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Vergessen sollst du nicht
Ein düsterer Thriller über Schuld, Lügen und die tödliche Suche nach der Wahrheit.
Nach dem plötzlichen Tod ihres entfremdeten Vaters kehrt die junge Journalistin
Mara Lindberg in ihre Heimatstadt zurück – ein Ort, der voller dunkler Erinnerungen und unausgesprochener Geheimnisse ist. Als sie zufällig auf Hinweise stößt, dass der Tod ihres Vaters kein Unfall war, wird sie in ein Netz aus Verschwörungen, Intrigen und gefährlichen Wahrheiten hineingezogen.
Ein rätselhafter Anruf, ein verstörender Fund am Waldrand und ein altes Tagebuch ihres Vaters lassen Mara erkennen, dass ihre Familie tief in eine dunkle Vergangenheit verstrickt ist. Die Spuren führen sie zu einem mächtigen Netzwerk aus Politik, Wirtschaft und organisierter Kriminalität – und zu einem Feind, der alles tun wird, um unentdeckt zu bleiben.
Während Mara verzweifelt versucht, die Puzzleteile zusammenzusetzen, gerät sie selbst ins Visier. Sie weiß bald nicht mehr, wem sie noch trauen kann, denn jeder Schritt in Richtung Wahrheit bringt sie näher an den Abgrund. Und eine Botschaft verfolgt sie unaufhörlich:
„Vergessen sollst du nicht.“
Ein gnadenloser Wettlauf gegen die Zeit beginnt, in dem Mara alles zu verlieren droht – ihre Freiheit, ihre Familie und ihr Leben.
Für Fans von atmosphärischen Thrillern, psychologischer Spannung und düsteren Familiengeheimnissen.
Packend, beklemmend und voller unerwarteter Wendungen – ein Thriller, der unter die Haut geht und den Leser bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Kapitel 1 – Ein leiser Abschied
Kapitel 2 – Die Rückkehr in die Vergangenheit
Kapitel 3 – Ein Anruf mitten in der Nacht
Kapitel 4 – Der Fund am Waldrand
Kapitel 5 – Ein Gesicht in der Menge
Kapitel 6 – Die seltsame Nachbarin
Kapitel 7 – Spuren im Regen
Kapitel 8 – Die erste Lüge
Kapitel 9 – Ein altes Tagebuch
Kapitel 10 – Das Schweigen der Zeugen
Kapitel 11 – Ein ungelöster Fall
Kapitel 12 – Der Schatten des Täters
Kapitel 13 – Ein verschwundenes Leben
Kapitel 14 – Die Spur in der Asche
Kapitel 15 – Gefährliche Erinnerungen
Kapitel 16 – Der Augenzeuge
Kapitel 17 – Ein Zimmer voller Geheimnisse
Kapitel 18 – Die Wahrheit im Verborgenen
Kapitel 19 – Ein altes Foto
Kapitel 20 – Der Duft des Verrats
Kapitel 21 – Ein Wettlauf gegen die Zeit
Kapitel 22 – Die zweite Lüge
Kapitel 23 – Ein neues Verhör
Kapitel 24 – Das unvollendete Puzzle
Kapitel 25 – Das Schweigen des Waldes
Kapitel 26 – Gefährliche Begegnungen
Kapitel 27 – Ein Gesicht aus der Vergangenheit
Kapitel 28 – Das Motiv des Täters
Kapitel 29 – Ein letzter Verdacht
Kapitel 30 – Die dritte Lüge
Kapitel 31 – Ein Ort der Dunkelheit
Kapitel 32 – Der Schrei im Dunkeln
Kapitel 33 – Das gebrochene Versprechen
Kapitel 34 – Ein Verräter im Inneren
Kapitel 35 – Die Wahrheit kommt ans Licht
Kapitel 36 – Ein riskanter Plan
Kapitel 37 – Die letzte Jagd
Kapitel 38 – Das Geständnis
Kapitel 39 – Ein Abschied für immer
Kapitel 40 – Vergessen sollst du nicht
von Chris Fowler
Ein leiser Abschied
Die Rückkehr in die Vergangenheit
Ein Anruf mitten in der Nacht
Der Fund am Waldrand
Ein Gesicht in der Menge
Die seltsame Nachbarin
Spuren im Regen
Die erste Lüge
Ein altes Tagebuch
Das Schweigen der Zeugen
Ein ungelöster Fall
Der Schatten des Täters
Ein verschwundenes Leben
Die Spur in der Asche
Gefährliche Erinnerungen
Der Augenzeuge
Ein Zimmer voller Geheimnisse
Die Wahrheit im Verborgenen
Ein altes Foto
Der Duft des Verrats
Ein Wettlauf gegen die Zeit
Die zweite Lüge
Ein neues Verhör
Das unvollendete Puzzle
Das Schweigen des Waldes
Gefährliche Begegnungen
Ein Gesicht aus der Vergangenheit
Das Motiv des Täters
Ein letzter Verdacht
Die dritte Lüge
Ein Ort der Dunkelheit
Der Schrei im Dunkeln
Das gebrochene Versprechen
Ein Verräter im Inneren
Die Wahrheit kommt ans Licht
Ein riskanter Plan
Die letzte Jagd
Das Geständnis
Ein Abschied für immer
Vergessen sollst du nicht
Der Regen fiel in feinen, durchsichtigen Schleiern vom grauen Himmel und legte einen Schleier aus Kälte über die Stadt. Es war ein Tag, der so unscheinbar begann, dass niemand ahnte, welch dunkler Schatten sich über das Leben einiger Menschen legen würde. Die Straßen glänzten nass im trüben Licht, und der Wind trug das Rascheln der letzten Herbstblätter durch die engen Gassen. In der Ferne hallte das gedämpfte Hupen eines Autos, und irgendwo schlug eine Kirchturmuhr die sechste Stunde.
Mara Berger stand am Fenster ihrer kleinen Altbauwohnung im dritten Stock und blickte hinaus in den Regen. Ihre Finger spielten nervös mit der Tasse in ihrer Hand, während der dampfende Kaffee längst kalt geworden war. Ihre Gedanken waren weit weg, irgendwo in den Erinnerungen gefangen, die sie seit Jahren zu verdrängen versuchte. Heute jedoch waren sie präsenter als je zuvor.
Der Tag hatte harmlos begonnen. Ein einfacher Samstagmorgen, der keine besonderen Verpflichtungen mit sich brachte. Und doch lastete eine Schwere auf Mara, die sie nicht erklären konnte. Vielleicht war es das Wetter. Vielleicht war es auch etwas anderes. Ein Gefühl der Unruhe hatte sich in ihr festgesetzt – wie ein Schatten, der nicht weichen wollte.
Das schrille Klingeln des Telefons riss sie aus ihren Gedanken. Sie zuckte zusammen, stellte die Tasse unsanft auf der Fensterbank ab, sodass ein Tropfen kalten Kaffees über den Rand lief. Zögernd ging sie zum Apparat, der auf einem kleinen Tisch in der Ecke stand.
„ Berger?“ meldete sie sich, die Stimme rauer als beabsichtigt.
Ein Moment des Schweigens. Dann ein leises Atmen.
„ Mara?“ Die Stimme am anderen Ende war brüchig, kaum mehr als ein Flüstern. „Hier ist Lisa.“
Mara fühlte, wie ihr der Boden unter den Füßen zu entgleiten drohte. Lisa. Ein Name, der tief in der Vergangenheit vergraben war. Eine Freundin aus längst vergangenen Tagen. Oder besser gesagt: eine, die einmal ihre Freundin gewesen war. Ihre Kehle schnürte sich zu.
„ Lisa?“ Sie musste sich räuspern, um weitersprechen zu können. „Wie… warum rufst du mich an?“
Wieder dieses kurze Zögern, das schwerer wog als Worte.
„ Er ist weg.“
Drei Worte. Leise gesprochen, doch mit der Wucht eines Donners.
„ Wer?“ fragte Mara automatisch, obwohl sie es längst wusste.
„ Er ist fort, Mara. Einfach verschwunden.“
Mara schloss die Augen. Ein kalter Schauer kroch ihren Rücken hinauf.
„ Seit wann?“
„ Zwei Tage.“
Zwei Tage. Zwei Tage, in denen niemand etwas gesagt hatte. Zwei Tage, in denen Lisa geschwiegen hatte. Mara spürte den Anflug von Wut, doch er verflog so schnell, wie er gekommen war. Stattdessen breitete sich eine dumpfe Angst in ihr aus.
„ Hast du die Polizei informiert?“
Lisa lachte leise, ein bitteres, hohles Lachen.
„ Natürlich. Aber sie nehmen es nicht ernst. Ein erwachsener Mann verschwindet – er wird schon zurückkommen, sagen sie.“
Mara schwieg. Sie wusste, dass es nicht so einfach war. Nicht in diesem Fall.
„ Und warum rufst du mich an?“ Ihre Stimme war härter, als sie beabsichtigt hatte.
Lisa atmete schwer.
„ Weil du die Einzige bist, die weiß, was damals passiert ist.“
Mara drehte sich vom Fenster weg, als wolle sie der Vergangenheit entkommen. Doch sie wusste, dass sie keine Wahl hatte.
„ Ich habe vergessen, was damals war.“
„ Nein“, flüsterte Lisa. „Vergessen sollst du nicht.“
Die Leitung wurde unterbrochen. Nur das monotone Tuten blieb zurück.
Mara starrte das Telefon an, als könnte es ihr eine Antwort geben. Doch da war nur Stille. Eine drückende, alles verschlingende Stille.
Sie ging langsam zurück zum Fenster. Der Regen hatte zugenommen, prasselte nun heftiger gegen die Scheiben. In den Pfützen auf der Straße spiegelten sich verschwommene Lichter. Menschen hasteten mit hochgezogenen Krägen und gesenkten Köpfen vorbei, jeder gefangen in seinem eigenen kleinen Universum.
Doch Mara wusste, dass sie nicht länger weglaufen konnte.
Die Vergangenheit hatte sie eingeholt. Und diesmal würde sie nicht so leicht entkommen.
Langsam drehte sie sich um, ihr Blick blieb auf dem kleinen Schlüsselkasten an der Wand hängen. Ein alter Schlüssel hing dort, unscheinbar und doch voller Bedeutung.
Ein leiser Abschied. So hatte es damals begonnen. Und jetzt kehrte es zurück.
Mara griff nach ihrer Jacke. Der kalte Metallgriff des Schlüssels lag schwer in ihrer Hand.
Draußen zog der Nebel durch die Straßen, und mit ihm kam das Unheil.
Der Regen hatte nicht nachgelassen, als Mara Berger ihre Wohnung verließ. Dichte Nebelschwaden zogen durch die Straßen, legten sich wie ein trügerischer Schleier über die Stadt und verschluckten die Konturen der Häuser. Die Kälte kroch durch ihre Kleidung, während der feuchte Asphalt unter ihren Schritten glänzte. Der Schlüssel in ihrer Manteltasche fühlte sich plötzlich schwerer an, als wäre er ein Relikt aus einer anderen Zeit – ein stummes Versprechen, das sie längst gebrochen glaubte.
Mara lief schnellen Schrittes zur U-Bahn-Station. Jeder Schritt brachte sie näher an einen Teil ihrer Vergangenheit, den sie tief vergraben hatte. Doch Lisas Anruf hatte die Erde aufgerissen, die Erinnerungen an die Oberfläche gespült. Die U-Bahn war leerer als gewöhnlich. Nur vereinzelt saßen Menschen in den abgenutzten Sitzen, verloren in ihre Gedanken. Mara nahm Platz, starrte auf ihr Spiegelbild im getönten Fensterglas. Ihre Augen wirkten müde, eingefallen. Sie erkannte sich selbst kaum wieder.
Während die Bahn in den dunklen Tunnel eintauchte, begann ihr Inneres zu brodeln. Erinnerungen drängten sich auf, gegen ihren Willen.
Damals.
Sie waren zu viert gewesen: Mara, Lisa, Tom und Erik. Unzertrennlich. Eine eingeschworene Gemeinschaft, gebunden durch Jugend, Geheimnisse und ein Versprechen, das niemals hätte gebrochen werden dürfen. Damals glaubten sie, unantastbar zu sein. Doch diese Illusion war vor Jahren zerbrochen. Und jetzt war Erik verschwunden.
Mara schloss kurz die Augen. Sie sah wieder das alte Haus vor sich. Groß, dunkel, von Efeu überwuchert. Am Stadtrand gelegen, halb verfallen. Dort hatten sie sich immer getroffen. Ihre Zuflucht. Ihr geheimer Ort. Doch auch der Ort, an dem alles begonnen hatte.
Ein Ruck ließ die Bahn bremsen. Die Stimme des Fahrers kündigte die nächste Station an. Maras Haltestelle. Sie stand auf, verließ die Bahn und trat hinaus in den Regen.
Der Weg zum alten Viertel war lang, doch sie ging ihn zu Fuß. Sie brauchte die Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen. Das Pflaster unter ihren Füßen war rissig, die Straßen menschenleer. Die Gebäude hier wirkten grau, ausgewaschen, als hätten sie die Farbe ihrer Bewohner übernommen.
Und dann war es da.
Das Haus.
Versteckt hinter verwilderten Büschen, das Tor halb aus den Angeln gerissen. Der Putz bröckelte, das Dach war an einigen Stellen eingefallen. Die Fenster waren blind vor Staub, und dennoch hatte Mara das Gefühl, dass irgendetwas – oder irgendjemand – aus dem Inneren heraus starrte.
Sie schob das rostige Tor vorsichtig auf. Ein quälendes Quietschen durchschnitt die Stille. Der Garten war zugewachsen, Unkraut hatte die Steinplatten überwuchert. Der alte Baum, unter dem sie früher gesessen hatten, stand noch immer da, kahl und knorrig.
Mara näherte sich der Tür. Der alte Schlüssel lag kühl in ihrer Hand, als sie ihn ins Schloss steckte. Er passte noch. Mit einem leisen Klicken öffnete sich die Tür.
Drinnen war es dunkel und muffig. Der Geruch von feuchtem Holz und Staub lag schwer in der Luft. Mara tastete sich vorsichtig voran. Ihre Schritte hallten leise von den Wänden wider.
Der Flur war kaum verändert. An den Wänden hingen noch die vergilbten Tapeten, und auf dem Boden lagen zerknitterte Zeitungen. Sie trat in den großen Wohnraum. Der alte runde Tisch stand noch immer dort, zerkratzt und von der Zeit gezeichnet. Ein paar Stühle lagen umgestürzt daneben. Auf dem Tisch lag etwas.
Ein Foto.
Mara trat näher.
Es war ein altes Polaroid. Vier Jugendliche grinsten in die Kamera. Sie selbst, Lisa, Tom und Erik. Hinter ihnen das Haus. Und doch war da noch etwas. Etwas, das Mara frösteln ließ.
Im Hintergrund, kaum sichtbar, stand eine Gestalt. Verschwommen, als hätte sie sich im Moment der Aufnahme bewegt.
Mara drehte das Foto um. Mit zittrigen Fingern las sie die Worte, die mit blauer Tinte auf der Rückseite geschrieben waren:
„ Ihr dachtet, ihr könntet es vergessen. Aber ich erinnere mich.“
Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Sie hörte plötzlich ein Knarren über sich. Jemand war hier.
Langsam hob sie den Blick zur Decke.
Das Geräusch kam von der oberen Etage.
Ihre Hand ballte sich zur Faust. Für einen Moment kämpfte sie mit dem Impuls, einfach wegzulaufen. Doch etwas hielt sie zurück.
Vielleicht war es Erik.
Vorsichtig stieg sie die knarrenden Holzstufen hinauf. Jede Stufe ächzte unter ihrem Gewicht. Der Flur oben war noch dunkler, und der kalte Luftzug ließ die Tür am Ende des Gangs leicht schwingen.
Mara drückte die Tür auf.
Das Zimmer war leer – bis auf die Wand.
Dort standen Worte, mit roter Farbe hingeschmiert:
„ Vergessen sollst du nicht.“
Maras Atem stockte. Ihr Herz schlug wild.
In diesem Moment verstand sie, dass Erik nicht einfach verschwunden war.
Etwas viel Größeres hatte begonnen.
Etwas, das tief in ihrer Vergangenheit verwurzelt war.
Und das jetzt nach ihr griff.
Die Nacht hatte sich schwer über die Stadt gelegt. Ein kalter Wind fuhr durch die leeren Straßen, ließ Laternen sacht schwanken und trieb den feinen Nebel wie schemenhafte Schatten durch die Gassen. In Maras Wohnung war es still. Zu still. Nur das leise Ticken der Wanduhr durchbrach die beklemmende Ruhe.
Mara lag im Bett, doch Schlaf wollte sich nicht einstellen. Ihre Augen starrten an die Decke, doch sie sah nichts. Ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um das alte Haus, das Polaroid, die roten Worte an der Wand.
„ Vergessen sollst du nicht.“
Diese Worte hallten in ihrem Kopf wider wie ein Echo, das sie nicht abschütteln konnte. Wer hatte sie dort hinterlassen? Und warum jetzt, nach all den Jahren?
Die Dunkelheit in ihrem Schlafzimmer schien dichter als gewöhnlich. Jeder Schatten an der Wand schien sich zu bewegen, als würde etwas Unaussprechliches im Verborgenen lauern. Mara zog die Decke enger um sich, doch die Kälte schien von innen zu kommen.
Dann, mitten in dieser bedrückenden Stille, durchbrach ein schrilles Klingeln die Nacht.
Mara fuhr hoch. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, bevor er hektisch zu rasen begann. Das Geräusch war so plötzlich, so grell, dass es ihr bis ins Mark fuhr.
Das Telefon.
Langsam drehte sie den Kopf zum Nachttisch, wo ihr altes Festnetztelefon lag. Es leuchtete matt im Dunkeln, der Klingelton klang verzerrt, als käme er aus einer anderen Welt.
Wer ruft um diese Uhrzeit an?
Mit zitternder Hand griff sie nach dem Hörer.
„ Berger?“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein heiseres Flüstern.
Am anderen Ende herrschte Stille. Kein Atmen, kein Geräusch. Nur eine schwere, drückende Leere.
„ Hallo?“ fragte sie, diesmal lauter.
Ein leises Knistern. Dann ein Flüstern.
„ Mara.“
Es war kaum hörbar, fast so, als käme es von weit her.
„ Wer ist da?“ Ihre Stimme gewann an Schärfe.
Stille.
Dann, ganz langsam, als würde jedes Wort abgewogen:
„ Es ist nicht vorbei.“
Mara stockte der Atem.
„ Wer...?“
Doch die Leitung wurde unterbrochen. Ein kurzes Klicken, dann das monotone Tuten.
Sie starrte auf den Hörer in ihrer Hand. Ihre Gedanken überschlugen sich. Die Stimme war kaum zu erkennen gewesen – flüsternd, brüchig. Aber da war etwas Vertrautes darin. Oder bildete sie sich das nur ein?
Langsam legte sie den Hörer auf. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, Schweiß stand ihr auf der Stirn. Wer auch immer das gewesen war, er oder sie wusste genau, wie man sie aus der Fassung bringen konnte.
Sie sprang auf, zog ihre dicke Strickjacke über und ging ins Wohnzimmer. Dort lag ihr Handy auf dem Couchtisch. Mit zitternden Fingern entsperrte sie es und überprüfte die Anrufliste.
Keine neuen Anrufe.
Das Festnetztelefon zeigte ebenfalls keine Nummer. Anonym.
Sie ließ sich schwer auf das Sofa sinken. Ihre Gedanken jagten sich.
„ Es ist nicht vorbei.“
Die Worte klangen wie ein Echo der Vergangenheit. Aber was war nicht vorbei? Was hatte damals begonnen, das sie jetzt wieder einholte?
Plötzlich erinnerte sie sich an etwas. Lisa.
Ohne nachzudenken griff Mara zum Handy und wählte Lisas Nummer. Es klingelte. Einmal. Zweimal.
Dann:
„ Mara?“ Lisas Stimme klang schläfrig, irritiert.
„ Lisa, jemand hat mich gerade angerufen. Mitten in der Nacht. Er hat gesagt, es ist nicht vorbei.“
Ein Moment der Stille. Dann hörte sie, wie Lisa hörbar schluckte.
„ Ich… ich dachte, ich bilde mir das nur ein. Aber… ich habe denselben Anruf bekommen.“
Maras Nackenhaare stellten sich auf.
„ Wann?“
„ Vor drei Nächten. Genau dasselbe. Er hat nur gesagt: ‚Es ist nicht vorbei.‘ Ich dachte, es wäre ein kranker Streich. Aber jetzt…“
Lisa verstummte. Mara spürte, dass auch sie Angst hatte.
„ Das kann kein Zufall sein, Lisa.“
„ Nein.“ Lisas Stimme war nur ein Flüstern. „Und du glaubst, das hat etwas mit Erik zu tun?“
Mara schloss die Augen.
„ Ich weiß es nicht. Aber irgendjemand will uns Angst machen. Uns an etwas erinnern.“
Wieder Stille.
„ Was sollen wir tun?“ fragte Lisa schließlich.
Mara dachte nach. Ihr Blick fiel auf das Fenster. Draußen war es dunkel, der Regen schlug gegen die Scheiben.
„ Wir müssen Tom finden.“
Lisa atmete scharf ein.
„ Tom? Du hast seit Jahren nicht mehr mit ihm gesprochen.“
„ Ich weiß. Aber er war damals auch dabei. Vielleicht weiß er etwas.“
Ein kurzes Zögern. Dann hörte Mara, wie Lisa leise zustimmte.
„ In Ordnung. Aber… sei vorsichtig, Mara.“
„ Du auch.“
Mara legte auf.
Die Stille kehrte zurück, aber sie war jetzt anders. Schärfer. Bedrohlicher.
Sie stand langsam auf, trat ans Fenster und sah hinaus in die Dunkelheit. Der Nebel war dichter geworden, verschluckte die Laternenlichter.
Für einen Moment war sie sicher, dass dort draußen jemand stand.
Und sie beobachtete.
Der Anruf war nur der Anfang gewesen.
Etwas hatte begonnen.
Und es war nicht vorbei.
Der Morgen dämmerte grau und schwer. Der Regen hatte aufgehört, doch feiner Nebel kroch noch immer über den Asphalt und legte sich wie ein Schleier über die Stadt. Die Sonne kämpfte vergeblich gegen die dichte Wolkendecke, und die Luft roch nach feuchter Erde und Moder. Mara hatte kaum geschlafen. Der Anruf, die Erinnerungen und die aufkeimende Angst hatten sie durch die Nacht gejagt. Dennoch wusste sie, dass sie nicht länger warten konnte.
Tom.
Er war der letzte in ihrer Gruppe, mit dem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hatte. Nach jener Nacht hatten sie sich auseinandergelebt, jeder war seinen eigenen Weg gegangen – oder hatte es zumindest versucht. Tom war damals derjenige gewesen, der am meisten gelitten hatte. Er sprach nie darüber, aber Mara hatte es gesehen.
Mara zog ihre Jacke fester um sich und trat aus der Tür. Der kalte Morgen umfing sie wie eine Warnung. Sie hatte Lisa in der Nacht noch eine Nachricht geschrieben, dass sie Tom suchen wollte. Keine Antwort. Vielleicht schlief Lisa noch, vielleicht wollte sie nicht mehr in diese Sache hineingezogen werden.
Tom wohnte inzwischen zurückgezogen am Stadtrand, in der Nähe des alten Waldes, der sich düster und endlos ausbreitete. Früher war dieser Wald ihr Spielplatz gewesen. Heute war er ein Ort der Schatten.
Der Weg dorthin war lang. Mara fuhr mit dem Auto die nassen Straßen entlang, vorbei an verlassenen Häusern und leerstehenden Geschäften. Die Stadt wirkte in diesem Licht ausgestorben. Als sie das letzte Wohngebiet hinter sich ließ, wurde der Weg holpriger. Der Wald rückte näher, die Bäume standen wie stumme Wächter am Straßenrand.
Nach einer knappen halben Stunde erreichte sie die schmale Zufahrtsstraße zu Toms Haus. Es lag abgelegen, eingerahmt von Bäumen, mit einem schiefen Holzzaun, der den kleinen Garten begrenzte. Das Haus selbst sah heruntergekommen aus. Die Fensterläden hingen schief, und der Lack der Haustür war abgeblättert.
Mara stieg aus. Die kalte Luft biss in ihr Gesicht. Sie ging zum Haus und klopfte an. Keine Antwort.
Noch einmal, diesmal fester.
Stille.