8,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 8,99 €
Nicht nur, dass die falsche Marmelade auf dem Tisch steht: Die Grundschulzeit steht auch kurz vor ihrem Ende. Für Yann gleicht das dem Weltuntergang, denn er hasst nichts mehr als Veränderungen. Steht mit dem Schulwechsel vielleicht sogar die Freundschaft zu Kalle und Ben auf dem Spiel? Die drei sind sich einig: Nur die härteste aller Mutproben kann ihre Freundschaft besiegeln. Als es damit nicht allzu gut läuft, treffen sie Kiki, die Enkelin des Friedhofsgärtners, die einen außergewöhnlichen Vorschlag hat. Jeder soll seine eigene Beerdigung besuchen – aber wie?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Wildkirsch-Maracuja-Marmelade zum Frühstück! Kann es noch schlimmer werden? Ja, kann es! Denn wenn Yann bald auf eine andere Schule gehen muss als seine Freunde Bene und Kalle, ist nicht nur der Morgen versaut, sondern sein ganzes Leben. Es ist wie verflucht. Ein genialer Einfall muss her und zwar schnell …
Eine humorvolle Geschichte, die nach Freundschaft, Sommer und Erdbeermarmelade schmeckt.
Ich heiße Yann Winterklee, bin zehn Jahre alt und alles an mir ist irgendwie mittel. Ich bin mittelgroß, mittelschwer, mittelblond und schreibe oft Dreien. Das heißt wohl, dass ich auch mittelschlau bin. Nur die Sorgen, die ich mir mache, die sind nicht mittel. Die sind XXL.
Meine kleine Schwester Linn macht sich nie Sorgen. Sie wacht jeden Morgen mit einem fetten Grinsen im Gesicht auf, weil sie so gespannt ist, was wohl heute Aufregendes passiert.
Ich nicht. Ich wache auf und denke: »Bitte, bitte keine bescheuerten Überraschungen! Alles soll so bleiben, wie es ist.«
Dann schlurfe ich zum Frühstück, stecke mir einen Löffel Erdbeermarmelade in den Mund und seufze erleichtert. Wenn der Tag mit Erdbeermarmelade anfängt, bist du in Sicherheit. Erdbeermarmelade schmeckt nach »Alles-wie-immer«.
Als ich heute zum Frühstück in die Küche komme, traue ich meinen Augen nicht. Da steht sie. Mitten auf dem Tisch. Und alle tun so, als wäre das keine große Sache.
Meine Mutter schlürft mit einem Handtuch um den Kopf Kaffee, mein Vater liest die Zeitung und Linn füttert ihren Teddy mit Müsli.
»Was soll das?«, frage ich und zeige anklagend auf die Marmelade.
»Was hast du gegen Wildkirsch-Maracuja?«, fragt mein Vater.
»Ganz einfach. Es ist nicht Erd-bee-re!«
»Kein Grund zur Aufregung, Yanni«, seufzt mein Vater. »Beim nächsten Mal kaufe ich wieder Erdbeermarmelade.«
»Aber erst, wenn die hier leer ist«, sagt meine Mutter. Ich starre panisch auf das fast volle Glas in ihrer Hand. Eltern haben keine Ahnung. Ohne Erdbeermarmelade bist du der Welt doch schutzlos ausgeliefert.
Ich schmiere Butter auf meinen Toast und starre die Wildkirsch-Maracuja-Marmelade böse an.
Meine Mutter geht ins Badezimmer und mein Vater liest uns die Katastrophen des Tages vor. Mir wird ganz schwindelig von dem Gequatsche. Katastrophen können es nämlich riechen, wenn du keine Erdbeermarmelade zum Frühstück hattest.
Dann steht plötzlich eine Frau in unserer Küche, die ich noch nie gesehen habe.
»Na, wie gefalle ich euch?«, fragt die Frau und die Stimme kommt mir irgendwie bekannt vor. Es ist die Stimme von meiner Mutter. Nur nicht mehr ihr Kopf. Ihre Haare leuchten so rot wie die von Pippi Langstrumpf, bloß ohne Zöpfe. Linn und ich starren sie mit offenem Mund an.
»Hattest du einen Unfall?«, fragt mein Vater. Als er Mamas Blick sieht, lächelt er. »Netter Unfall!«
»Mal was Neues«, freut sich meine Mutter. »Blond war ich lang genug.«
»Was stimmt nicht mit blond?«, krächze ich.
»Dir stehen deine blonden Locken ganz hervorragend, Schatz«, sagt meine Mutter. »Und deine blauen Augen und deine niedlichen Sommersprossen auch.«
Sie wuschelt durch meine Haare und tänzelt zur Tür raus. Ich starre ihr hinterher und bin sogar zu schwach, um wegen der niedlichen Sommersprossen zu protestieren.
Letztes Jahr war nämlich noch ein Junge mehr in unserer Klasse, bis seine Mutter auch mal was Neues ausprobieren wollte. Sie hat erst eine neue Frisur und dann einen neuen Mann ausprobiert und dann haben sich seine Eltern getrennt und er musste auf eine neue Schule. Einfach so. Was ist, wenn deine Eltern sich auch trennen?, denke ich plötzlich. Papa fällt einer Katastrophe zum Opfer und Mama sucht sich einen Mann, der zu ihrer neuen Frisur passt. Ich schüttele mich, um den Gedanken aus meinem Kopf zu kriegen. Aber die miese Ratte hat sich an meinem Gehirn festgebissen.
Ich lasse meinen Toast auf dem Teller liegen und stolpere in mein Zimmer, um mich anzuziehen.
Ich habe mal gelesen, dass Menschen, denen was Schlimmes passiert, von einer Sekunde auf die andere weiße Haare bekommen. Das macht der Schock. Ich werfe einen Blick in den Flurspiegel und atme erleichtert auf. Alles wie immer. Noch.
»Du musst sofort zu Bene und Kalle«, sage ich zu meinem Spiegelbild und da nickt es, weil es ganz meiner Meinung ist. Wenn dich eine Katastrophe verfolgt, können dich nur deine Superhelden-Freunde retten.
Benes Superkraft ist sein böser Blick. Wenn Bene so guckt, würdest du dich nicht mal trauen, ihm zu sagen, dass er im Lotto gewonnen hat. Kalles Superkraft ist anders. Obwohl er aussieht wie ein Wikinger, ist seine Superkraft sein Lächeln. Seine Zähne leuchten mit seinen Augen um die Wette und schon musst du selbst grinsen. Du kannst gar nicht anders. Zusammen sind die zwei unschlagbar.
Ich setze mich auf die Schulhofmauer und warte auf Kalle. Wir kennen uns schon seit dem Kindergarten. Kalle ist locker zwei Köpfe größer als ich und sieht aus wie ein Kleiderschrank mit Kopf. Ein Kleiderschrank mit einer rotblonden Löwenmähne.
»Meinst du, deine Eltern lassen sich irgendwann scheiden?«, frage ich, als er sich zu mir setzt.
»Da wär’ mein Vater schön blöd. Niemand macht so geile Rinderrouladen wie meine Mutter!«
»Meine Mutter ist jetzt Vegetarierin. Eine rothaarige Vegetarierin.«
»Tut mir leid, Alter«, sagt Kalle und ich habe plötzlich das ungute Gefühl, dass mein Vater irgendwann Lust auf die Rinderrouladen von Kalles blonder Mutter bekommt, und dann haben wir den Schlamassel.
Kalle holt seine Schulbrote aus dem Rucksack und zählt sie noch mal nach.
»Zwei vor der Schule. Zwei in der ersten Pause. Zwei in der zweiten Pause und zwei als Notreserve.«
Er nickt zufrieden und packt seine Lieblinge behutsam zurück in die Tasche.
Dann kommt Bene. Bene ist Kalles und mein bester Freund, seit wir in die erste Klasse gehen. Eigentlich heißt er Bero Ivan Nekis. Den Namen hat er seinen kroatischen Eltern zu verdanken, aber alle nennen ihn bloß Bene.
In seinem Fußballverein mussten alle ihre Namen unter die Schuhe schreiben, damit sie nicht das halbe Training nach ihren Schuhen suchen müssen. Unter seinem rechten Schuh stand BE für Bero und unter seinem linken NE für Nekis, zusammen BENE. Und weil Bene auf Italienisch »prima« heißt und Bero ein echt prima Stürmer ist, haben ihn alle nur noch Bene genannt.
»Alles klar?«, fragt er und schüttelt sich lässig seine Haare aus dem Gesicht.
Kalle nickt.
»Geht so«, sage ich.
»Was’n los?«
»Ich weiß nicht, bei wem ich wohnen soll, wenn meine Eltern sich trennen.«
»Gibt’s Stress bei euch?«
»Glaub’ nicht.«
»Warum sollten sie sich dann trennen?«, wundert sich Bene.
»Was weiß ich, warum Eltern sich verlieben und Kinder in die Welt setzen und plötzlich nichts mehr voneinander wissen wollen. Ich bin erst zehn. Ich mache so einen Käse nicht.«
»Käse«, murmelt Kalle. Er schnüffelt an seinen Brotpaketen wie die Drogenspürhunde am Flughafen und wickelt zielsicher sein Käsebrot aus.
»Nur noch zwei Wochen«, schmatzt er. »Und dann geht’s ab in den Urlaub!«
»Und danach ab auf die neue Schule!«, ruft Bene und macht mit seinem Arm ein Flugzeug vor meiner Nase, das gerade abhebt. So als würden wir zur neuen Schule fliegen und nicht zusammen mit den Rädern hinfahren.
Kalle, Bene und ich wechseln nach den Sommerferien nämlich auf die neue Schule. Wir haben uns natürlich alle drei an derselben Schule angemeldet. Im Moment ist Kalles größte Superkraft deshalb nicht sein Lächeln, sondern seine Mutter. Sie ist die Sekretärin an unserer neuen Schule und Kalle fragt ihr seit Wochen Löcher in den Bauch. Um ehrlich zu sein, frage ich Kalle Löcher in den Bauch und der fragt dann seine Mutter. Gerade ist er in Gedanken aber schon in den Ferien.
»In Italien machen sie die beste Pizza der Welt!«
»Aber ohne Knoblauch«, ermahne ich ihn. »Wenn du nach den Ferien stinkst, will doch keiner was mit uns zu tun haben.«
»Die Lehrer machen doch auch Urlaub in Italien.«
Ich seufze und hole einen Zettel und einen Stift aus meinem Ranzen.
»Was kommt jetzt wieder auf deine Liste?«
»Kaugummis!«
Die neue Schule hat uns letzte Woche auch eine Liste geschickt. Da stehen Hefte und Bücher und so ein Zeug drauf. Aber die wirklich wichtigen Dinge fehlen natürlich und deshalb habe ich jetzt meine eigene Liste.
Punkt eins. Bene und Kalle. Das ist der wichtigste Punkt! Ohne die Jungs gehe ich nirgendwohin.
Punkt zwei. Ein Navi. Ich habe nämlich keine Lust, mich gleich in der ersten Woche zu verlaufen. Die neue Schule ist riesig. Über tausend Schüler und achtzig Lehrer.
Punkt drei. Sonnenbrille. Falls ich mich doch verlaufe, weil das Navi kaputt ist, kann ich meine Sonnenbrille aufsetzen und dahinter in Ruhe vor mich hin heulen und keiner kriegt es mit.
Punkt vier. Hundeleckerli. Der neue Hausmeister hat einen Hund. Einen großen Hund. Nur für den Fall, dass der Hund die Toiletten bewacht und ich dringend mal muss, habe ich eine Bestechung in der Tasche.
Punkt fünf. Entschuldigungen. Hausaufgaben verloren, Frühstück verschimmelt, Turnschuhe zu klein, Blinddarmdurchbruch, Hundehaarallergie – ich habe für alles eine Entschuldigung. Sie sind mit dem Computer getippt und meine Eltern müssen bloß noch unterschreiben.
Ich schreibe noch drei Päckchen Kaugummi auf meine Liste und dann klingelt es. Kalle schnappt sich seinen Rucksack und wir gehen in unsere Klasse.
»Irgendwie habe ich das Gefühl, ich wollte euch noch was Wichtiges sagen.«
»Hast du schon«, sagt Bene. »In Italien haben sie super Pizza!«
»Pizza«, murmelt Kalle, aber dann fällt es ihm wieder ein. »Meine Mutter hat mir erzählt, dass sich auf unserer neuen Schule zu viele Kinder angemeldet haben.«
»Was soll das heißen?«
»Das heißt, dass sie nicht genug Räume haben. Deshalb müssen sie eine Klasse in eine andere Schule auslagern. Die Kinder werden jeden Morgen mit dem Bus hingefahren und die Lehrer pendeln.«
»Und wer von uns kommt in die Klasse?«
»Keine Ahnung«, sagt Kalle.
»Ich werde auf keinen Fall so ein Bustrottel«, sagte Bene.
Ich reiße ungläubig die Augen auf. »Du meinst, es kann sein, dass wir nicht auf dieselbe Schule kommen?« Darüber muss Kalle einen Moment nachdenken.
»Genau das meine ich wohl«, wundert er sich und dann kommt unsere Lehrerin in die Klasse.
»Darf ich bitte auf die Toilette?«, krächze ich. »Es ist wirklich dringend.«
Unsere Lehrerin seufzt und nickt und da stürze ich raus. Dieses Mal habe ich auf alle Fälle einen Schock.
Beim Mittagessen bin ich immer noch blond. Ich stochere lustlos in meinem Kartoffelsalat herum und denke darüber nach, dass ich vielleicht nicht auf dieselbe Schule komme wie meine beiden Freunde.
»Keinen Appetit, Schatz?«, fragt die rothaarige Frau, die angeblich meine Mutter ist. Ich schüttele den Kopf. Linn grapscht sich die Tofuwurst von meinem Teller und strahlt mich an. Da ist Linn genau wie Kalle, wenn’s was zu futtern gibt, ist sie happy. Eigentlich ist sie immer happy. Für Linn ist das Leben ein riesengroßer Spaß. Okay, sie ist erst fünf. Da musst du nur »Pups« oder »Pipi« sagen und sie kreischt los, als hättest du den Witz des Jahrhunderts erzählt. Vielleicht ist das so, wenn man fünf ist. Obwohl, bei Kalle musst du auch nur »Pups« oder »Pipi« sagen und er kreischt los wie Linn.
In der Schule haben wir letzte Woche über den Titikakasee gesprochen und unsere Lehrerin musste ’ne Pause machen, weil Kalle sich fast in die Hosen gemacht hat.
»Stell dir mal vor, du wohnst da«, hat er gewiehert, »und im Urlaub fährst du nach Italien und lernst neue Kumpels kennen und jeder sagt, wo er herkommt: Hallo, ich bin Kalle und wohne am Titi…«, den Rest hat er vor Lachen nicht mehr rausgebracht.
Ich schätze, gute Laune ist auch eine Superkraft. Du hast sie oder du hast sie nicht. Bei Linn und Kalle gibt es jeden Tag Spaßtorte mit Lachsahne und bei mir Sorgensuppe mit Grübelwurst.
Zum Glück stehen Kalle und Bene nach dem Essen vor der Tür. Sie wollen eine Runde mit den Rädern cruisen, rüber zum Schrottplatz. Bene hat ein Rennrad, das aussieht, als könnte er bei der Tour de France mitmachen. Aber er würde nie im Leben eins von diesen komischen engen Trikots tragen. Bene trägt Trainingsanzüge. Immer. Er geht sogar in einem ins Bett. In Kalles Größe gibt es keine Fahrradtrikots und zum Schlafen trägt er Boxershorts. Tagsüber ist er mehr der Jeans-und-T-Shirt-Typ. Genau wie ich. Nur dass seine Jeans ungefähr doppelt so groß sind wie meine. Sein Fahrrad sieht aus wie das Motorrad von seinem Vater, nur ohne Motor. Es hat übertrieben dicke Reifen und keinen Sattel, sondern einen richtigen Sitz, an den er sich sogar anlehnen kann. Mein Mountainbike ist mir eigentlich noch eine Nummer zu groß. Aber mein Vater meint, dass ich da schon noch reinwachse.
Die Jungs sitzen auf ihren Rädern, als wäre es kein Ding, dass wir vielleicht nicht auf dieselbe Schule kommen. Wenn ich eine Superkraft hätte, wäre ich bestimmt auch so lässig.
»Los geht’s!«, ruft Bene und gibt Gas.
Wir fahren über den Marktplatz, vorbei an der Eisdiele von Giovanni und am Schrottplatz machen wir Halt.
»Wie wär’s mit ’ner Runde Blechschaden, Leute?«, fragt Kalle.
Wenn wir Blechschaden spielen, setzt sich jeder von uns in eine von den Schrottkarren und dann macht Kalle ein prima Bremsgeräusch und wir legen uns erst nach vorne und dann nach hinten wie bei einer Vollbremsung. Dann springen wir raus aus unseren Karren und rufen uns super Beleidigungen zu und dass wir uns verklagen. Aber heute habe ich keine Lust. Ich habe zu gar nichts Lust.
Ich setze mich auf die Motorhaube von ’nem alten Benz und Kalle macht sich neben mir lang.
»Was’n los mit dir?«
»Bin irgendwie schlecht drauf.«
»Warum?«
»Keine Ahnung. Ist einfach so«, schwindle ich, aber Kalle weiß trotzdem Bescheid.