Verdammte Welt - Böse Geschichten - Norbert Böseler - E-Book

Verdammte Welt - Böse Geschichten E-Book

Norbert Böseler

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Beschreibung

Sie legen ihr Schicksal in die Hand des Bösen und begeben sich in eine Welt, aus der es kein Entrinnen gibt. Verdammte Welt beinhaltet folgende Geschichten: DAS SCHWARZE MONSTER: Tim gerät in die Fänge der unbarmherzigen Wächter und erleidet furchtbare Qualen. NAVI - SIGNALE DES BÖSEN: Auf einer romantischen Fahrt ins Grüne werden Alina und Vincent von einem verheerenden Unwetter überrascht. Erst laufen friedliebende Tiere Amok, dann schaltet sich ihr Navigationsgerät ein und führt die beiden auf eine Odyssee des Grauens. DIE DRITTE KERZE: Ronnie stellt sich jedes Jahr seiner Vergangenheit, ein Ritual, wobei er Satan Alkohol gegenübertreten muss. IM SCHATTEN DER FEDER: TEIL 1 - REUE: Der alte Mann hatte ihn gewarnt, doch Gerold Weller folgt dem Ruf der Feder. Er taucht die geheimnisvolle Schreibfeder in Blut und manipuliert mit geschriebenen Worten das Leben seiner Mitmenschen. INKERS INK: Er wollte sich verändern, doch nicht auf diese unglaubliche Weise. Eine zum Leben erwachte Tätowierung versetzt Jonas in Angst und Schrecken. IM SCHATTEN DER FEDER: TEIL 2 - DER DÄMON: Als seine Tochter mit dem Tod ringt, greift Rolf Scheffler verzweifelt nach der magischen Feder. Unter der Macht des Hutes muss der besorgte Familienvater Opfer bringen.

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Seitenzahl: 187

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Norbert Böseler

Verdammte Welt - Böse Geschichten

 

 

 

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Das schwarze Monster

Navi

Die dritte Kerze

Im Schatten der Feder: Teil 1 - Reue

Inkers Ink

Im Schatten der Feder: Teil 2 - Der Dämon

Impressum neobooks

Das schwarze Monster

Das schwarze Monster verfolgte ihn. Die Wächter der Anstalt hatten es geweckt, um Tim zurückzuholen. Noch befand es sich ein gutes Stück entfernt von Tim, aber das Wesen aus der Finsternis näherte sich rasend schnell.

Die Nacht war wolkenverhangen und dichte Nebelschwaden hingen tief über den Boden. Wasserlachen auf dem Waldweg erschwerten das Laufen und Tim übersprang die meisten dieser Pfützen, soweit er dazu noch in der Lage war. Er lief so schnell er konnte, aber das schwarze Monster holte weiter auf, rückte Tim immer dichter auf die Fersen. Er sah das helle Leuchten des Monsters immer näher kommen. Das Licht der furchterregenden Augen durchschnitt die graue Wand des Nebels und schien unheimlich in die Dunkelheit des Waldes hinein. Auch die wütenden Geräusche des schwarzen Monsters wurden lauter. Es knurrte ihn an und ein kalter Schauer lief Tim über den Rücken. Er versuchte noch schneller zu laufen, sah dunkle Bäume an sich vorbeihuschen und hörte aufgeschreckte Vögel davonfliegen. Seine Füße wurden durchnässt, doch das war ihm egal, er musste weiter, weg von dieser Bestie. Tim rannte um sein Leben.

Die brutalen Wächter hatten das bösartige Monstrum auf Tim gehetzt, nachdem er aus der Anstalt des Leidens geflohen war. Er hatte die sich ihm bietende Gelegenheit genutzt und die Flucht ergriffen. Hätte Tim es nicht getan, wäre er an diesem entsetzlichen Ort zugrunde gegangen. Die bösen Wächter hätten ihn wahrscheinlich zu Tode getreten, oder aber die weißen Gestalten hätten ihn vergiftet.

Die Wächter waren es auch gewesen, die ihn vor langer Zeit entführt hatten. Nach einem bedeutungslosen Streit war Tim von Zuhause ausgerissen. Tim hatte sich noch nicht weit von dem heimischen Grundstück entfernt, als er seinen unüberlegten Entschluss bereits wieder bereute. Er wollte gerade reumütig umkehren, als die zwei Wächter kamen und ihn überwältigten. Sie stülpten Tim einen Sack über den Kopf und dann ging alles blitzschnell. Sie ließen ihm keine Möglichkeit sich zu wehren. Er wurde eingepfercht und verschleppt - seinen Liebsten entrissen.

Später sperrten sie Tim in ein dunkles Verlies ohne Tageslicht. Eine Neonröhre erhellte den fensterlosen Raum mit einem kalten violetten Licht. Er war von nacktem Beton umgeben. Tim setzte sich in eine Ecke des Raumes und starrte auf die Metalltür, die im oberen Drittel vergittert war. Er bibberte vor Kälte und zitterte vor Angst. Tim hoffte, hinter dem Türgitter würde einer seiner Liebsten erscheinen, ihn aus dem Loch herausholen und fest in die Arme schließen. Wie konnte er nur so dumm gewesen sein und wegen einer Bedeutungslosigkeit davonrennen? Wie sollte seine Familie ihn hier jemals finden? Er schämte sich, durfte die Hoffnung jedoch nicht aufgeben.

Manchmal beobachtete er durch das Gitter, wie einer der Wächter über den Gang auf und ab ging. Einmal sah er durch das Metallgestänge in Tims Zelle und grinste ihn verachtend an. Tim vernahm den Geräuschen des Ganges nach, dass er nicht alleine war. Es mussten sich noch weitere Opfer in der Anstalt befinden. Klagende Laute drangen bis in seine karge Unterkunft vor. Die Stimmen verstummten nicht, sie bohrten sich kreischend in Tims Ohren. Er versuchte sie zu ignorieren, dabei wurde er müde, sehr müde. Viele Stunden später schlief er ein.

Am nächsten Tag hörte er erneut Schreie, Schreie des Schmerzes, gefolgt von einem leidvollen Wimmern. Kurze Zeit später sah Tim die weißen Gestalten über den Flur gehen. Das Wimmern mutierte zum Flehen, dann, wie von Geisterhand, herrschte eine beängstigende Stille über den unheilbringenden Ort.

Tim bekam zwei Tage nichts zu essen und trinken. Hunger, vereint mit Durst, schwächte seinen Körper. Er verlor jegliches Zeitgefühl, wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. In seinem Verlies stank es nach Extremente und Urin, da er seine Notdurft auf den Boden verrichten musste. Niemand kam, um den Raum zu säubern. Unmengen an Fliegen verirrten sich durch die Gitterstäbe in das Verlies und labten sich an seinen Fäkalien. Die aggressiven Insekten fielen auch über Tim her und quälten ihn mit stechenden Bissen.

Er hatte die Klappe im unteren Türbereich noch nicht bemerkt, erst als sie plötzlich aufschlug und Essen in sein ödes Loch geschoben wurde. Gierig verschlang Tim die köstliche Mahlzeit. Zudem bekam er Wasser, um den Durst zu löschen. Anschließend fühlte Tim sich gut und schöpfte neue Hoffnung.

Tim schlief viel. Er gewöhnte sich langsam an die schrecklichen Geräusche des Ganges. Wie lange sie ihn wieder hungern ließen, konnte er nicht einschätzen. Die Zeit verschwamm zu einer endlosen Schleife. Ihm kam es ewig lange vor, bis sich die Klappe wieder öffnete. Abermals verschlang er seine Nahrung in Windeseile. Diesmal fühlte er sich danach nicht gut, im Gegenteil, er ermüdete, seine Sinne wurden schläfrig und sein Blick trübte sich. Das graue Loch begann um ihn herum zu schwanken. Tim legte sich wankend auf den Boden, weil die Beine unter seinem Gewicht nachließen. Er wurde auf unerklärliche Weise sehr träge. Schemenhaft bekam er mit, wie die Tür geöffnet wurde und sich jemand näherte. Ein Wächter trat ihn mit dem Fuß gegen den Bauch, dann ein zweites Mal. Er holte einen Stock hervor und drückte damit auf Tims Brustkorb. Trotz seiner Benommenheit konnte er den kribbelnden Schmerz spüren. Der Wächter erhöhte den Druck, solange bis Tim anfing zu schreien. Zuckende Schläge durchfuhren seinen geschundenen Körper. Dann ließ der Peiniger zufrieden von ihm ab und entfernte sich aus der trostlosen Zelle.

Wenig später traten die weißen Gestalten ein. Tim lag wie leblos auf den feuchten Boden. Er versuchte sich aufzurappeln, doch seine Beine gehorchten nicht mehr. Die zwei gespenstisch anmutenden Wesen konnte er schleierhaft erkennen. Sie waren ganz in Weiß gekleidet, selbst ihre Füße steckten in weißen Stiefeln. Einer der beiden Gestalten drehte Tims wehrlosen Körper auf die Seite. Der Zweite zog einen spitzen Gegenstand aus der Tasche. Dann vernahm Tim mit Schrecken, wie man ihm mit einer Spritze in den Hals stach. Er spürte den Druck, als das Gift in seinen Körper gedrückt wurde.

Irgendwann, nach einer Zeit wie in einem dunklen Traum, kehrte Tims Bewusstsein zurück. Er fühlte sich schlecht. Übelkeit ließ ihn erbrechen. Nachdem er sich seiner Last entledigt hatte, verbesserte sich sein Zustand. Man gab ihm fortan regelmäßig Nahrung, damit er wieder zu Kräften kam. Später ließen sie ihn wieder hungern.

Obwohl Tim bewusst war, dass der anschließenden Mahlzeit wieder ein Betäubungsmittel untergemischt war, aß er. Er musste es tun, wenn er nicht verhungern wollte. Ohne mit der Wimper zu zucken, würden die Wächter ihn elendig verrecken lassen, dessen war er sich sicher. Er musste teilnahmslos hinnehmen, wie die weißen Gestalten während seiner Benommenheit das giftige Serum in seinen Körper spritzten.

Die Intervalle dieser qualvollen Prozedur wurden immer kürzer. Tim verlor viele Haare und einige Zähne. Sein Geschmacks - und Geruchssinn verminderten sich merklich. Die einst strahlenden Augen lagen trübe in tiefen Höhlen, die Lider schwollen an. Vor allem aber verließ Tim die Hoffnung, die Hoffnung, die vertrauten Gesichter seiner Liebsten jemals wiederzusehen.

Es kam der Tag, an dem die Betäubung so stark war, dass es um Tim herum völlig dunkel wurde. Anfänglich nahm er noch wahr, wie er aus dem Loch transportiert wurde. In einem anderen Raum legte man ihn unsanft auf einen glänzenden Tisch. Er merkte noch, wie helles Licht entfacht wurde. Die Fratze einer weißen Gestalt schob sich vor das blendende Licht. Das Gesicht war bis auf die blutrotunterlaufenen Augen vermummt. Sie blickten Tim in freudiger Erwartung an. Dieser Blick war das Letzte, was Tim sah, dann verfinsterten sich seine Sinne ins Nichts.

Als er aus der Narkose aufwachte, lag er wieder in seinem Loch. Man hatte es zwischenzeitlich gesäubert. Tim verspürte brennende Schmerzen am Bauch. Dann sah er den langen Wulst an seinem Bauch und die blauen Fäden, mit denen die Wunde zugenäht worden war. Tim bemerkte eine Veränderung im Inneren seines Körpers. Er konnte nicht beurteilen, ob sie etwas entnommen, oder eingepflanzt hatten. Er würde darauf auch niemals eine Antwort erhalten. Sie ließen ihn einfach mit seinen Schmerzen alleine. Tim litt im Stillen.

Er brauchte lange, um sich von dem Eingriff zu erholen. Während dieser Zeit wurde er des Öfteren von den weißen Gestalten untersucht. In einer Art von Trance erlebte er mit, wie sie ihn auf den glänzenden Tisch legten und dann an Maschinen mit vielen Kabeln anschlossen. Dünne Schläuche wurden in Tims Körperöffnungen geführt, die wie Schlangen durch seine Innereien schlängelten. Hilflos musste er sich seinen Peinigern unterwerfen und das Leid über sich ergehen lassen.

Nachdem er wieder auf den Beinen war, pumpten sie weiter Gift in seinen ausgemergelten Körper. Tim litt sowohl körperliche als auch seelische Qualen. Angst war sein einziger Begleiter, sie ließ ihn nie zur Ruhe kommen. Je länger er sich in der Anstalt befand, desto mehr mutierte er zu einem niedergeschlagenen Wrack.

Eines Tages unterlief den Wächtern ein verhängnisvoller Fehler. Das Mittel, welches seine Sinne betäuben sollte, wirkte nicht. Vielleicht hatten sie auch vergessen es beizumischen. Tims Herz raste. Sollte er es wagen? Er musste.

Tim verhielt sich ganz ruhig, er wollte so wirken wie immer. Die erbarmungslosen Wächter durften keinen Verdacht schöpfen wenn sein Plan gelingen sollte. Nach dem Essen legte er sich hin, schloss die Augenlider, und stellte sich schlafend. Die Tür wurde geöffnet. Ein Wächter kam herein und trat wie üblich gegen Tims Bauch. Er unterdrückte den Schmerz, schnaufte nur kurz auf. Der brutale Eindringling zog seinen Stock aus dem Schaft. Er wollte gerade zustoßen, als Tim all seinen Mut zusammenriss und nach dem Elektroschocker griff. Er riss dem Wächter das Folterinstrument aus der Hand und schleuderte es in die hintere Ecke. Es kam zu einem ungleichen Kampf. Der kräftige Wächter packte Tim um den Hals und drückte zu. Tim blieb die Luft weg, aber er wehrte sich. Obwohl er geschwächt war, mobilisierte er ungeahnte Kräfte, seine innere Wut kehrte neues Selbstbewusstsein nach außen. Er stemmte sich gegen den bulligen Wächter, drückte ihn in die Ecke, und verletzte ihn am Bein. Sein Peiniger schrie vor Schmerzen auf, wobei er von Tim abließ. Der löste sich aus den Pranken seines Widersachers. Tim schnappte keuchend nach Luft, eilte dann zur offenen Tür.

Er blickte in den Gang, zuerst nach links, dann nach rechts. Niemand befand sich derzeit auf dem düsteren Korridor. Tim entschied sich für die rechte Seite, weil er glaubte, dort einen Ausgang erkennen zu können.

Der lange Flur wurde beidseitig von vergitterten Türen flankiert. Tim hörte verängstigte Rufe durch die Gitter, hinter denen vermutlich weitere Leidensgenossen eingesperrt waren. Tim blieb keine Zeit, er konnte nicht helfen, da der verletzte Wächter sich aufrappelte, um nach ihm zu greifen. Tim stürmte auf den Gang. Er rannte, rannte nach rechts. Hinter sich vernahm er die Schreie des Wächters, der unter Schmerzen nach Hilfe rief. Ein zweiter Wächter tauchte hinten links im Flur auf. Er sah seinen blutenden Kollegen und entdeckte dann den fliehenden Gefangenen. Laut brüllend nahm er die Verfolgung auf.

Schmerz, Hass, Wut, Angst, erzeugten ein unheimliches Klangbild, welches von den weiß gefliesten Wänden des Ganges reflektiert wurde. Eine der hinteren Leuchtstoffröhren flackerte und untermauerte mit ihrem unrhythmischen Lichterspiel die ohnehin schon düstere Atmosphäre. Als sie wieder aufblitzte, sah Tim erleichtert, dass sich am Ende tatsächlich ein Ausgang befand. Er bündelte all die ihm verbliebene Kraft, spannte seinen Körper, und sprang in vollem Lauf gegen das Türblatt. Seit unendlich langer Zeit hatte Tim wieder ein Glücksgefühl, als die Tür seiner Wucht nachgab und aufflog. Draußen war es kalt und dunkel. Ein Hauch von Freiheit umgab ihn.

Tim hielt für einen kurzen Moment inne. Er sah sich um. Trotz der Dunkelheit erkannte er einen hohen Zaun, der das Gelände umgab. Er bewegte sich auf den Zaun zu, als er bemerkte, wie auch der zweite Wächter nach draußen gelaufen kam. Tim sprintete am Drahtgeflecht der Begrenzung entlang. Wieder hatte er unglaubliches Glück, da vor ihm ein offenes Tor den hohen Gitterzaun unterbrach. Tim konnte ungehindert das Grundstück der Anstalt verlassen. Fast euphorisch überquerte er die angrenzende Straße. Er lief ein Stück weit nach links. Abseits der Anstalt wurde die Umgebung zunehmend ländlicher. Tim blickte nach hinten. Der Wächter war nirgends zu sehen. Erleichtert verlangsamte Tim seine Schritte. Die Anstrengung hatte ihm den Atem geraubt. Er verschnaufte kurz und rang nach Luft.

Auf der rechten Seite zweigte ein Feldweg von der Straße ab. Tim bog auf diesen Weg ein und folgte der eingefahrenen Spur. Nach etwa hundert Meter führte der Sandweg in einen Wald. Tim ging weiter in den dunklen Wald hinein. Der dichte Baumbestand bot ihm Schutz. Tim war überzeugt, dass er es geschafft hatte. Er hatte sich endlich aus den Fängen des Bösen befreit. In ihm keimte neue Hoffnung auf. Er glaubte fest daran, dass er bald wieder in die Gesichter seiner Liebsten blicken konnte.

Sich in Sicherheit wiegend, hörte er plötzlich ein fürchterliches Geräusch, dann sah er sie, die Lichter des wütenden Monsters.

Das gleißende Licht hatte Tim in Windeseile erreicht und erhellte den Waldweg vor ihm. Das dumpfe böse Brummen dröhnte bedrohlich in seinen Ohren. Er sah sich einmal um, damit er wenigsten erahnen konnte, wie nahe das Monster schon war. Er blickte in das grell erleuchtete Antlitz der Bestie. Er wurde geblendet, seine Netzhaut schien zu zerreißen, dennoch sah er in den weit geöffneten Schlund der Kreatur. Silberne Zähne schimmerten ihm entgegen und zwei riesige Stoßzähne, die rechts und links vom Maul des Monsters hervorprangten. Tim konnte nicht schneller laufen. Seine Beine schmerzten bereits, vor allem die Hinterbeine. Die Zunge hing ihm weit aus dem Hals. Sabber tropfte zu Boden. Das schwarze Monster hatte ihn fast eingeholt und wollte mit seinen gewaltigen Zähnen zuschnappen, als rechts ein kleiner Weg abzweigte.

Tim schlug einen scharfen Haken zur Seite und lief in den schmalen Weg hinein. Das schwarze Monster heulte wütend auf. Der Schein des Lichtes flammte plötzlich feuerrot auf. Es schien Feuer zu spucken, denn nach einem dumpfen Grollen stieg Rauch auf und verdunkelte die rote Glut. Das schnaufende Monstrum machte kehrt, um weiter Jagd auf Tim zu machen. Auf dem kleinen Weg wuchs in der Mitte hohes Gras und streifte Tims Bauch, als er darüber hinweglief. Er hoffte, dass der schmale Pfad zu eng für das dunkle Monster war, aber als er sich erneut umsah, befand es sich bereits auf dem Weg und verfolgte Tim.

Er war fast am Limit seiner Kräfte angelangt, als der Wald endete und Tim auf eine Wiese kam. Langes nasses Gras erschwerte seine Flucht zunehmend und er musste teilweise springen, um voranzukommen. Dichter Nebel erstreckte sich über der Wiese, sodass Tim kaum noch etwas sehen konnte. Er wurde gleich vom Gras durchnässt und eisige Kälte fraß sich in seinen ausgelaugten Körper. Die vergangenen Strapazen in der Anstalt forderten ihren Tribut. Tim war am Ende, seine Beine gehorchten ihm nicht mehr. Nur Todesangst trieb ihn noch voran. Auch das schwarze Monster hatte nun die Wiese erreicht und folgte ihm mit bösartigen Lauten.

Den Stacheldrahtzaun sah Tim zu spät vor sich auftauchen. Er konnte nicht mehr vorher stoppen und sprang verzweifelt zwischen den unteren und mittleren Draht hindurch. Stechender Schmerz durchfuhr seinen ermatteten Körper. Der Draht schlitzte ihm den Rücken auf und auch sein vorderer linker Fuß schmerzte nach der Landung pochend. Beim Sprung durch den scharfen Draht platzte die Narbe an seinem Bauch auf. Blut spritze auf das grüne Gras und vermischte sich mit dem feuchten Abendtau. Tim achtete nicht auf die Schmerzen, er kämpfte sich unter Qualen auf drei Beinen weiter vorwärts.

Ein zerreißendes Geräusch erschallte auf der nebelverhangenen Wiese, als das schwarze Monster durch den Zaun preschte. Es war jetzt ganz dicht hinter Tim. Er konnte die Wärme, die aus dem gierigen Maul strömte, deutlich spüren. Völlig entkräftet hatte Tim keine Chance mehr zu entkommen. Der rechte Stoßzahn des Monsters stieß ihn um, woraufhin Tim auf die Seite ins nasse Gras fiel. Im Angesicht des Todes jaulte der Labrador ein letztes Mal auf. Ein heftiger kurzer Schmerz durchfuhr Tim, als die Räder des schwarzen Geländewagens ihn überrollten und seinen Körper zermalmten.

Der verstümmelte Leichnam des Hundes wurde in Folie gewickelt und wie ein Stück Müll auf die Ladefläche des Fahrzeuges geworfen. Der schwarze Geländewagen wendete auf der Wiese und fuhr zurück zum Versuchslabor.

Am Steuer saß ein Monster.

Navi

Signale des Bösen

Die Tiere des Waldes witterten das Unheil, lange bevor sich dunkle Wolken am Horizont auftürmten. Vögel suchten Schutz im Geäst dicht bewachsener Laubbäume, Füchse fanden Unterschlupf in ihren Höhlen tief unter der Erde und das Damwild verschwand im Dickicht des Unterholzes. Sich in Sicherheit wiegend, warteten sie auf den Zorn des Himmels.

***

Vincent verfügte nicht über das Frühwarnsystem der Wildtiere. Er hatte zwar durch eine Wetter-App erfahren, dass am späten Abend schwere Gewitter aufziehen sollten, jedoch änderte das Smartphone die Prognosen fast stündlich. Vor dem Wetterumschwung müsste er längst mit Alina in einem noblen Restaurant sitzen, wo er schon vor Wochen einen Tisch reserviert hatte. Nach einem ganz besonderen Abendessen, würde er ihr einen Heiratsantrag machen. Doch zuvor wollte er mit seiner Freundin ins Grüne fahren, dafür hatte er eine weitere Überraschung vorbereitet. Der Tagesablauf war bis ins kleinste Detail durchgeplant und nichts konnte ihn von seinem Vorhaben abhalten, schon gar nicht eine unzuverlässige App. Bislang hatten sie während ihres Urlaubs nur schönes Wetter gehabt, so auch heute. Vincent setzte seine Sonnenbrille auf und blickte in einen strahlend blauen Himmel. Alina war im Hotel geblieben, um zu duschen. Unter dem Vorwand, Zigaretten holen zu wollen, machte Vincent sich auf den Weg zur Autovermietung, wo er heimlich für zwei Tage ein Auto angemietet hatte. Der rote Sportwagen glitzerte mit offenem Verdeck in der Sonne. Alle Formalitäten hatte Vincent bereits im Vorfeld erledigt. Er brauchte nur noch die Schlüssel entgegenzunehmen, und fuhr dann mit der Nobelkarosse zum Parkplatz des Hotels. Wenige Minuten später stellte er das edle Gefährt ab und eilte durch die Hotellobby nach oben.

Alina erwartete ihn bereits am reichlich gedeckten Frühstückstisch. Sie trug ein beigefarbenes Sommerkleid und sah wunderschön aus. Ihr langes blondes Haar bedeckte die gebräunten Schultern. Leuchtend blaue Augen sahen Vincent verliebt an. Eine Liebe, die nun schon seit fünf Jahren währte wie am ersten Tag. Alina verkörperte all das, was Vincent sich von seiner Lebensgefährtin erträumt hatte. Sie war die Traumfrau für ihn, mit ihr möchte er sein Leben teilen. Jetzt, da beide die Dreißig mittlerweile überschritten hatten, wollte er ihrer Beziehung die Krone aufsetzen.

„Der Zimmerservice hat es heute aber gut gemeint, Schatz“, sagte Alina und begrüßte Vincent mit einem liebevollen Kuss. Sie deutete auf einen vollgefüllten Bastkorb, der noch auf dem Servierwagen stand. Am Rand ragte der Hals einer Champagnerflasche heraus, umgarnt von dekorativ positionierten Obst.

„Ich habe heute eine Überraschung für dich geplant, einen Ausflug zur Oase der Liebe. In dem Picknickkorb ist unser Reiseproviant, denn Liebe geht bekanntlich durch den Magen“, erklärte Vincent freudig lächelnd.

„Ich liebe deine Überraschungen, Vincent. Wann geht´s los und wo ist diese Oase der Liebe?“

„Streng geheim! Ich packe noch ein paar Sachen zusammen, dann kann es losgehen.“

Als die beiden abreisebereit waren, gingen sie nach unten zum Parkplatz. Alinas Augen weiteten sich, als Vincent verkündete, mit welchem Wagen sie fahren würden.

„Du bist verrückt, Schatz.“

„Gefällt er dir? Ich habe das Schmuckstück für zwei Tage gemietet.“

„Das Auto ist der Hammer“, erwiderte Alina freudestrahlend.

Vincent öffnete die Beifahrertür und bat sie einzusteigen. Er holte sein Navigationsgerät aus dem Rucksack und verstaute ihn dann zusammen mit dem Picknickkorb und einer Decke auf die Rückbank, die mehr als Ablage diente, als dass sie für weitere Fahrgäste Platz bot. Vincent gab eine Adresse in das Navi ein und fixierte es anschließend an der Windschutzscheibe. Schnell hatte das Gerät ihren Standort gefunden und berechnete die Route.

„Dann auf zur Oase der Liebe“, sagte Vincent und startete den Motor.

„Biegen Sie rechts ab!“, forderte eine freundliche Frauenstimme und navigierte die beiden auf eine Reise, die zur Oase des Bösen führen sollte.

Der Wind spielte mit ihren Haaren, was Vincents Kurzhaarfrisur weniger ausmachte als Alinas langer blonder Mähne, die wild durcheinandergewirbelt wurde. Sie genossen die Fahrt bei Sonnenschein mit offenem Verdeck. Gut ausgebaute Landstraßen schlängelten sich durch die imposante Natur. Sie durchfuhren mehrere kleine Orte mit vielen Fachwerkhäusern. Die ländliche Idylle und der Fahrtwind vermittelten ein Gefühl von unendlicher Freiheit, die sie als Stadtmenschen so nicht gewohnt waren. Nach vielen Kilometern meldete sich die nette Dame wieder, und bat Vincent links abzubiegen. Sie kamen auf eine etwas schmalere Straße, die nun stetig bergauf führte. Viele Bäume säumten die Strecke. Je weiter sie fuhren, umso mehr nahm der Baumbestand zu. Der Zustand der Straße wurde jedoch zusehends schlechter, ein Schlagloch reihte sich an das andere. Vincent drosselte die Geschwindigkeit und umfuhr einige Krater, die den Asphalt zerbröselt hatten. Sie gelangten an eine Kreuzung, als die Dame aus dem Navigationsgerät vermeldete, dass sie ihr Ziel erreicht hätten. Vor ihnen erstreckte sich ein riesiges Waldgebiet. Vincent bog links ab, wo sich nach wenigen Metern ein Parkplatz befand. Dort hielt er an und löste das Navi von der Windschutzscheibe. Er öffnete eine Karte mit Forst – und Wanderwegen, die er Tage zuvor abgespeichert hatte. Es öffnete sich ein Wirrwarr aus schwarzen Linien auf grünem Hintergrund. Rechts oben prangte ein kleiner blauer Punkt, auf diesen tippte Vincent und ließ eine neue Route berechnen. Einige der feinen Linien verfärbten sich rot. Denen musste er folgen, um ans Ziel zu gelangen. Er hatte im Internet recherchiert, dass man den See mit dem Auto gut erreichen konnte. Sicherlich wäre ein Geländewagen sinnvoller gewesen, doch er hatte sich für die romantischere Variante, dem Cabriolet entschieden. Da es in den letzten Tagen nicht geregnet hatte, sollte die Strecke für den Sportwagen kein Problem darstellen.

„Was hast du vor, Vincent?“, fragte Alina, die in den letzten Minuten sehr schweigsam gewesen war. Sie schien ein wenig aufgeregt zu sein, was Vincent wiederum amüsierte. Das machte die Sache noch spannender.

„Wir besuchen die Oase der Liebe, so wie ich es dir versprochen habe. Dafür müssen wir noch ein Stück weit tiefer in den Wald fahren. Du wirst sehen, auch wenn wir jetzt ein wenig durchgeschüttelt werden, es wird sich auf jeden Fall lohnen“, erklärte Vincent, der die Ruhe selbst zu sein schien.

Er heftete das Navi wieder an die Scheibe und setzte die Reise fort. Ab jetzt schwieg die freundliche Frauenstimme.

***