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Wieder einmal sind die beiden Thüringer Jens und Kathrin zu Fuß unterwegs. Sie beginnen an der eigenen Haustür und folgen dem Jakobsweg bis nach Südfrankreich, von wo aus Santiago de Compostela noch etwa 1.500 Kilometer entfernt ist. Von dort aus machen sie einen Abstecher durch die Cévennen und landen somit in einer der wildesten Gegenden Europas. Die Wege scheinen nur aus An- und Abstiegen zu bestehen und wochenlang sind sie umgeben von mächtigen Hügelketten. Abenteuerliche und nicht vorhersehbare Geschehnisse lassen Situationen entstehen, in denen sie an alle nur möglichen Grenzen gelangen und sogar in Gefahr geraten. Der Stevensonweg im Süden Frankreichs ist in dem Sinne kein Pilgerweg, überbrückt jedoch einen Teil zwischen den beiden Hauptrouten des Jakobsweges, Via Podiensis und Via Tolosana. Im Jahre 1878, als das Wandern noch etwas Außergewöhnliches war, erkundete der Schriftsteller Robert Louis Stevenson zu Fuß und in Begleitung einer Eselin die Cévennen. Nach ihm ist der Weg benannt.
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Seitenzahl: 127
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Dieses Buch beruht ausschließlich auf wahren Begebenheiten und ist nicht als Wegbeschreibung gedacht. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte wurden einige Namen geändert. Alle Fotos einschließlich Titelfoto sind privat.
Unser Wegeverlauf
Wie alles begann …
Vorwort
Anreise
Tag – Ruhetag in Le Puy en Velay
Tag Le Puy en Velay – Le Monastier sur Gazeille 19 km (20)
Tag Le Monastier sur Gazeille – Landos 23 km
Tag Landos – Brugeyrolles 22 km
Tag Brugeyrolles – Notre-Dame-des-Neiges 23 km
Tag Notre-Dame-des-Neiges – Les Alpiers 30 km
Tag Les Alpiers – Le Pont-de-Montvert 20 km
Tag Le Pont-de-Montvert – Gare de Cassagnas 18 km
Tag Gare de Cassagnas – Saint-Étienne-Vallée-Francaise 28 km
Tag Saint-Étienne-Vallée-Francaise – Mialet 26 km
Tag Ruhetag in Mialet
Tag Mialet – Alès 20 km
Tag Alès – Ners 18 km
Tag Ners – Russan/Vic 25 km(28)
Tag Vic – Pont du Gard 24 km
Pont du Gard – Tarascon 21 km
Tag Ruhetag in Tarascon und Avignon
Tag Tarascon – Arles 26 km
Tag Ruhetag in Arles
Tag Abreise über Marseille, Lyon und Nürnberg
Nachwort
Begriffserklärungen
Kleines französisches – deutsches Wörterbuch
Dank
Im Angedenken an den berühmten schottischen SchriftstellerRobert Louis Stevenson(1850 – 1894)
Jens und Kathrin sind jenseits der vierzig und stehen mitten im Leben, als sie ihre Liebe zum Pilgern entdecken. Angefangen mit einem Probepilgertag in ihrer Heimat Thüringen sind sie schnell vom »Pilgervirus« befallen. Sie laufen durch Süddeutschland, die Schweiz und erreichen schließlich die bezaubernde Pilgerhochburg Le Puy en Velay in Südfrankreich. Ihre Reisen sind geprägt von chaotischen sowie lustigen Begebenheiten. Fußprobleme, Verlaufen und das »an die eigenen Grenzen stoßen« gehören zum Pilgeralltag. Sie werden gelassener mit der Zeit und können auch meist über sich selbst lachen.
Der Tag ist gekommen, an dem die Reise weiter geht.
September 1878 …
Der schottische Schriftsteller Robert Louis Stevenson, bekannt durch »Die Schatzinsel«, durchquerte im Jahre 1878 gemeinsam mit seiner Eselin Modestine in zwölf Tagen die Cévennen, ein gewaltiges Gebirge in Südfrankreich. Gemeinsam starteten sie am 22.September in Le Monastier-sur-Gazeille und erreichten am 3.Oktober Saint-Jean-du-Gard. Seine Gedanken und Erlebnisse hielt er während seiner Reise schriftlich fest, woraufhin ein Jahr später sein Buch mit dem Titel »Reise mit dem Esel durch die Cévennen« erschien.
September 2015 …
Genau ein Jahr zuvor kamen wir in der wunderschönen Stadt und Pilgerhochburg Le Puy en Velay an. Die Zeit verging recht schnell und lange noch zehrten wir von den Erlebnissen der letzten Pilgerreise. Mit aller Gewalt zog eine unbekannte Macht uns immer wieder zurück auf den Weg.
Beeindruckt von Stevensons liebevoll verfasstem Reisebericht, wollten auch wir den Zauber der Cévennen nachempfinden und machten uns auf, das wilde und schöne Gebirge mitten im Zentralmassiv zu erkunden. Das hieß, auf stillen Pfaden zu wandern, vielfältigste, faszinierende Landschaftsstriche zu durchqueren und den höchsten Berg der Cévennen zu besteigen. Wir würden eintauchen in eine geschichtsträchtige Vergangenheit.
Was für eine Reise!
Robert-Louis-Stevenson schrieb:
Die Reise, welche dieses Buch beschreiben soll, war sehr angenehm und erfolgreich für mich. Nach einem etwas tölpelhaften Anfang hatte ich bis zum Schluss eine Menge Glück. Aber wir sind alle Wanderer in der Wildnis dieser Welt – ja auch alle Wanderer mit einem Esel, und das Beste, was wir auf unseren Reisen finden können, ist ein wahrer Freund.
Der Kopf des Mannes neben mir bewegte sich bedrohlich in meine Richtung. Seine Augen waren geschlossen, das schüttere Haar hing ihm in die Stirn und aus dem halb geöffneten Mund drangen rhythmisch rasselnde Geräusche. Links von mir saß Jens, auf dessen Gesicht ich ein verhaltenes Grinsen entdecken konnte.
Unsere erste Fernbusfahrt verlief nicht ganz nach unseren Vorstellungen. Der Bus war fast voll und wir saßen auf den Mittelplätzen der letzten Reihe, während einzelne Personen hingegen zwei Sitze für sich alleine vereinnahmt hatten.
Nach drei Stunden Fahrt erreichten wir Frankfurt am Main. Ein großer Teil der Fahrgäste stieg aus und wir beide, wie auch einige andere, nahmen frei gewordene Plätze im vorderen Bereich des Busses ein.
»Endlich!«, sagte ich. »Nun kommen wir auch mal bisschen zur Ruhe.«
Jens sah sich in alle Richtungen um. »Hier riecht’s irgendwie komisch!«, stellte er fest.
Der säuerliche Geruch wurde allmählich schwächer, dafür aber zog sich am Boden zwischen unseren Füßen die Lache einer milchigen, undefinierbaren Flüssigkeit unter den Sitzen hindurch. Das war ja eklig! Wo kam denn das her? Etwa aus der ersten Reihe von der Frau, die sich ständig die Lippen nachzog? Oder von dem Dauerhuster vor uns?
Nun gut, dann war es halt so! Nicht zu ändern!
Alles ignorierend, bereiteten auch wir uns auf die Nachtruhe vor, denn erst am Morgen des nächsten Tages würden wir Lyon erreichen. Die winzig kleine Toilette war dauerbesetzt und so nach und nach wurden die Lampen über den Sitzen gelöscht. Ruhe kehrte ein, untermalt von leisem Geflüster und Schnarchgeräuschen. Es war schon fast dreiundzwanzig Uhr, als schräg hinter unseren Plätzen noch immer eine Lampe brannte, deren greller Schein unsere Köpfe beleuchtete. Wir drehten uns zeitgleich um und starrten in das Gesicht eines Mannes, der seelenruhig in seinem Buch las. Sekundenlang! Nichts geschah.
»Entschuldigung …«, sagte ich, eine Reaktion erhoffend. Nichts tat sich! Etwas lauter wiederholte ich: «Entschuldigung!!!«
War er taub? »Entschuldigung junger Mann!!! Ihre Lampe blendet, wir würden gerne schlafen.«
Ohne sich stören zu lassen, starrte der Mann unbeirrt in sein Buch. Am liebsten hätte ich ihn kräftig gerüttelt.
Mehrmals noch während dieser Nacht hielt der Bus zum Ein- und Aussteigen an. Und jedes Mal wurden wir aus unruhigem Schlaf gerissen.
Samstag früh sieben Uhr erreichten wir Lyon. Der riesige Bahnhof war trotz seiner Größe recht übersichtlich. Da wir nach etlichen Versuchen partout mit dem Ticketautomaten nicht zurechtkamen, begaben wir uns zum Fahrkartenschalter, wo ein netter Mitarbeiter uns sehr zuvorkommend bediente und geduldig alles erklärte. An einem Imbiss erstanden wir Kaffee, zogen uns in eine Wartenische zurück und verspeisten genüsslich die breitgedrückten Quarktaschen vom Vortag.
Mit dem Zug fuhren wir bis Firminy und von dort aus nach Le Puy en Velay. Nur noch ein paar Minuten, bis wir unser Ziel erreicht haben würden. Wir waren ganz aufgeregt und freuten uns unheimlich auf diese Stadt, in die wir uns bereits ein Jahr zuvor auf Anhieb verliebt hatten.
Kurz vor Mittag kamen wir an. Überglücklich verließen wir den Zug und gingen in die Richtung des Hotels Saint-Jaques, in welchem wir damals auch übernachtet hatten. Leider war kein Zimmer frei, doch die Inhaberin war sehr freundlich und vermittelte uns an das Nachbarhotel Dyke. Dort fragte die Dame als Erstes, ob wir Internet benötigen. Übereifrig antwortete ich: »Merci, je ne cherche pas …«, was bei ihr einen verwirrten Gesichtsausdruck hervorrief.
»Das geht ja gut los!«, sagte Jens grinsend zu mir. »Du hast ihr gerade gesagt, dass du nicht suchst.«
Oh, ich hatte in meinem Eifer die Vokabeln verwechselt.
Wir betraten das Zimmer, legten unser Gepäck ab und verließen das Hotel, um von Neuem Le Puy en Velay, diese großartige Stadt, zu erobern.
Mit Wörterbüchern bewaffnet, betraten wir die Touristinformation am Place du Clauzel, um die ersten beiden Übernachtungen auf dem Weg zu organisieren. Unsere Französischkenntnisse waren zwar nicht so ergiebig, wie sich herausstellte, doch verließen wir eine halbe Stunde später fröhlich und erfolgreich das Office du Tourisme. Es war schon spät, als wir ins Hotel zurückkehrten und unsere Ankunft mit einer Flasche Sommelier feierten, wie bereits ein Jahr zuvor.
Natürlich hatten wir uns noch keinen Ruhetag verdient, wollten aber diese Stadt nicht verlassen, ohne noch einmal alles gesehen zu haben, denn wer weiß, wann wir das nächste Mal hier sein durften.
Wir gingen schmale, krumme Gässchen entlang, passierten mehrere Plätze und standen abermals bewundernd vor dem Basaltfelsen mit der kleinen Kapelle Chapelle Saint-Michel-d’Aiguilhe ganz oben auf der Spitze. Andächtig durchschritten wir die Kathedrale, um schließlich erschöpft auf deren Treppenstufen au szuruhen. Wir erfreuten uns an Bekanntem und entdeckten Neues.
Auch wollten wir endlich mal die für Le Puy berühmten, grünen Linsen probieren und kehrten in ein Restaurant ein, auf dessen Terasse wir den letzten freien Tisch ergatterten. Während wir auf das Essen warteten, beobachteten wir das bunte Treiben. Viele Menschen zogen durch die Straßen, die Cafés waren voll besetzt und vor einigen Geschäften saßen wieder die Spitzenklöppler, die beschaulich und konzentriert ihrer Arbeit nachgingen.
Wir bekamen eine Art Linsensalat mit Baguette serviert und waren etwas enttäuscht, dass es kein warmes Gericht war. Selbst schuld irgendwie, denn wir konnten im Vorfeld die Angebote der Speisekarte nicht richtig übersetzen. Letztendlich hatte es trotzdem geschmeckt und gesättigt kehrten wir in die Kathedrale zurück, um feierlich einen Zettel in das dafür vorgesehene kleine Kästchen zu werfen. Dies ist für Pilger gedacht, welche sich von Le Puy aus auf den Weg machen. Sie schreiben ihre Wünsche und Bitten nieder, in der Hoffnung, dass diese sich erfüllen.
Als Abschluss liefen wir ein paar Kilometer aus der Stadt hinaus, um den Weg für den nächsten Tag ausfindig zu machen. Wir waren im Pilgerfieber und wollten endlich los.
Das Frühstück im Dyke war reichhaltig und der Wirt, mit dem wir in französischem Kauderwelsch herumalberten, sehr lustig. Nachdem dieser uns mit allen guten Wünschen für den Weg verabschiedet hatte, verließen wir bei herrlichstem Sonnenschein das Hotel und Le Puy en Velay.
Ein letzter Blick zurück …
Adieu Du zauberhafte, einzigartige Stadt!
Es ging stetig bergauf und schon bald versperrte ein Schild den Weg. Darauf stand »Route Barree«, was bedeutete, dass der Wanderweg unbegehbar war. Das fing ja gut an!
Jedoch war die Ersatzroute ordentlich ausgeschildert, wir verliefen uns nicht und kamen zügig voran. Uns begegneten sehr viele Menschen, die scheinbar auf Tageswanderungen unterwegs waren oder einfach nur spazieren gingen. Wir waren beide voller Energie, Tatendrang und Vorfreude auf alles Neue und wir ahnten nicht, was uns noch so erwarten würde.
Der Stevensonweg, auch genannt GR 70, führt quer durch die Cévennen, eine Gebirgsregion in Südfrankreich und ist in dem Sinne kein Pilgerweg.
Fast richtungsgleich verläuft der historische Régordaneweg von Le Puy en Velay bis Saint-Gilles-du-Gard. Er verbindet die Pilgerrouten Via Podiensis und Via Tolosana und wurde 2007 als Weitwanderweg GR 700 eröffnet.
Beide Wege kreuzen sich einige Male, was wir zum Anlass nahmen, ab und an den Stevensonweg zu verlassen, um ein Stück den Régordaneweg entlangzulaufen. Auf diese Art und Weise konnten wir hin und wieder ein paar Kilometer einsparen und würden es hoffentlich schaffen, rechtzeitig Arles zu erreichen. Denn wir hatten inklusive An- und Abreise drei Wochen zur Verfügung und der Fernbus von Marseille in Richtung Heimat war bereits gebucht.
Stetig ging es bergauf und wir konnten uns nicht satt sehen an der wunderbaren Landschaft. Bereits am Vormittag war es so heiß, dass unsere Trinkvorräte recht bald aufgebraucht waren. Nach etwa zwei Stunden stiegen wir hinab in das Dorf Coubon, an dessen Ortseingang eine Trinkwasserstelle existieren sollte. Und tatsächlich war es so!
Übermütig bespritzten wir uns gegenseitig, schlürften das Wasser aus den Händen und befüllten unsere Flaschen. Dabei merkten wir gar nicht, dass hinter uns jemand stand.
Le Puy en Velay
Beschwingt unterwegs
Ein kleiner Mann mittleren Alters mit verkniffenem Gesichtsausdruck schien uns schon längere Zeit zu beobachten und räusperte sich wiederholt. Was er vor sich hin murmelte, verstanden wir nicht, jedoch in Bezug auf die gerunzelte Stirn war es wohl auch besser so.
Wir überschritten die Loire, querten den Ort und kamen leichtfüßig voran. Auf einer riesigen Wiese mit weitem Blick ins Tal hinunter legten wir schließlich eine Pause ein. Wir saßen auf unseren Isomatten, rissen Schuhe und Strümpfe von den Füßen und sahen, überwältigt von der Landschaft, verträumt in die Ferne. Um uns herum blühten unzählige Herbstzeitlose, deren zartes Lila sich vom kräftigen Grün der Wiese deutlich abhob. Wir ließen uns das frisch gezapfte, noch herrlich kühle Wasser munden, verspeisten einen Teil der Vorräte und erlagen dem stillen Zauber des Augenblickes.
Am frühen Nachmittag erreichten wir Le Monastier-sur-Gazeille. Gleich am Ortseingang links fanden wir einen Supermarkt, die einzige Einkaufsmöglichkeit dieses Tages. In der Mitte des Ortes auf der Place de la Poste, also dem Postplatz, steht ein Gedenkstein zu Ehren von Robert Louis Stevenson, der hier einst seine Reise in die Cévennen begann. Ein bedeutender Ausgangspunkt, der jedoch leider recht unscheinbar und somit leicht zu übersehen war.
Die Gemeinde Le Monastier-sur-Gazeille befindet sich in Südfrankreich an der Gazeille, einem Nebenfluss der Loire.
Hier verbrachte im Jahre 1878 der Schriftsteller Robert Louis Stevenson einige Wochen, bevor er am 22.September unter den ungläubigen Blicken der Einheimischen zu seiner Reise durch die Cévennen aufbrach. Seinem Vorhaben begegnete man mit viel Unverständnis, da Wandern als Freizeitbeschäftigung damals wenig verbreitet, ja teils sogar verpönt war.
Der Campingplatz, etwas außerhalb des Ortes liegend, wirkte sehr weitläufig. Die wenigen Zelte auf dem riesigen Areal wiesen darauf hin, dass die Hauptsaison fast schon vorbei war. Da der Stevensonweg recht einsam sein sollte und die Unterkünfte rar waren, hatten wir beschlossen, ein Zelt mitzunehmen.
Schon während des Aufbauens hüpfte ein kleiner Vogel unruhig und laut schimpfend von Ast zu Ast und beobachtete aufgeregt unsere Aktivitäten. Als wir dann warm angezogen beim Abendbrot saßen, raschelte es in der Hecke hinter uns und in kurzen Abständen ertönte ein kräftiges »tick-tick-tick«, was sich ständig wiederholte. Erst als wir unser Brot mit ihm teilten, saß das kleine Rotkehlchen zufrieden etwa nur einen Meter entfernt im Gras und wirkte ganz und gar nicht mehr so scheu. Schon bald brach die Dämmerung herein und wir zogen uns in das Zelt zurück.
Die Nacht war unerwartet kalt, die Schlafsäcke viel zu dünn und wir total durchgefroren. Immer wieder wurden wir wach und zogen so nach und nach alle Kleidungsstücke an, die wir mit uns führten. Doch trotz Müdigkeit und Kälte waren wir voller Erwartungen und Vorfreude.
Die Rezeption des Campingplatzes war mit einer Art Gaststätte ausgestattet, in der wir uns bei heißem Kaffee aufwärmen konnten. Und wir kamen aus dem Staunen nicht heraus.
»Wo kommen die bloß alle auf einmal her?«
» … und ich dachte, wir wären ganz alleine unterwegs!«, staunte auch Jens.
So an die zwanzig Wanderer traten grüppchenweise durch die Tür. Einzelne hatten Jakobsmuscheln an ihren Rucksäcken hängen, wogegen die meisten nur kleine Tagesrucksäcke mit sich führten. Ein Raunen und Gemurmel erfüllte den Raum, begleitet von dem Klappern des Geschirrs. Es schienen alles Franzosen zu sein.
Doch schon bald lichtete sich der Raum wieder und eine regelrechte Karawane setzte sich in Bewegung. Irgendwie ein lustiger Anblick.
Wir verließen den Ort über eine kleine steinerne Brücke. Von Anfang an ging es auf gerölligen Pfaden steil bergauf. Die für Frankreich charakteristischen, steinübersäten Wege hatten wir ja schon ein Jahr zuvor auf der Via Gebenensis kennengelernt und unzählige Male verflucht. Im Gänsemarsch schraubten wir uns gemeinschaftlich mit all den anderen laufwütigen Rucksackträgern die Berge empor. Immer wieder blickten wir beeindruckt auf die bezaubernde Landschaft und so benötigten wir beide mal wieder etwas mehr Zeit zum Schauen, Staunen und Fotografieren.
Richtig ernst wurde es erst beim Abstieg von Saint-Martin-de-Fugères nach Goudet.