Verschwunden in der Nebelnacht - Anne Manek - E-Book

Verschwunden in der Nebelnacht E-Book

Anne Manek

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Irgendwann, es musste weit nach Mitternacht sein, schrak Silvie entsetzt hoch. Sie wusste im ersten Moment gar nicht, was sie geweckt hatte. Da erklang erneut ein schriller Schrei, der ihr durch Mark und Bein fuhr. Sie lief zu ihrer Cousine hinüber. Birte saß im Bett. Ihre Augen waren aufgerissen, die Hände abwehrend ausgestreckt. Selbst das Licht, das Silvie angeschaltet hatte, riss sie nicht aus der Erstarrung. »Birte! Was ist passiert? Birte, wach auf! Du hattest doch nur einen Albtraum!« Sie schüttelte Birte an der Schulter. Noch immer keine Reaktion. Silvie kroch eine Gänsehaut den Rücken hoch. Wieso nahm ihre Cousine sie nicht wahr? »Du wirst doch deinen Urlaub nicht unbedingt mit deiner kleinen Cousine verbringen wollen! Ich finde das rücksichtslos mir gegenüber!« Silvie seufzte. Jens-Peter war ihr Freund, aber in letzter Zeit hatte sie mehr als einmal überlegt, was sie eigentlich noch miteinander verband. An ihren Urlaubsplänen wurde ihre Krise deutlich.

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Gaslicht – 66 –

Verschwunden in der Nebelnacht

Anne Manek

Irgendwann, es musste weit nach Mitternacht sein, schrak Silvie entsetzt hoch. Sie wusste im ersten Moment gar nicht, was sie geweckt hatte. Da erklang erneut ein schriller Schrei, der ihr durch Mark und Bein fuhr. Sie lief zu ihrer Cousine hinüber. Birte saß im Bett. Ihre Augen waren aufgerissen, die Hände abwehrend ausgestreckt. Selbst das Licht, das Silvie angeschaltet hatte, riss sie nicht aus der Erstarrung. »Birte! Was ist passiert? Birte, wach auf! Du hattest doch nur einen Albtraum!« Sie schüttelte Birte an der Schulter. Noch immer keine Reaktion. Silvie kroch eine Gänsehaut den Rücken hoch. Wieso nahm ihre Cousine sie nicht wahr?

»Du wirst doch deinen Urlaub nicht unbedingt mit deiner kleinen Cousine verbringen wollen! Ich finde das rücksichtslos mir gegenüber!«

Silvie seufzte. Jens-Peter war ihr Freund, aber in letzter Zeit hatte sie mehr als einmal überlegt, was sie eigentlich noch miteinander verband.

An ihren Urlaubsplänen wurde ihre Krise deutlich. Vielleicht war das die Gelegenheit, ein paar grundsätzliche Dinge auszusprechen?

Doch Jens-Peter monologisierte schon weiter. Er erwartete offenbar gar keine Antwort von ihr.

»Wir hatten uns geeinigt, dass wir im Herbst zusammen verreisen. Du weißt, dass mein Angelklub eine Meisterschaft ausrichtet und ich den Urlaub dafür brauche. Wie kannst du also jetzt einfach drei Wochen Island buchen?«

Nun war es aber genug. Silvie unterbrach ihn abrupt. Diese Angel-Geschichte war ihr sowieso ein Dorn im Auge, und zu behaupten, sie wären einig gewesen, war ja wohl die Höhe!

»Du warst dir einig, dass ich mit dir dahin fahre. Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich Angeln langweilig finde.«

»So ist das also! Du hast kein Verständnis für mein Hobby! Das ist ja interessant!«

»Ach, Jens, nun hör doch auf. Du weißt genau, dass mich Angeln nicht interessiert. Da habe ich dir nie etwas vorgemacht!«

»Du erwartest aber, dass ich mich für dich interessiere!«

»Ich interessiere mich ja auch für dich, aber nicht für dieses Hobby.«

»Ich bin aber mal der beste Angler in meinem Klub. Sie brauchen mich, damit wir den Preis gewinnen.«

»Dagegen habe ich ja auch nichts. Aber es ist für uns beide erholsamer, wenn du allein hinfährst. Und meine Cousine habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Ihre Mutter möchte gern, dass ich mir die Familie anschaue, in der sie arbeitet. Sie hält Birte immer noch für ein Kind. Mich kostet diese Reise nicht einmal etwas, weil meine Tante die Flugkosten übernimmt, und ich in dem Haus umsonst wohnen kann.«

Damit hatte sie Jens-Peter ein fast unüberbietbares Argument geliefert. Er war nämlich geizig, eine Eigenschaft, die Silvie ziemlich störte. Allerdings hatte er auch eine Menge gute Eigenschaften, die das aufwogen.

»Dann könntest du ja eine neue Waschmaschine kaufen, wenn du so viel Geld sparst. Ich habe im Moment nicht so viel übrig …«

»Na gut, ich kaufe sie. Aber dann gehört sie auch mir.«

»Das ist doch egal, oder darf ich dann nicht damit waschen?«

»Natürlich darfst du. Ich meine nur, falls wir uns einmal trennen sollten.«

»Trennen? Ich dachte, wir würden nach meiner Meisterschaft endlich heiraten. Im Klub fragen sie schon dauernd, wann ich die große Neugikeit verkünde.«

»Du weißt ja, dass ich noch nicht heiraten will. Wir leben doch auch so ganz gut.«

»Finde ich nicht. Bisher wohnen wir ja nicht einmal zusammen.«

»Nach meinem Urlaub ziehst du doch zu mir. Jetzt hör auf, Jens. Ich habe schon Kopfschmerzen von dieser Diskussion.«

»Ich könnte doch auch schon vorher kommen. Es ist doch wirklich Quatsch, dass wir immer noch zwei Mieten zahlen, wenn ich sowieso die meiste Zeit hier bin.«

»Das ist mir vorher zu stressig. Ich müsste ja erst alles umräumen, damit du Platz hast für deine Sachen. Lass uns jetzt essen gehen, ich mag nicht mehr diskutieren.«

»Äh …, im Moment bin ich nicht so flüssig …«

»Ich lade dich ein«, kürzte Silvie die Diskussion ab.

Jens-Peter nahm dankend an. Sie hatte nichts anderes erwartet. Wenn er wirklich bei ihr einziehen sollte, müsste sie unbedingt darauf achten, dass er für die halbe Miete sofort seinen Dauerauftrag einrichtete. Sie verdiente zwar gut in der Bank, in der sie arbeitete, aber Jens-Peter nagte auch nicht am Hungertuch. Silvie sah keinen Grund, ihn umsonst wohnen zu lassen. Darauf würde es aber hinauslaufen, wenn sie ihm nicht gleich klare Grenzen setzte.

Sie ging ins Badezimmer hinüber, um sich noch ein wenig herzurichten. Ihr rötlich-blondes langes Haar hing offen über ihre Schulter. Silvie überlegte seit geraumer Zeit, ob sie es sich nicht abschneiden lassen sollte. Aber es dauerte ja so lange, bis es wieder gewachsen war, falls sie ihre Entscheidung dann bereute! Eigentlich war sie nicht mehr besonders risikobereit, wenn sie darüber nachdachte. Dabei fing sie mit fünfundzwanzig doch gerade erst an, richtig zu leben!

Früher, als Kind, war sie ganz anders gewesen. Ihre Eltern hatten immer gestöhnt, weil sie so wild und stets zu Streichen aufgelegt war. Wann hatte sie sich eigentlich so verändert?

Es lag Silvie nicht besonders, seelische Nabelschau zu halten. Sie musste immer klare Richtlinien in ihrem Leben haben, die sie sich vorzugsweise selbst setzte. Zum Beispiel ihre berufliche Karriere – da hatte sie mit Disziplin und Fleiß noch einiges vor. Privat – na ja, das würde sich auch finden. Entweder sie raufte sich mit Jens-Peter zusammen, oder ihre Wege würden sich wieder trennen. So etwas wie Torschlusspanik kannte Silvie nicht. Ihre Freundin Andrea war in festen Händen und heilfroh, dass sie sich nicht mehr umsehen musste. Solche Gefühle waren Silvie noch fremd. Falls Jens-Peter doch noch nicht der Richtige sein sollte, würde sich eines Tages vielleicht ein anderer finden. Aber allein lebte es sich auch ganz nett, und genügend Freunde hatte Silvie, mit denen sie etwas unternehmen konnte.

»Bist du bald fertig? Ich habe Hunger!«, rief Jens-Peter aus dem Wohnzimmer.

Silvie legte die Bürste aus der Hand und zog die Lippen mit einem hellroten Stift nach. Ein Hauch Parfüm aus dem Zerstäuber – fertig. Sie wollte sich jetzt einfach nicht ärgern, dass Jens-Peter nun plötzlich drängelte, weil er eingeladen worden war. Hätte er selbst zahlen müssen, wäre das anders gewesen.

Die Pizzeria, die ein paar Straßen weiter lag, war ziemlich gut besucht. Silvie entdeckte Bekannte und steuerte auf deren Tisch zu.

»Hallo, Silvie! Setzt euch doch. N’Abend, Jens!«

Silvie betrachtete neugierig den Mann, der neben Simone saß. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Die anderen Gesichter kannte sie alle.

»Kommt, wir rücken zusammen. Na, Jens, spendierst du eine Runde Bier?«

Silvie kicherte. Thomas kannte Jens gut genug, um zu wissen, dass das das Letzte war, was er zu tun beabsichtigte. Wie würde er sich wohl herausreden?

»Ich habe kein Geld dabei. Silvie hat mich eingeladen.«

Die Bekannten lachten, nur der Fremde nicht, bis zu dem sich Jens-Peters Geiz noch nicht herumgesprochen hatte. Dafür bot er jetzt an, eine Runde zu zahlen.

»Nein, Brian, das war nur ein Scherz. Jens sitzt wie Dagobert Duck auf seinem Geld. Ach so, das ist übrigens Brian. Er kommt aus Schottland und ist bei meinem Bruder zu Besuch«, stellte Simone ihn jetzt vor.

»Angenehm. Ich bin Silvie, und das ist Jens.«

Brian nickte ihnen zu. Seine Augen blieben einen Moment länger an Silvie hängen als an Jens. Auch sie fand Brian sehr interessant. Jens merkte nichts davon.

»Oh, Kinder, ich bin froh, dass ich morgen in Urlaub fliegen kann. Dieses Wetter hier in München macht einen ja verrückt.«

»Wieso, das wird schon. Wir haben ja erst Juni.«

»Wohin willst du, Thomas?«, fragte Silvie.

»Nach Jamaica. Ihr könnt an mich denken, wenn ich, von schönen braunen Mädchen umringt, mit meiner Cola-Rum am Wasser liege.«

»Das ist doch langweilig«, meinte Simone. »Ich fahre mit Brian nach Schottland. Mein Bruder auch.«

»Ihr solltet Jens mitnehmen. Von den Schotten kann er vielleicht noch etwas lernen«, meinte Thomas trocken.

Jens störte der Spott nicht. Er war der Meinung, dass sie nicht mehr über ihn lachen würden, wenn er erst seine erste Million auf dem Konto hatte.

Silvies und Brians Augen trafen sich über den Tisch hinweg. Sie lächelte.

»Erzähl doch mal etwas über deine Heimat.«

»Warst du noch nie in Schottland? Komm doch mit. Wir haben Platz genug.«

Silvie überlegte für den Bruchteil einer Sekunde, ob das nicht ein verlockendes Angebot wäre. Doch Jens antwortete bereits.

»Silvie hat sich in den Kopf gesetzt, ihre Cousine in Island zu besuchen.«

»Oh, das ist interessant. Ich war mal da, aber nur eine Woche. Die glauben an Trolle und Elfen und so.«

Silvie lachte.

»Deshalb fahre ich bestimmt nicht hin. Meine Cousine hat das auch schon einmal in einem Brief erwähnt. Aber so etwas gibt es ja gar nicht. Das wäre genauso, als würde ich an den bösen Wolf glauben oder an den Frosch, der ein Prinz wird.«

Brian hob die Augenbrauen und schien etwas sagen zu wollen, doch Simone kam ihm zuvor.

»An den Frosch kannst du glauben. Ich habe schon viele Frösche geküsst, aber ein Prinz war nicht dabei. Eines Tages kommt er aber noch.«

»Es gibt viel mehr Dinge zwischen Himmel und Erde …«, begann Brian.

»… als unsere Schulweisheit uns träumen lässt«, echoten die anderen.

»Ja, so ist es.«

»Du glaubst doch nicht wirklich an so etwas?«, fragte Silvie enttäuscht.

»Ich weiß es«, gab er knapp zurück und wandte sich Simone zu.

Silvie fühlte sich zurückgestoßen. Aber eigentlich machte es nichts. Ein Mann, der aussah wie Brian, jedoch an so etwas glaubte, war eben auch nur ein Frosch. Da war ihr Jens schon lieber.

*

Kurz vor dem Abflug bekam Jens eine Halsentzündung. Er hatte Fieber und jammerte zum Steinerweichen. Silvie musste ihn versorgen, denn er behauptete, zu schwach zu sein, um aufstehen zu können.

Sie rief ihre Cousine an und teilte ihr mit, dass sie ein paar Tage später eintreffen würde. Birte wirkte enttäuscht darüber, denn sie antwortete ausgesprochen einsilbig. Normalerweise war sie ein Temperamentsbündel.

»Nun sei nicht sauer, Birte. Ich bleibe so lange wie vorgesehen, weil ich den Urlaub in der Bank einfach eine Woche verschieben konnte. Den ganzen Tag muss ich ja auch nicht um Jens herumflitzen, obwohl er das wohl am liebsten hätte.«

»Schon gut, Silvie. Mach dir keine Gedanken. Bis nächste Woche also.«

»Ich komme am Sonnabend. Wenn Jens bis dahin nicht wieder allein klarkommt, soll sich seine Mutter um ihn kümmern. Ich habe ein bisschen den Verdacht, dass er übertreibt, damit ich nicht fliegen kann.«

»Warum sollte er das tun?«

»Weil er mich eigentlich gar nicht nach Island fliegen lassen möchte. Das erzähle ich dir alles, wenn ich da bin. Ist deine Familie eigentlich schon weg?«

»Ja, sie sind ein paar Tage eher gefahren. Du wirst sie aber kennenlernen, wenn sie zurückkommen.«

Birte arbeitete für ein Jahr als Au-pair-Mädchen bei einer Familie mit zwei Kindern. Sie waren jetzt für vier Wochen in den Urlaub gefahren und hatten Birte freigestellt, sie zu begleiten oder allein im Haus zu bleiben und sich Besuch einzuladen. Birte hatte sich für die zweite Möglichkeit entschieden.

Silvie verabschiedete sich und legte auf. Aus dem Schlafzimmer hörte sie Jens rufen.

»Hast du etwa mit Birte telefoniert?«

»Ja, wieso?«

»Das ist ja ein Ferngespräch«, krächzte er empört.

»Ja, sicher. Aber wenn ich hierbleibe, um dich zu pflegen, muss ich ihr wenigstens Bescheid geben.«

Silvie schwor sich, sofort zu gehen, wenn er ihr jetzt vorwarf, dass sie nicht von ihrer Wohnung aus angerufen hatte. Aber er schien das zu ahnen, denn er schwieg verbissen.

Nachdem sie ihm die vierte heiße Zitrone serviert hatte, verabschiedete sie sich. Ob alle Männer so wehleidig waren? Der Arzt hatte ihm lediglich Lutschtabletten aufgeschrieben.

»Du willst schon gehen? Aber was ist, wenn ich mal aufstehen muss und umkippe?«

»Jens, hör auf! Warum solltest du umkippen?«

»Na ja, der Kreislauf …, das ist oft eine Komplikation bei hohem Fieber.«

»Du hast 38,2° C, das ist gerade mal etwas Fieber. Und wenn du Angst hast umzufallen, bleib doch im Bett.«

»Du bist ganz schön gefühllos. Darf ich dich daran erinnern, wie ich mich um dich gekümmert habe, als du die Grippe hattest?«

»Ich war zwei Tage gar nicht in der Lage aufzustehen, weil ich 40° C Fieber hatte. Meine Mutter kam aus Köln und hat mich gepflegt, und du hast mir lediglich am vierten Tag eine Pizza gebracht, weil ich dich darum gebeten hatte. Vorher hattest du Angst, dass du dich anstecken könntest. So war das.«

»Oh, da wird also genau aufgerechnet!«

»Du hast damit angefangen. Ich muss jetzt los, Jens. Es ist schon elf, und ich muss morgen früh raus. Also gute Besserung. Morgen Mittag schaue ich schnell nach dir.«

Er brummelte etwas Unfreundliches. Silvie hörte lieber nicht genauer hin, sonst hätte es nämlich sein können, dass sie wirklich böse würde, und das konnte man einem Kranken nicht zumuten.

Als sie nach Hause fuhr, war ihr klar, dass ihre Freundschaft mit Jens-Peter sich dem Ende zuneigte. Irgendwie hatte sie das Gefühl, an ihm Mutterstelle vertreten zu müssen. Das war wenig erstrebenswert. Die intensiv blauen Augen von Brian schwebten ihr immer noch vor, wenn sie an ihn dachte. Schade, dass er ein wenig merkwürdig war. Sonst hätte sie sich schon einen Urlaub in Schottland vorstellen können …

Sie trat auf die Bremse. Wie gut, dass niemand hinter ihr gefahren war. Es musste wohl eine Katze gewesen sein, die eben wie ein Pfeil über die Straße gehuscht war. Aber komisch, obwohl es für sie gar keine Möglichkeit gab, sich auf der anderen Straßenseite zu verstecken, konnte Silvie sie nirgends entdecken.

Vorsichtig fuhr sie weiter. Der Schreck saß ihr in den Gliedern. Erst als sie wieder in ihrer Wohnung war, entspannte sie sich.

Nichts könnte sie abhalten, am Sonnabend nach Island zu fliegen. Sie brauchte den Urlaub dringend, um ihre angestrengten Nerven zu erholen.

Am Freitag brach Jens einen Streit vom Zaun, der so albern begann, dass Silvie es gar nicht fassen konnte. Sie hatte ihm eine Pizza mitgebracht und im Backofen aufgebacken. Als sie sie ihm servierte, meckerte er an dem Belag herum.

»Du weißt genau, dass ich keine Champignons mag.«

»Bisher hast du sie gegessen, Jens. Es ist deine Lieblingspizza.«

»Champignons sind eklig. Nimm sie runter.«

»Nein, das werde ich nicht tun. Iss jetzt oder lass es. Aber hör auf, mich zu nerven. Ich muss gleich los. Mein Flugzeug geht morgen früh, ich muss noch packen.«

»Du willst wirklich fliegen und mich in diesem Zustand allein lassen?«

»Ja, aber ich rufe gern deine Mutter an, damit sie meine Rolle wieder übernimmt. Ich habe nämlich keine Lust mehr.«

»Keine Lust? Wozu?«

»Deine Mami zu spielen. Du brauchst keine Freundin, sondern eine Ersatz-Mutter. Tut mir leid, Jens, aber ich habe wirklich keine Lust mehr.«

Und dann ging es los. Er zählte akribisch auf, was er alles für sie getan hatte.

Ihm erschien es wohl viel, Silvie dagegen hörte nun aus seinem eigenen Munde, dass sie sich im Grunde hatte abspeisen lassen.