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Für sein “Kriegsmuseum zum Zwecke des Friedens” sammelt ein Mann in Triest Kriegsgeräte aller Art. Sie erzählen die Geschichten derer, die damit getötet haben oder getötet wurden. Als Jahre später das Museum bei einem Brand zerstört wird, versucht Luisa, Tochter einer Jüdin und eines afroamerikanischen Leutnants, es zu rekonstruieren. Dabei wird nicht nur die Geschichte ihrer Vorfahren zwischen Diaspora und Sklaverei wieder lebendig, sondern auch die von San Sabba, dem einzigen Konzentrationslager Italiens. Doch die Kraft des Vergessens erscheint ungeheuer: die Verbrechen wurden vertuscht, die Verfahren eingestellt. Gestützt auf eine wahre Geschichte hat Claudio Magris ein gewaltiges Epos geschrieben.
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Seitenzahl: 603
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Ein Mann opfert sein Leben einer Obsession: dem Bau eines grotesken »Kriegsmuseums zum Zwecke des Friedens« in Triest. Hier sammelt er alle Arten von Waffen – Kanonen, Beile aus dem Amazonas, Panzer und U-Boote, Raketen und fleischfressende Pflanzen, Giftsäure und Kriegsplakate. Sie erzählen die zahllosen Geschichten derer, die damit getötet haben oder getötet wurden. Ein Fresko, das die unterschiedlichsten Zeiten, Orte und Menschen zusammenführt, vom unsicheren Helden Schimek bis zur letzten Geburtstagsfeier zu Ehren des Führers auf Schloss Miramare oder auch zu Čerwuiš, einem Chamacoco-Indianer, der sich zur Zeit Kafkas in Prag aufhielt. Im Zentrum des Labyrinths steht die Risiera von San Sabba, das einzige Konzentrationslager Italiens, wo die Graffiti mit den Namen von Denunzianten und Komplizen übertüncht wurden. Der manische Museologe begibt sich auf die Suche nach den verschwundenen Namen – auch um sich von der eigenen Obsession zu erlösen. Erzählt wird aber auch die Geschichte von Luisa, Tochter einer Jüdin und eines afroamerikanischen Leutnants, Nachfahrin von Diaspora und Sklavenhandel, die das Museum nach dem mysteriösen Brand, in dem der Gründer stirbt, rekonstruieren soll. Gestützt auf eine wahre Geschichte hat Claudio Magris einen hymnisch gefeierten Roman über Schuld, Liebe und Verrat geschrieben, eine Tausendundeine Nacht des Bösen mit mehr als einer Scheherazade.
Hanser E-Book
CLAUDIO MAGRIS
VERFAHREN EINGESTELLT
Roman
Aus dem Italienischen von Ragni Maria Gschwend
Carl Hanser Verlag
Für Francesco und Paolo
1.
»Gebrauchte Unterseeboote – An- und Verkauf«. Diese Anzeige im Piccolo banditore stammte vom 26. Oktober 1963. Offensichtlich hatte er – total überschuldet, an der Nase herumgeführt durch millionenschwere Versprechungen seitens verschiedener Behörden und sogar Ministerien, im Würgegriff von Wucherern und verfolgt von den Eigentümern der Grundstücke und der Hangars, wo er seine Flugzeuge und seine bombardierten Militärbrücken untergebracht hatte – sich gezwungen gesehen, irgendein besonders tonnenschweres Erinnerungsstück zum Kauf anzubieten; doch im selben Moment, in dem er sich anschickte, etwas zu verkaufen, wurde er sofort wieder von seinen Furien ergriffen und versuchte auch zu kaufen – man weiß zwar nicht, von welchem Geld, aber jedenfalls zu kaufen: Unterseeboote, Panzer oder Maschinen zur Minenräumung.
Das könnte der Anfang sein; der Vorraum des Museums, sobald man hereinkommt. An der Wand gegenüber dem Eingang ein großer schwarzer Bildschirm, gekräuselt durch ein unbestimmtes Flimmern, Wasserplätschern im Hintergrund; sein Gesicht erscheint in diesem Dunkel, eine Fotografie von Anfang der siebziger Jahre. Ein Kopf, der aus dem dunklen Wasser auftaucht, fiebrige, listige Augen; rinnender Schweiß, Wassertropfen entlang der pannonischen Backenknochen. In der Mitte des Saals das Unterseeboot, ein U-Boot der kaiserlich-königlichen Marine aus dem Ersten Weltkrieg, wer weiß, wie er sich das verschafft hat. Gebrauchte Unterseeboote – An- und Verkauf. Eine pompöse, eindringliche Stimme; rekonstruiert durch eine geschickte elektronische Bearbeitung verschiedener Rundfunkaufzeichnungen von Radio Triest. Eine harmlose Kleinanzeige, die dank der Stimme – künstlich zusammengesetzt oder aber ursprünglich, unverfälscht, nicht diese zufällige und wandelbare des Moments, in dem man spricht –, zu einer Verführung wird, zum Angebot eines Kupplers im Dunkeln: einzutreten in das Museum, wie man in einen Nachtklub eintritt, Versprechungen im Neonlicht; das könnte eine gute Idee sein, dachte Luisa. Auch wenn der Clou fehlte, die Hauptattraktion, über die man am meisten redete: die berühmten Notizbücher. Ein Initiationsgeheimnis, bei dem zum Schluss die Krönung fehlt: die Kornähre, die den Adepten weiht.
Was die Familie betrifft, so hatte die sich in einem an den Direktor des Corriere Adriatico gesandten und dort an prominenter Stelle veröffentlichten Brief deutlich ausgedrückt: »… Gestatten Sie uns, als seinen Erben, unserer Verwunderung und unserem Unmut Ausdruck zu verleihen über die am 12. März dieses Jahres in Ihrer Zeitung veröffentlichte Notiz. Es ist uns unbegreiflich, mit welchem Recht und mit welcher Befugnis man ankündigen kann, dass auch seine Tagebücher – Tausende von Blättern, unterteilt in nummerierte Hefte mit diversen Verweisen und Ergänzungen – zusammen mit dem gesamten riesigen Kriegsmaterial in diesem Museum untergebracht werden sollen, das der Dokumentation des Krieges gewidmet ist, um den Frieden zu preisen, ein Museum, das er mit einem seiner phantasievollen, aber immer schlüssigen Bildern ›Ares für Irene‹ nennen wollte: Der Gott des Krieges, der sich zum Apostel des Friedens macht. Wir sind die Ersten, die sich darüber freuen, dass die von der Provinz und der Kommune gegründete Stiftung beschlossen hat, das Museum einzurichten, den Traum zu verwirklichen, dem er sein Leben geweiht hat, und die Gebäude, die Pferdeställe, die Autogaragen wieder instand zu setzen, ja selbst den Rasenplatz – umgeben von der Rennbahn und entsprechend überdeckt – des ehemaligen Hippodroms wieder herzurichten. Man kann nur hoffen, dass das Projekt dieses Mal endlich zustande kommt. Es ist unerträglich, dass ständig Programme und Versprechungen gemacht werden, aber nichts geschieht, ein endloses Lied der guten Vorsätze. Was jedoch diese Tagebücher betrifft, so sind und bleiben sie ausschließlich unser Eigentum, da wir die Erben sind, auch wenn haarspalterische und uns unverständliche bürokratisch-juristische Gründe uns de facto momentan einen Teil unseres Besitzes entzogen haben, so gilt das nicht für unser Recht, darüber so zu verfügen, wie wir es für richtig halten, wohlgemerkt nicht nur in unserem Interesse, sondern auch in dem unserer Mitbürger, der Allgemeinheit, der Menschheit, wobei wir seinem Beispiel folgen, dem Beispiel eines Mannes, der seiner Mission, seinem Ideal, seinem großartigen Plan alles geopfert hat: Karriere, Vermögen, Gesundheit, das Wohl seiner Familie und schließlich auch das eigene Leben.
Wie schon gesagt, sind wir bereit, alles herzugeben, abzutreten – denn das moralische Erbe des Museums ist Allgemeingut. Wir sind bereit, all die Kanonen, U-Boote, Panzer und jede Art von Waffen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, alles, was er in Jahrzehnten gesammelt hat, um die Schrecken des Krieges und die Notwendigkeit des Friedens zu dokumentieren. Es ist ein Skandal, dass sich jahrelang keine öffentliche Institution darum gekümmert hat, einen geeigneten Ort für die Errichtung dieses Museums zu finden. Doch was die Tagebücher betrifft, insbesondere die, welche auf seltsame Weise verschwunden sind und die so viel wertvolles, wenngleich auch heikles Material enthalten, wie es im Übrigen gerade im Corriere Adriatico mehrmals erwähnt wurde, so sind wir, sehr geehrter Herr Direktor, überzeugt, dass sich Ihre Zeitung, eingedenk der Bedeutung und der erforderlichen Diskretion dieser Frage, nicht …«
Anstatt in der Rubrik »Leserbriefe« hatte die Zeitung diesen Brief auf die dritte Seite, im Feuilleton, gesetzt und ihn in einen ins Auge springenden Artikel, versehen mit einem Titel und Untertiteln, verwandelt. Es war nicht verwunderlich, dass man den Fall noch einmal ein wenig hochspielen wollte. Diese Geschichte stieß immer auf Interesse, vor allem nach dem Prozess, nach dem, wie es häufig bei Prozessen der Fall ist, die Dinge unklarer waren als zuvor. Luisa schob die Zeitung beiseite, die sie auf einem Stoß von Heften, Notizbüchern, Blättern, Karteikarten, CDs, DVDs abgelegt hatte, mit denen sie arbeitete, um die von ihm noch selbst geschriebenen Notizen zu ordnen und, wenn nötig, zu vervollständigen, die jedes Exponat des Museums beschreiben sollten: seine Funktionen, seine Geschichte, die seines Erfinders, der Fabrik, die es hergestellt hatte, der Ingenieure und Werkleute, die daran gearbeitet hatten, der Militäreinheit, der es zugeteilt worden war, der Schlacht, in der es zerstört wurde, dessen, der es bedient oder angelegt oder geladen hatte oder der in seinen Trümmern zu Tode gekommen ist. Die Maschine für die Seeminenräumung wollte sie zum Beispiel neben den Quecksilberdampfgleichrichter stellen. Sie fand, dass die beiden gut zusammenpassten: Tod unter Wasser und Tod durch Ausströmung von Dampf, Tod verursacht, vermieden oder verzögert, je nachdem, aber immer Tod. Der Tod passt zu Museen. Zu allen, nicht nur zu einem Kriegsmuseum. Jede Ausstellung – Bilder, Skulpturen, Objekte, Maschinen – ist tote Natur; und die Menschen, die sich in den Sälen drängen, sie wie Schatten füllen und leeren, üben sich ein für ihren zukünftigen und endgültigen Aufenthalt im großen Museum der Menschheit, der Welt, in der jeder ein Stillleben ist, also tote Natur. Gesichter wie vom Baum gepflückte und nebeneinander auf einen Teller gelegte Früchte. Auch wenn er, genau in diesem Punkt …
Luisa setzte sich wieder an den Computer, in dem Büro, das man ihr zugewiesen hatte, als die Stiftung sie damit beauftragt hatte, das Museumsprojekt auszuarbeiten. Nicht mehr als ein Zimmer, wenn auch ein geräumiges, das aus einem der Stallungen gewonnen worden war. Ihr gefiel dieses Zimmer inmitten von so viel leerem Raum. Durch eines der Fenster sah sie einige Objekte, die bereits provisorisch in dem anstoßenden Saal aufgestellt waren. Länglich, leicht zylindrisch und grünlich, glich der Apparat für die Minenräumung einem Lamantin, irgendeinem Meeresgeschöpf, das sich unbeholfen, aber geräuschlos bewegt, um seine Beute zu schnappen. Draußen, in der Abendluft, griffen die Zweige einer vom Wind bewegten Eiche nach ihrem Fenster wie Klauen, hakenförmig gekrümmte Tentakel schnellten vom Dunkeln ins Licht der Lampe und kehrten schwankend ins Dunkel zurück, die Beute verfehlt, wer weiß, für wie lange noch. Luisa erschauerte, für einen Augenblick kam es ihr vor, als spüre sie die Jahre wie eine dunkle Wassersäule, die gegen ihre Schläfen hämmerte, eine Migräne, die sie absurderweise an die Liebe denken ließ – oder vielleicht auch an ihr Ende, was für sie sowieso fast immer dasselbe war.
Diese Falte am Mund, die gemeinhin als hübsch empfunden wurde, war nicht eigentlich eine Runzel, aber Luisa empfand sie hin und wieder als eine Narbe. Ein Kuss, ein Biss – allmählich werde auch ich so wie er; dadurch, dass ich seine Aufzeichnungen lese, bis ich ganz verwirrt werde, und mich mit seinen Maschinengewehren und seinen Schwertern beschäftige, jetzt, wo ich es mir angewöhnt habe, mir einiges von diesen Papieren und Fotografien mit nach Hause zu nehmen, um mir zu überlegen, wie man sie einordnen kann, bis mir die Augen zufallen, zum Schluss komme auch ich noch so weit zu glauben, dass alles nur noch Krieg ist und jedes Emblem eine Narbe. Mit einem Finger fuhr sie leicht über die Scheide eine Schwerts, das provisorisch an der Wand lehnte; der Strich, der davon auf der Haut zurückblieb, war deutlich sichtbar, verschwand aber gleich wieder.
Er wusste, trotz seines schrecklichen Endes, wahrscheinlich nichts von den Narben, die alles und jedes im Herzen zurücklässt; vielleicht hörte er auch nicht dieses Knurren des Lebens im Dunkeln und sah dieses Dunkel überhaupt nicht, ganz darauf konzentriert, auf den Boden zu schauen, zu graben, zu suchen und diese unsinnigen Gegenstände zu sammeln: Granatsplitter, verbeulte Blechnäpfe, Feldabzeichen, zerquetschte Kompasse, Zünder. Seine Taschenlampe erleuchtete nachts nur den aufgelockerten Boden, die zerrütteten Gräben, die Senken der Dolinen, einen verrosteten Helm im Gras.
So hatte er seine Nacht zugebracht, zwar erschöpft, aber unversehrt, glücklich über diese kalten, toten Dinge, die er aus der Erde grub oder sich schenken ließ von geschlagenen Heeren oder in Abrüstung begriffenen Werften, ohne das Leben zu bemerken, das um ihn wie um alle herum, Tod und Verderben androhend, rauschte – nicht den guten schon gestorbenen Tod, der niemandem mehr wehtut, sondern das lebendige, stetige Sterben von Leib und Seele, das immer schwächere Licht im Herzen, die Kälte in den Knochen, mörderischer als die Flammen, die ihn in seiner letzten Stunde umhüllen würden – in diesem langen, bequemen Sarg, den er sich in diesem Schuppen als Schlafstätte erwählt hatte, in der Nähe seiner Panzer, Raketenabschussrampen und wild durcheinandergehäuften Jataganen, dieses Alteisen aus sämtlichen Kriegen, das die Meilensteine seiner Existenz bildeten, dieser 1945 erworbene Panzerwagen, jener Tender von 1947, die Bruchstücke und Gerüste der demolierten Drehbrücke Ponte Verde, künstliche Grenze zwischen dem Kanal und dem Meer. Und er, allein mit seinem Sarg in diesem Magazin hier, vollgestopft mit Waffen, die auf das Museum warteten, dort wo der Brand ausgebrochen war. Sein Reich; seines, weil unbewohnt, verlassen von allen Lebendigen, die den Frieden behindern, denn um zu leben, brauchen sie den Krieg, auch zu Hause, in der Familie, im Bett – manchmal, dachte Luisa, während sie die Notizen für das Minenräumgerät zur Hand nahm, wenn man ziemlich früh aufwacht, morgens, wenn es hinter den Jalousien gerade dämmert, späht man von einem Kopfkissen zum andern, wie von einem Schützengraben aus, zum schlafenden Kameraden hinüber. Es wird keinen Angriff geben, doch man ist auf der Hut in der vagen Erwartung des Feuers. Als sie in der Schule den Dreißigjährigen Krieg durchnahmen, hatte sie gleich an die Familie gedacht. Nicht an ihre … sondern nur so, ganz allgemein. Und was sie selbst betraf, so hatte sie noch nicht begriffen, ob es gut oder schlecht war, keine eigene zu haben, und warum sie, wenn sie darüber nachdachte, für einen Moment eine Leere im Herzen verspürte.
Er ist in seinem Sarg eingeschlafen, noch nicht tot, aber so ruhig und heiter, als sei er es schon, so wie jetzt, wo ich in seinen Papieren stöbere, als wären sie bereits sein Staub, Asche seines verbrannten Fleisches, welche nur die Ermittler, damals in jener Nacht – vielmehr am Morgen danach, als die Feuerwehrleute, viele Stunden später, den Brand gelöscht hatten –, von der Asche des mit ihm verbrannten hölzernen Sargs unterscheiden konnten. Vielleicht hatte er Angst vor dem Sterben gehabt, aber bestimmt nicht vor dem Tod; zwischen diesen Jeeps, Bajonetten, Säbeln und Wehrgehängen fühlte er sich so sicher wie zwischen den Statuen und Grabsteinen eines Friedhofs, wo sich das Schwert, gezückt von einem marmornen Ritter, der über ein Grab wacht, nie heftig zum Schlag senkt. Angeblich hatte er sogar an den Präsidenten der Vereinigten Staaten geschrieben und ihn nach dem System des Norden-Zielgeräts gefragt, das die Bombe auf Hiroshima ausgeklinkt hat.
2.
»Ares für Irene oder auch Arcana Belli. Vollständiges Museum des Krieges für die Ankunft des Friedens und die Entschärfung der Geschichte«. Die barocke Bezeichnung des Museums, die mehrmals in den Heften und Tagebüchern auftaucht – die Vergangenheit modifizieren, schrieb er, die Zeit umkehren, sie auf eine Straße in verbotener Richtung reduzieren –, könnte man, dachte Luisa, auf die Innenwände des Museums projizieren. Gesetzt den Fall, es würde eines Tages fertig sein. Bis jetzt war alles lediglich ein hypothetischer Entwurf, ein Projekt, das ihr von der Stiftung und vom kommunalen Kulturamt anvertraut worden war, und dem sie eine Form zu geben versuchte, indem sie sich eine mögliche Anordnung des riesigen, heterogenen Materials in den verschiedenen Räumen und Plätzen des ehemaligen Hippodrom-Geländes ausdachte, die Reihenfolge der Objekte, den Gebrauch der Symbole auf den Monitoren, die Wegweiser für die Besucher, die ausgestellten Stücke und die Geschichten, die aus ihnen aufsteigen, wie die Geister aus Aladins Wunderlampe.
Wie soll man dieses verrückte, auch nach dem Brand, der einen großen Teil davon samt seinem maßlosen Erfinder zerstört hat, immer noch maßlose Museum organisieren? Jenen hochtrabenden Titel zum Beispiel wollte sie nicht über dem Eingang anbringen, sondern ihn in den inneren Sälen mit intermittierenden Leuchtbändern projizieren, welche die Buchstaben und die Wörter in verschiedenen Farben schrieben, die ständig an- und ausgehen sollten. Für ihn war alles Zeichen, Botschaft, die, je näher sein Ende heranrückte, desto mehr Glück verhieß. Nichts konnte einen wie ihn verblüffen und erst recht nicht erschrecken, einen wie ihn, der beteuerte, »in einer prophetischen Beziehung mit dem Unvermuteten« zu stehen. Der Fund irgendeines Gegenstands – eine Patronentasche, eine Feldflasche – »ist unendlich glückverheißend, und alles steht in Beziehung zum Beginn der Epoche des unendlich Guten, sobald das Böse außer Kraft gesetzt ist und von den Waffen nur noch jener Teil kosmischer Energie bleibt, der einen Bezug hat zu ihrer Schönheit und ihrer Funktionalität …«
Wo, wie und in welcher Reihenfolge der Säle soll man diese Notizen unterbringen? … Sie mit den Reflektoren vergrößern, sie einrahmen, sie auf getarnte Displays an den Wänden unterbringen, um sie im richtigen Moment zu aktivieren, ein Programm, einen eher mentalen wie materiellen Rundgang ausarbeiten, sodass der Besucher, indem er auf dem Monitor neben den verschiedenen Bildschirmen und diversen Objekten in den einzelnen Sälen auf das eine oder andere Symbol drückt, nach Belieben auf weitere Bildschirminhalte, auf andere Geschichten in Verbindung mit dieser Kanone oder jenem Schwert stoßen kann, auf das eine oder andere Objekt oder auf einen Text? Das Museum als ein beweglicher Hypertext, in dem alles fließt, oder auch verschwindet und sich annulliert, wie es möglicherweise in seinem Kopf der Fall gewesen war?
Jedenfalls hatte er vielleicht recht: Das unendlich Gute gibt es seit jeher. Es umhüllt uns – ja, vielleicht auch mich, die ich inmitten dieser Unordnung sitze –, eine weiche, indigoblaue Wolke, die einen aus der Hand eines Kindes davongeflogenen Luftballon aufnimmt. Es ist die Glückseligkeit, doch die zweidimensionalen Geschöpfe, die auf der Kugel dieses Luftballons kriechen, können den Kopf nicht heben und nicht verstehen, dass diese andere Dimension, diese sie umhüllende Wolke existiert, und verzweifelt kriechen sie weiter.
Auch sie selbst, so hübsch und schlank, war eine Schneckenspur. Ihre schönen, noch dunklen Haare im Wind – auch das ein Erbe der beiden jahrhundertelangen Exile, verschmolzen in ihr, nachdem sie die Wüste und das große Meer überquert hatten – wussten nicht, dass es diesen Wind gab. Im Schatten, den die Lampe des von Kladden und Papieren überschwemmten Tischs an die Wand warf, fühlte Luisa sie jetzt weich im Nacken. Ihm musste es irgendwie gelungen sein, den Kopf zu heben, den Wind des Weltraums zu spüren, aus Höhen, unvorstellbar für den, der nur Länge und Breite kennt. Tief hatte er diese den Menschen unbekannte Luft eingeatmet, ein Lachgas, das heiter machte. Im Übrigen behauptete er, ein wissenschaftliches System gefunden zu haben, um sich allein von Luft zu ernähren, und zwar dank einer neuen Atemtechnik, welche die in jedem Windhauch enthaltenen mikroskopischen Lebewesen und die bisher unbekannten in den Gasen enthaltenen nahrhaften Substanzen umwandelte. Und nicht, fügte er hinzu, weil ich angeblich pleite bin und mich, wie des Öfteren bösartig behauptet wurde, aushalten lasse von meiner Frau, die aus altem ungarischen Adel stammt und das Dienstmädchen machen muss, sondern weil ich leicht, frei und glücklich bin.
Die Dunkelheit jener Brandnacht – dunkel nur für die Justiz, für ihn selbst ein königliches Lichtermeer, das Freudenfeuer eines Herrschers, der seine Erhabenheit zur Schau stellt, indem er all sein Hab und Gut und darüber hinaus sein ganzes Sein ins Feuer wirft – war für ihn ein göttlicher Scheiterhaufen gewesen, das letzte Abendrot des kosmischen Äons des Bösen, des Kriegs, des Mordens. Er hatte vielleicht gar nicht gelitten in diesem Sarg, in dem er für gewöhnlich mit einem deutschen Stahlhelm auf dem Kopf und einer Samuraimaske über dem Gesicht schlief. Wahrscheinlich hatte ihn der Rauch im Schlaf erstickt, ehe ihm die Flammen etwas anhaben konnten.
Nach der Terminologie seiner geplanten globalen Wortschatzreform – präzise dargelegt und klassifiziert in seinem unvollendeten UDW, seinem »Universalen Definitiven Wörterbuch« – war er in jener Feuernacht in die »Umkehrphase« eingetreten, dem korrekten Ausdruck, der das landläufige, aber nur approximative Wort »Tod« ersetzen sollte. Seine neue Lexikographie bestand aus einer Kladde voller Vokabeln, unterbrochen an einer herausgerissenen Seite beim Buchstaben M, genauer gesagt beim Stichwort mulvaceo, dessen Erklärung fehlte, so wie der gesamte Rest. Als Luisa den Auftrag bekommen hatte, das Museum zu planen, hatte sie vorgehabt, das Material des bis zu diesem Stichwort gediehenen Wörterbuchs auf verschiebbaren Tabellen zu systematisieren, die für einen Moment die alten, ungenauen Wörter neben die neuen, von einer zwanghaften und hermetischen Präzision, stellte, um sie gleich darauf wieder zu tilgen, ihre sichtbaren Buchstaben auszulöschen, verschluckt vom Dunkel mit ihren alten und konfusen Bedeutungen. La Morte, der Tod, mit riesigen Buchstaben in Rot auf die Wand gegenüber dem Eingang in den dritten Saal projiziert, sollte sich als ein banaler Druckfehler erweisen, der sofort korrigiert wurde: L’Amor-te, die Liebe-Dich (S. 27 des Manuskripts und des unvollständigen Wörterbuchs).
La Morte, der Tod, existiere nicht, erklärte er. Er sei lediglich ein Richtungswender, eine Maschine, die einfach das Leben umstülpt wie einen Handschuh, doch es genügt, die Zeit rückwärtslaufen zu lassen, und man bekommt alles wieder. Wiedergefundene Zeit, Triumph der Liebe. Amor-te. Wer oder wen? Dich, du, alle.
Diese feuerspeienden Objekte des Museums, Panzerwagen und Kanonen und all das Übrige, hätten sich, nach den Intentionen ihres unermüdlichen Sammlers, am Ende als flüchtige, trügerische Bilder eines quälenden, wirren Albtraums erweisen sollen, als ein rückwärts ablaufender Film, der mit Tod und Zerstörung beginnt und mit den Menschen endet, die zuerst in die Luft geflogen, zermalmt oder durchbohrt worden waren und jetzt am Ende zufrieden lächeln – um zu zeigen, dass der Tod, jeder Tod, vor dem Leben kommt und nicht danach. Liebe Dottoressa Brooks, hatte er einmal zu ihr gesagt, Moses hat den Pentateuch, die ersten fünf Bücher der Bibel, geschrieben, und im fünften hat er von seinem eigenen Tod auf dem Berg Nebo, im Gebiet Moab, erzählt. Also liegt der Moment seines Todes vor dem Moment, in dem er ihn erzählt hat. Es gibt weder ein Vorher noch ein Nachher, liebes Fräulein Doktor, die Zeit ist wie der Raum, man geht nach Westen, immer weiter nach Westen, und kommt im Osten an dem Ort an, von dem man aufgebrochen ist. Im Osten von Eden …
Das hatte er ihr bei ihrer ersten Begegnung gesagt, nachdem die Stiftung beschlossen hatte, die Planung des Museums zu finanzieren – vorläufig nur die Planung, später würde man weitersehen. Inzwischen lagerte dieses ganze Chaos von Objekten in zwei großen Schuppen und auf einem weiträumigen offenen Platz des Hippodroms. Mehr als ihm zur Seite zu stehen, sollte sie ihn, nach Ansicht ihrer Auftraggeber, eher in der Arbeit zügeln und im Zaum halten. Eine Arbeit, die im Übrigen schon bald durch seinen Tod unterbrochen und erst Jahre später wiederaufgenommen wurde, als in der Stadt, aufgrund einiger kämpferischer Artikel in der Lokalzeitung, das Interesse an der Person und ihrem grandiosen Plan – und vor allem aber auch an seinen auf mysteriöse Weise verschwundenen Notizbüchern – neu erwacht war und man inzwischen auch neue Geldquellen aufgetan hatte. Doch bereits einige Zeit vor seinem Tod waren ihre Kontakte plötzlich spärlicher geworden; er, der zuerst so interessiert und ständig präsent gewesen war, ließ sich fast überhaupt nicht mehr blicken, so als ob er sich plötzlich für etwas anderes engagiert hätte. Dieses plötzliche Sichzurückziehen war seltsam, auch wenn es die Arbeit für sie einfacher und weniger zwanghaft machte.
Diese Waffen glaubten, rühmten sich, behaupteten steif und fest, alles zu vernichten, in nichts aufzulösen, was in ihr Schussfeld geriet, doch stattdessen schleuderten sie, ihnen zum Trotz, den von einer Mine in die Luft gejagten Soldaten nur auf die andere Seite des Bildschirms, wo alles wieder von vorn anfing und der Soldat sein Leben, das er scheinbar ausgehaucht hatte, wiederfand, den gestrigen Rausch mit den Kameraden, jenen Abend auf dem veilchenblauen Meer von vorgestern, einen viele Jahre zuvor geküssten Mund, die gestammelten Worte des Kindes, das anfängt zu sprechen. Arme, verrückte Männer, die sich einbilden zu töten und zu zerstören; so als ob einer, der das Licht löscht, glauben würde, die plötzlich im Dunkeln unsichtbar gewordenen Dinge für immer verschwinden zu lassen. Man könnte zum Beispiel, vermerkte er in einem seiner Notizbücher, zuerst das Bild des Saals mit all seinen Objekten projizieren, dann das Bild eines großen Brands zeigen, der alles zerstört und den Raum leer zurücklässt, bis dieser, wenn das Licht erneut angeht, wieder völlig intakt mit allen seinen Gegenständen erscheint – auferstanden, nie gestorben. Das könnte eine Idee sein.
Er jedenfalls hatte die Flammen nie gefürchtet: ein Schmetterling, der das Licht nicht scheut, in das er, sich verbrennend, stürzt und vielleicht wirklich in diesem Augenblick geboren wird, mehr als er damals, als er aus der Raupe zum Schmetterling wurde. Bei einer ihrer ersten Begegnungen hatte er Luisa, vielleicht um ihr seine Bildung zu zeigen, schwülstig auf Deutsch diese Verse der seligen Sehnsucht zitiert: »Keine Ferne macht dich schwierig, kommst geflogen und gebannt, und zuletzt, des Lichts begierig, bist du Schmetterling verbrannt.«
3.
Vielleicht – aber das ist freilich nur eine Vermutung – wurden auf dem Scheiterhaufen seines Schuppens auch die irgendwo zwar gut, wenn auch vergeblich versteckten Tagebücher verbrannt, die seine Erben, und nicht nur die, so beunruhigten und die merkwürdigerweise die einzigen unter seinen zahllosen Notizbüchern waren, die verschwunden blieben. Diese Aufzeichnungen, in denen er angeblich die Inschriften an den Zellenwänden und Aborten der auf ihren Tod wartenden Häftlinge notiert hatte – auch für sie ein Feuertod in dem nationalsozialistischen Verbrennungsofen der Risiera, dem einzigen Konzentrationslager in Italien, und ausgerechnet in Triest. Auf diese Wände und auf die vermutlich darauf notierten Namen wurde dann in ruhigen Zeiten des Friedens eine Handvoll Kalk geworfen. Nach dem Krieg kommt der Frieden, der ebenfalls die weiße Farbe der Gruft hat – und der übertünchten Grüfte im Herzen.
Er scheint also diese Inschriften zuvor gesehen und abgeschrieben zu haben, zumindest einige; und auch diese Namen, wie gemunkelt wurde, ordinäre und hochstehende Namen von Kollaborateuren oder zumindest guten Freunden der Henker, eingeritzt in die dreckigen Abortwände von den Opfern an der Schwelle des Todes, und dann ausgelöscht vom Kalk – vom frischen, weißen, unschuldigen und auf dem lebendigen Fleisch ätzenden weißen Kalk – und später vielleicht zum zweiten Mal ausgelöscht durch den Brand in seinem Schuppen, durch ein zerstörendes Feuer, das jede Schmutzigkeit beseitigte und selbst der erbärmlichsten und niederträchtigsten Gemeinheit eine falsche Unschuld zurückgab, jenen Schurken, die nun für immer geschützt waren durch das Verschwinden ihrer im Kalk aufgelösten und in der Asche pulverisierten Namen, unleserlich gemacht für die menschlichen Richter, so wie für jenen Staatsanwalt, der die Untersuchung über die Verbrechen in der Risiera gleichsam ergebnislos einstellen musste; unleserlich vielleicht auch für höhere Gerichte, denen ebenfalls jedes Beweismaterial fehlte, und ganz bestimmt unleserlich für die Kinder dieser abwesenden Mörder, die nicht wussten, dass ihre Namen seinerzeit vom Kalk zerfressen oder vom Feuer verbrannt worden waren; ja, die vielmehr stolz darauf waren, diese ehrenwerten Namen zu tragen, und genauso stolz auf ihre Väter, die diese Namen auch getragen hatten, als die Opfer – welche sie vielleicht in einen schrecklichen Tod getrieben oder ihm zumindest ausgeliefert hatten, kurz: deren Schicksal ihnen wohl ziemlich gleichgültig gewesen war – diese Namen an die Wände geschrieben hatten. Ausgelöschte und daher für immer ehrenwerte Namen.
Eigentlich ist es gar nicht schlecht, dachte Luisa, dass es – nach dem Leserbrief an die Zeitung und auch nach den Äußerungen des Vizepräsidenten der Stiftung, Dr. Pezzl, zu schließen – jemanden gibt, der glauben oder fürchten könnte, irgendetwas von diesen brisanten Papieren sei noch im Umlauf. Umso besser: Timor Domini initium sapientiae. Über diese Schande, diese ehemalige Triester Reisfabrik, in der die Nationalsozialisten einige tausend Menschen umgebracht hatten oder hingeschickt, um sie dort umbringen zu lassen – im Schweigen der Allgemeinheit, das auch nach dem Krieg noch anhielt –, begann man nun endlich zu reden, was manch einen in Verlegenheit brachte. Und es war zum Teil auch der Beharrlichkeit dieses ungewöhnlichen Mannes zu verdanken, seinen manischen Nachforschungen, in diesem Fall jedoch erleuchtet durch den Furor des Propheten gegen sein ruchloses Volk und begierig, die Ruchlosigkeit aufzudecken. Dr. Pezzl hatte als Antwort auf einen der zahlreichen Beiträge im Corriere Adriatico zum Beispiel geschrieben, dass es vielleicht nicht angebracht sei, »Nachrichten über diese Tagebücher zu verbreiten, ehe dieselben, oder was von ihnen möglicherweise noch vorhanden ist, katalogisiert und ausgewertet wurden, und ehe man die eventuelle Zweckmäßigkeit abwägen kann, einige Passagen heiklen Inhalts öffentlich zu machen, für die es bis jetzt vielleicht noch zu früh gewesen wäre …«.
Zu früh für wen? Doch eher zu spät; zumindest für ihn, der eingegangen ist in eine bessere Welt – was nicht schwer war, wenn man bedenkt, wie er gelebt hat, auch wenn es für ihn vielleicht … zu spät in jedem Fall für die anderen, die in all den Jahren Zeit gehabt hatten, sich die Hände voll Blut oder voll von dem Schmutz jener noch stärker blutverschmierten Hände zu waschen, die sie während der nationalsozialistischen Besatzung so oft und so herzlich geschüttelt hatten. Zu spät schließlich, weil nach so vielen Jahren auch sie, mit ihren übertünchten Namen an den Wänden der Risiera oder den in jener Nacht im Schuppen verbrannten Namen, in eine bessere Welt eingegangen sind, zumindest viele von ihnen. Sie dürften schon damals, in den letzten Kriegsmonaten, keine Kinder mehr gewesen sein, und daher haben sie die Todesstrafe schon erlitten, ob schuldig oder unschuldig. Die Gerechtigkeit, zumindest die kapitale Gerechtigkeit, ist für alle gleich.
4.
Einfach um anzufangen, könnte man im Museum, vielleicht genau bei den Pferdeställen des alten Hippodroms beginnend, eine Wand ganz mit weißen Papierblättern tapezieren, um wenigstens zu zeigen, dass irgendetwas fehlte, ja, dass das Allerwichtigste fehlte … und dann, gleich darauf, um den Gegensatz noch hervorzuheben und das beunruhigende Fehlen dieser Notizbücher zu unterstreichen, sämtliche Papiere und die unzähligen Objekte, auch die unbedeutenden, die er von seinem achten Lebensjahr an begonnen hatte zu sammeln und aufzubewahren, zur Schau stellen: herausgerissene Heftseiten, Papierservietten, gebrauchte Briefumschläge – einen leeren, adressiert an den Vater, nur mit dem Stempel des Absenders auf der Rückseite: Import-Export Tergeste. Auch ein Zettel, auf den er gekritzelt hatte: »Heute habe ich meinen Vater gefragt: ›Papà, wer ist Ich?‹ ›Das bist du‹, hat er mir geantwortet. Das hat mich verwirrt.«
Luisa fragte sich, ob man von dieser Abteilung ausgehen könne, vielleicht weil sie sich daran erinnerte, wie er, als er den Vierzeiler Goethes über den Schmetterling, der sich in die Flamme wirft, rezitierte, hinzugefügt hatte: »Das Einzige, was mir nicht gefällt in diesem wunderschönen Gedicht – lernen Sie es auswendig, mein Fräulein, die Gedichte lernt man auswendig, die echten; die, welche man nicht auswendig lernen kann, sind keine echten Gedichte –, das Einzige, was mir nicht gefällt, ist dieses Du, mit dem er zuerst den Schmetterling anredet und zum Schluss auch noch den Leser. Was erlaubt er sich, wer glaubt er zu sein? Was mich angeht, so habe ich nicht einmal mit mir selbst einen so vertrauten Umgang, um mich zu duzen. Schon gar die Vorstellung, ich könnte ›ich‹ sagen. Haben Sie mich je dieses Wort aussprechen hören? Das wäre wirklich unschicklich. Noch dazu einer Dame gegenüber … Er jedoch, na gut. Das hat nichts mit dem zu tun, was wir machen, er ist irgendwer, das kann zum Beispiel der Zeitungsverkäufer in dem Kiosk auf der Hauptstraße sein; er verkauft die Zeitungen, das muss einen nicht beunruhigen, das geht uns weiter nichts an. Doch vor allem der Krieg, der eine ernste Sache ist, darf so wenig wie möglich etwas mit dem Ich zu tun haben, mit diesem überheblichen Kriegsdienstverweigerer und Deserteur auf dem Schlachtfeld. Die Meister der Kriegskunst sagen nie ›ich‹, angefangen beim ersten und größten, Sun Tzu, der vielleicht Sun Wu ist oder andere oder niemand, ein unbestimmter großer Meister, Stimme vieler anderer Meister, der tatsächlich seine Rede immer mit den Worten anfängt: ›Der Meister Su sagte …‹
Reden wir uns also bitte immer mit Er an, auch wenn wir mit uns selbst sprechen. Im Grund ist es fast so, als ob man sich siezen würde, wie es alle tun … Das Du wird es geben, wenn sie bemerken werden, dass der Tod abgeschafft wurde, Amor-te.«
5.
Luisa hatte sich noch nicht entschieden, wie sie mit den verschiedenen Ausstellungsstücken verfahren sollte – Briefe, seine oder die von Verwandten oder Bekannten, verstreute Notizen, Tagebücher, die bis auf die Jugendzeit zurückgehen oder die der letzten Monate, manchmal lose Zettel mit nur irgendwelchen in unleserlicher Schrift daraufgekritzelten Wörtern, die sie kaum entziffern konnte und die man abschreiben musste, um sie den Besuchern zugänglich zu machen, sei es ausgestellt in Vitrinen oder visualisiert auf einem Bildschirm. Mit den Objekten – Kanonen, Lastkraftwagen, Wurfspieße – war es einfacher, ihre bloße düstere und verrostete Präsenz sprach für sich, kündete von der Existenz (und noch öfter vom Ende der Existenz) dessen, der sie gehandhabt, diesen Flammenwerfer oder dieses Maschinengewehr gebraucht, in der Führerkabine dieses halben Panzers geschlafen oder den Kopf aus diesem Panzerturm hinausgestreckt hatte: oft seine letzte Bewegung. Erinnern, erzählen von diesen Leben und von diesen Toden – auch wenn er dieses Wort nicht hätte haben wollen –, verbunden mit diesem im Flug abgeschossenen Flugzeug, mit jenem in den Arm genommenen oder fallen gelassenen Gewehr. Das war vielleicht der einfachste Aspekt ihrer Arbeit: das Objekt oder die Objekte für jeden Saal auszusuchen, zu entscheiden, welche tatsächlich ausgestellt werden konnten und welche man – angesichts ihrer großen Anzahl war räumlich kein Platz für alle vorhanden – auf dem Monitor mit einem bloßen Klick aufrufen konnte. Ganz einfach: eine Taste drücken, aber eine Welt vorbereiten, in der diese Taste zu Aladins Wunderlampe wird … und dann die Bildlegenden formulieren, die Geschicke dessen beschreiben, der in dieses Flugzeug gestiegen war oder diese Kanone ausgerichtet hatte.
Aber wie soll man diese Fundstücke, diese losen Notizen, diese Briefe oder Brieffragmente in ein System bringen … Beispielsweise den an sie persönlich gerichteten Brief von einer seiner Verwandten, der Cousine Ines, wohnhaft in Udine. »Er hat immer alles aufgeschrieben, er hat nichts anderes getan, als sich Notizen zu machen; das war das Einzige, was er in seinem ganzen Leben getan hat … Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, vier Tage vor seinem Tod, da hatte er mich in Udine besucht. Beim Mittagessen zog er immer wieder ein dickes Bündel loser Blätter und einige Notizbücher aus einer Tasche, als ob er sich vergewissern wollte, dass sie noch da waren, und dann legte er sie wieder in die Tasche zurück. Eine halbe Stunde, nachdem er weggegangen war, um nach Triest zurückzufahren, kam er noch einmal, völlig aufgeregt, und suchte überall herum, unterm Tisch, auf dem Nachtkästchen neben dem Bett, auf dem er etwas geruht hatte. Er hatte die Tasche vergessen und ruhte und rastete nicht, bis er sie gefunden hatte. Dadurch, dass er sie ständig geöffnet, wieder geschlossen und mal dahin und dorthin getragen hatte, war sie unter dem Sofa gelandet. Sie ist wichtig, sagte er, sie ist sehr wichtig … sicher, alles ist wichtig, jedes noch so kleine Detail … die Details, die Einzelheiten … Er redete wie zu sich selbst, und dann ging er eilig weg … Danach habe ich ihn nicht mehr gesehen, denn vier Tage später …«
6.
Ob in jener Nacht auch diese Notizbücher verbrannt sind? Ob vor allem diese Notizen verbrannt sind, ob das Feuer vielleicht deshalb gelegt wurde, um diese Kladden und losen Zettel mit dem, was sie enthielten, zu verbrennen … Wenn ein Hidalgo, wie man sich erzählt, einmal ein Schloss nur deshalb gekauft hat, weil seine Dame sich eine Rose wünschte, die auf dem Sims eines kleinen Fensters dieses Schlosses blühte, kann auch jemand ein Quartier in Brand gesteckt haben, um einen Packen Blätter zu vernichten, und wenn der Mensch, der sie bei sich hatte, dabei ums Leben kam, na ja, das ist dann leider ein Kollateralschaden. Doch wenn diese Blätter sich noch irgendwo befänden, angenagt und halb vermodert, nach so vielen Jahren …? Aber wer weiß, vielleicht könnte man sie noch lesen.
Ärgerlich verscheuchte Luisa diese Phantasien. Sie war hier, um zu arbeiten, und nicht, um sich irgendwelchen Mutmaßungen hinzugeben, Hirngespinsten, die zu nichts führten. Sie zündete sich eine Zigarette an und setzte sich wieder an den Computer. Der Rauch schwebte beim Aufsteigen über den Lichtkegel der Lampe und warf auf die Wand den Schatten einer üppigen Frisur, der sich luftig im rotblonden Licht auflöste; ein kurzer Sommer auf der ockerfarbenen Mauer. Diese Sommer als kleines Kind am Meer, sie und ihr Vater, nur sie beide. Erst später hatte sie begriffen, warum ihre Mutter nie mit ihnen ans Meer kommen wollte. Sommer mit Meer und Sonne, Fische fressen seit jeher andere Fische, und es ist noch gar nicht so lange her, dass sich auf diesem Triester Meer ein nach verbranntem Fleisch stinkender Rauch wiegte und auflöste, der aus der Stadt kam, aber das kleine Mädchen weiß das nicht, niemand weiß es, diese blendenden und glücklichen Spiegellichter auf dem Meer sind ein Schleier der Maja, welcher das Blut, den Rauch und jeglichen Schmerz verhüllt.
7.
Ja, das könnte gehen. Ein tabellarischer Lebenslauf in einem Schaukasten, gleich links neben dem Eingang in den zweiten Saal, zusammen mit einem kurzen Video, einer Collage aus seinen Erklärungen – im Rundfunk, ein paarmal auch im Fernsehen – und seines Lebenslaufs, wie er ihn den Anträgen auf Geldmittel bei verschiedenen öffentlichen Behörden und privaten Stellen beigefügt hatte. Aus österreichisch-spanisch-böhmischer Familie, sagte er auf dem Bildschirm mit Pathos, wobei ihm ein wenig Speichel aus den Mundwinkeln floss und sich mit den Tropfen von seinem ständigen kalten Schweiß vermischte, und dann verlor er sich in die Erklärungen der Bedeutung von »böhmisch«, was nicht »tschechisch« heiße, wie er präzisierte, oder zumindest nicht notwendigerweise, nicht immer; es könne auch deutsch heißen, ein Deutschböhme, Wir Deutsche aus Böhmen. »Das ist das Kaiserreich«, erklärte er, »die Welt, die ganze Welt, A.E.I.O.U., Austriae est imperare orbi universo, Austria erit in orbe ultima, die kaiserliche Sonne geht nie ganz unter; immer geht sie irgendwo wieder auf. Seit Jahrhunderten stehen wir, stehe ich im Dienst des Kaiserreichs, der Habsburger von Spanien und Österreich und Böhmen, die spanischen Galeonen durchfurchen die Ozeane, und die Pferdepost der Thurn und Taxis, der Herren von Duino, befördert einen Brief von Wien nach Madrid in drei Tagen. Es fehlt eine ganze Galeone, die, welche mit der Armada, der Unbesiegbaren, untergegangen ist. Das Museum wird sie bekommen, muss sie bekommen, eine Seefestung auf dem Meeresgrund – kostspielig und nutzlos wie alle Festungen, wie die Fliegenden Festungen des Zweiten Weltkriegs, in die Luft gejagt, um Bomben abzuwerfen, die über den Städten explodierten, und um, getroffen, selbst zu explodieren, wie Bomben …«
Geboren in Gradisca – der Gefürsteten Grafschaft Görz und Gradisca, die Kaiser Franz Joseph einen seiner sechsunddreißig offiziellen Titel gab – in einem kleinen Palast, etwas heruntergekommen zwar, aber immerhin spätes fünfzehntes Jahrhundert, erworben vom Großvater Egon, dem Admiral. Mit diesem Titel ist er zwar in Pension gegangen, aber hervorgetan hatte er sich als ganz junger Leutnant zur See in der Schlacht von Lissa, bei der, wie es auf dem Grabstein des Admirals Tegetthoff in Wien steht (Tegetthoff war es, der seinen Wagemut in diesen dalmatischen Gewässern bemerkte und ihn für einen kleinen Orden vorschlug), eiserne Köpfe am Kommando von hölzernen Schiffen siegten über eiserne Schiffe, befehligt von hölzernen Köpfen; mit anderen Worten: Die kaiserliche Kriegsmarine, die noch weitgehend aus Segelschiffen bestand, zerstörte die italienische Flotte, die bereits über gepanzerte und motorisierte Schiffe verfügte. Familienstreitigkeiten, da die »eisernen« Köpfe italienische Seeleute aus Venedig oder Lussin waren und die »hölzernen« italienische Seeleute, die aus Genua oder Ancona kamen. Zu Hause, schreibt er, habe man, als er klein war, die Kinder die Seeschlacht von Lissa nachspielen lassen, und er, der den ganzen Tag unermüdlich spielte, war der festen Meinung, dass diese Spiele – die im Gartenteich versenkten Schiffchen und die kleinen Pappmaché-Soldaten, die sich im Wasser auflösten – ihm die Augen geöffnet hätten für die Notwendigkeit, den Krieg aus der Welt zu schaffen.
8.
Man wird nicht zu viel Gewicht oder zu viel Raum den biographischen Daten des Autors beimessen müssen, hieß es in einer von ihm handgeschriebenen Notiz, die er ihr seinerzeit persönlich ausgehändigt hatte. Ich solle – hieß es darin weiter – konsequent und pflichtgetreu seine persönliche Karteikarte ausfüllen, ja vielleicht die von ihnen beiden. Denn wer dabei helfen wird, das Museum einzurichten, und der all diese Papiere ordnen und – das ist mir klar – zum Teil neu schreiben muss, um sie verständlicher zu machen, dem werden diese Dokumente, die mein Werk erklären und rühmen, auch, ja vor allem ihm gehören. Die Kriegskunst hat nicht bloß einen Autor. Auch wenn ich, ohne mir darauf etwas einbilden zu wollen, glaube, dass … – doch das hat keine Bedeutung. Ich fahre fort, diese konventionellen grammatikalischen Formen und sinnlosen Zeiten zu gebrauchen, die Gegenwart, die, kaum ist sie da, schon wieder nicht mehr da ist, und daher existiert sie nicht, und die Zukunft, die es nie gibt. Ich entschuldige mich, aber ich möchte niemanden in Schwierigkeiten bringen, am allerwenigsten Sie, Dottoressa Brooks, Sie, von der mir scheint, Sie hätten begriffen, was es bedeutet, für das Museum zu arbeiten.
Wenn man sich im Richtungswender befindet, existieren die grammatikalischen Zeiten nicht mehr, sie sind höchstens verbale Ticks, Füllwörter und Einschiebsel, um Atem zu holen, wenn einem nichts zu sagen einfällt. Im Anfang war das Wort, aber hier gibt es keinen Anfang und daher auch kein Wort. Diese Notizen über die Kindheit zum Beispiel, die bringen wir – die haben wir gebracht, die werden wir bringen, die bringen Sie, liebe Dottoressa – da und dort eingestreut. Auch weil sie kaum zählen. Im Museum müssen die Dinge zählen, Objekte, Helikopter, Köcher, Maschinengewehre, die auch nichts von grammatikalischen Zeiten wissen; er – das heißt ich – verstehe, dass ich Sympathie wecken kann, und das freut mich auch, aber hier geht es nicht um mich.
Vielmehr, Fräulein Doktor Brooks, habe ich noch einmal darüber nachgedacht. Ich bitte Sie, wenn es unbedingt notwendig ist, eine grammatikalische Person zu gebrauchen, dann gebrauchen Sie, da Sie sich noch nicht im Richtungswender befinden, immer und ohne zu zögern die erste Person Singular. Ich weiß, das ist unpassend, das habe ich Ihnen schon gesagt, aber in bestimmten Fällen – zumindest einstweilen, später wird es anders sein – kann man darauf nicht verzichten. Wenn ich sage, dass ich als Kind dauernd mit der kleinen Holzkanone schieße, dann schreiben Sie ruhig diesen Satz wortwörtlich ab, ohne sich darum zu kümmern, dass irgendjemand vielleicht nicht versteht, wer es ist, der schießt oder geschossen hat. Alle kleinen Kinder sagen »ich«, wenn sie von ihren Spielen erzählen, ja alle sagen »ich«, wenn sie reden. Ich ist jedermann, es ist der allgemeinste und unpersönlichste Vorname, und er dient nicht dazu, irgendjemanden zu bezeichnen. Daher kann man es ungescheut verwenden. Ansonsten denke ich mir – angesichts der Korrekturen, der Kritzeleien und Ausstreichungen, die, ich weiß, meine Blätter fast unleserlich machen –, dass Sie sie abschreiben, transkribieren, kurz: sie völlig neu schreiben, und damit werden Sie es sein, ja Sie sind es, die sie verfassen, und so sind es die Ihren.
9.
Als Kind liebte ich es, mit der kleinen Holzkanone zu schießen. Herrliche Schlachten im kleinen Gartenteich. Es ist schön zu treffen, umfallen zu lassen, noch schöner, ins Wasser fallen zu lassen. Schiffe und Menschen gehen unter, verschwinden; man sieht nichts mehr, nur noch das bezaubernde Wasser, auch das ein großer Sarg, noch einen Schuss, dann gehen wir heim, das soll die letzte Schlacht sein, der letzte Krieg, dann reicht es, doch den hier beenden wir noch. Sicher, der Krieg, die Freude am Zerstören, muss mit der Wurzel ausgerissen werden; abgehackt wird die Hand, die das Schwert ergreift oder die Kanone abschießt, danach heben wir sie auf und legen sie in einen Schaukasten des Museums. Es gibt bereits eine, das Skelett der Hand eines Ulanen, die das Ordonnanzschwert der Offiziere des Dritten Regiments umklammert – eine schöne verdorrte Hand, ein schönes Herbstblatt. Auch Leonardo – heißt es in der Notiz weiter –, dessen Büste den Innenhof des kleinen Palastes in Gradisca zierte, warum hatte er sich nicht darauf beschränkt, die durch die dichte Luft blauen Berge zu malen, sondern hatte für Gradisca diese genialen Konstruktionen erfunden, um die Stadt gegen die Türken zu verteidigen? Komplizierte Käfige aus Holz und Eisen, getarnt unter Wasser auf dem Grund des Isonzo, sodass, wenn die Türken, Fußsoldaten wie Reiter, den Fluss überquerten, diese riesigen Fallen zuschnappen und sie einsperren würden, Männer und Pferde und stampfende Läufe zwischen den Klingen und Schlingen, die große Kiste taucht wie ein Pranger aus der Strömung auf, ein riesiges Spielzeug, das lebende Beute enthält, Tiere, die gegen die Gitterstäbe schlagen. Der Isonzo hat die schönste Farbe der Welt: wassergrün, gerötet vom Blut, das aus diesem Käfig fließt, und von noch viel mehr Blut viele Jahre später. Von der Stadt her ist es inzwischen einfach, diese eingesperrten, ineinander verkeilten Körper mit Pfeilen zu beschießen.
Bravo, Leonardo, das Lächeln der Mona Lisa im Dienst des Todes, erhabene Heiterkeit des Tötens und des Tötenwollens. Auch ich, dachte Luisa, während sie diese Seite abschrieb und einordnete, wenn ich zum Angeln gehe, tu ich das Gleiche, egal ob im Fluss oder im nahen Meer; der von der Sonne und vom Widerschein des Wassers erhellte Himmel ist ein Licht, das einen glücklich macht, ein großes Lächeln. Der Fisch beißt an, der Angelhaken zerfetzt ihm die Kehle, der Fischer lächelt hochzufrieden. Im Grunde hatte er recht, das Leben ist Krieg, die Notizen sagen es klar und deutlich: »Das Einzige, was man tun kann, ist, alles in ein Museum zu schaffen, wo es keinen Krieg mehr gibt, weil es kein Leben mehr gibt. Ich, der ich schon mit fünf Jahren Wissenschaftler und mit neun Erfinder war, habe mir mit sechzehn phantastische und schreckliche Waffen konkret ausgedacht und entworfen, aber ich habe beschlossen, dass ich diese Modelle erst bekannt machen würde, wenn es keine Kriege mehr auf der Welt gäbe und diese Waffen ungefährlich und unnütz geworden wären. Man muss das Leben – alles Leben, jedes Ding – unnütz, unbrauchbar machen. Der Gebrauchswert ist auf irgendeine Weise immer mit Mord verbunden. Den Speeren die Spitze abbrechen, die Gewehre verrosten lassen, die Schneiden der Klingen stumpf machen, auf dass das immer so scharf geschliffene Leben nicht mehr schneidet.«
10.
Es wäre besser gewesen, nicht sofort den kompletten Lebenslauf auf einmal darzustellen, sondern ihn fortlaufend auf die einzelnen Säle des Museums zu verteilen: Kindheit, Jugend, Krieg, Nachkrieg und Tod – obwohl er an letzteren nicht glaubte, ihn für einen logisch-linguistischen Irrtum hielt, wie es aus seinem UDW hervorging. Oder aber vielleicht sofort in medias res zu gehen, wie es sich für ein Epos eignet, bei dem man, so alles gutgeht, den Anfang gerade halbwegs kennt, wenn man sich dem Ende nähert. So wie übrigens auch im Leben, und nicht nur, wenn du nach Jahren zufällig erfährst, was dir beispielsweise dein Mann angetan hat. Das könnte sich auch nicht ereignen, zum Beispiel wenn er dir gar nichts angetan oder aber es dir gleich erzählt hätte, sozusagen zeitgleich, was womöglich noch schlimmer wäre.
Aber es liegt an dir, dass du alles hinterher erfährst: wie du als Kind warst in einer Zeit, an die du dich nicht erinnern kannst; wie sich deine Eltern kennengelernt haben; wie das Ghetto zerstört wurde, als deine Großeltern noch nicht auf der Welt waren und vielleicht noch nicht einmal die Urgroßeltern. Auch das Museum sollte ein Mischmasch aus Vorher und Nachher sein, wie die Dinge, die es zeigt und erzählt. Doch es wäre schön, man könnte stattdessen mit dem Anfang beginnen, wie die Thora. Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Am Anfang oder wenigstens fast, denn es scheint, es habe bereits Tohu und Bohu gegeben, das Chaos und die Leere, die fehlen nie und die hindern dich daran, irgendeine Sache und irgendeine Geschichte wirklich anzufangen. Aber mit ihm zum Beispiel konnte man beginnen, auch gegen seinen Willen, wenn auch nicht mit der Geburt – oder strenggenommen neun Monate vorher, wenn genau seine Geschichte beginnt –, so doch mit der Kindheit, der Jugend, wovon, wenn auch nur oberflächlich und in groben Zügen seine Notizbücher erzählen.
11.
Es waren die Zinnsoldaten, die mich begreifen ließen, dass man den Krieg abschaffen muss, und dass das einzig und allein dadurch gelingen kann, dass man Krieg spielt. Spielen, um ihn nicht zu führen. Spielsoldaten gegen echte Soldaten. Die schönsten verkaufte Sior Popel, als wir bereits nach Triest gezogen waren. Eine Abteilung schwarzer preußischer Husaren mit den Uniformschnüren; eine großartige Arbeit: originalgetreue goldene Schnallen auf den schwarzen Jacken und dem Kolpak und Säbel, genau wie in echt. Vielleicht war er es selbst gewesen, der sie mir geschenkt hatte, als wir einmal in sein Geschäft gegangen sind, genau weiß ich das nicht mehr. Meine Mutter schenkte meinem Vater oft etwas, mir aber nur selten. Doch Sior Popel schenkte jedem etwas. »Glaubst du vielleicht, ich bin der Popel?«, sagte man in Triest, wenn jemand etwas Unmögliches verlangte. La Rena xe iluminada / sior Popel / Sior Popel passava / e i muli, i muli zigava: / no gavemo, sior Popel, paiòn. (Die Altstadt ist erleuchtet / der Herr Popel /der Herr Popel / ging vorbei / und die Kinder, die Kinder riefen / Herr Popel, Herr Popel, wir haben kein Geld.)
Sior Popel gab alles, was er konnte, an alle. Wenn er mit seinem langen weißen Bart durch die Altstadt kam, schenkte er uns Kindern Obst und Süßigkeiten; sogar Spielzeug in seinem Geschäft, wo seine Frau, immer mit einem Hut auf dem Kopf, auch Garn zum Sticken verkaufte. Sein Geschäft lag am Corso, aber er kam in die Altstadt, vor allem um den Kindern im Armenhaus etwas zu bringen und den Hungrigen an der Tafel in der Triumphgasse ein Mittagessen zu spendieren. Mir hat er einmal einen Bogen geschenkt: »Der ist von den Indianern«, sagte er, »von denen, die in den Wäldern am Amazonas leben, wo die Hitze und der Nebel und die Feuchtigkeit es immer Abend sein lassen.«
Warum war er nicht mein Vater oder wenigstens mein Großvater? »Gut essen und gut essen lassen«, pflegte er zu sagen. »Tu nichts Böses und hab keine Angst.« Sein Laden – ein Theater, eine Welt: Zinnsoldaten, Stoffelefanten, lustige oder in sich versunkene Puppen, Pressluftgewehre, Koppeln, Säbel aus Holz oder Gummi, Kanonen, die weiche Stoffbälle von der Größe eines Hühnereis schossen, ohne wehzutun. Hier waren die Waffen freundlich, poliert, glatt. Krieg spielen, um keinen Krieg zu führen … und dennoch später – auch diese Puppe … Die Augen, ich erinnere mich an die Augen. Nicht die üblichen wässrigen blauen Augen, über die sich die rosafarbenen Lider schließen. Gelbgrüne Glasaugen wie die eines ausgestopften Uhus. Katzenaugen. Sie leuchteten auf, wenn das Licht auf sie fiel, funkelten im Dunkeln rätselhaft und grausam. Meine Mutter hatte sie mir geschenkt, sie schenkte mir immer Spielsachen für kleine Mädchen, sie hatte mir auch die Haare lang wachsen lassen; es gibt ein Foto, auf dem man nicht erkennt, wer ich bin und wer meine Cousine.
Mir machte es Spaß, diese Puppe vor einem Licht hin- und herzuschaukeln; die Augen, wenn sie nach oben schauten, leuchteten auf wie Goldmünzen im Feuer, und wenn ich den Kopf der Puppe senkte, verschwanden sie glanzlos im Dunkeln. Es machte mir Spaß, die Puppe in die Mitte zu setzen und die schwarzen Husaren um sie herum: um sie zu beschützen, um sie zu verehren, um ihr zu gehorchen. Sie, so viel größer als die andern, eine Mutter, die dich mitsamt deinem Gewehr in den Arm nehmen kann, oder auch dich im Bauch tragen und herausziehen, wann immer sie will, und sei es, um dir den Hintern zu versohlen. Aber die Puppe machte das nie, trotz ihrer großen Patschhände. Sie war freundlich; gütige, sanfte goldgrüne Augen, und mir machte es Freude, ihr, zusammen mit den kleinen Husaren, zu gehorchen. Soldaten gehorchen gern, es ist ihr Beruf. Hin und wieder nahm ich den Kommandanten, einen Major, wie man an den Streifen seiner Schulterstücke erkannte; ich setzte ihn unter ihren rosafarbenen, wenngleich auch ein wenig schwarzen und schmutzigen Fuß, da ich sie barfuß über die feuchte Erde des kleinen Gartens laufen ließ, und er küsste ihre Fußsohle; wer weiß, ob sein Schnauzbart sie nicht stach oder kitzelte, vielleicht gefiel ihr das, und es gefiel auch mir. Der Kommandant war in Wirklichkeit ich und dieser Husar nur mein Stellvertreter. Ich fühlte mich so wohl, auf dem Boden sitzend wie sie; mir gefiel auch ihre hochmütige Gleichgültigkeit. Als ich versuchte, ihren Kopf zu neigen und zu mir zu drehen, wandte sie den Blick ab, die Augen schnellten weg und sahen anderswohin. Aber das war auch in Ordnung.
Später, ich weiß nicht, warum, haben sich die Dinge geändert. Jene verschlafenen Husaren, die nicht einmal etwas von dem Ruhm und dem Glück wahrnahmen, ihr zu dienen, musste ich mit Fußtritten zum Marschieren bewegen, und auch mit ihr ist irgendwas zerbrochen. Sie beachtete mich nicht mehr, wenn ich sie in den Arm nahm oder unter die Soldaten setzte; sie schaute immer anderswohin. Ja, wenn sie grausam gewesen wäre, ein Biss von diesem stets halb geschlossenen Mund wäre besser gewesen als ein Kuss. Sie ignorierte mich einfach, und daraufhin habe ich die Husaren in den Krieg geschickt, wo sie hingehören, und kein Gedanke mehr an irgendeine Puppe. Doch wieso waren sie am Anfang so nett gewesen, die Husaren und auch sie? Vielleicht war es das Verdienst des Sior Popel, dieses Ladens, wo alles durchdrungen war von Güte und Zärtlichkeit.
Wenn ich diesen Laden gehabt hätte, bräuchte ich mein Museum nicht. Dort konnte man hineingehen, die Dinge anfassen, auch eine Stoffkugel in das Gesicht eines Plüschbären feuern, der keine Miene verzog; Popel hatte seinen Spaß daran, die Kinder spielen zu lassen. Bei ihm gab es alles; an Weihnachten Tannenbäume mit Glaskugeln aus Nürnberg, in denen sich Lichter und Schatten spiegelten, und unter dem Christbaum eine große Krippe mit vielen Hirten und vielen heiligen Königen – drei sind zu wenig, pflegte er zu sagen und fügte noch ein paar auf Kamelen reitende Mohren-Kaspars hinzu. Dann nahm er die schwarzen Husaren: Lassen wir sie auch mitgehen, damit sie lernen, brav zu werden, und dass der Krieg ein Spiel ist, wenn nicht, dann ist er eine Dummheit.
Wenn sich Sior Popel mit dem Christbaum beschäftigte, verhedderte sich sein dichter weißer Bart in den Zweigen, ein Schnee, ein guter, weicher, warmer Schnee – mir würde es gefallen, mich unter einem solchen Schnee zu befinden. Popel hatte alles und konnte jedes kaputte Spielzeug reparieren; er befestigte einen Kopf neu, klebte ein Bein wieder an … Wenn es möglich gewesen wäre, diese Puppe, als sie kaputtging, zu reparieren – den herausgebrochenen rosa Arm wieder anzuschrauben, die beiden Glasknöpfe in den Augenhöhlen wieder genau zu justieren … Sior Popel wäre sicher dazu imstande gewesen, er war ein Zauberer. Aber ohne ihn … »Glaubst du vielleicht, wir sind der Popel?« Es war immer Weihnachten bei diesem gütigen Deutschen. Stille Nacht, heilige Nacht – auch Poldo, mein Hund, sprang auf meinen Arm, leckte mir das Gesicht und schloss glücklich die Augen, und Sior Popel gab ihm ein Stück von dem Schinken, den er auf einer Konsole aufbewahrte. Ich pflegte die Puppe und die schwarzen Husaren zu betrachten, als sie noch da waren. Es wäre besser gewesen, wenn sie da geblieben wären; Sior Popel schaute auch mich an, manchmal ein bisschen verloren, wie ich …
Es ist so seltsam, dass er nicht mehr da sein soll, man meinte, er müsse immer dort stehen, wie ein Baum, wie der Wald von Kähnen, die unweit davon auf dem Meer schwankten. Oh Rena Vecia / i camini no fuma più! / Xe morto sior Popel, / paneti no’l porta più! (O Altstadt / die Kamine rauchen nicht mehr / der Herr Popel ist gestorben / Kuchen und Süßigkeiten bringt er nicht mehr.) Auch die beiden Glasknöpfe im Gesicht der Puppe waren erloschen und matt geworden im Dämmerlicht des Hauses. Manchmal erschienen sie mir leer, wie später die der mumifizierten Katze im Untergrund der Altstadt. Und so habe ich die Husaren nicht mehr zu einer schönen und friedlichen Parade aufgestellt, sondern sie in einem Bötchen auf den kleinen Teich gesetzt, oder woandershin; ich trieb sie an, aufeinander zu schießen und ins Wasser zu fallen, und es war auch egal, wenn ich es war, der sie traf, wie im Übrigen auch im Krieg. Aber ich war nicht traurig.
12.
Als die Familie nach Triest umzog, schrieb er sich am Istituto Nautico ein – »obwohl ich das Meer verabscheute«. Als Schüler scheint er nicht viel getaugt zu haben; eine Arbeit über den Schiffsverkehr des Hafens von Triest war zwar als gut geschrieben beurteilt worden – ein schönes Italienisch, hatte die LehrerinVenassi gesagt –, aber am Thema vorbei, da fast ausschließlich auf die Seetransporte von Militärmaterial beschränkt, Transporte, die es fast nicht gebe. Man versteht, dass das Gespräch zwischen seiner Mutter und der Lehrerin für ihn zu Hause Konsequenzen haben musste, die er im Übrigen selbst billigte, schon damals, auf der Schulbank, ein Befürworter »gesunder autoritärer Grundsätze«.
Er verabscheute das Meer … gar nicht merkwürdig, dachte Luisa; die Phobien, die Obsessionen und die Manien haben Angst vor der großen Freiheit des Meeres, welche die Albträume löst und läutert. Der Gefangene leert mit seinem Blechnapf das Wasser, das in seine Zelle dringt, er weiß, dass diese mächtige Welle kommt, um seine Gitter fortzuspülen, doch er hat Angst vor den riesigen Wassermassen des Ozeans – jenes stets stürmischen Ozeans, der die Welt ist. Er klammert sich an die Gitterstäbe; die Kiemen der Freiheit sind atrophiert, wenn man sich den Wellen überlässt, ertrinkt man. Und so errichtet der Gefangene Barrikaden gegen den schrecklichen Befreier: Deiche aus Papier, Notizen, Gegenständen, Mauerstücken, Gerippen, Scherben. Sämtliche Öffnungen verstopfen, durch welche die große Freiheit eindringen könnte; Meer und Wind, die vierzig brüllenden Winde des Ozeans, zu stark für die armen, verkümmerten Lungen. Doch als Kind hatte er unbedingt dieses kleine Boot haben wollen … Wer weiß, fragte sich Luisa, während sie in diesen Papieren blätterte, ob nicht auch er an Migräne gelitten hat wie meine Mutter. Meine Mutter hat das Meer so geliebt, und als sie es nicht mehr geliebt hat, nicht mehr hat lieben können, nach dem, was ihr passiert war, nach dieser vernichtenden Entdeckung, hat sie angefangen, an Migräne zu leiden. Ich erinnere mich, wie es war, wenn die sie plötzlich überfiel, sie schien ihr die Schläfen wie in einem Schraubstock zusammenzupressen: ein kleines, zartes, verängstigtes Kaninchen zwischen den Zähnen eines Steinmarders.
Ins Meer, auch in das tiefe und schwarze – blauschwarze, auch die bezauberndsten weiblichen Haare sind jene, die so schwarz sind, dass sie blau zu sein scheinen, wie die Ihren, Dottoressa, die man in unserer Gegend ziemlich selten sieht –, ins Meer, sagte ich, kann man nur hinabsteigen zwischen den Eisenwänden eines U-Boots, die diesen großen dunklen Wassern den Weg versperren. Im Meer geht es einem nur gut, wenn man nicht im Meer ist, unter Wasser, aber nicht im Wasser; vielleicht im Bauch eines großen Fisches wie Jonas oder Pinocchio. Zumindest solange nicht ein Angelhaken den Fisch an der Gurgel packt und das vom Torpedo getroffene Unterseeboot explodiert. Der in Stücke gerissene Walfisch ist Beute mit all dem, was er in seinem Bauch hat, Schwärme von großen und kleinen Fischen, die sich auf ihn stürzen und ihn einhüllen in einer glitzernden Wolke.
13.
(In der Mitte der Vorhalle; an der hinteren Wand der Bildschirm mit seinem Porträt, während die Stimme in Intervallen wiederholt: »Gebrauchte Unterseeboote. An- und Verkauf«.)
U-Boot 20 der österreichisch-ungarischen Marine, Erster Weltkrieg (offensichtlich war es ihm gelungen, es zu kaufen oder sich schenken zu lassen; jedenfalls gebraucht, wie es der Riss an der Seite erkennen lässt), getroffen auf offenem Meer vor Venedig in nicht sehr tiefem Wasser, unweit der Lagune von Grado.
Lang, ein eleganter, gepanzerter Einbaum. Zwei Diesel- und zwei Elektromotoren, eine 88-mm-Kanone, ein leichtes Maschinengewehr Kaliber 14 mm und zwei Torpedorohre an der Frontseite. Die Ausrüstung des Todes ist oft lang, schlank, spitz. Speere, Schwerter, aufgesetzte Bajonette; Gewehrläufe, Kanonenrohre – die sind zwar rund, aber langgestreckt –, Raketen. Die Bomben allerdings, die sind eher bauchig. Wie der Tod, der keineswegs dürr ist, sondern fett, und das ist nicht verwunderlich bei seiner Gefräßigkeit. Der Torpedo hat vielleicht die ideale Form: gleichzeitig gerade und rund.
Ein Riss an der Seite, ein Pottwal zwischen den Fangarmen einer Riesenkrabbe. Es macht Spaß, in einem Unterseeboot unterzutauchen; genaugenommen einem Unterwasserschiff, das zwar auch unter Wasser fahren kann, doch vor allem an der Oberfläche fährt, während das eigentliche U-Boot, das höchstentwickelte Stadium – vorbei ist das Zeitalter der Evolution der Arten, jetzt ist die Reihe an der Evolution der Maschinen – konstruiert wurde, um vornehmlich in der Tiefe zu fahren.
Ein Video leuchtet auf, man steigt in ein Aquarium hinunter, vom Bauch des U-Boots aus erscheint das Wasser ruhig – abgesehen von den Torpedos und Minen, aber das ist das Leben, das immer für eine Überraschung gut ist. Manchmal freilich auch für eine böse Überraschung. Man sinkt; draußen im Wasser werden die Farben blasser – wie es der Leutnant zur See Ivo Saganić, zugeteilt dem U-Boot 20 Kaiser Joseph, schon einmal gesehen hatte, als er mit einer Taucherausrüstung in die Tiefe getaucht war: immer dünnere Streifen, das Blau verblasst vor dem Violett. Schade, dass die militärischen U-Boote kein Bullauge haben. Geschmeidige, zaghafte Medusen wogen vor der transparenten Sichtscheibe des Taucherhelms, das Auge, getäuscht von irgendeinem Defekt des Glaskörpers, sieht Fliegen über die Linse krabbeln. Das Auge sieht das, was das Gehirn ihm zu sehen befiehlt, auch wenn es nicht da ist. Viele haben den Kraken gesehen, den riesigen Polypen der Abgründe, den es gar nicht gibt. Man sinkt tiefer, nach und nach verlöschen die verschiedenfarbigen Lichtstrahlen, zuerst die roten, dann die orangefarbenen, die gelben, die grünen, zuletzt die violetten und die ultravioletten. In zehn Meter Tiefe ist es bereits Nacht.