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Treat Walker ist der perfekte Bodyguard! Trotzdem will die alleinerziehende Prinzessin Fredericka nicht Tag und Nacht von ihm bewacht werden - bis sie erkennt, wie wichtig ihm ihr kleiner Sohn ist. Und plötzlich kann sie das aufregende Knistern zwischen ihnen nicht mehr leugnen …
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Seitenzahl: 172
IMPRESSUM
Verliebt in meinen Bodyguard erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2014 by Leanne Banks Originaltitel: „A Royal Christmas Proposal“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA EXTRABand 35 - 2015 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Johannes Martin
Umschlagsmotive: Harlequin Books S.A., Getty Images_Fomalgaut
Veröffentlicht im ePub Format in 12/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733739010
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Prinzessin Fredericka hoffte inständig, ihr Bruder würde nicht zu abweisend sein. Sie wusste selbst, dass sie schwere Fehler gemacht hatte. Als Teenager war sie ein Wildfang gewesen und hatte ihre Familie mit ihren Eskapaden oft zur Verzweiflung gebracht.
Alle waren erleichtert gewesen, als sie geheiratet hatte, denn sie schien dadurch ruhiger und besonnener zu werden. In gewisser Weise stimmte das auch, aber gleichzeitig hatte sie begreifen müssen, dass sich im Leben nicht alle Erwartungen erfüllten.
Fredericka kannte ihren Bruder Stefan, den regierenden Prinzen von Chantaine, gut genug. Würde er einer geschiedenen Frau gestatten, ihren Sohn Leo allein zu erziehen?
Nervös wartete sie im Vorzimmer des Prinzen. Mehrere Palastdiener waren damit beschäftigt, weihnachtliches Grün zu dekorieren und Kerzen in die Fenster zu stellen. Vermutlich hatte Eve, Stefans Ehefrau, den Auftrag zum Schmücken erteilt. Als Kind hatte Fredericka den Weihnachtsschmuck im Palast kaum wahrgenommen – abgesehen von der riesigen Tanne, die alljährlich im Ballsaal des Schlosses aufgestellt wurde.
Natürlich hatte das angespannte Verhältnis ihrer Eltern nicht gerade zur Weihnachtsstimmung beigetragen. Frederickas Vater, Prinz Edward, war ein Weltenbummler gewesen, der sich weder um seine Frau noch um seine Kinder kümmerte. Ihre Mutter hatte sich wie eine Gefangene gefühlt, und ihr Kummer war allmählich in Verzweiflung übergegangen.
Fredericka selbst kannte nur den einen Wunsch: weg von zu Hause, möglichst weit weg. Es hatte auch mehrere Fluchtversuche gegeben – genau deswegen fürchtete sie, dass die Unterhaltung mit ihrem Bruder nicht glatt verlaufen würde. Prinz Stefan war ein äußerst besonnener Herrscher, und als ältester Bruder fühlte er sich für seine jüngeren Geschwister und ihre Familien voll verantwortlich.
Endlich wurde die Tür zum Arbeitszimmer des Prinzen geöffnet. „Bitte treten Sie näher, Hoheit“, forderte Rolf, Stefans Privatsekretär, sie höflich auf.
„Danke.“ Fredericka nickte ihm zu und betrat das Zimmer. Rolf zog sich diskret zurück. „Stefan.“ Sie ging auf ihren Bruder zu und küsste zur Begrüßung seine Wange. Dabei bemerkte sie zum ersten Mal die grauen Streifen in seinem dunklen Haar. Sein Amt lastete anscheinend schwer auf ihm. „Wie geht es dir?“
„Danke, gut“, erwiderte er und küsste sie ebenfalls „Allerdings mache ich mir Sorgen um dich und Leo.“
Fredericka lächelte. „Oh, wir fühlen uns beide pudelwohl. Ich freue mich, wieder hier zu sein. Das Jahr bei Valentina war doch recht lang.“
„Du hättest in Chantaine bleiben können“, bemerkte Stefan und setzte sich hinter seinen Schreibtisch.
Fredericka nahm den Besuchersessel ein und fixierte ihren Bruder. „Ich glaube, es war richtig, während meiner Schwangerschaft in Texas unterzutauchen und dort auch meinen Sohn zur Welt zu bringen. Tina und ihr Mann haben sich rührend um mich gekümmert, und ihre kleine Tochter Katarina ist ein Schatz. Vielleicht ein bisschen zu lebhaft, aber …“ Fredericka schwieg, denn sie musste unwillkürlich an sich selbst denken.
„Das glaube ich gern.“ Stefan nickte zustimmend. „Aber nun zu dir, Ericka. Ich wünsche mir, dass du mit Leo in den Palast ziehst.“
Ericka war ihr Kosename in der Familie. Sie widersprach ihrem Bruder nur ungern, aber bei dieser entscheidenden Frage ließ es sich nicht vermeiden.
„Ich bin anderer Ansicht, Stefan. Ich habe ein hübsches kleines Cottage mit Zaun und verschließbarem Tor gefunden … und dazu eine Nanny für Leo. Sie heißt Marley.“
Stefan runzelte die Stirn. „Und wie steht es um die Sicherheit? Ein Zaun und ein Tor … was bedeutet das schon? Für euch gilt die höchste Sicherheitsstufe, die eigentlich nur hier im Palast gewährleistet ist.“
Ericka schüttelte den Kopf. „Ich fühle mich im Palast nicht heimisch. Sei ehrlich, Stefan … wir fühlen uns hier alle nicht richtig wohl. Außer dir wohnt von unseren Geschwistern niemand im Palast. Es klingt vielleicht hässlich, aber das ganze Gebäude wirkt auf mich wie ein Gefängnis. So soll Leo nicht aufwachsen.“
„Er ist noch ein Baby, Ericka, das seine Umgebung gar nicht wahrnimmt.“
„Da täuschst du dich. Babys nehmen viel mehr wahr, als man denkt. Leo würde instinktiv spüren, dass ich mich nicht wohlfühle. Wir brauchen unser eigenes Heim. Nanny Marley ist eine Perle und weiß mit Leos Taubheit umzugehen.“
„Irrst du dich auch nicht hinsichtlich seiner Taubheit? Er ist doch erst einige Monate alt.“
„Nein, leider nicht.“ Ericka fühlte noch jetzt den Schmerz, der sie bei der Nachricht überwältigt hatte. Ihr einziger Sohn … und taub? Aber die vielfältigen Tests hatten das Ergebnis immer wieder bestätigt. „Leo ist taub, zumindest äußerst schwerhörig, und kann nur auf die Operation hoffen, die für das nächste Frühjahr geplant ist.“
„Gerade darum bin ich der Meinung, dass ihr im Palast besser aufgehoben seid.“
„Nein, Stefan … und bitte zwing mich nicht zu etwas, das ich nicht will. Ich weiß am besten, was gut für uns ist, und bitte dich nur um deine Unterstützung.“
Stefan seufzte. „Die hast du natürlich, aber es wird trotzdem schwer für dich werden. Ich möchte nicht über die Vergangenheit sprechen, aber …“
„Du denkst an die Zeit meines Entzugs“, unterbrach Ericka ihn. Sie verstand die Sorgen ihrer Familie, aber sie hatte die schwere Zeit überstanden und war daran gewachsen. „Ich habe gelernt, mich vor Drogen in Acht zu nehmen und nur sehr wenig Alkohol zu trinken. ‚Keine Drogen und kein Alkohol.‘ Das sage ich mir jeden Morgen beim Aufwachen.“
„Man merkt, dass du einiges durchgemacht und aus eigener Kraft überwunden hast“, gab Stefan zu. „Gerade darum möchte ich dich vor neuem Unheil bewahren.“
„Im Moment bin ich nur Mutter, Stefan. Die Erfahrung ist neu für mich, aber ich bin eine Devereaux und nicht mehr das schwächste Glied in der Familienkette.“
„Das habe ich nie behauptet“, protestierte Stefan.
„Aber sicher gedacht.“ Er wollte abermals widersprechen, aber sie hob abwehrend eine Hand. „Das alles bringt uns jetzt nicht weiter. Du wirst sehr bald feststellen, was alles in mir steckt. Ich werde mich in dem gemütlichen Cottage sehr wohlfühlen.“
„Also gut.“ Stefan gab seinen Widerstand auf. „Gegen einen persönlichen Leibwächter hast du hoffentlich nichts einzuwenden. Erwarte ihn innerhalb der nächsten zwei Tage.“
Ericka verzog das Gesicht. „Wenn du darauf bestehst … Aber besorge mir einen bescheidenen, zurückhaltenden Mann, der mir nicht auf die Nerven geht. Er darf mich auf keinen Fall herumkommandieren.“
„Du bekommst den besten“, entschied Stefan, ohne auf ihre Bedingungen einzugehen. „Durch dein Engagement für die ‚Königliche Gesellschaft für eine bessere Welt‘ bist du von öffentlichem Interesse. Du hast die Organisation der Konferenz übernommen, die im nächsten Jahr hier stattfinden soll. Wie du das allerdings mit einem Baby und ohne Ehemann bewältigen willst, ist mir schleierhaft.“
„Alleinstehende Mütter sind heute beileibe keine Ausnahme mehr. Die meisten kommen sehr gut mit ihrer Situation zurecht“, erklärte Ericka. „Und vergiss bitte nicht Nanny Marley und meine Schwestern, die jederzeit für mich da sind.“
Das musste Stefan zugeben. „Soweit es Eve betrifft, hast du mit deiner Einschätzung recht. Sie würde mich umbringen, wenn ich dir unsere Hilfe versagte.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Aber vergiss bitte nicht, dass du jederzeit im Palast herzlich willkommen bist.“
„Ich danke dir, obwohl mein Entschluss feststeht. Können wir jetzt das Thema wechseln und über die bevorstehende Konferenz sprechen?“
„Schon wieder ganz Geschäftsfrau?“, fragte Stefan lächelnd.
Ericka griff nach ihrem Tablet-PC. „Immer im Dienst, liebster Bruder.“
Zwei Tage später rief Stefan bei Ericka an und teilte ihr mit, dass sein Privatsekretär vorbeikommen würde, um ihr den neuen Leibwächter vorzustellen. Das passte ihr gar nicht. Der Zeitpunkt war schlecht gewählt. Sie hatte kaum geschlafen und war noch nicht einmal im Badezimmer gewesen. Leo hatte sie die halbe Nacht wach gehalten, und sie war aus Rücksicht auf Nanny Marley selbst bei ihm geblieben, um ihn immer wieder zu beruhigen.
Gähnend fasste sie ihr Haar zu einem lockeren Knoten zusammen, begnügte sich im Badezimmer mit einer Katzenwäsche und zog sich an. Fünf Minuten, dachte sie. Dann würde alles erledigt sein. Sie würde sich noch einmal hinlegen und erst später an die Arbeit gehen.
Vor Leos Geburt hätte Ericka sich keinem Fremden gezeigt, ohne perfekt zurechtgemacht und nach neuestem Schick angezogen zu sein. Ein Baby veränderte eben alles. Auch die eigenen Prinzipien.
Es klopfte an der Haustür, und Ericka beeilte sich zu öffnen. Draußen stand Rolf, mit einem fremden, mindestens ein Meter neunzig großen Mann hinter sich, der sie an ihren texanischen Schwager erinnerte. Was hatte ihr Bruder sich bloß dabei gedacht? Dieser Hüne würde überall auffallen, und genau das hatte sie vermeiden wollen.
„Guten Morgen, Hoheit.“ Rolf machte eine leichte Verbeugung. „Ich bringe Ihnen Mr Treat Walker … Ihren persönlichen Leibwächter.“
Ericka nickte und wandte sich gleich an den Fremden. „Hallo, Mr Walker.“
Treat neigte nur leicht den Kopf. „Hoheit.“ Er sprach mit deutlichem texanischen Akzent.
Ericka ahnte nichts Gutes. Der Mann hatte ein zu eigenwilliges Kinn und viel zu breite Schultern, um ihr nicht ständig im Weg zu sein. Sie wandte sich wieder an Rolf, der sich ängstlich weggeduckt hatte. „Danke, dass Sie vorbeigekommen sind. Ich melde mich später bei meinem Bruder.“
„Und ich kontrolliere erst mal die Alarmanlage in Ihrem Haus“, erklärte Treat.
„Wie bitte?“ Ericka konnte ihr Unbehagen nicht verbergen.
„Ja“, antwortete der viel zu große, viel zu muskulöse und viel zu texanische Treat. „Ich habe den Auftrag, Sie zu schützen, und muss wissen, wie weit dafür vorgesorgt ist.“
„Die Alarmanlage wurde gerade erst eingebaut“, erklärte Ericka. „Nach neuesten Erkenntnissen.“
„Dann haben Sie sicher nichts dagegen, wenn ich mich davon überzeuge.“
Sie hatte sogar sehr viel dagegen, aber das durfte sie nicht zugeben. Widerstrebend machte sie die Tür weiter auf. „Stören Sie bitte nicht mein Baby.“
Treat zuckte nur die Schultern und kam herein. „Ich werde mir Mühe geben, aber es muss alles kontrolliert werden.“
Der ungnädige Blick, der eigentlich Treat Walker galt, traf den armen Rolf. „Noch einmal: Sagen Sie meinem Bruder, dass ich mich bei ihm melde.“
„Danke, Hoheit“, erwiderte Rolf und zog sich erleichtert zurück.
„Ihr Bruder hat mich fest angestellt“, bemerkte Treat, während er Rolf nachsah. „Bitte finden Sie sich damit ab.“
Ericka versuchte, noch ungnädiger dreinzuschauen. „Bitte keine vollendeten Tatsachen.“
„Ich fürchte doch. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte. Ich muss die Alarmanlage überprüfen.“
Ericka sah ihm nach. Einen Gang hatte der Mann! „Wie bereits gesagt … wecken Sie nicht mein Baby auf.“
Treat drehte sich um. „Ist der kleine Leo nicht völlig taub?“
Ericka hätte schreien mögen. Sie wusste ja selbst nicht genau, wie taub ihr Sohn war. Auch die Ärzte hatten nicht mehr gesagt, als dass sich noch alles ändern und durch eine rechtzeitige Operation verbessern könne.
„Es scheint so“, antwortete sie. „Er hat letzte Nacht kaum geschlafen.“
Treat nickte. „Dann gehe ich jetzt an die Arbeit. Wenn ich irgendwo störe, brauchen Sie es nur zu sagen.“
Ericka starrte ihm nach. Sie mochte ihn nicht … oder vielleicht doch? Was wusste ein Mann wie er schon über Kinder mit einer so schweren angeborenen Behinderung? Sicher nichts. Sein Leben verlief bestimmt ruhig und unkompliziert.
Ein Schatten huschte über den Flur. „War das eine Katze?“, fragte Treat.
Ericka nickte. „Die Ärzte meinten, ein Haustier sei gut für Leo.“
„Eine Katze? Verschlafen Katzen nicht den ganzen Tag?“
„Sam nicht. Er schläft wenig und passt treu auf Leo auf. Wahrscheinlich ist er eben nur vorbeigeschlichen, um den fremden Eindringling auszukundschaften. Bitte bedenken Sie, dass Ihr Job einen sehr heiklen Punkt hat … meinen Sohn. Seine Geburt wurde öffentlich bekannt gegeben, und man freut sich über meine Rückkehr aus Texas.“
„Das mag sein, aber eine einzige Person, die sich nicht freut, könnte Ihre Sicherheit gefährden. Vor dieser Person muss ich Sie schützen.“
Ein Blick in seine dunklen Augen überzeugte Ericka davon, dass er es mit dem Schutz ernst meinte. Je länger sie ihn ansah, umso milder erschienen ihr seine Züge. Das überraschte sie. Besaß ein Mann, der so hart wirkte, auch menschliches Mitgefühl?
Falls er es Leo gegenüber nicht besaß, konnte sie ihn nicht brauchen. Und was Sam betraf … wenn Treat einen kastrierten Kater nicht akzeptieren konnte, würde sie ihn entlassen.
Treat sah in Erickas blaue Augen, die jetzt so feindselig dreinblickten. Er kannte ihre Personalakte. Ein wilder Teenager. Eine Schönheit. Mehrfacher Drogenentzug, bevor sie zu sich gekommen war und einen französischen Filmregisseur geheiratet hatte. Kürzlich war sie nach Chantaine zurückgekehrt – nicht nur wegen ihrer Familie, sondern auch wegen der „Bessere Welt“-Konferenz, die sie organisierte.
Mit ihrem Ehemann war sie zwar auf Filmfestivals über den roten Teppich geschritten, aber ihr wirkliches Interesse hatte nicht dem Film, sondern der Kunstgeschichte gegolten. Als ihr Mann sich einer jüngeren Schauspielerin zuwandte, war ihr Leben erneut ins Wanken geraten. Der Skandal, verbunden mit ihrer Schwangerschaft, hatte sie nach Amerika getrieben – nach Texas, wo ihre verheiratete Schwester Valentina auf einer Farm lebte.
Schon auf den ersten Blick sah Treat ihr die Prinzessin an. Fredericka Devereaux wirkte fast zu perfekt. Das feine aristokratische Gesicht, die schlanke Figur – jedem Bildhauer der Renaissance hätte sie Modell stehen können. Jetzt versuchte sie zwar, ihm ihre Verachtung zu zeigen, aber er spürte das gute Herz und auch die unterschwellige Angst. Sie sah müde aus, hatte dunkle Ringe unter den Augen und brauchte Schlaf.
Ein taubes Baby zu versorgen war eine schwere Aufgabe. Besonders, wenn man sich selbst um alles kümmerte, was hier offenbar der Fall war. „Ihr Sohn hat Glück, dass Sie ihm die beste Pflege und volle medizinische Versorgung bieten können“, sagte er abschließend. „Nicht jedes behinderte Kind wächst so auf.“
Das wusste Ericka auch, und trotzdem wunderte sie sich über Treats Bemerkung. Sprach er vielleicht aus Erfahrung? Sie ließ den Gedanken schnell wieder fallen.
„Geld ist nicht alles“, entgegnete sie. „Manche würden sogar vorziehen, keins zu haben.“
Damit ließ sie ihn stehen.
Der Tag verging im ständigen Wechsel zwischen Babypflege und Planung der Konferenz. Wenn Marley Einkäufe machte oder anderweitig zu tun hatte, trug Ericka ihren kleinen Leo im Tragetuch mit sich herum. Wenn sie dabei telefonierte, schlief er regelmäßig ein und lehnte seinen Kopf an ihre Schulter. Dann legte sie ihn erleichtert wieder in sein Kinderbett – mit dem Ergebnis, dass er aufwachte und losschrie.
In solchen Momenten legte Ericka gern eine Hand auf seinen Bauch. Tina hatte ihr das beigebracht. Das Baby sollte noch den mütterlichen Kontakt spüren, um sich nicht plötzlich verlassen zu fühlen. Meist funktionierte der Trick. Leo hörte dann auf zu weinen, seufzte tief und schlief wieder ein.
Auch heute hatte Ericka Erfolg. Sie blieb noch eine Weile am Kinderbett stehen und stahl sich dann aus dem Zimmer, dessen Tür sie halb offen ließ. Unmittelbar darauf prallte sie gegen eine Wand – jedenfalls kam es ihr so vor. Aber Wände protestierten nicht und fluchten auch nicht leise vor sich hin. Tatsächlich war sie frontal mit Mr Treat Walker zusammengestoßen.
Er fasste sie an beiden Armen, als hätte er Angst, sie könnte stürzen. Das ärgerte Ericka. „Lassen Sie mich gefälligst los!“, befahl sie in dem eisigen Prinzessinnenton, den sie bei ihren Gouvernanten gelernt hatte.
Er gehorchte sofort, und sie stolperte zurück. „Wollten Sie nicht Zusatzgeräte für die Alarmanlage besorgen? Was stehen Sie hier herum? Sie hätten anklopfen können.“
„Als Bodyguard gehöre ich zur Familie und muss daher nicht anklopfen“, entgegnete Treat.
„Oh, da bin ich anderer Ansicht“, widersprach Ericka. „Sie gehören nicht zur Familie, sondern zum Personal und müssen daher anklopfen.“
„Um Ihr Baby aufzuwecken?“
Erickas Zorn verpuffte wie Luft aus einem Ballon. Warum gelang es ihr nicht, diesen Mann, der viel zu viel Platz einnahm, auf Abstand zu halten? Er dachte an Leo, da war es schwer, ihm Vorwürfe zu machen. „Ich mag es nicht, wenn man sich von hinten an mich heranschleicht“, sagte sie, halb versöhnt.
„Und ich wollte nur feststellen, was an der Alarmanlage noch zu verbessern ist.“
Immer hatte er eine Antwort parat. Immer wusste er alles besser! Erickas Verstimmung nahm wieder zu. „Ich weiß nicht, ob es mit uns beiden gut geht“, sagte sie. „Marley und ich kommen prächtig miteinander aus und arbeiten Hand in Hand. Ich fürchte, Sie stören nur.“
„Warten Sie die nächsten Tage ab“, riet Treat. „Dann werden Sie mich kaum noch wahrnehmen.“
Von wegen, dachte Ericka. Sie wollte ihren Bruder anrufen und Mr Walkers Entlassung verlangen, aber der Prinz hatte sein Handy ausgeschaltet, und Rolf sprach von einer vorübergehenden Unpässlichkeit. Das war nichts als Taktik. Stefan hatte ihren Protest erwartet und ging auf Tauchstation. Einen Moment überlegte Ericka, ob sie ihre Schwägerin anrufen sollte, aber Eve war schwanger und hatte genug mit sich selbst zu tun. Sie musste sich schon an Stefan halten.
Ein letzter Versuch galt dem Chefsekretär Bernard, und der war tatsächlich zu erreichen. „Mein Bruder ist unpässlich?“, fragte Ericka.
„Er hat heute sehr viel zu tun, Hoheit“, wich Bernard aus. „Das Wohl seines Landes …“
„Ich verstehe schon. Sagen Sie ihm, dass ich kurz vorbeikomme. Nur für eine Minute. Ciao.“
„Aber, Hoheit …“
Ericka beendete das Gespräch. Stefan war schlau, aber sie ebenfalls. Wenn sie plötzlich in seinem Vorzimmer auftauchte und ihn sprechen wollte, konnte er sie kaum abweisen. Er musste zumindest den Schein wahren.
Ericka suchte nach Marley und fand sie auf der Veranda, wo sie eine kleine Pause einlegte. „Ich muss kurz in den Palast“, sagte Ericka. „Es wird nicht lange dauern.“
„Keine Sorge, Hoheit“, versicherte Marley. „Ich passe auf den Kleinen auf.“
Ericka drohte ihr mit dem Zeigefinger. „Hatten wir uns nicht darauf geeinigt, dass Sie mich nicht mit ‚Hoheit‘, sondern mit meinem Vornamen anreden?“
Marley wand sich. „Das vergesse ich immer wieder. Es klingt in meinen Ohren so respektlos.“
„In meinen nicht, und ich wünsche es so. Einverstanden?“
„Ja, Miss Ericka.“
„Sehen Sie … es geht doch. Nur die ‚Miss‘ stört noch. Also, wie gesagt, ich bin bald wieder da.“
„Nehmen Sie sich ruhig Zeit … Ma’am!“, rief Marley ihr nach.
Ericka fuhr mit ihrem kleinen Sportwagen durch die engen, kurvenreichen Straßen der Hauptstadt Chantaine, die dem kleinen Inselreich den Namen gegeben hatte. Ab und zu bot sich ein schöner Ausblick auf das azurblaue Meer und den weißen Strand, den die Wellen umspülten. Erst jetzt merkte Ericka, wie sehr sie ihre Heimat vermisst hatte. In Texas hatte sie noch erwogen, Chantaine für immer zu meiden. In ihrer Erinnerung war es ein Gefängnis geblieben, ein Ort, an dem man nicht frei atmen konnte.
Auch jetzt empfand sie noch eine gewisse Bedrängnis, aber sie war fest entschlossen, ihren angestammten Platz einzunehmen, ohne sich weiter gängeln zu lassen. Die Wohnung im Palast abzulehnen war der erste wichtige Schritt gewesen. Nanny Marleys Einstellung der zweite, und Mr Walkers Entlassung würde der dritte sein.
Die Palastwache erkannte sie und winkte sie durch. Sie parkte seitlich vom Hauptgebäude, berührte am Eingangsportal den Sensor und gelangte so in die große, kühle Marmorhalle, in der ihre Schritte ein lautes Echo hervorriefen.
Stefan hatte die Büroräume seines Vaters übernommen. Prinz Edward hatte sie seinerzeit nur selten aufgesucht und sich lieber mit wechselnden Freundinnen auf seiner Jacht vergnügt. Ericka verstand immer noch nicht, wie es ihm gelungen war, neben seinen vielen Affären noch sechs legitime Kinder zu zeugen. Zu spät wurde ihr klar, dass ihre Mutter bei jedem Kind gehofft hatte, die Liebe ihres Mannes zurückzugewinnen – eine Hoffnung, die sich nicht erfüllt hatte.
Sie betrat das Vorzimmer ihres Bruders und wartete. Als nichts geschah, wurde sie ungeduldig und klopfte an die Tür zum Arbeitszimmer. Rolf öffnete, machte eine höfliche Verbeugung und kam heraus. Die Tür ließ er angelehnt.
„Hoheit …“
„Ich muss meinen Bruder sprechen.“
„Das geht leider nicht. Er …“
„Ich brauche nicht lange. Stefan?“, rief sie so laut, dass er es hören musste. „Ich weiß, dass du da bist. Muss ich mir hier draußen die Lunge aus dem Hals schreien?“
Rolf wurde verlegen, zögerte noch einen Moment und gab dann den Weg frei. Ericka betrat das Arbeitszimmer, wurde aber ungnädig empfangen. „Ich habe gerade eine Konferenzschaltung mit einflussreichen spanischen und italienischen Politikern beendet, Ericka.“