Versuch, einen Platz in Paris zu erfassen - Georges Perec - E-Book

Versuch, einen Platz in Paris zu erfassen E-Book

Georges Perec

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Beschreibung

An drei Tagen im Oktober 1974 notiert Georges Perec an der Pariser Place Saint-Sulpice alles, »was man im Allgemeinen nicht notiert, das, was nicht bemerkt wird, was keine Bedeutung hat, das, was passiert, wenn nichts passiert außer Zeit, Menschen, Autos und Wolken.«
Das Ergebnis dieses spielerischen Alltagsexperiments ist ein ebenso umherschweifender wie konzentrierter Text, ein Text, der nicht nur das bei Perec stets präsente »Infra-Gewöhnliche«, scheinbar Un­­bedeutende ins Zentrum stellt, sondern auch die in seinem Werk so charakteristische Verschränkung von Autobiographischem und Ort bezeugt. Und wie immer bei Perec ist auch dieses kleine Buch bedeutende Literatur und luftiger Zeitvertreib zugleich.

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Seitenzahl: 38

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Versuch, einen Platz in Paris zu erfassen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

diaphanes broschur

Georges Perec

Versuch, einen Platz in Paris zu erfassen

 

Aus dem Französischen und mit einer Nachbemerkung von Tobias Scheffel

 

 

 

 

 

diaphanes

Titel der Originalausgabe:

Tentative d’épuisement d’un lieu parisien

© Éditions Christian Bourgois, Paris 1982

 

 

 

 

 

 

1. Auflage 2023

ISBN 978-3-0358-0616-8

© DIAPHANES, Zürich

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Satz und Layout: 2edit, Zürich

Druck: Steinmeier, Deiningen

 

www.diaphanes.net

Inhalt

I

1

2

3

4

 

II

5

6

7

 

III

8

9

 

Tobias Scheffel

 

 

 

 

Es gibt viele Dinge an der Place Saint-Sulpice, zum Beispiel: ein Rathaus, ein Finanzamt, ein Polizeikommissariat, drei Cafés, darunter eines, das auch Tabakladen ist, ein Kino, eine Kirche, an der Le Vau, Gittard, Oppenord, Servandoni und Chalgrin gebaut haben und die einem Militärgeistlichen von Clothar II. geweiht ist, der von 624 bis 644 Bischof von Bourges war und dessen Gedenktag am 17. Januar begangen wird, ein Verlag, ein Bestattungsunternehmen, ein Reisebüro, eine Bushaltestelle, eine Schneiderei, ein Hotel, ein Brunnen, der von Statuen der vier großen christlichen Kanzelredner (Bossuet, Fénelon, Fléchier und Massillon) geschmückt wird, ein Zeitungskiosk, ein Devotionalienhändler, eine Tiefgarage, ein Schönheitsinstitut und noch viele weitere Dinge.

Ein Großteil, wenn nicht die meisten dieser Dinge sind beschrieben, inventarisiert, fotografiert, erzählt oder zahlenmäßig erfasst worden. Meine Absicht auf den folgenden Seiten war es eher, das Übrige zu schildern: das, was man im Allgemeinen nicht notiert, das, was nicht bemerkt wird, was keine Bedeutung hat, das, was passiert, wenn nichts passiert außer Zeit, Menschen, Autos und Wolken.

I

1

Das Datum: 18. Oktober 1974 Die Zeit: 10 Uhr 30 Der Ort: Tabac Saint-Sulpice Das Wetter: Trockene Kälte. Grauer Himmel. Vereinzeltes Aufklaren.

Entwurf eines Inventars einiger der unmittelbar sichtbaren Dinge:

Buchstaben des Alphabets, Worte: »KLM« (auf der Tasche eines Spaziergängers), ein Großbuchstaben-»P«, das auf den Parkplatz hinweist; »Hôtel Recamier«, »St-Raphaël«, »Das Sparwesen im Niedergang«, »Taxistand – Anfang«, »Rue du Vieux-Colombier«, »Brasserie-Bar La Fontaine Saint-Sulpice«, »P ELF«, »Parc Saint-Sulpice«.Zeichen und Symbole: Pfeile unter dem »P« der Parkplätze oder Tiefgaragen, einer davon leicht nach unten gerichtet, der andere zur Rue Bonaparte hin (zu dem Teil der Straße Richtung Jardin du Luxembourg), mindestens vier Einbahnstraßenschilder (ein fünftes als Spiegelbild in einem der Spiegel des Cafés).Ziffern: 86 (oben auf einem Autobus der Linie 86, oberhalb der Angabe seiner Endstation: Saint-Germain-des-Prés), 1 (Schild mit der Hausnummer 1 in der Rue du Vieux-Colombier), 6 (auf dem Platz, als Angabe, dass wir uns im 6. Pariser Arrondissement befinden).Flüchtige Slogans: »Ich betrachte Paris aus dem Autobus«Erde: festgestampfter Kies und Sand.Stein: Bordsteinkanten, ein Brunnen, eine Kirche, HäuserAsphaltBäume (belaubt, viele sich gelb färbend)Ein recht großes Stück Himmel (vielleicht 1/6 meines Blickfeldes)Ein Schwarm Tauben, der plötzlich zwischen Kirche und Brunnen über der zentralen Fläche des Platzes niedergehtFahrzeuge (deren Bestandsaufnahme ist noch zu machen)MenschenEine Art BassetEin Brot (ein Baguette)Ein Friséesalat der teilweise aus einem Einkaufskorb herauslugt

Buslinien:

Der 96er fährt zur Gare Montparnasse

Der 84er fährt zur Porte de Champerret

Der 70er fährt zur Place du Dr Hayem, Hauptgebäude des Staatlichen Rundfunks

Der 86er fährt nach Saint-Germain-des-Prés

Verlangen Sie Roquefort Société, den echten mit dem grünen Oval

Keinerlei Wasser sprudelt aus dem Brunnen. Tauben haben sich auf dem Rand einer der Brunnenschalen niedergelassen.

Auf der zentralen Fläche stehen Bänke, Doppelbänke mit nur einer Rückenlehne. Von meinem Platz aus kann ich bis zu sechs zählen. Vier sind leer. Drei Clochards mit klassischen Gesten (Rotwein aus der Flasche trinken) auf der sechsten.

Der 63er fährt zur Porte de la Muette

Der 86er fährt nach Saint-Germain-des-Prés

Saubermachen ist gut, nichts dreckig machen ist besser

Ein deutscher Reisebus

Ein Brinks-Kastenwagen

Der 87er fährt zum Champ-de-Mars

Der 84er fährt zur Porte Champerret

 

Farben:

rot (Fiat, Kleid, St-Raphaël, Einbahnstraßen) blaue Tasche grüne Schuhe grüner Regenmantel blaues Taxi blauer 2CV

Der 70er fährt zur Place du Dr Hayem, Hauptgebäude des Staatlichen Rundfunks

grüner Citroën Méhari

Der 86er fährt nach Saint-Germain-des-Prés

Danone: Joghurts und Desserts

Verlangen Sie Roquefort Société, den echten mit dem grünen Oval

die meisten Menschen sind zumindest mit einer Hand beschäftigt: Sie halten eine Tasche, einen kleinen Koffer, einen Korb, einen Stock, eine Leine, an deren Ende sich ein Hund befindet, die Hand eines Kindes

Ein Laster liefert Bier in Metallfässern (Kanterbräu, das Bier von Meister Kanter)

Der 86er fährt nach Saint-Germain-des-Prés

Der 63er fährt zur Porte de la Muette

Ein zweistöckiger »Cityrama«-Bus

Ein blauer Laster der Marke Mercedes

Ein brauner Laster von Printemps-Brummel

Der 84er fährt zur Porte de Champerret

Der 87er fährt zum Champ-de-Mars