15,99 €
Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Germanistik - Ältere Deutsche Literatur, Mediävistik, Note: 1,3, Bergische Universität Wuppertal, Sprache: Deutsch, Abstract: Das Mittelalter wird häufig als dunkles Zeitalter beschrieben, gekennzeichnet durch ein brutales System von Folter, Qual und drakonischen Urteilen, vollzogen an unmündigen Bürgern. Kann überhaupt von einem Strafrecht gesprochen werden, so scheint es barbarische Strafen vorgesehen zu haben, deren öffentliche Durchführung der Abschreckung dienen sollte. Die Bürger schienen diesen Hinrichtungen und Körperstrafen beizuwohnen, um den verachteten Verbrecher möglichst hart gestraft zu wissen. Der Gewalttopos ist aus heutiger Sicht ein bestimmender Allgemeinplatz bei der Rückschau auf das Mittelalter. Hält er aber einer genaueren Betrachtung in diesem Maße stand? In welchem Verhältnis stehen Verbrechen und Strafen zueinander, in einer Zeit, die ein ausgebildetes Strafsystem heutiger Tage noch nicht kannte? Diese Arbeit beschäftigt sich mit typischen Verbrechen und deren Bestrafung im Mittelalter vor dem Hintergrund der allmählichen Urbanisierung der Gesellschaft. Im Mittelpunkt werden daher nicht die frühen Formen des Strafrechts (Leges u.a.) stehen, vielmehr wird zu zeigen sein, wie städtisches Leben im Mittelalter mit Verbrechen und Strafe verbunden war. Dabei wird versucht, nicht unbewusst ein ausdifferenziertes modernes Strafrecht als Maßstab für eine Zeit anzulegen, der eine einheitliche Gesetzgebung noch unbekannt war. Ziel der Arbeit ist keine Strafrechtsgeschichte, sondern eine differenziertere bzw. deskriptive Betrachtung von vornehmlich in mittelalterlichen Städten begangenen Straftaten und deren Sanktionierung, vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Strafrechts, wobei mentalitätsgeschichtliche Aspekte zu berücksichtigen sein werden. Die Arbeit behandelt zunächst allgemeine Aspekte zum Zusammenhang von Stadt und Verbrechen. Nachdem diese einleitend thematisiert worden sind, wird in aller Kürze auf die Entwicklung der wichtigsten Rechtsschriften und die Begriffe „Verbrechen“ und „Strafe“ eingegangen. Danach werden die Verbrechen und die damit zusammenhängenden Strafen, unterschieden nach Todes- und Körperstrafen, dargestellt, um am Ende die Einstellungen der Bürger des Mittelalters zu den Verurteilten hinterfragen zu können.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Page 2
Das Mittelalter wird häufig als dunkles Zeitalter beschrieben, gekennzeichnet durch ein brutales System von Folter, Qual und drakonischen Urteilen, vollzogen an unmündigen Bürgern. Kann überhaupt von einem Strafrecht gesprochen werden, so scheint es barbarische Strafen vorgesehen zu haben, deren öffentliche Durchführung der Abschreckung dienen sollte. Die Bürger1schienen diesen Hinrichtungen und Körperstrafen beizuwohnen, um den verachteten Verbrecher möglichst hart gestraft zu wissen. Der Gewalttopos ist aus heutiger Sicht ein bestimmender Allgemeinplatz bei der Rückschau auf das Mittelalter. Hält er aber einer genaueren Betrachtung in diesem Maße stand? In welchem Verhältnis stehen Verbrechen und Strafen zueinander, in einer Zeit, die ein ausgebildetes Strafsystem heutiger Tage noch nicht kannte?
Diese Arbeit beschäftigt sich mit typischen Verbrechen und deren Bestrafung im Mittelalter vor dem Hintergrund der allmählichen Urbanisierung der Gesellschaft. Im Mittelpunkt werden daher nicht die frühen Formen des Strafrechts (Leges u.a.) stehen, vielmehr wird zu zeigen sein, wie städtisches Leben im Mittelalter mit Verbrechen und Strafe verbunden war. Dabei wird versucht, nicht unbewusst ein ausdifferenziertes modernes Strafrecht als Maßstab für eine Zeit anzulegen, der eine einheitliche Gesetzgebung noch unbekannt war. Die Verwendung juristischer Begriffe wird an vielen Stellen aus Gründen der Verständigung geschehen. Sollte bspw. von einem Strafsystem (o.ä.) die Rede sein, bedeutet dies nicht, dass es sich um ein mit heute vergleichbares System handelt, trotz Übereinstimmung der Begriffe. Um das mittelalterliche Strafrecht nachvollziehen zu können, scheint zudem eine möglichst unvoreingenommene Betrachtung nötig, da diese erst ermöglicht, zu einem Verständnis über Entstehung und Entwicklung von einer privaten Bußgerichtsbarkeit zu einem von der Obrigkeit ausgeführten Strafrecht zu gelangen. Ziel der Arbeit ist keine Strafrechtsgeschichte, sondern eine differenziertere bzw. deskriptive Betrachtung von vornehmlich in mittelalterlichen Städten begangenen Straftaten und deren Sanktionierung, vor dem Hintergrund eines sich wandelnden Strafrechts, wobei mentalitätsgeschichtliche Aspekte zu berücksichtigen sein werden. Die wissenschaftliche Methodik, Thesen und Vermutungen zu verbrecherischen Handlungen im Mittelalter aufzustellen und an Beispielen
1Natürlich beziehen sich alle meine Ausführungen auch auf Bürgerinnen und im weiteren Verlauf der Arbeit intendiert die, der besseren Lesbarkeit wegen verwendete maskuline Form, auch immer die weiblichen Vertreterinnen der jeweils benannten Gruppe.
Page 3
zu belegen bzw. zu verwerfen, oder andersherum, Thesen und Vermutungen aus Beispielen bestimmter Städte zu bestimmten Zeiten abzuleiten, scheint die in der Literatur übliche Verfahrensweise bei diesem Thema zu sein. Sie wird hier aus methodologischer Sicht keineswegs in Frage gestellt, da es eine alternative, „abgesicherte“ Methode, die allgemeine Schlüsse zulässt und gleiche Gegebenheiten in verschiedenen Städten voraussetzt, nicht geben kann. Allein die stark heterogene Quellenlage, individuell verfasste Chroniken und unterschiedlich überlieferter Schriften lassen durchweg sichere Verallgemeinerungen kaum zu. Dies liegt nicht zuletzt auch an dem Mangel einer einheitlichen Gesetzgebung. Allgemeine bürokratische Verfahrensweisen für alle Städte existierten nicht, daher sollte bei jedem Beispiel berücksichtigt werden, dass es sich lediglich um einen Ausschnitt handelt, der jedoch für die Zeit und die betreffende Region exemplarischen Charakter haben könnte.
Die Arbeit behandelt zunächst allgemeine Aspekte zum Zusammenhang von Stadt und Verbrechen. Nachdem diese einleitend thematisiert worden sind, wird in aller Kürze auf die Entwicklung der wichtigsten Rechtsschriften und die Begriffe „Verbrechen“ und „Strafe“ eingegangen. Danach werden die Verbrechen und die damit zusammenhängenden Strafen, unterschieden nach Todes- und Körperstrafen, dargestellt, um am Ende die Einstellungen der Bürger des Mittelalters zu den Verurteilten hinterfragen zu können. Zuletzt sei noch angemerkt, dass die Arbeit bei den einzelnen Themengebieten keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, was der Fülle an Fachliteratur geschuldet ist. Betrachtet werden ausschließlich Quellen, die sich auf das deutsche Mittelalter beziehen, ausländische Entwicklungen fließen, wenn überhaupt, nur am Rande ein. Ebenso bleibt die Entwicklung des kirchlichen Rechts unberücksichtigt, um den Rahmen der Arbeit nicht zu sprengen.2
2Einen guten ersten Überblick zu diesem Thema findet man bei Lotte Kéry.
Vgl.: Lotte Kéry: Verbrechen und Strafen im kanonischen Recht des Mittelalters. In: Sylvia Kesper-Biermann / Diethelm Klippel (Hg.): Kriminalität in Mittelalter und Früher Neuzeit. Soziale, rechtliche, philosophische und literarische Aspekte. Harrassowitz. Wiesbaden 2007. S. 13-35.