legte sich in den Halbschatten auf eine Liege. Susi dachte nach: ‚In meine Wohnung kommt die Sonne eigentlich nie‘, und von ihrem zwei Quadratmeter großen Balkon konnte sie nur die Autos vorbeirasen sehen und auf hässliche Betonbauten schauen. Hier hörte sie wenigstens Vogelgezwitscher, und zusätzlich sah sie die Jäger hinter den Gardinen lauern. Susi Moretti vermutete, dass die sicher dachten: ‚Was will die Schnepfe hier‘? Aber dann überlegte sie weiter. Das Haus, das sie geerbt hatte, war schuldenfrei, dazu gab es eine schöne Summe auf einem Konto, die die Eltern ihr hinterlassen hatten. Ihre vergleichsweise schäbige Wohnung kostete hingegen 1.250 Euro Kaltmiete im Monat, wofür sie mindestens zwei bis drei Mal ihre speziellen sexuellen Dienste anbieten musste. Erneut wechselte sie ihre Meinung, musste nicht weiter nachdenken, sondern entschloss sich spontan, doch umzuziehen, trotz ihres schlechten Gewissens.

Ihre Kunden hatten verschiedene Berufe, und der eine oder andere war gerne bereit, ihr beim Umzug zu helfen. Natürlich bekamen sie von Susi eine angemessene Gegenleistung dafür. Innerhalb kurzer Zeit wohnte sie schließlich 25 Minuten vom Zentrum in Rom entfernt. Auf der einen Seite war sie froh, doch auf der anderen Seite nicht. Der Gedanke, dass sie ihre Eltern nie besucht hatte, ließ sie einfach nicht los. Aber es gab immer noch Leute, die mit ihrem Einzug nicht ganz zufrieden waren. Meist waren sie weiblich und bewohnten schon lange die in ihren Augen ehrenwerte Straße. Ihre Ehemänner hatten jedoch ein neues Gesprächsthema und waren insgeheim nicht unglücklich über die neue Eigentümerin.

Doch nicht nur Susi Moretti war so manchem ein Dorn im Auge, auch ein Pärchen, das vor drei Monaten das Haus Nummer 2 am Anfang der Straße auf der rechten Seite erworben hatte. Zufälligerweise genau gegenüber von Susis Haus. Eine offensichtliche Nutte und ein Pärchen namens Rossi, die nun bestimmt hier machten, was sie wollten. In dieser kurzen Zeit, in der Cristiano Rossi und seine Frau Anna eingezogen waren, hatte jedenfalls die Polizei öfter kommen und einige Protokolle wegen Falsch-Parkens ausstellen müssen. Nicht nur die Rossis bekamen einige Anzeigen, auch jeder Besucher vor Susis Haus, der sein Auto nur einen Zentimeter falsch abgestellt hatte. Es gab immer einen Denunzianten, der sofort die Polizei rief. Oder eine Denunziantin. Nach ein paar Wochen durften jedenfalls Susis Stammkunden in ihrer Einfahrt parken.

Die Nachbarschaft fing sogar irgendwann an zu überlegen, wie sie Susi Moretti loswerden könnten. Und am besten auch gleich das Ehepaar Rossi, wobei die beiden doch ganz normale Geschäftsleute waren und sich auch sonst nicht um Susi kümmerten. Natürlich wussten sie irgendwann, welcher Tätigkeit Susi nachging. Für sie war das jedoch ein Beruf wie jeder andere, nur etwas spezieller.

Sonntag, 12. Juni

An diesem äußerst heißen Tag waren bei Susi noch alle Rollläden geschlossen. Es war mittlerweile schon früher Nachmittag und in den vier Wochen seit ihrem Einzug war das noch nie geschehen. Cristiano Rossi und seine Frau Anna saßen gerade im Auto. So wie jeden Sonntag wollten sie in einem Restaurant essen gehen und fuhren davon, ohne sich darüber Gedanken zu machen, ob die Läden am Haus Nr. 1 auf oder zu waren.

Zur gleichen Zeit war Monika Romano unterwegs zum Haus von Susi. Schon seit längerem wollte sie wissen, was genau ihre Nichte treibt. Ihr wurde unlängst zugetragen, dass Susi ihr Elternhaus in einen Privatpuff umgewandelt hatte. Außerdem wollte sie ihr Vorwürfe machen und sie fragen, ob sie sich nicht schämen würde, diesen in ihren Augen unehrenhaften Beruf auszuüben, noch dazu im Haus ihrer Eltern, die ihr ganzes Leben lang gearbeitet und gespart hatten. Und auch, dass sie selbst nicht einmal an der Beerdigung teilgenommen hatte. Mit Vollgas fuhr Monika nun in die Garageneinfahrt und blieb mit einer Vollbremsung kurz vor dem geschlossenen Tor stehen. Am liebsten wäre sie geradewegs hindurchgefahren. Sie stieg mit enormer Wut im Bauch aus und wunderte sich, dass am Mittag die Läden immer noch unten waren. „So eine dumme Schlampe!“, sagte sie zu sich, während sie zur Haustür ging. „Das Weib hat bestimmt die ganze Nacht mit fetten Freiern gevögelt und liegt immer noch im Bett.“ Monika klingelte Sturm und bemerkte, dass die Klingel nicht funktionierte. Sie klopfte mit den Fäusten an die Tür und wartete, dass sie aufging. Das bemerkten die Nachbarn natürlich, dass wieder mal ein Auto in der Einfahrt parkte. Dieses Mal jedoch eines, das sie früher schon hin und wieder dort gesehen hatten. Für sie war klar, dass es die Schwester des verstorbenen Herrn Moretti war. Die Nachbarn warteten gespannt, ob die Tür aufging und die Frau mit den langen Stiefeln erscheinen würde. Vielleicht auch ohne Stiefel und ohne Minirock. Doch leider mussten sie feststellen, dass niemand öffnete. So ein Pech.

Monika Romano verließ, nach dem erneuten Versuch zu klingeln, die Haustür und ging rund um das Haus. Sie wollte prüfen, ob auf der Hinterseite der eine oder andere Laden vielleicht geöffnet war, denn sie wollte in das Innere sehen, um festzustellen, ob sie ihre Nichte entdecken könnte. Die Nachbarn wurden natürlich noch neugieriger. Einige gingen sogar in den Vorgarten und jäteten Unkraut, wo keines war. Sie wollten unbedingt wissen, was nun passieren würde. Susis direkte Nachbarin, scheinbar die Neugierigste unter den Neugierigen, rief plötzlich die Carabinieri an. Speziell unter dem Vorwand, dass eine fremde Person versuchen würde, gewaltsam in das Nachbarhaus einzudringen. Sie konnte die Nummer schon wählen, ohne auf ihr Telefon zu sehen, hatte sie ja öfter den einen oder anderen Falschparker angeschwärzt. Acht Minuten später waren die Carabinieri vor Ort, fuhren ihr Auto ebenfalls in die Garageneinfahrt und blockierten damit das Auto von Monika Romano. Beide Beamte zogen ihre Waffen und gingen nun vorsichtig um das Haus herum. Monika war gerade auf der Terrasse und hob vorsichtshalber die Hände hoch, als sie erschreckt bemerkte, dass ein Carabiniere auf sie zielte. Sogleich beschwichtigte sie die Polizisten: „Bitte nicht schießen! Ich bin die Tante der Eigentümerin und nur gekommen, um sie zu besuchen. Doch es öffnet niemand.“ Einer der Polizisten vermutete: „Vielleicht ist sie nicht zu Hause.“ Während ein anderer bemerkte, dass weitere Neugierige hinter den Gardinen und auf der Straße lauerten. Dieser ging umgehend zum Nachbarhaus und klingelte. Hier öffnete sich die Tür innerhalb von fünf Sekunden. Man informierte ihn, dass sie die Nachbarin nicht hatten fortgehen sehen. Nach einer halben Stunde Befragung der übrigen Nachbarn, wollte die Carabinieri schon wieder abrücken. Niemand hatte Susi Moretti gesehen und auch nicht den Motor ihres Autos gehört.

Monika informierte die Polizei, dass sie noch einen Ersatzschlüssel hätte, den sie bei dieser Gelegenheit Susi übergeben wollte. Jetzt, wo ihr Bruder und ihre Schwägerin tot waren, brauchte sie den Schlüssel nicht mehr. Sie schlug vor, zusammen mit den schwer bewaffneten Carabinieri hineinzugehen, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung war, doch die wollten sie ohne einen Durchsuchungsbeschluss in der Hand nicht begleiten. Sie rieten ihr, einfach alleine nachzusehen. Monika betonte jedoch: „Für mich ist Frau Moretti doch wie eine Fremde, mit der ich schon so lange keinen Kontakt mehr hatte.“ Doch die Beamten wollte nicht bleiben und nach drei Minuten waren sie verschwunden.

Monika Romano kam auf die Idee, in der Garage nachzusehen, ob das Auto dort geparkt war. Doch zuerst musste sie ihr Fahrzeug etwas zurücksetzen, weil es zu nah an dem Schwingtor stand. Als Platz genug war, stieg sie aus, machte das Tor auf und sah ein Auto mit dem Kennzeichen Roma S 69. Daraus folgerte sie, dass es nur der Wagen ihrer Nichte sein konnte. Sie ließ das Tor auf, ging ein paar Meter hinein und wollte durch die Stahltür in den Flur gehen, doch die war von der Hausseite abgeschlossen. Einige Male klopfte sie an die Tür, so fest wie sie konnte, und rief mit lauter Stimme mehrfach: „Susi!“ Leider antworteten auch die Wände nicht.

Inzwischen waren alle Nachbarn vor der Tür und rupften das nicht vorhandene Unkraut aus.

Monika Romano wurde im vorletzten Monat vierundsechzig Jahre alt, stand kurz vor ihrer Pensionierung als Chefsekretärin eines Anzeigenverlages und hasste von daher nichts mehr als neugierige Menschen. Um hier jetzt nicht noch mehr Aufsehen zu erregen, schloss sie dann doch die Haustür auf, ging hinein und zog die Tür sofort hinter sich zu. Trotz der Helligkeit draußen war es dunkel im Inneren, jedoch angenehm kühl. „Susi, hier ist Monika! Bist du zu Hause?“, rief sie mehrmals und blickte in die angrenzende Küche. Auch im Wohnzimmer war niemand, und so ging sie hoch ins Dachgeschoss, weil im Treppenhaus etwas Licht war. Im Schlafzimmer oben war ebenfalls niemand und kurzerhand zog sie dort die Läden hoch. Dann ging sie wieder hinunter ins Erdgeschoss, blickte ins Bad und öffnete die Tür des Gästezimmers.

Monikas Blick starrte auf das Gästebett. Eine Person lag reglos auf dem Bauch, das Gesicht aufs Kissen gedrückt. Sie war völlig nackt und ein Stück Wäscheleine hing um ihren Hals. Zuerst holte Monika tief Luft, rannte dann zur Tür, riss sie auf und schrie so laut, dass sogar die Nachbarn sich erschreckten. Sie sackte auf die Eingangsstufe, atmete wieder tief ein und wählte mit zitternden Händen die Nummer der Carabinieri. Fünf Minuten später kamen die gleichen Beamten, die vorher schon dagewesen waren. Diesmal jedoch mit einem Notarztwagen, einem Krankenwagen und drei weiteren Polizeifahrzeugen im Schlepptau. In Windeseile wurden das komplette Haus und die Straße abgesperrt. Die neugierigen Nachbarn zogen sich umgehend in ihre Häuser zurück. Monika saß immer noch schluchzend auf der Haustürtreppe. Zwei Polizisten rannten mit dem Notarzt an ihr vorbei. „Susi liegt im Gästezimmer!“, rief sie ihnen mit tränenerstickter Stimme hinterher. Ein weiterer Carabiniere stellte sich vor Monika und half ihr aufzustehen. Als Erstes wurde sie gefragt, ob sie etwas angefasst hätte. Sie antwortete mit Tränen in den Augen und zitternden Lippen: „Nein.“ Dann rief sie ihren Mann Simone an und informierte ihn darüber, was passiert war. In Pantoffeln fuhr er sofort zu seiner Frau. Als er eintraf, war die halbe Straße schon zugeparkt. Der Transporter der Spurensicherung parkte zusammen mit dem Wagen der Gerichtsmedizin abseits vom Tatort. Dahinter parkte schließlich ein Alfa Romeo. Der Dienstwagen von Carlo Ferraro und seinem Kollegen Roberto Tuffo von der römischen Mordkommission. Beide Kommissare stiegen aus, setzten ihre Sonnenbrillen auf und blickten sich um. Simone Romano rannte an den beiden vorbei und konnte endlich seine Frau in den Arm nehmen. Er versuchte sogleich, sie zu beruhigen.

Vor dem Haus war unterdessen reges Treiben. Die Männer der Spurensicherung, Federico Giovane und Marco Marone, zogen ihre weißen Overalls an, gingen mit silbernen Aktenkoffern ins Innere des Hauses und begannen mit ihrer Arbeit. Professorin Emma Doro hatte bereits die Leiche untersucht und fotografierte die Tote von allen Seiten. Sie sprach ein paar Worte mit dem Notarzt, ehe dieser sofort den Tatort verließ. Seine Arbeit war nicht mehr vonnöten. Er grüßte beim Hinausgehen die beiden Kommissare Carlo und Roberto. Die beiden Beamten hatten sich dann die Tote nur kurz angesehen und das Haus auf Anweisung der Spurensicherung umgehend wieder verlassen. Damit sollte vermieden werden, dass eventuell vorhandene Spuren zerstört würden. Beide Kommissare standen draußen vor der Tür, wie bestellt und nicht abgeholt. Aber sie machten sich dann nützlich und befragten die umliegenden Anwohner. Sergio Calabrese, der Kommandant der Carabinieri, sagte zu Carlo: „Wir haben uns schon in der Nachbarschaft umgehört, aber niemand hat etwas gesehen oder gehört.“ Carlo nickte kurz und entgegnete: „Danke. Ihr könnt nun mit eurer Brigade wieder abrücken. Ab jetzt kümmern wir uns um die Befragung.“ Doch wie schon zuvor erwähnt hatte leider niemand der Anwohner etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört. Das war sehr merkwürdig, weil ihnen ja sonst nichts entging. Allerdings mussten sie zugeben, dass sie den Schrei von Monika Romano gehört hatten und deshalb vor die Tür gegangen waren.

Nach einer halben Stunde hatte Prof. Emma Doro beschlossen, die vorgefundene Leiche in ihr Labor in der Via Nomentana bringen zu lassen, um sie in der dortigen Gerichtsmedizin gründlich zu untersuchen. Kommissar Carlo Ferraro wollte von ihr schon Informationen haben. Sie erklärte nüchtern: „Auf den ersten Blick sieht es so aus, dass die Tote mit einer kunststoffüberzogenen Wäscheleine erdrosselt wurde. Ungewöhnlich ist, dass das Opfer nach dem Tod gründlich gewaschen wurde. Und zwar besonders an zwei Stellen. Womöglich wurde sie zuvor vergewaltigt und der Täter wollte seine Spuren beseitigen.“ Keiner der Polizisten fragte nach, welche Körperstellen Emma genau meinte. Sie konnten es sich denken. „Den Rest werdet ihr nach der Obduktion erfahren“, erklärte sie nur kurz, weil die beiden Polizisten nicht zu ihren Lieblingskommissaren gehörten, vor allem Carlo nicht.

Eine halbe Stunde später wurde die nackte Leiche in einem schwarzen Sack abtransportiert. Die Spurensicherung untersuchte das komplette Haus weiter auf Hochtouren und ließ nicht eine Ecke aus. Endlich, um 16.30 Uhr, verließen die Beamten das Haus. Die beiden Kommissare der Mordkommission, die noch draußen standen, wollten natürlich sofort wissen, ob etwas Brauchbares an Spuren gefunden wurde. Federico Giovane war etwas genervt von den Kollegen und fragte zurück, während er seinen Overall abstreifte: „Und was habt ihr unterdessen herausgefunden?“ Carlo erwiderte: „Nichts.“ Federico meinte: „Uns fehlen auch brauchbare Resultate. Wir konnten auch noch nicht zweifelsfrei die Identität der Toten feststellen. Trotzdem machen wir jetzt Feierabend.“ Beide Kommissare schimpften: „Ohne irgendeine Information können wir mit unseren Ermittlungen nicht anfangen.“ Die Mitarbeiter der Spurensicherung verabschiedeten sich mit den Worten: „Heute ist Sonntag, und am Montag brauchen wir noch viel Zeit.“

Obwohl Carlo Ferraro und Roberto Tuffo Hilfe von den Carabinieri bekommen und an diesem Sonntag noch bis spät abends bei den Anwohnern ermittelt hatten, gab es keine neuen Erkenntnisse und auch noch kein Motiv. Es blieb ihnen daher nichts weiter übrig, als nach Hause zu gehen. Ettore Balla, der zuständige Staatsanwalt, wurde auf der Heimfahrt informiert und war natürlich überhaupt nicht zufrieden damit, dass sie trotz der langen Untersuchungen noch keine vorzeigbaren Ergebnisse hatten. Inzwischen waren sämtliche Beamte ebenfalls nach Hause gefahren. Die Haustür wurde schließlich abgeschlossen und versiegelt. Monika Romano musste zuvor der Polizei den einzigen Schlüssel, den sie besaß, übergeben. Das komplette Grundstück war immer noch mit einem Flatterband abgesperrt und es herrschte plötzlich eine gespenstische Ruhe vor dem Haus.

Monika Romano und ihr Mann Simone zerbrachen sich zu Hause den Kopf, warum ihre Nichte umgebracht worden war, dazu noch im Haus ihrer Eltern. Beide wollten auch nicht in Worte fassen, dass die Nachbarn mit dem Tod von Susi etwas zu tun haben könnten, zumal die beiden wussten, welcher Tätigkeit Susi Moretti nachging. Mehr Gedanken wollten sie nicht verschwenden und weiter überlegen, wer der Mörder sein könnte. Das sollte die Polizei selbst herausfinden, dafür ist die Behörde schließlich zuständig und nicht dafür, an jeder Ecke zu stehen und Geschwindigkeits-Sünder zu fotografieren.

Montag, 13. Juni

Im Büro der Mordkommission war die Arbeit in vollem Gange, das heißt, alle saßen nur um einen wackeligen Schreibtisch herum und redeten miteinander. Standesgemäß hielten sie einen frischgebrühten Espresso in den Händen. Ettore Balla, der zuständige Staatsanwalt, Bruno Bianchi, der Chef der ermittelnden Mordkommission, sowie Carlo Ferraro und Roberto Tuffo konnten nichts weiter tun, als gemeinsam auf die Ergebnisse der Obduktion der Leiche durch Prof. Emma Doro zu warten, außerdem auf die ersten handfesten Resultate der Spurensicherung. Die Zeit hatten sie lediglich genutzt und überprüft, ob Susi Moretti noch Geschwister hatte. Es wäre für sie natürlich einfacher gewesen, Monika Romano, Susis Tante, zu befragen, doch sie machten unnötigerweise selbst die Recherche.

Um Punkt 11 Uhr standen sie, nach etwas Routinearbeit an ihren Schreibtischen, zu viert am Stehtisch. Carlo Ferraro berichtete stolz, dass Susi das einzige Kind war und das Haus erst vor kurzer Zeit geerbt hatte. Darüber hinaus bekam sie noch ein Barvermögen von knapp 90.000 Euro, das ihre Eltern auf einem Konto hatten. Susi selbst war überraschenderweise auch sehr vermögend. Roberto Tuffo erwähnte mit weit geöffneten Augen: „Haltet euch fest, unsere Tote hat weit mehr als eine Million Euro auf mindestens 10 verschiedenen Konten. 1.387472,66 Euro, um genau zu sein.“ Da spottete Carlo Ferraro: „Wahnsinn. Als Polizeikommissar bräuchte ich mindesten 200 Jahre, um solch eine Summe anzusparen. Ich glaube, ab morgen gehe ich auch auf den Strich!“ Bruno Bianchi lachte laut, tippte auf einen alten Taschenrechner und rechnete vor: „Vorsicht Carlo! Wenn du von jedem deiner eventuellen Freier lediglich 50 Euro für eine Nummer nimmst, musst du 27.750mal dein hübsches Höschen runterlassen. Ob das für deinen abgesessenen Hintern so fördernd wäre, sei jetzt mal dahingestellt.“ Darüber mussten alle laut lachen, nur Roberto schaute dabei nachdenklich in die Runde. Seine Augen blieben auf Carlo gerichtet und grinsend sagte er: „Wenn du alles verkaufst, was du besitzt, um die Freier zu bezahlen, die zu dir kommen, wirst du ein armer Mann sein. Oder glaubst du etwa, jemand würde für deinen neuen Dienst auch nur einen einzigen Euro bezahlen?“ Carlo lächelte: „Klar. Mir fehlt doch eigentlich nur die heiße Figur von Susi Moretti.“ Carlo strich sich über seinen kleinen Bauch. Natürlich hatte keiner von den anwesenden Männern eine sportliche Figur. Und die Erotik war von ihnen mindestens so weit entfernt wie der Mars von der Sonne. Also konnten sie nur ihren Job behalten und weiter auf die Berichte der Spurensicherung und von Emma Doro warten. Doch keiner von ihnen hatte irgendwie dazu Lust. Doch was sollten sie machen, alle Nachbarn rund um das Haus von Susi Moretti hatten sie schon befragt. Jedoch ein geringer Verdacht blieb und sie fragten sich: „Wer wird eigentlich Susi Moretti beerben? „Ganz klar“, meinte Ettore Balla, „wenn es niemanden gibt, bleibt nur das Ehepaar Romano übrig.“

Alle schauten sich fragend an. „Auf wen wartet ihr noch?“, fragte Bruno Bianchi, blickte Carlo und Roberto an und ergänzte: „Geht sofort hin und bombardiert diese Monika Romano mit Fragen. Irgendetwas wird schon dabei herauskommen. So viel Geld und dazu noch ein Haus in einem Vorort von Rom ist doch ein beachtliches Motiv, oder nicht? Außerdem haben wir die Dame am Tatort angetroffen. Sie ist sicher stinksauer, weil sie überhaupt nichts geerbt hat, obwohl Susis Eltern bis zu ihrem Tod ständig Kontakt mit ihr hatten. Und ausgerechnet die, die sich 25 Jahre nicht gekümmert hat, erbt einfach alles. Ist das denn kein plausibles Motiv?“ Die Männer am Stehtisch sahen sich an und nickten.

Carlo und Roberto gingen umgehend nach draußen. Sie setzten sich in ihren Alfa Romeo und fuhren Richtung Frascati. Unterwegs kamen sie am ersten Pizzastand vorbei, auch den zweiten ließen sie mit Widerwillen links liegen, doch an dem dritten, als ob das Auto in dem Moment einen totalen Motorschaden hätte, blieben sie stehen. Ja, das Lieblingsessen der Römer ist Panini al forno. Am wichtigsten war es jetzt, ihren Hunger zu stillen. Alles andere konnte warten. Doch weil sie im Dienst waren, tranken sie ausnahmsweise dazu nur Wasser.

Als sie fertig waren, zahlte jeder seine Rechnung und dann trennten beide nur noch wenige Kilometer vom Ehepaar Romano. Ohne Eile fuhren sie über eine frisch asphaltierte Straße in den kleinen Ort hinein. Dort angekommen staunten sie nicht schlecht. Es war durchaus eine ordentliche Siedlung mit schmucken Einfamilienhäusern. Eines sah jedoch aus wie das andere aus. Daran konnte man erkennen, dass der Architekt nur wenig verdient hatte, eine einzige Planung passte auf alle Objekte. Nur die Bepflanzung der Vorgärten war unterschiedlich und es gab verschiedene Haustüren und Farben der Hausfassaden, dazu die diversen Autotypen, die in den Einfahrten parkten. Roberto meinte: „Wo findet man denn so viele Leute, die dasselbe Haus wollen?“ Während sein Kollege einen Finger zum Klingeln benutzte, meinte der nur: „Die Häuser sehen offenbar alle gleich aus. Jedoch sind sie innen nicht alle gleich.“

Monika Romano öffnete die Tür, erkannte die Beamten sofort und bat sie herein. Dann bot sie ihnen einen Platz am Esstisch an. Von dort aus konnte man in die Küche sehen. Eine Uhr hing an der Wand und zeigte 13.05 Uhr. Auf dem Herd kochte ein Topf mit Pasta. Ihr Mann Simone kam dazu und fragte sofort seine Frau: „Glaubst du, dass die Nudeln noch al dente sind?“ Sie sprang auf: „Oh Scheiße, die muss ich sofort abgießen.“ Simone fragte die Polizisten: „Hat meine Frau Ihnen schon etwas zu trinken angeboten?“ Beide schüttelten den Kopf: „Nein danke, wir wollen auch nichts. Wir haben nur noch ein paar Fragen zu Ihrer Nichte Susi Moretti.“ Die gefüllten Panini und das Mineralwasser brodelten den beiden Kommissaren noch im Bauch herum.

„Eine schlimme Sache, das mit Frau Moretti“, sagte Carlo und fragte, ob sie alleine in diesem Haus wohnen würden. Frau Romano war inzwischen zurück und bestätigte: „Ja, so ist es. Wir haben keine Kinder. Besser keine als eine wie die Susi. Und Susi ist ihr Künstlername im horizontalen Gewerbe. Das Miststück hat sich in den letzten 25 Jahren nicht ein einziges Mal bei ihren Eltern blicken lassen und bei uns auch nicht. Bis gestern. Aber dann auch nur nackt von hinten. Ich bin jetzt noch schockiert von dem Anblick. Sie können mir glauben, ich habe mich nicht lange aufgehalten, sondern sofort das Zimmer verlassen.“

Monika stellte sich ans Fenster und blickte auf ihren Garten. „Sie müssen sich vorstellen, dass ich hinein ging und zuerst das Licht einschalten wollte, weil es dunkel war, doch auch der Lichtschalter war defekt. Ich hatte ja noch einen Schlüssel vom Haus. Zuerst habe ich im Dachgeschoss einen Fensterladen nach dem anderen geöffnet. Und dann, beim letzten Laden im Erdgeschoss im Gästezimmer, kam die faustdicke Überraschung.“ Da hakte Roberto nach: „Wieso haben Sie zuerst im oberen Stockwerk die Läden hochgezogen und erst zum Schluss in dem Zimmer, in dem die Leiche lag?“ Monika erklärte: „Ganz einfach, über dem Treppenhaus befindet sich ein Dachfenster, durch das Licht kam. Deshalb bin ich die Treppe hochgegangen. Ich habe mehrfach laut nach Susi gerufen, aber bekam keine Antwort. Außerdem wollte ich zuerst in ihrem alten Kinderzimmer nachsehen, ob sie eventuell krank wäre und sich nicht bewegen könnte. Doch in diesem Zimmer war niemand. Dann bin ich hinunter ins Erdgeschoss gegangen, um dort die Läden zu öffnen. Ich konnte mir doch nicht denken, dass Susi tot im Gästezimmer liegen würde.“

Dann ergriff Simone das Wort: „Wir wollen uns vergewissern, dass es sich tatsächlich um unsere Nichte Susi handelt. In dem Beruf, den sie ausgeübt hat, trifft man erfahrungsgemäß auf viele verschiedene Menschen. Weiß der Geier, wer alles zu ihr kam.“ Monika drehte sich zu den Beamten um und verlangte: „Wir wollen unsere Nichte ein letztes Mal sehen.“ Carlo Ferraro schlug vor: „Kein Problem. Morgen früh um 8 Uhr in der Gerichtsmedizin. Ich habe aber noch eine weitere Information für Sie.“ Monika sah Carlo fragend an und war gespannt: „Frau Romano, wussten Sie eigentlich, dass Susi Moretti weit mehr als eine Million Euro auf verschiedenen Konten hatte? Und da sie weder Bruder noch Schwester hat, frage ich Sie, wer denn nun ihr ganzes Vermögen zuzüglich des kürzlich geerbten Hauses erhält?“ Monika sah nachdenklich ihren Mann an und schüttelte den Kopf: „Keine Ahnung. Das wissen wir doch nicht. Von ihrem Vermögen hören wir nun das erste Mal.“ Jetzt wollte Carlo Ferraro wissen: „Nun denn, Frau Romano: Wo waren Sie und Ihr Mann am Samstagabend, dem 11. Juni, von 22 bis 00 Uhr?“ Monika antwortete nicht. Simone stand jedoch auf und schob mit einem Bein seinen Stuhl nach hinten. Er stützte sich mit einer Hand fest auf dem Tisch ab, schaute Carlo tief in die Augen und fragte empört: „Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass wir unsere Nichte umgebracht haben? Sie verschwenden Ihre Zeit. Wollen Sie wirklich die Wahrheit wissen? Susi hätte doch ebenfalls alles geerbt, was wir besitzen. Wissen Sie auch, warum? Weil es niemand anderen gibt. Warum sollten wir sie dann wegen ihres angeblichen Vermögens umbringen? Wir haben selbst mehr als genug!“ Mit dem Finger zeigte Simone wütend auf die Tür: „Aufstehen, raus hier!“ Zum Abschied sagte er nur: „Morgen früh in der Gerichtsmedizin.“ Dadurch waren Carlo und Roberto gezwungen, sofort das Haus zu verlassen.

Die Kommissare kehrten kleinlaut ins Präsidium zurück. Auf diese Tatsache hätten sie selbst kommen können. Diesmal blieben sie jedoch an keinem Pizza-Stand stehen, dadurch dauerte die Rückfahrt nicht so lange. Im Büro bekamen sie die Nachricht von Emma Doro, dass einer von ihnen in der Gerichtsmedizin vorbeikommen könnte, oder auch alle beide, das würde ihr nichts ausmachen. Sie könnten dann sogleich die ersten Resultate der Obduktion erfahren. Sie wusste, dass die schriftlichen Berichte sowieso nicht gelesen würden.

Carlo und Roberto machten sich umgehend auf den Weg Richtung gerichtsmedizinisches Labor in der Via Nomentana. Das dauerte bei dem mittäglichen Verkehr eine gute halbe Stunde. Als sie hereinplatzten, fragten sie ohne Begrüßung sofort: „Liebe Emma, was hat dir unsere Tote denn Schönes verraten?“ Doch Roberto wollte ihr dann wenigstens kurz die Hand geben. Emma reagierte kaum und offenbar interessierte es sie auch nicht, dass Carlo sie nicht einmal begrüßt hatte.

Emma schmunzelte: „Schön war sie durchaus.“ Die Leiche lag mit dem Rücken auf dem Obduktions-Tisch, lediglich mit einem weißen Tuch zugedeckt. In Zeitlupe zog die Professorin das Laken vom Gesicht bis zum Brustansatz zurück und erklärte: „Der Mörder hat scheinbar Erfahrung im Strangulieren. Es war mit Sicherheit kein Mord im Affekt. Ich nehme an, dass er dieses Seil selbst mitgebracht hat.“ Emma hielt ein Stahlseil mit Kunststoffüberzug in ihren Händen, drehte dann den Kopf der Leiche zur Seite und überstreckte dadurch ihren Hals. Dort, wo die Schlinge um ihren Hals gelegen hatte, sahen die Beamten einen dünnen, blutunterlaufenen und dunkelblauen Strich.

„Wenn ihr die Haut am Hals betrachtet, ist es genau die Stelle für die Luftzufuhr. Und dort ist auch nicht viel Kraft nötig, um jemanden zu erwürgen. Susi Moretti starb einen qualvollen Erstickungstod.“ Emma sah dabei Carlo mit halbgeschlossenen Augen und geschlossener Faust an: „Das könnte sogar eine schwache Frau bewerkstelligen. Danach hat der Täter das Seil entfernt, gewaschen und als Schmuck erneut um den Hals der Toten gelegt. Sozusagen, ein letztes Geschenk des Mörders. Leider die billige Version. Wisst ihr, was das bedeutet? Diese Person ist in den Augen des Mörders nichts mehr wert.“ Carlo sah Roberto wortlos an. „Den Rest ihres Körpers brauche ich euch nicht zu zeigen, es gibt auch nirgendwo Verletzungen. Und bevor ihr fragt, ob ich unter den Fingernägeln irgendetwas Brauchbares gefunden habe: Nein, nichts. Stellt euch die Tat vielleicht so vor: eine Frau kniet vor euch, und während ihr Sex habt, bleibt ihr plötzlich die Luft weg, weil ihr so eine Schlinge um Hals liegt und langsam zugezogen wird.“ Carlo betrachtete Emma mit weit aufgerissenen Augen. „Vermutlich hat der Täter sogar ein Kondom benutzt, aber auch davon habe ich keine Spur gefunden. Sollte es zur Tatzeit zu sexuellen Handlungen gekommen sein, dann war es aber mit Sicherheit in gegenseitigem Einverständnis. Bis auf die Auswirkungen dieses Seils natürlich. Alles nur eine Vermutung. Ich erzähle noch ein bisschen aus meiner Fantasie. Während er sich auszog, ist sie womöglich ins Bad gegangen. In diesem Moment hatte er Zeit, die Schnur so zu deponieren, dass er sie leicht ergreifen konnte. Sie war dann vor ihm auf den Knien und der Täter hinter ihr. Sie konnte ihn natürlich nicht sehen, denn an der Wand ist kein Spiegel.“ Carlos Gesicht wurde leicht rot und Robertos Augen blickten neugierig auf Emmas gestikulierende Hände. Emma schmunzelte: „Und bevor ihr beide nun eine Erregung bekommt, könnt ihr euch den Rest selbst ausmalen. Und noch was: Die Leiche wurde gründlich gewaschen. An zwei bestimmten Körperöffnungen sogar sehr gründlich, und zwar mit einem leichten Zitronen-Essig, den der Täter mit Sicherheit auch mitgebracht hat. Ich habe mit der Spurensicherung gesprochen, eine solche Substanz wurde im Haus nicht gefunden. Wenn ihr mich fragt, handelt es sich hier offenbar um einen eiskalten Mord.“

Emma deckte die Leiche wieder mit dem Tuch zu. „Meine Erläuterungen bekommt ihr zwei Hübschen natürlich noch schriftlich. Wer von euch beiden liest eigentlich die Berichte?“ Darauf antwortete keiner, Carlo fragte nur: „Um wieviel Uhr wurde sie umgebracht? Und wenn möglich ganz genau.“ Prof. Doro erklärte: „Ich vermute mal zwischen 22 Uhr und Mitternacht. Wisst ihr, warum ich das nicht genauer sagen kann? Weil ich nicht dabei war. Mit meinen Untersuchungen bin ich am Ende. Was ich als Auftrag bekommen habe, ist alles erledigt. Von jetzt an kann ich nicht mehr helfen.“ Emma Doro ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen, an ihren Schreibtisch.

Carlo und Roberto waren nun ausführlich informiert, doch eine Spur, um die Ermittlungen weiterzuführen, hatten sie durch die Obduktion nicht bekommen. Diese Art von Seil konnte man auch in jedem Supermarkt kaufen, beide hatten selbst so eines zu Hause. Und Zitronen-Essig gibt es in jeder Lebensmittel-Abteilung. Nun hofften sie darauf, dass die Spurensicherung etwas Brauchbares gefunden hatte.

Das Telefon von Carlo klingelte und Bruno Bianchi informierte ihn, dass in etwa einer Viertelstunde Federico Giovane von der Spurensicherung kommen würde. Carlo erwiderte: „Wir sind schon unterwegs.“ Als sie den Fuß in das Präsidium setzten, war es genau 17 Uhr. Sofort wollte ihr Chef wissen, was sie vom Ehepaar Romano erfahren hätten. Sie erzählten ihm die Wahrheit: „Simone Romano hat uns sogar hochkant rausgeschmissen.“ Da vermutete der Chef: „Vielleicht wart ihr nicht freundlich genug?“ Um zu berichten, was sie in der Gerichtsmedizin erfahren hatten, blieb anschließend keine Zeit, weil es an der Tür klopfte. Der Chef rief: „Herein“, und Federico Giovane betrat das Zimmer. Sie begrüßten ihn mit einem kurzen Hallo, er setzte sich an einen freien Platz und legte seinen Bericht auf den Tisch. Dann erklärte er: „Um diese späte Uhrzeit werde ich mich kurzhalten.“ Federico blätterte in der Akte und begann zu berichten: „Eine ungewöhnliche Sache haben wir festgestellt. Im Haus gibt es keinen Festnetzanschluss. Vielleicht ist das heute sogar normal, weil jeder ein Handy hat. Aber das von Frau Moretti haben wir ebenfalls nicht gefunden. Obwohl ich glaube, dass inzwischen 99 Prozent aller Leute eins besitzen. Was auch noch seltsam ist: In diesem Haus gibt es zwei Zimmer, die komplett identisch eingerichtet sind. Eines im Erdgeschoß, wo die Tote lag, und eines im Dachgeschoß. Jedes mit einem angrenzenden Bad. Das obere ist komplett gereinigt worden und die Bettbezüge wurden ausgewechselt. Es sieht so aus, als ob in den letzten drei Tagen auch niemand darin geschlafen hat. Das Bad glänzt, und nicht einmal in den Abflüssen haben wir winzige Hautschuppen, geschweige denn ein einziges Haar gefunden, das euch bei den Ermittlungen helfen könnte. Das Bett im Erdgeschoß war feucht. So wie wir gesehen haben, lag dort der Körper der Toten.“

Bruno Bianchi meinte: „Das hat Prof. Doro schon vor Ort festgestellt, dass die Tote gründlich gewaschen wurde und noch nach Zitrone roch. Das erklärt auch die Feuchte im Bett.“ Da ergänzte Federico: „Den Geruch müsstet ihr doch auch bemerkt haben, oder?“ und schaute Roberto an. „Es kann doch möglich sein, dass Susi beide Zimmer für ihre sexuellen Dienstleistungen benutzt hat. Wenn das eine schmutzig war, hat sie das andere genommen, bis das erste wieder gereinigt war. Allerdings muss sie eine sehr gute Reinigungskraft haben. Oder sie macht das selbst, denn wir haben auch nichts gefunden, was darauf schließen lässt. Im Eingang vor der Tür liegt eine Fußmatte, darauf haben wir verschiedene kleine Steine und Erdpartikel gefunden, die können allerdings von jedem Kunden und von überall stammen. Bestimmt mussten die Besucher die Schuhe vor ihrem Eintritt ausziehen. Das schließen wir aus den vielen verschiedenen Pantoffel-Größen im Schuhschrank im Flur. Ich kann mir vorstellen, dass sie nach der einmaligen Benutzung bestimmt sofort in die Waschmaschine geflogen sind, denn wir haben auch an ihnen keinerlei Spuren gefunden. Nichts. Am Material kann man erkennen, dass die Schlappen öfter gewaschen wurden. Ihr werdet es nicht glauben, aber ich nehme an, dass Susi einen Putzfimmel hatte. Und ihr Mörder wusste das bestimmt. Er hat sie dann selbst gewaschen, damit sie sauber auf ihre letzte Reise geht.“ Federico trank einen Schluck Wasser aus einem Glas, das ihm Carlo mittlerweile hingestellt hatte. „Und noch etwas: In einem Raum neben der Garage haben wir festgestellt, dass die Sicherungen herausgedreht wurden. Das war auch die Ursache, dass im Haus kein Licht brannte.“

Da erinnerte Carlo: „Das hat Monika Romano auch schon gesagt. Jetzt gehen wir aber mal auf die interessante Seite deines Berichtes.“ Federico grinste und blätterte um: „Im Bad im Erdgeschoß haben wir auf der Toiletten-Brille eine kleine Sperma-Spur gefunden. Das bedeutet, dass dort eventuell ein Kondom benutzt wurde. Bestimmt hat es der Mörder in die Toilette geworfen, was man ja nicht machen sollte. Dabei muss ein winziges Tröpfchen auf den Rand der Brille gefallen sein. Es war schon eingetrocknet, als wir es entdeckt haben. Mit einer Rasierklinge haben wir es vorsichtig am Stück abgelöst und an Emma Doro geschickt.“ Da reklamierte der Chef der Mordkommission: „Warum habt ihr es nicht persönlich übergeben? Fatal, wenn das verlorenginge, ihr kennt doch die Post. Wir haben doch noch keine andere Spur.“ Federico erklärte: „Wir sind auch nur zu zweit, und um alle Informationen hier vorzutragen, haben wir nicht einmal eine Pause gemacht. Aber jetzt gehe ich nach Hause! Außerdem, wenn ich euch gefragt hätte, diese winzige Spermaspur selbst zu Emma Doro zu bringen, hätte ich sicher die Antwort bekommen, dass dies Sache der Spurensicherung ist. Deshalb haben wir es auch mit der Post verschickt.“ Roberto verdrehte seine Augen und Federico stand auf: „Eines noch: nicht, dass jemand von euch auf die glorreiche Idee kommt, nochmal in Susi Morettis Haus zu gehen. Wir müssen morgen früh wieder hin, weil wir mit den bisherigen Ergebnissen nicht ganz zufrieden sind.“

Er schnappte sich die Unterlagen, die er mitgebracht hatte, und ohne noch ein Wort zu verlieren zog Federico die Tür hinter sich zu. Roberto schaute auf die Uhr und stellte fest: „Es ist schon bald 18 Uhr und wir haben zehn volle Stunden gearbeitet, ohne ein brauchbares Ergebnis zu bekommen. Aber wenigstens haben wir ein Panini al forno im Bauch. Wenn der Versand gut klappt, bekommt die Professorin morgen schon die Sperma-Probe per Post geliefert.“ Darauf fragte Carlo: „Das ist doch eh egal. Oder glaubst du, dass Emma Doro jetzt noch in ihrem Labor die Probe untersuchen würde?“ „Bis sie morgen die Auswertung erledigt hat, haben wir noch viel Zeit. Wir werden morgen von allen männlichen Bewohnern der Via Zanella eine DNA-Probe verlangen.“ Bruno nickte zustimmend und Carlo ergänzte: „Wir fangen gleich morgen früh bei den direkten Nachbarn an, weil Susi Moretti bei ihnen nicht willkommen war.“ „Ok“, stimmte der Chef zu, „und um die Männer, die sie nicht freiwillig abgeben wollen, kümmere ich mich selbst. Die lasse ich alle hier antanzen.“ Da schlug Roberto vor: „Morgen früh müssen wir als Erstes zur Gerichtsmedizin, wo wir Simone Romano, Susis Onkel, und ihre Tante treffen werden. Doch ich habe Bedenken wegen seines Alters. Von den anderen Männern in der Straße ist sicher morgen früh niemand mehr zu Hause. Bis auf zwei Rentner: der eine heißt Ingo Gatti und wohnt schräg gegenüber von Susi im Haus Nr. 4. Der andere heißt Salvatore Gramschi. Er wohnt mit seiner Frau rechts daneben im Haus Nr. 3. Beide sind jedoch ebenfalls nicht mehr die Jüngsten.“ Roberto ergänzte: „Weißt du was? Wir fangen mal mit denen an und hören dann, was sie zu berichten haben. Vielleicht haben sie ja auch was Interessantes beobachtet. Für die restlichen männlichen Bewohner der Straße müssen wir uns abends die Zeit um die Ohren schlagen.“ „Gute Idee“, meinte Bruno, „und jetzt machen wir endlich Feierabend. Also bis morgen.“

Dienstag, 14. Juni

Beide Kommissare standen an diesem Morgen vor dem Gebäude der Gerichtsmedizin und dachten in dem Moment erst einmal nicht an die DNA-Proben, die Emma Doro noch untersuchen musste. In erster Linie wollten Carlo und Roberto unbedingt die Reaktion von Susis Tante Monika Romano und ihrem Mann Simone sehen, die auch um Punkt 8 Uhr angekommen waren. Prof. Emma Doro wartete ebenfalls schon auf sie. Das Ehepaar beachtete die beiden Polizisten nicht, denn sie waren immer noch sauer wegen der Frage nach ihrem Alibi.

Zwei Minuten später standen sie alle in Emma Doros Labor, und das Ehepaar wurde von ihr freundlich begrüßt. Dann machte sie kurzen Prozess und fragte knapp: „Wären Sie bereit, Susi Moretti zu sehen?“ Monika Romano und ihr Mann nickten zustimmend mit dem Kopf. „Dann folgen Sie mir bitte in den Nebenraum.“

Die Gerichtsmedizinerin öffnete eine Schiebetür und ging an einen beleuchteten Seziertisch. Herr und Frau Romano folgten ihr und in etwas Abstand traten Carlo und Roberto ebenfalls an den Tisch. Im gleichen Moment zog Emma Doro die Decke vom Gesicht der Leiche weg. Die Augen von Monika und Simone öffneten sich weit und beide schluckten heftig. Monika blickte entsetzt Emma an und meinte: „Das ist aber nicht Susi Moretti! Unsere Nichte haben wir zwar seit mehr als 20 Jahren nicht gesehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich so stark verändert hat. Nein, das ist keinesfalls Susi!“ Monika sah wortlos zu Simone und der schüttelte nur den Kopf. Carlo fragte erstaunt: „Sind Sie ganz sicher?“ Simone nickte: „Klar sind wir uns sicher. Diese Frau haben wir zuvor noch nie gesehen!“

Das Ehepaar verließ danach wortlos das Labor. Carlo folgte ihnen: „Einen Moment bitte. Scheinbar lebt Ihre Nichte Susi Moretti noch. Kann ich von Ihnen vielleicht erfahren, wo ich sie finden kann?“ „Keine Ahnung. Was fragen Sie mich? Weit kann sie ja nicht sein, da ihr Wagen ja noch in der Garage steht“, entgegnete Monika. Beide wiederholten, dass sie Susi seit langer Zeit nicht mehr gesehen hatten und auch nicht wüssten, wo sie früher gewohnt hatte. Dann fragte Carlo sehr höflich, ob beide freiwillig eine DNA-Probe abgeben würden. Sie waren sofort damit einverstanden, machten den Mund weit auf und beide fingen nacheinander an zu würgen, als er zwei lange Wattestäbchen in ihren Rachen schob.

Währenddessen zerbrachen sich Roberto und Emma den Kopf, wer die tote Frau sein könnte. Jetzt hätte die Mordkommission eine Genehmigung vom Staatsanwalt Ettore Balla benötigt, um in der Datenbank nach vergleichbaren Personen zu suchen. Die Professorin hatte jedoch im Moment viel mit anderen Fällen zu tun. Dadurch war Roberto gezwungen, unverrichteter Dinge das Gebäude zu verlassen. Draußen informierte er telefonisch Federico Giovane über die neue Situation. Im Gegenzug berichtete der seinem Kollegen, dass sie gerade zum Haus von Susi Moretti fahren wollten. Der Mitarbeiter der Spurensicherung wies darauf hin, dass das Haus tatsächlich einer Susi Moretti gehören würde. Bei der Toten wurde weder ein Handy, ein Ausweis, noch eine Handtasche gefunden, geschweige denn ein Hinweis, dass dort noch eine andere Person wohnen würde. „Falls wir etwas Wichtiges finden, werden wir uns dort länger aufhalten müssen.“

Dann informierten sie Bruno Bianchi über die Überraschung in der Gerichtsmedizin. Der meinte: „Vergesst die DNA-Probe und kommt sofort ins Präsidium. Denn wir müssen jetzt unbedingt diese Susi Moretti finden. Ich glaube nicht, dass sie einfach verschwunden ist und sogar ihr Auto in der Garage stehen ließ. Hoffentlich ist auch ihr nichts passiert. Einen zweiten Mord kann ich nicht brauchen.“ Da verlangte Carlo: „Wir brauchen unbedingt Verstärkung von den Carabinieri, am besten von Sergio und seiner Brigade, denn wir können nicht auf jeder Hochzeit tanzen.“ Bianchi informierte beide: „Diesbezüglich kann ich euch beruhigen, das wisst ihr noch nicht. Nächsten Montag bekommen wir kurzfristig Verstärkung, allerdings leider nur eine einzige Person, und zwar eine Frau. Ähm, Nora Debole heißt die Kommissarin. Sie ist 39 Jahre alt, 1,70 Meter groß, trägt Kleidergröße 38, wiegt 64 Kilo, hat schwarze Haare und kastanienbraune Augen.“ Carlo war enttäuscht: „Wenn sie so ist, wie ihr Name, Debole (schwach), dann gute Nacht.“ Roberto fügte hinzu: „Na, besser als gar niemand. Doch wenn sie Absätze trägt, kann sie nicht einmal vor uns flüchten. Wir brauchen doch jemanden, der anpacken kann. So wie Sergio, und nicht ein Model!“ Bruno schaltete sich wieder ein: „Zuerst stellt ihr mal fest, ob die Neue etwas kann, und dann entscheiden wir, ob sie zu uns passt oder nicht. Ich selbst habe sie auch noch nie gesehen, bis auf das Foto in der Personalakte. Ihr Vater war General bei den Carabinieri, ist aber schon gestorben. Aber jetzt sucht ihr erst mal intensiv nach Susi Moretti. Die kann uns dann mit Sicherheit sagen, wer die Tote in ihrem Haus ist.“

Im gleichen Moment erschrak Bruno, weil sein Festnetz-Telefon klingelte. Emma Doro rief an und teilte ihm sofort mit, dass sie auf Nummer Sicher gehen wollte und die überprüfte DNA-Probe von Monika Romano, wie zu erwarten, nicht mit der Toten übereinstimmte, sie waren also nicht verwandt. „Die kleine Sperma-Probe, die ich heute früh per Express erhalten habe, hat mit Simone Romano ebenfalls nichts zu tun.“ Emma Doro erinnerte ihren Kollegen daran, dass es eine Datenbank gäbe. Carlo war mittlerweile auch im Zimmer, wollte sie nachträglich begrüßen und sich für die Informationen bedanken. Doch als er den Hörer in der Hand hielt, hatte Emma Doro schon längst aufgelegt. Und sofort erinnerte er sich, welch gravierenden Fehler er einmal gemacht hatte. Wie kann man nur den Termin für ein erstes Rendezvous vergessen? Und gerade bei einer Professorin kann man das nie mehr geradebiegen. Doch seine Gedanken verflogen sofort, als sein Chef entschied: „Wir müssen jetzt drei Sachen erledigen. Zuerst die Handy-Nummer der richtigen Susi herausfinden, zweitens rückwirkend alle Radarkontrollen der letzten zwei Monate überprüfen, ob diese Person irgendwo erfasst wurde und dann in der Datenbank recherchieren. Und schließlich muss Ettore Balla zu uns kommen und uns die Genehmigungen bringen, dass wir DNA-Proben problemlos nehmen dürfen. Und zwar von jeder einzelnen Person, bei der wir es für nötig halten.“ Da mussten Roberto und Carlo etwas grinsen und wiesen darauf hin: „Bis wir alle Genehmigungen haben, vergeht viel Zeit.“ „Heute Abend werden die Anwohner neben Susis Anwesen bestimmt alle zu Hause sein, wir brauchen sie nicht zu suchen“, hoffte Roberto.

Kurz vor Mittag hatten die beiden Kommissare die Handynummer von Susi Moretti ermittelt. Sie war ja im Rotlichtmilieu durchaus keine Unbekannte und von einem Freier bekamen sie die Nummer. Roberto Tuffo wählte also umgehend die Nummer, und es meldete sich tatsächlich Susi Moretti. Er stellte sich vor: „Guten Tag, spreche ich mit Frau Susi Moretti, wohnhaft in Rom? Hier spricht Roberto Tuffo von der Mordkommission.“ „Ja, das bin ich. Na und?“, fragte sie gereizt, „was willst du?“ Er erwiderte höflich: „Nur eins, Frau Moretti. Wir haben in Ihrem Haus im Gästezimmer eine Leiche gefunden. Nackt auf dem Bauch liegend.“ Roberto bekam keine Antwort und fragte gleich: „Frau Moretti, wo halten Sie sich denn zurzeit auf? Und können Sie uns sagen, um wen es sich bei der toten Frau in Ihrem Haus handelt?“ Weiter verlangte er, dass sie sofort ins Präsidium kommen müsse. Erst jetzt, als Roberto mit seinen Fragen am Ende war, gelang es Susi endlich, ihm zu antworten: „Was habt ihr eigentlich in meinem Haus zu suchen? Außerdem weiß ich nicht, wer die Frau sein könnte. Aber es gibt da ein kleines Problem. Ich kann erst morgen früh um 8 Uhr zur Polizei kommen.“ Roberto bestand jedoch darauf, dass sie sofort kommen müsse und erwiderte aufgebracht: „Frau Moretti, ich erinnere Sie nochmals daran: wir haben eine Tote in Ihrem Haus gefunden. Wir müssen Sie hierzu schnellstens befragen. Ansonsten stehen Sie unter dringendem Tatverdacht und wir werden Sie landesweit zur Fahndung ausschreiben.“ Als Susi feststellte, dass er ihr keine Möglichkeit ließ, ihn zu informieren, wo sie sich zurzeit befand, legte sie einfach auf. So einen Macho brauchte sie nicht.

---ENDE DER LESEPROBE---