Verhandlungen in der Automobilindustrie - Hanno Goffin - E-Book

Verhandlungen in der Automobilindustrie E-Book

Hanno Goffin

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Beschreibung

Dieses Buch ist einzigartig, weil es authentisch und praxisnah beide Seiten bei Verhandlungen in der Automobilindustrie beleuchtet. Der eine Autor und Herausgeber , Hanno Goffin, verfügt als Interim Manager über jahrelange Erfahrungen als Verhandlungsführer der Zuliefererseite. Der andere Autor, Andreas Jüstel, bringt jahrelange Erfahrungen als Einkäufer eines Automobilkonzerns in das Werk ein. Beide nehmen kein Blatt vor den Mund und verraten klipp und klar, wie man derartige Verhandlungen, bei denen es häufig um Millionen geht, erfolgreich führt und zu einem guten Abschluss bringt.

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Seitenzahl: 183

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Prolog

Kaum jemand ist erfahrener als Interim Manager

Gebündeltes Know-how von Interim Managern

Vorwort

Es hat sich viel geändert seit der Lopez-Ära

Einzigartig tiefgehender Einblick in die andere Seite

Teil I: Einkauf versus Vertrieb

Ein offener Austausch unter zwei Kontrahenten

Von starken und schwachen Verhandlungspartnern

Teil 2 – Erfolg für den Lieferanten

Verhandeln – Kompetenz zum Erfolg im Vertrieb

Wie Sie Millionen gewinnen

Wie erreichen Sie Ihr Wunschergebnis?

Gute Margen, wachsender Preisdruck

Verhandlungen bei kritischen Projekten

Abgeschriebene Forderungen gewinnen

Wer verhandelt erfolgreich?

Verhandlungsvorbereitung und Prozess

Stakeholder der Verhandlungen

Prozessplanung

Vorgespräche

Vorbereitung mit einer Verhandlungskampagne

Zeit – wie können Sie sie nutzen?

Womit Sie rechnen müssen

Die Verhandlung

Die richtigen Optionen

Reden ist Bronze

Zeitmanagement in der Verhandlung

Die richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt

Emotion in Verhandlungen – wieviel darf es sein?

Verhandlungsgrenzen realistisch, glaubhaft, wichtig

Die Gesprächstaktiken

Schwierige Verhandlungstechniken und ihre Abwehr

Halb- und Unwahrheiten

Taktiken gezielter Verunsicherung

Einsatz gezielter „Informationen“.

Gegenpositionen aufbauen

Neutrales Verhalten?

Unberechenbarkeit

Die falsche Fährte

Fragetechnik im Angriff abwehren

Provokation – die passende Reaktion

Hindernisrennen und Drohungen

Mimik und Gestik

Zusammenfassung grundsätzlicher Abwehrtaktiken

Resilienz – wenn es ganz eng wird

Grundlagen der Resilienz in Verhandlungen

Wichtige Faktoren der Resilienz in Verhandlung

Teil 3: Gewinnen mit dem OEM

Was Sie in diesem Teil erwartet…und was nicht

Ihr Mehrwert: ein Blick hinter die Kulissen

Darf ich Sie etwas fragen, Herr Einkäufer? Ein Plädoyer.

Lieferantenauswahlprozess von vorne!

Zur Sache! Um welches Produkt geht es?

Modelle der Zusammenarbeit

Es menschelt – und wie!

Die Ausschreibung – Verlauf

Phase der Verhandlung – ein Industrietheater?

Rohstoffe

Funkstille nach einer Verhandlung – was passiert?

Die Grenze zwischen Psychologie und Psychopathologie

Deadlock-Situationen

Wenn Dinge komplett aus dem Ruder laufen

Appell für ein neues Morgen

Vertragsthemen

Versorgungsthemen

Fallstudien: Ganz konkret

Case Study Halbleiter-Setzteil

Case Study Innovationsvergabe

Serienvergabe mit wenig technischem Wettbewerb

Serienvergabe mit wenig kommerziellem Wettbewerb

Über die Autoren

Hanno Goffin

Andreas Jüstel

Bücher im DC Verlag

Fachbücher „Von Interim Managern lernen“

Sachbücher

Über Diplomatic Council

Über United Interim

Prolog

Die Automobilindustrie gehört zu den stärksten Branchen der deutschen Wirtschaft. Daher ist sie traditionell auch für Interim Manager enorm wichtig. So sind seit Jahren rund 20 Prozent aller Interim Manager in der Automobilindustrie (einschließlich Zulieferer) tätig. Neben dem etwa gleich starken Maschinen- und Anlagenbau gehört diese Branche somit zu den Top-Nachfragern für Interim Manager.

Kaum jemand ist erfahrener als Interim Manager

Auch in der Automobilindustrie gibt es wohl kaum eine Berufsgruppe, die mehr über die betriebliche Praxis weiß als Interim Manager. Im Gegensatz zu den meisten fest angestellten Managern lernen Interim Manager eine große Anzahl an verschiedenen Unternehmen kennen. Dabei stellen sie sich im Durchschnitt alle acht bis neun Monate einer neuen unternehmerischen Herausforderung und Situation. Inhaltlich sind es nicht nur die branchenbezogenen Mega-Themen, die ihre Arbeit beeinflussen, wie etwa die Umstellung zur Elektromobilität und die Digitalisierung. Es ist auch das Umfeld der Unternehmen: Alleine in den Krisenjahren 2020 bis 2022 waren dies unter anderem die Corona-Pandemie, Lieferkettenprobleme (Stichwort: Chip-Krise), der Ukraine-Krieg, die ESG-Regeln (Environmental, Social, Governance) und neue Herausforderungen beim Thema Energie.

Angesichts des Mangels an qualifizierten Führungskräften überbrücken Interim Manager betriebliche Vakanzen: Vom Projektmanagement über eine interimistische HR-Leitung in einem Werk bis hin zur Geschäftsführung. Stehen Change-Management oder Transformations-Projekte an, übernehmen sie mit aktuellem Know-how die Umsetzung. Darüber hinaus werden Restrukturierungen und Sanierungen in der Branche häufig von entsprechend qualifizierten Interim Managern durchgeführt.

Gebündeltes Know-how von Interim Managern

Mit der Buchreihe „Von Interim Managern lernen“ wird das Know-how von besonders kompetenten und erfahrenden Interim Managern erstmals gebündelt. Die sorgfältige Auswahl der Autoren durch die Herausgeber stellt sicher, dass in dieser Reihe nur die Besten der Besten zu Wort kommen. Alle vereint das Streben nach operativer Exzellenz für ihre Kunden: die zukunftsfähige Umsetzung von Veränderungen, eine in der Praxis funktionierende Steigerung der Performance – und damit eine Verbesserung der Wertschöpfung im Unternehmen und erhöhte Rentabilität. All dies sind Themen, für die Interim Manager zunehmend an Bord geholt werden. Oft handelt es sich dabei um pragmatische, „hands-on“ mitarbeitende Menschen – typisch für die Automobilindustrie.

An dieser Stelle gilt unser Dank den beiden Autoren des vorliegenden Bandes, Hanno Goffin und Andreas Jüstel, die ihr profundes Know-how und ihre umfassende Erfahrung in dieses Werk eingebracht haben.

Dr. Harald Schönfeld und Jürgen Becker

Herausgeber der Reihe „Von Interim Managern lernen“ im Verlag des globalen Think Tank Diplomatic Council und Geschäftsführer von United Interim

Vorwort

Automobilhersteller und Zulieferer. Einerseits sind sie aufeinander angewiesen bei Qualität, Wirtschaftlichkeit, High-Tech-Entwicklung und Innovation im weltweiten Wettbewerb. Andererseits stehen sie sich oftmals spätestens seit Beginn der 1990er Jahre mit der legendären „Lopez-Ära“ als Schreck für Zulieferer und unter seinem Ausrufen des Kriegs mit seinen Kriegern wie Gegner gegenüber. José Ignacio Lopez machte sich damals als Einkäufer bei General Motors nicht nur als „Würger aus dem Baskenland“ aufgrund seines Faibles für sehr kräftige Preis- und Kostensenkungen einen Namen, er scheute auch vor mancher Schlachtrhetorik gegenüber Lieferanten nicht zurück, die er bei VW weiter „perfektionierte“. Heute werden die unterschiedlichen Interessen unter der Bezeichnung „Partner“ geführt und häufig – aber nicht immer – unter dem ehrlichen Verständnis „Partner“.

Es hat sich viel geändert seit der Lopez-Ära

Seit der Lopez-Ära hat sich sukzessive viel geändert im Stil, Auftreten und den Anforderungen an das Verhältnis zwischen Lieferanten und Autoherstellern. Was sicherlich geblieben ist, sind die hohen Anforderungen an das Verhandlungsgeschick. Gute Verhandler können über der Laufzeit für ihre Seite leicht Millionen gewinnen oder verlieren. Zum Erfolg mit guten Produkten gehören neben bestmöglichem Verhandlungsgeschick und guter Rhetorik auch eine starke Disziplin, persönliche Reife und Resilienz, denn manche Verhandlung bleibt weiterhin sehr herausfordernd und hart.

Seien Sie gespannt, wie in diesem Buch erstmals zwei erfahrene Praktiker beider Seiten ihre Erfahrungen, ihre Strategien, ihre Taktiken und ihre „Notfallkoffer“ aufzeigen und in einem offenen Gespräch verraten. Ziel ist es, ein gutes Verhältnis zwischen Lieferant und Kunde zu fördern, das Raum gibt für eine mittelfristig erfolgreiche Zusammenarbeit mit Innovationen und Gewinnen, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit beider Partner gestärkt wird.

Haben Sie sich schon oft gewünscht, vor wichtigen Verhandlungen die Gesprächstaktik Ihres Gegenübers, Ihre eigene Position im Wettbewerb und die Mindestziele ihres Gesprächspartners vor Eintritt in den Verhandlungsraum zu kennen? Sie werden überrascht sein, zu entdecken, wer typischerweise besser vorbereitet erscheint.

Kennen Sie das Gefühl aus Spannung, Unsicherheit und Erfolgsdruck vor der Verhandlung, wenn es darum geht, Ihre dringend notwendigen Ziele zu erreichen? Ihre Ziele bezüglich Umsatz und Profitabilität, während das Angebot Ihrer Wettbewerber scheinbar jenseits „von Gut und Böse“ zu liegen scheint?

Was könnte einen besseren Einblick geben, als in einem Buch die beiden Seiten des Verhandlungstisches kennenzulernen? Einen langjährig erfahrenen Einkaufsmanager eines großen Automobilherstellers (Andreas Jüstel) und einen sehr erfahrenen Vertriebs- und Verhandlungsführer auf der Seite der Automobilzulieferer (Hanno Goffin). Beide erzielten große Erfolge. Was können Sie aus dem Repertoire Ihres Gegenübers und den erfolgreichen Aktionen Ihres Kollegen im vorliegenden Buch mitnehmen? Es geht nicht um „noch ein Buch und Training“ zum Thema Verhandlung, sondern um praxisnahe „Live-Berichterstattung“ aus dem wirklichen Leben spannender Verhandlungen mit entsprechenden Einsichten und Empfehlungen für Sie, die über Millionen von Euros für Ihr Unternehmen entscheiden können.

Einzigartig tiefgehender Einblick in die andere Seite

Um einen einzigartig tiefen Einblick in die andere Seite der Verhandlung zu geben und Sie gleichzeitig mit den richtigen Werkzeugen auszustatten, wurde dieses Buch geschrieben.

Hat ihr Verhandlungspartner eine Strategie und Verhandlungstaktik geplant? Welche taktischen und strategischen Mittel setzt er ein?

Wie können Sie sich am besten vorbereiten, unabhängig davon, wie fachlich qualifiziert Sie ohnehin schon in den Sachfragen des Verhandlungsgegenstandes sind?

Welche Frage stellt sich andererseits Ihr Gegenüber vor der Verhandlung zu den Gesprächen?

Wie können Sie die vorherigen Gespräche oder den schriftlichen Austausch zum Verhandlungsthema einordnen, um vorab Schlüsse und Szenarien zu betrachten, die den Gesprächsablauf bestimmen könnten? Wo können Sie vor allem auch außerhalb Ihrer Verhandlung große Vorteile gewinnen?

Plötzlich verändert sich die Situation im Gespräch: Wie ordnen Sie es ein und wie führen Sie die Verhandlung zurück auf den Weg, den Sie zum Erfolg suchen? Wie können Sie reagieren, wenn überraschende Schritte drohen, Sie in der Verhandlung zu ihren Zielen aus dem Tritt zu bringen?

Ebenfalls wichtig: Zuweilen werden in Verhandlungen Mittel am Rande der Fairness eingesetzt. In diesen Situationen ist es entscheidend, richtig zu reagieren und die Verhandlung auf ihren Weg zum Erfolg zurückzuführen, wobei für Sie zwischen Sieg und Niederlage, Gewinn und Verlust entschieden wird.

Es gibt sehr erfolgreiche, probate Mittel in all diesen Situationen mit besonderen Werkzeugen angemessen zu agieren oder zu reagieren, damit sie am Ende mit einem guten Ergebnis aus den Gesprächen herauskommen.

Zudem gibt es noch einen weiteren wichtigen Aspekt: den Aspekt der Unsicherheit, der Ihr Verhandlungsergebnis gefährdet.

Wie oft haben Sie und ich mir gewünscht, vorab Ziele, Agenda und eine eventuelle Gesprächsplanung Ihres Verhandlungspartners zu kennen, um das bestmögliche Ziel zu erreichen.

Wie oft läuft man Gefahr, unter Erfolgs- und Abschlussdruck zu viel in einer Verhandlung zu geben und hätte „eigentlich“ mit einem günstigeren Ergebnis abschließen können.

Ebenfalls wichtig: Wann lässt man seinem Gegenüber lieber einen Etappensieg, weil am Ende das Gesamtergebnis für Sie günstiger ist?

Wie reagieren Sie, wenn Sie selbst der Eindruck beschleicht, auf die Verliererseite zu geraten?

Wie vermeiden Sie selbst unter hohem Druck und unter Anspannung und Unsicherheit in Stresssituationen Verhandlungsfehler zu begehen und dadurch in eine schlechte Position zu gelangen? Der Aufbau von Resilienz insbesondere unter angespannten Bedingungen – wenn es einmal wieder um besonders viel geht – und Ihr Gegenüber und der Wettbewerb zu stark erscheinen, ist erfolgskritisch.

Warum werden Sie plötzlich zu der nächsten Verhandlung nicht mehr eingeladen und wie können Sie dieses Risiko reduzieren?

In diesem Buch erfahren Sie offen in einer einzigartig transparenten Darstellung, wie Verhandlungspartner auf beiden Seiten, der Automobilhersteller (mit meist großer Marktmacht) und der Zulieferer, denken, vorgehen, agieren und reagieren. Sie entdecken, wie Planung, Vorgehensweise und versteckte Agenda sowie Geheimnisse Ihres Gegenübers in der Verhandlung zwischen Automobilhersteller und Automobilzulieferern funktionieren. Eine gute Vorbereitung, die richtigen Reaktionen im Gespräch bis hin zum gewünschten Abschluss können im Betriebsergebnis Ihres Unternehmens viele Millionen Euro ausmachen.

Sie werden überrascht sein, wie die „andere Seite“ manche Situation bewertet, manche Situation provoziert und zu welchen Bedingungen Sie mit den richtigen Tools abschließen können, ohne „das letzte Hemd“ in den Verhandlungsring zu werfen. Das verspreche ich Ihnen mit 30 Jahren Erfahrung auf diesem oft hart umkämpften Gebiet.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg und halte zu Ihnen, wenn es einmal wieder eng wird.

Hanno Goffin, Herausgeber und Co-Autor dieses Buches

Teil I: Einkauf versus Vertrieb

Dieses Buch lebt davon, dass es beide Seiten zu Wort kommen lässt: den Vertrieb des Zulieferers und den Einkauf des Automobilherstellers. Was könnte besser geeignet sein als ein Dialog beider Seiten, und zwar im wortwörtlichen Sinne?

Genau darum geht es in im ersten Teil des Buches: Der Autor und Herausgeber des vorliegenden Bandes, Hanno Goffin, der als Interim Manager häufig als Verhandlungsführer der Verkaufsseite agiert hat, führt ein offenes Gespräch mit seinem Co-Autor Andreas Jüstel, der über lange Jahre hinweg für den Einkauf strategischer Komponenten bei einem der großen deutschen Automobilhersteller verantwortlich zeichnete.

Ein offener Austausch unter zwei Kontrahenten

Goffin: Herr Jüstel, was hat Sie als Einkäufer strategischer Komponenten eines großen, marktmächtigen Automobilherstellers in unserem Austausch am meisten beeindruckt oder überrascht?

Jüstel: Lassen Sie uns beginnen mit „überrascht“. Sie beschreiben eine Angebotssituation, in der es Ihr Ziel war, sich unter mehreren Lieferanten nicht als Erster in der initialen Angebotsrunde zu qualifizieren, sondern den strategisch besten Platz als dritter von fünf Anbietern in der Online– Angebotsrunde zu belegen. Das ist Ihnen tatsächlich geglückt. Wie haben Sie das denn bitte angestellt?

Goffin: Sehr genaue Vorbereitung, unterschiedliche Szenarien planen unter verschiedenen Annahmen und Kalkulationen sowie Benchmarking. Selbstverständlich wird ein wichtiger Punkt eine sehr große Erfahrung in der Vorbereitung und Verhandlung gewesen sein. Aber soweit spielte sich noch alles bis zur erfolgreichen Platzierung der genau richtigen Zahl völlig ohne Verhandlungspartner ab, nämlich in der Vorabrunde der Online -Angebote. Das zeigt, wie man als Lieferant mit optimaler Vorbereitung, Erfahrung und sicher auch dem Glück des Tüchtigen erfolgreich sein kann. Mehr dazu beschreibe ich im vorliegenden Buch im Verhandlungsteil aus Sicht des Zulieferers.

Goffin: Gibt es etwas, das Sie nicht nur überrascht, sondern auch ein wenig beeindruckt hat?

Jüstel: Ja, die Punktlandung mit dem geplanten dritten Platz hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich finde es generell schon beeindruckend, wenn es Lieferanten schaffen, auf kluge Weise Koalitionen im anderen Unternehmen zu schmieden. Letztlich unterstützt dies den gesamten Prozess und hilft damit allen, zu einer tragfähigen Lösung zu kommen. Ganz uneigennützig wird es selten sein, aber beeindruckend finde ich es aus einer neutralen Sicht heraus schon. Ich beschreibe diesen Punkt im vorliegenden Buch in meinem Abschnitt und rate stark dazu, sich auf eine professionelle und compliance-gerechte Art zwischen Vertrieb und Einkauf zu verbünden. Wie würden Sie einen solchen Prozess eher beschreiben Herr Goffin: eher generalstabsmäßig geplant oder mehr sozial-empathisch-intuitiv, quasi aus dem Bauch heraus und dem Herzen folgend?

Goffin: Wie es meistens im Geschäftsleben ist, geht das eine nicht ohne das andere. Eine strategische Planung für ein Unternehmen ist genauso Pflicht, wie die strategische Planung einer großen oder auch kleineren Angebotsrunde, an die sich die strategische Planung einer Verhandlung reiht. Allerdings nimmt in dieser Reihenfolge die Wichtigkeit der empathischintuitiven Position und Reaktion deutlich an Gewicht zu. Auch hier passt im übertragenen Sinn der Satz von Generalfeldmarschall Graf von Moltke aus dem 19. Jahrhundert: „Jede Strategie reicht bis zur ersten Feindberührung. Danach kommt nur noch ein System von Aushülfen.“ Das heißt, man muss gerade in der Phase, die über das finale Ergebnis jeder Verhandlung entscheidet, ein sehr gut vorbereitetes System von „Aushülfen“ zur Verfügung haben – und das liegt auf der Ebene sozial-empathisch-intuitiv, aus dem Bauch heraus und dem Herzen folgend. Denn in dieser Phase erfolgt die stärkste „Feindberührung“ – und genau dazu dient diese Offenlegung im vorliegenden Buch. Aber bitte diesen Begriff „Feindberührung“ nicht mehr in der kriegerischen Bedeutung, sondern in der richtigen Weise von heute zu verstehen. Die Phase, in der man von Krieg zwischen OEM und Lieferanten sprach, sollte nach der Lopez-Ära, in der diese martialische Formulierung wiederbelebt wurde, weit hinter uns liegen.

Allerdings gibt es dazu auch heute noch Ausnahmen! Es entstehen immer noch Situationen, die sogar den Weg bis in die Presse fanden, bei denen genau das Gegenteil geschah: ein Krieg zwischen den verhandelnden Parteien – und die für beide Seiten teuer werden können. Darauf gehe ich an anderer Stelle des Buches genauer ein.

Jüstel: Dem muss ich mich mit Bedauern anschließen. Ich habe solche Situationen nach Möglichkeit vermieden oder deeskaliert, soweit vertretbar und angemessen. Aber ab und an kommt es dennoch vor. Mein Eindruck ist, bei so manchem Zulieferer wird eine gewisse Grundaggression gegenüber dem Kunden bereits beim Onboarding der Mitarbeiter gefördert. Wenn man dann als Einkäufer auf eine solche „Front“ trifft, ist es menschlich von Beginn an schwierig. Diese Art des Umgangs miteinander kann sich dann im Verlauf weiter verselbständigen.

Goffin: Bevor wir zu den Erfahrungen mit typischen Schwächen auf der Seite Ihres Gegenübers, der Zulieferer, kommen, eine andere Frage: Was begegnet Ihnen am häufigsten als besondere Stärke – gerade gegenüber Ihrer Position?

Jüstel: Sie berichten von der Erzählung eines Einkaufsleiters eines großen Herstellers, der sich überrascht zeigte, wie schlecht manchmal Lieferanten in Gespräche eintreten, wobei er dies gleichzeitig als wichtigsten Punkt zur erfolgreichen Verhandlung bezeichnete. Da ging es sogar um vorbereitende Maßnahmen, die offensichtlich über die Vorbereitung der Gesprächs- und Taktikelemente weit hinausgingen. Ich habe im Gegensatz dazu über viele Jahre gestaunt, wie dürftig der OEM und wie gut der Lieferant vorbereitet war. Ist es ein Zufall, dass wir beide das diametral unterschiedlich erlebt haben?

Goffin: Das ist wohl eher kein Zufall, sondern zeigt, dass auf beiden Seiten noch erhebliches Potenzial vorhanden ist. Jetzt geht es darum, wer nach dieser Lektüre schneller und wirksamer reagiert und entsprechende Maßnahmen umsetzt. Genau dafür kann dieses Buch der Anfang sein!

Von starken und schwachen Verhandlungspartnern

In welchen Situationen empfanden Sie Verhandlungspartner als eher stark, so dass Sie den Eindruck hatten, zurückstecken zu müssen?

Jüstel: Wenn sich Lieferanten nicht auf oftmals absichtlich vom Einkauf herbeigeführte Situationen einlassen. Es gibt Punkte, da kann es der Einkauf dem Lieferanten wirklich schwer machen und ihn zermürben, seine Forderungen einzubringen. Das hat häufig Erfolg, wenn der Vertriebler nicht wirklich hart dran bleibt. Auf der anderen Seite wird dies oft auch auf Seiten der Mitarbeiter der Zulieferer irgendwann nicht mehr gerne weiterverfolgt. Solche Fälle beschreiben Sie in Ihrem Teil des Buches, und zeigen auf, wie damit auf der Seite der Zulieferer erfolgreich umzugehen ist. Das ist genau richtig.

Goffin: Was sind aus Ihrer Sicht typische Fehler, die sich auf Seiten der Lieferanten und im Umfeld von Verhandlungen vermeiden lassen.

Jüstel: Oft gibt es in einem Portfolio einen Mix an Preisen, die bei einigen Komponenten nicht kohärent sind. Das ist eine optimale Situation für den OEM, auf eine sehr offensichtliche und häufig auch einfache Art und Weise Preiszugeständnisse einzufordern. Aber Sie beschreiben in Ihrem Teil die guten Alternativen dazu, wie Sie als Lieferant dennoch mit guten Ergebnissen und mit wenig Nachlass wieder herauskommen. Die Ausführungen haben mich etwas überrascht, da müssen meine Kollegen aufpassen.

Goffin: Herr Jüstel, sicher richtig und wichtig. Solche Situationen entstehen häufig dadurch, dass erste Kalkulationen für ein Angebot unter anderen internen und externen Annahmen gemacht wurden und sich von dem unterscheiden, was sich am Ende tatsächlich einstellt. Manchmal waren es allerdings auch schlichtweg Fehler, die zunächst entweder auf beiden Seiten nicht auffielen oder auf OEM-Seite angenommen wurden, häufig mangels wettbewerbsfähiger Alternativen.

Jüstel: Oder die vom OEM gezielt in der Hinterhand gehalten werden – um Sie zum richtigen, manchmal viel späteren Zeitpunkt auf den Tisch zu bringen.

Goffin: Was würden Sie über die bisherigen Ausführungen hinaus gerne noch empfehlen?

Jüstel: Nicht besonders gerne, aber es gehört gesagt, lautet mein Rat: Eskalationen in festgefahrenen Situationen nicht scheuen. Weniger wegen des oft spöttisch zitierten „besser bezahlten Wissens“, sondern weil eine professionelle Eskalation ein manchmal unverzichtbares Korrektiv in der Sache und ein massiver Durchlaufbeschleuniger sein kann. „Gleich zum Chef rennen“ ist damit nicht gemeint, auch nicht seinem Gegenüber ständig mit dieser Option zu drohen. Aber erwachsene Menschen sollten in Ihren Rollen erkennen und eingestehen, wann eine Fortsetzung laufender Gespräche ineffizient oder gar aussichtlos ist.

Goffin: Was würden Sie aus Ihrer Erfahrung einem Lieferanten empfehlen, ob und wie er in Gesprächen auftritt: allein oder als Team? Welche Kombination gefällt ihnen als Verhandler auf der OEM-Seite am wenigsten? Häufig gibt es den Auftritt des Lieferanten als Duo bei größeren Angelegenheiten und als einzelner Key-Accounter bei den vielen kleinen und alltäglichen Verhandlungen.

Jüstel: Das ist eine interessante und wichtige Frage. Sie schreiben über Erfahrungen und sogar wissenschaftliche Ergebnisse, bei denen der Teamansatz kontraproduktiv sein kann. Das ist sicher richtig. Ich würde dabei aber zunächst die Begrifflichkeiten unterscheiden. Als Duo aufzutreten ist für mich nicht gleichzusetzen mit einer Teamverhandlung. Ich persönlich mag diese 2:2-Konstellationen, weil ich mir davon eine bessere Gesprächsqualität verspreche. Aber das ist bestimmt auch eine Frage des Geschmacks. Um auf die Frage zurückzukommen, was ich eher gescheut habe, waren 1:1-Gespräche in einer aggressivangespannten Atmosphäre, wie wir das eben schon andiskutiert haben. Gespräche zwischen Top-Entscheidern sollten allerdings wirklich 1:1 verlaufen, was zu den von Ihnen angeführten Ergebnissen passt.

Goffin: Herr Jüstel, einerseits benötigen Sie gewisse strategische Top-Lieferanten, auf der anderen Seite dürfen Sie denen für eine bessere Verhandlungsposition nicht eröffnen, in welcher Situation sie sich befinden. Wie frei sind Sie einerseits – wie gefangen und abhängig fühlen Sie sich andererseits manchmal von diesen Lieferanten, so dass Ihr Verhandlungsrahmen viel eingeschränkter ist, als Sie es erkennen lassen können? Haben Sie öfter die Situation gehabt, in der Sie vorher schon dachten, „den brauchen wir, den müssen wir nehmen, hoffentlich macht er ein annehmbares Angebot, andere wollen wir nicht“ – und dann war das ausgerechnet derjenige mit einem wirtschaftlich schwierigen Angebot?

Jüstel: Von einem knallharten „müssen“ würde ich nicht sprechen. Aber es ist schon viel dran an dem, was Sie eben in den Raum gestellt haben. Es gibt im Wirtschaftsleben genügend vollständig austauschbare Anbieter und deren Produkte. Ich selbst habe aber die meiste Zeit Fälle erlebt, bei denen es eben nicht vollständig egal war. Sei es nun aufgrund technischer Gegebenheiten, dem Entstehen von zu hohen Abhängigkeiten – oder schlicht auch, um nicht einen Anbieter komplett vom Markt verschwinden zu sehen. Da wird es schon knifflig, wenn das Ranking so ganz anders ausfällt, wie insgeheim erhofft. Indes existieren in den wirklich spezialisierten Produktgruppen intakte Märkte mit funktionierenden Marktmechanismen. Insofern richtet sich das Ganze bei einer professionellen Herangehensweise in der Regel von selbst. Aber keine Regel ohne Ausnahme, klar.

Goffin: Wie sind Sie in Verhandlungen vorgegangen, wenn Sie besonders harte Verhandlungen mit sehr hohen Forderungen bei Preiszugeständnissen führen mussten, um Ihre Ziele zu erreichen, aber kein guter Lieferant ausreichend in die Nähe kam, Sie aber auch keine wesentliche Anpassung Ihrer Targets intern erreichen können?

Jüstel: Da geht’s dann wirklich ans Eingemachte. An dieser Stelle greife ich den vorhin bereits genannten Punkt des kontrollierten Eskalierens nochmals auf. Der gilt nämlich auch intern. Gerade bei den Zielsetzungen der internen Auftraggeber kommt man gelegentlich an den Punkt, an dem kein terminplankonformer Abschluss möglich ist. Aus ganz unterschiedlichen Gründen. In solchen Situationen immer weiter den Lieferanten anzufeuern, kann ein fataler Irrweg sein. Hier schließe ich mich Ihrer Ansicht an, dass es manchmal schlichtweg einer gewissen Erfahrung bedarf, um das eine von dem anderen unterscheiden zu können, treffsicher und rechtzeitig. Alles in allem ist das eine höchst unangenehme Situation.

Goffin: Was sind Ihre drei wichtigsten Empfehlungen an den Vertrieb in der Auseinandersetzung und der Gewinnung des Einkaufs und der Ausschreibung?



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