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Apple, Starbucks, Hoeneß – so unterschiedlich die Akteure auch sind, ein Ziel eint sie: Keine oder nur wenig Steuern auf Vermögen. Und auch der kleine Mann sucht allzu oft sein Heil in der Steuerflucht. Obwohl immer wieder brandaktuell, ist das Phänomen »Steuerflucht« alles andere als neu. Bereits Ende des Ersten Weltkriegs begann die Schweiz, ein Modell zu etablieren, das fast 100 Jahre erfolgreich funktionieren sollte. Inzwischen gibt es unzählige Nachahmer, die »Kundschaft« mit Niedrigststeuern anlocken – darunter nicht nur die Cayman Islands, sondern auch Bundesstaaten der USA. Und so wechselhaft die Geschichte der Steueroasen auch ist – ihre Macher hinter den glitzernden Bank- und Kanzleifassaden sind ihren Jägern immer eine Spur voraus. So wird es Steueroasen auch künftig geben. Ihnen selbst geht es heute teils besser denn je. Die Geschichte der Steueroasen, des schwarzen Lochs der Weltwirtschaft, wird also wohl fortgeschrieben werden müssen. Und keiner kennt das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Fahndungsbehörden und Finanzberatern besser als Hans-Lothar Merten.
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Seitenzahl: 319
Veröffentlichungsjahr: 2017
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1. Auflage 2017
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Redaktion: Ulrike Kroneck
Korrektorat: Hella Neukötter
Umschlaggestaltung und -abbildung: Maria Wittek, München
ISBN Print 978-3-95972-044-1
ISBN E-Book (PDF) 978-3-96092-068-7
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-96092-069-4
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Prolog: Willkommen in einer Welt ohne Regeln
I. Verflixte Steuerwelt
Steuern ja – aber in Maßen
Steuerentzug – Steuerhinterziehung und Steuervermeidung
Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg – Steuerflucht ist kein deutsches Phänomen
Jeder Staat besteuert anders – Wohnsitzland- und Welteinkommensprinzip
Welcher Staat darf besteuern? – Doppelbesteuerungsabkommen vernetzen die Steuerwelt
Niedrigsteuern – was die Standortwahl bestimmt
Steueroasen und Offshore-Finanzplätze – und wer davon profitiert
II. Das Jahrhundert der Steueroasen – eine Zeitreise ins schwarze Loch der Weltwirtschaft
Eine Zeitreise der besonderen Art – Von ersten zaghaften Steuervergünstigungen zu aggressiven Nullsteuern
III. Wie die Welt der Steueroasen funktioniert
Bitcoin – eine Steueroase für Jedermann?
Verschworene Steueroasen-Welt – ohne Netzwerk geht es nicht
Briefkastenfirmen – Firmen ohne Geschäftsbetrieb
Anonymität muss sein – Scheindirektoren und andere Verschleierungsinstrumente
Verkehrte Welt – wie das Geschäft über Steueroasen funktioniert
Die Macher der Steueroasen-Industrie – Banken, Juristen, Wirtschaftskanzleien, Regierungen und Provider
IV. Die Welt der Steueroasen
Der Mensch, ein Steuerflüchtling
Steueroase Panama
Steuerwelt Karibik – wo Steueroasen neben Nullsteuern auch das Paradies versprechen
Steueroase USA – Land der unbegrenzten Steuerersparnisse
City of London – Major Player im globalen Offshore-System
Irland – Steueroase für Unternehmen
Kampf ums Überleben – die Steueroasen auf dem europäischen Kontinent und im Mittelmeer
Wenig Licht im Dunkeln – Afrikas Steueroasen
Mit Nullsteuern in die Zukunft – Steueroasen-Zone Nahost
Kontinent im Aufbruch – Asiens Schwergewichte in der Offshore-Welt
Offshore Ozeanien – Faszination und Ernüchterung
Wann Steueroasen legitimiert werden
Warum Offshore-Instrumente bei der Vermögenssicherung zum Einsatz kommen
V. Die Folgen des internationalen Steuerwettbewerbs
Was Steuerflucht, Steuerhinterziehung, Steuervermeidung und Korruption kosten
VI. Schattenwirtschaft beseitigen
Nachwort: Kampf gegen Steuerflucht und Schattenwirtschaft
Quellen
Über den Autor
Solange man in wohlhabenden Ländern Steuerwüsten schafft, solange wird es zwangsläufig auch Steueroasen geben.
Der Begriff Steueroase hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten zu einem umstrittenen Ausdruck entwickelt. Der Einfachheit halber werden im Folgenden steuerlich attraktive Standorte als »Steueroasen« bezeichnet. Die Verwendung des Begriffs ist wertfrei und soll keinerlei Beurteilung jedweder Art der Integrität oder irgendeines bestimmten Steuerregimes implizieren.
Besteuerung wird von Bürgern und Unternehmen gemeinhin als lästig empfunden. Dabei werden die Steuerpflichtigen durch zahlreiche Steuerarten in unterschiedlicher Form belastet. Wie auch bei den zugrunde liegenden wirtschaftlichen Entscheidungen richten sich Bürger und Unternehmen auch bei steuerlichen Entscheidungen danach aus, dass diese Belastungen für sie optimal sind. Dazu gehört, die eigene Steuerlast gering zu halten. Das ist legitim. Es gibt keinen, schon gar keinen gesetzlichen Grund, der Bürger und Unternehmen zu einer maximalen Steuerlast zwingt. Je komplexer die Steuergesetze also ausgestaltet sind, desto eher versuchen Steuerpflichtige, Steuern zu vermeiden. Berater helfen ihnen dabei.
Die grenzüberschreitende Mobilität von Personen und Unternehmen hat in den letzten Jahrzehnten einen internationalen Wettbewerb hervorgerufen, der sich seit Langem auch auf die Steuern erstreckt. Der deutsche Steuerstaat reagiert auf diesen Steuerwettbewerb äußerst schwerfällig. Anstatt ein international wettbewerbsfähiges Steuersystem zu installieren, werden Steuerschlupflöcher anhand der gelebten Praxis verortet und durch einzelne – teils systemfremde – Steuervorschriften »gestopft«. Hieran beteiligt sich auch die deutsche Steuerverwaltung.
Das Erfordernis von Steuern für einen funktionierenden Sozialstaat kann nicht abgestritten werden. Es stellt sich aber die Frage, wie viel Belastung einem Bürger oder Unternehmen abverlangt werden kann. Eines steht jedenfalls fest:
Aufgrund seines unersättlichen Finanzbedarfs hält der Staat seine Hände und Taschen weit auf. Das war schon immer so und das wird auch immer so bleiben.
Doch geht es um Steuervermeidung, schrecken die Befürworter des staatlichen Umverteilungssystems auf und plädieren für die Steuermoral. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass die Ordnung des Steuersystems in der Macht des Staates liegt. Nicht Bürger oder Unternehmen schaffen verfassungswidrige Gesetze oder erfinden Gesetzeslücken. Es ist der Staat selbst.
Wenn sich Bürger oder Unternehmen im Bereich Steuern innerhalb des rechtlich Zulässigen bewegen, kann ihnen daraus kaum ein Vorwurf gemacht werden. Im Gegenteil, Bürger und Unternehmen handeln gesetzeskonform. Eine steuerminimierende Gesetzesbefolgung ist daher keine Steuerhinterziehung oder Steuerverkürzung – auch wenn diese über den Umweg Ausland und über den Einsatz von Offshore-Instrumenten erfolgt. Es gibt viele, auch viele legale Möglichkeiten, die Vorteile von Ländern mit einer niedrigen Steuerlast zu nutzen – Steueroasen gehören dazu. Wer die Möglichkeit, Steuern zu sparen, anprangert, sollte den vermeintlichen Fehler also nicht beim Steuersparer, sondern beim Gesetzgeber suchen.
Mit Ende des Ersten Weltkriegs verzeichneten die Tresore und Nummernkonten Schweizer Banken einen regen Zufluss aus Ländern, die von politischen und sozialen Unruhen gebeutelt wurden. Politische Neutralität und Währungsstabilität für den Werterhalt von Vermögen wurden für die Schweizer Finanzinstitute zum Geschäftsmodell. Die Schweiz entwickelte sich damit zur traditionsreichsten der modernen Steueroasen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg tauchten neue Steueroasen auf, vor allem als Zufluchtsorte vor hoher Besteuerung und für Geldwäsche. Für einige, wie das marokkanische Tanger, erwies sich der Status als Steueroase nur als eine kurzlebige, aber abwechslungsreiche Episode der Geschichte. Für andere, wie Liechtenstein oder Panama, wurde der Status als Steueroase zur Basis eines lukrativen Geschäfts. Steuerhinterziehung, Steuerbetrug und Geldwäsche wurden hier zum Geschäftsmodell.
Für eine dritte Gruppe entwickelte sich der Status Steueroase zur »Raison d’être« – zur Daseinsberechtigung –, etwa für die Turks & Caicos Islands in der Karibik. Nullsteuern für die Steuergebeutelten aller Länder – egal, aus welchen Quellen die dort gebunkerten Vermögen stammten.
Waren Steueroasen für die westlichen Industrieländer in den letzten beiden Jahrzehnten schon ein Dorn im Auge, so wird seit der Finanzkrise 2007 endgültig Hatz auf sie gemacht. Hohe Staatsverschuldung und leere Staatskassen zwangen die Industriestaaten, neue Finanzquellen aufzutun. Da kamen die Billionen unversteuerter Vermögenswerte ihrer Steuerpflichtigen in den Steueroasen gerade recht. Mit massiven Kontrollmaßnahmen und einem internationalen Informationsaustausch soll es Steuerflüchtigen, Steuersparkonstrukten und Steueroasen jetzt an den Kragen gehen. Nicht nur die illegalen Steuerpraktiken von Privatpersonen, auch die unversteuerten Milliardengewinne von international operierenden Unternehmen und die dabei zum Einsatz kommenden Briefkastenfirmen sind im Visier von Fahndern und Politikern.
Doch so wechselhaft die Geschichte der Steueroasen auch ist – ihre Macher hinter den glitzernden Bank- und Kanzleifassaden waren ihren Jägern immer einen Schritt voraus. Nullsteuerstaaten halfen ihnen dabei. Die Akteure in der Welt der Steueroasen verdienen ihr Geld damit, dass sie es anderen ermöglichen, Vermögenswerte vor den Finanzbehörden ihrer Heimatländer in Steueroasen rund um den Globus verschwinden zu lassen, Gewinne zu verschieben oder illegale Gelder zu waschen. Das war vor 50 Jahren so und das ist auch heute noch so.
Steueroasen sind ein Geschäftsmodell und eine Waffe in den Händen der Finanzindustrie, bei dem Regulierung, Standards und demokratische Verfahren laufend verwässert werden. Sie werden benutzt, um Geschäfte, die anderswo stattfinden, neu zu verpacken, ohne dabei die Substanz zu verändern. Auch gibt es in der Welt der Steueroasen keine Regeln, wie etwa die Geschäftsbücher von Briefkastenfirmen geführt werden müssen. Es gibt in der Regel keine Geschäftsbücher. Und wenn doch, sind Steueroasen wie eine Werkstatt, in der statt Motoren Bilanzen frisiert werden. Dabei sind Steueroasen nie die einzige Story. Sie existieren immer nur in Verbindung zu etwas, das anderswo passiert.
Die Steuerflucht wird, wie die Staats- und Regierungschefs auf dem G20-Gipfel 2016 im chinesischen Hangzhou festgehalten haben, trotz aller internationalen Kontrollen weiter zunehmen. Die in den Steueroasen geparkten unversteuerten Vermögen und Gewinne auch. Je größer sie sind, desto leichter lassen sie sich auch vor dem Fiskus in den Heimatländern verstecken. Den Steueroasen geht es trotz des zunehmenden internationalen Drucks heute somit teils besser denn je. Auch sind ihre gemachten Zusagen in Sachen internationaler Zusammenarbeit zu vage und die Kontrollmöglichkeiten zu schwach, um in den kommenden Jahren auf deutliche Besserung, weniger Steuerhinterziehung und mehr Steuergerechtigkeit in der Welt zu hoffen.
Und dann passiert Ende 2016 etwas, womit auch in den Steueroasen kaum jemand gerechnet hatte: Donald Trump gewinnt in den USA die Wahl und kündigt für seine Regierungszeit massive Steuersenkungen vor allem für Unternehmen an.
Und um die möglichen wirtschaftlichen Folgen des Brexits abzufedern und Unternehmen von einer drohenden Abwanderung aus Großbritannien abzuhalten, stellt auch die britische Regierung für 2017 massive Steuererleichterungen in Aussicht.
Sogar Ungarn bringt sich in Stellung. Mit einer Körperschaftsteuer von nur 9 Prozent geht die Regierung international auf Unternehmensfang.
Der internationale Wettbewerb um Niedrigststeuern scheint eröffnet zu sein.
Was für eine Wende! Statt internationalem Kampf um mehr Steuergerechtigkeit in den letzten Jahren, Neupositionierung im internationalen Wettbewerb um Niedrigststeuern. Während sich Hochsteuerländer darauf erst noch einstellen müssen, kennen sich Steueroasen damit bestens aus. Sollte den Steueroasen und ihren Akteuren etwa die Zukunft gehören?
Kommen Sie mit auf eine Reise ins schwarze Loch der Weltwirtschaft.
München, Februar 2017
»Nur die kleinen Leute zahlen Steuern«, sagte die New Yorker Millionärin Leona Helmsley einmal. Nur war sie selbst nicht groß genug oder nur zu schlecht beraten, um wegen Steuerbetrugs und Steuerhinterziehung dem Gefängnis zu entkommen. Vier Jahre Haft und 7,1 Millionen Dollar Strafe lautete damals das New Yorker Gerichtsurteil. Schlecht beraten war vor einigen Jahren auch der damalige und heutige Bayern-Präsident Uli Hoeneß. Der hatte über ein geheimes Konto in der Schweiz im großen Stil an der Börse spekuliert und seine Gewinne nicht bei seinem Heimatfinanzamt in Deutschland angegeben. 2014 spricht ihn das Landgericht München wegen Hinterziehung von mindestens 28,5 Millionen Euro schuldig. Hoeneß wurde zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Um nicht wegen Steuerbetrug und Steuerhinterziehung im Gefängnis zu landen, haben sich in Deutschland in den letzten drei Jahren über 50 000 Steuersünder bei den Finanzbehörden selbst angezeigt. Das Hoeneß-Urteil, weitere CD-Daten-Ankäufe der Finanzbehörden, Offshore-Leaks, Lux Leaks und Panama Papers haben sie aufgeschreckt und die Flucht nach vorne antreten lassen. Denn mit Gefängnisstrafe wird hierzulande bestraft, wer 1 Million Euro und mehr Steuern hinterzieht. Das Hoeneß-Urteil hatte gezeigt, dass es bei Steuervergehen jetzt auch Prominenten an den Kragen geht.
Während den »kleinen Leuten« die Steuer vom Arbeitgeber direkt vom Gehalt in Abzug gebracht und an den Fiskus abgeführt wird, müssen Freiberufler und Besserverdiener ihren Steuerpflichten erst nach Eingang des Steuerbescheids nachkommen – häufig ein Jahr später. Und als ob das nicht schon Vorteil genug wäre, setzen sie auch noch alles daran, ihre Steuerverpflichtungen so weit als möglich herunterzudrücken. Berater und Banken im In- und Ausland helfen ihnen dabei. »Offshore« heißt in vielen Fällen das Zauberwort. Profaner: Steueroasen. Die bieten alles, von dem Steuermüde träumen. Von Briefkastenfirmen, anonymen Stiftungen und Trusts zum Verstecken von Vermögenswerten bis hin zu Nullsteuern.
In allen anderen Ländern werden dagegen Steuern durch den Staat für beinahe sämtliche wirtschaftlichen Aktivitäten erhoben. Ein Angestellter mit Durchschnittsgehalt, unverheiratet und ohne Kind musste 2015 im Schnitt 49,4 Prozent seiner Arbeitskosten, also Bruttoverdienst plus Sozialbeiträge der Arbeitgeber, abliefern. Unter den 34 OECD-Ländern rangiert Deutschland damit auf dem dritthöchsten Platz, nur in Belgien und Österreich ist die Last höher. Damit ist die Hälfte vom Brutto netto weg. Hinzu kommen zum Beispiel noch Kapitalertrag- oder Erbschaftsteuern und natürlich noch die indirekten Steuern (Mehrwertsteuer). Die OECD kritisiert seit Langem die hohe Steuer- und Abgabenlast in Deutschland.
Das Steuerrecht ist das am stärksten in die Grundrechte des Bürgers eingreifende Recht – abgesehen vom Strafrecht. Eine prominente Rolle im Steuerrecht nimmt der Gleichheitssatz mit den Prinzipien der Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit ein. Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) besagt: »Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.« Das Leistungsfähigkeitsprinzip, wonach jeder nach Maßstab seiner individuellen ökonomischen Leistungsfähigkeit besteuert werden soll, hat Verfassungsrang und bildet den Hauptmaßstab für die Gleichheitsprüfung im Steuerrecht. Vergleichbare Fallgruppen müssen somit vom Staat auch vergleichbar besteuert werden.
Steuern sind Zwangsabgaben ohne direkte Gegenleistung, um damit die soziale Umverteilung zu organisieren und Leistungen der öffentlichen Hand zu finanzieren. Dabei werden Steuern zum Teil progressiv erhoben. Mit anderen Worten: Staatliche Leistungen werden zum Großteil von vermögenden Privatpersonen und Unternehmen finanziert. Seit es Steuern gibt, beschäftigen die sich jedoch damit, der Steuerlast auszuweichen beziehungsweise sich ihr ganz zu entziehen. Zwangsabgaben, deren Zahlung sie sich zwar nicht verweigern, deren Höhe sie jedoch durch entsprechende Handlungen und Maßnahmen stark verändern können.
Die Höhe der Steuerschuld ist abhängig von der Steuerbemessungsgrundlage und dem Steuersatz. Während Steuerpflichtige auf den Steuersatz keinen direkten Einfluss haben, kann die Bemessungsgrundlage durch legale und illegale Aktivitäten der Steuerpflichtigen mehr oder weniger verringert werden. Auch kann durch Falsch- oder Nichtangabe steuerlich relevanter Tatbestände erst gar keine Bemessungsgrundlage entstehen. Alles Aktivitäten, die dem Ziel der Reduzierung der Steuerschuld dienen – also Steuervermeidung, Steuerhinterziehung oder Steuerbetrug. Diese werden nachfolgend unter dem Begriff Steuerentzug subsummiert.
Im Zuge der Globalisierung und der steigenden Mobilität des Kapitals haben sich für multinationale Unternehmen wie auch für Privatpersonen neue Wege und Alternativen eröffnet, die den Steuerentzug vereinfachen und damit die Steuereinnahmen von Industrie-, Schwellen- und Entwicklungsländern erheblich mindern. Eine dieser Möglichkeiten ist die Verlagerung von Vermögen und Gewinnen in eine Steueroase, wo Kapital steuerfrei vermehrt wird. Das führt sowohl in den Industrie- als auch in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu Steuerausfällen in Milliardenhöhe. Allein den EU-Staaten sind dadurch nach Berechnungen der EU-Kommission im letzten Jahr rund 140 Milliarden Euro entgangen.
Die zunehmende Globalisierung, die hohe Mobilität von Kapital, die Informationsbereitstellung durch das Internet und nicht zuletzt der zunehmende Wettbewerb zwischen den heute rund 40 ernstzunehmenden Steueroasen haben in den letzten zwei, drei Jahrzehnten dazu geführt, dass die Nutzung der Steueroasen für Privatpersonen und Unternehmen immer einfacher wird. Vor allem Unternehmen werden bei der Suche nach neuen Schlupflöchern in den komplexen Steuersystemen immer kreativer. Große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften helfen ihnen dabei.
Dabei ist Steuerentzug keine Straftat, in vielen Ländern aber verboten. Wer sich durch eine ungewöhnliche und unangemessene rechtliche Gestaltung Steuervorteile verschafft, kann von den Steuerbehörden belangt und zur Nachzahlung verdonnert werden. In Deutschland ist der »Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zur Steuerumgehung« seit 1919 in § 42 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Auch in anderen Ländern mit einer gemeinsamen Rechtstradition wie Australien, Irland, den USA, Kanada oder Großbritannien finden sogenannte »general anti-avoidance rules« (GAAR) immer mehr Verbreitung.
Grundsätzlich aber wird in der internationalen Gesetzgebung unterschiedlich definiert, wann ein Steuerentzug vorliegt:
Manche Staaten sprechen von Steuerentzug, wenn ein Steuerpflichtiger absichtlich einen anderen Weg als den üblichen gewählt hat, um weniger Steuern zu zahlen – wenn also »Bewusstsein über das Unrecht« vorliegt.
Andere hinterfragen, ob die jeweilige steuerliche Gestaltung künstlich und kompliziert ist und keinem anderen wirtschaftlichen Zweck dient, als Steuern zu sparen.
Eine dritte Option, die aber bisher nur im englischsprachigen Ausland Eingang gefunden hat, ist, Steuerentzug als Handlung zu definieren, dessen Resultat im Widerspruch zu den Zielen des Gesetzgebers steht.
Die meisten Länder fahnden nach einer Kombination aus Absicht und Künstlichkeit der steuerlichen Gestaltung.
Einig sind sich die meisten Gesetzgeber in puncto Steuerentzug aber in einer Sache:
Zunächst muss die Finanzbehörde die unangemessene rechtliche Gestaltung nachweisen. Dann obliegt es dem Steuerpflichtigen, außersteuerliche Gründe für die von ihm gewählte Gestaltung aufzuzeigen.
Im Einzelfall kann das auch für die Finanzbehörde ganz schön verzwickt werden.
Die komplexen Steuergesetze sind ein Grund dafür, warum auch »normale« Steuerpflichtige das Steuerrecht nicht nur als überkomplex und unsystematisch, sondern als ungerecht empfinden und den Steuerentzug sogar legitimieren. Sie gehen häufig davon aus, dass sie im Gegensatz zu den Reichen und den Unternehmen nicht alle legalen Steuerminderungen nutzen können. Weil sie über entsprechende Gesetze nicht informiert sind, sich teure Berater nicht leisten können und sie deshalb zu viel Steuern zahlen. Dazu kommt die steuerliche Sonderbehandlung großer Konzerne. Die Bürger spüren, dass hier die Steuergerechtigkeit verletzt wird – also dass alle ihren fairen Anteil an Steuern zahlen sollen. Genauso war das zuvor schon bei den vergleichsweise glimpflichen Urteilen für die Steuersünder Zumwinkel und Hoeneß. Das senkt die Steuermoral der »einfachen« Steuerpflichtigen.
Letztlich kann jeder Steuerpflichtige durch Steuerentzug einen höheren Nutzen bzw. ein höheres Nettoeinkommen erzielen. Nämlich dann, wenn der Steuerentzug nicht durch die zuständige Finanzbehörde aufgedeckt wird. Das ist nach Michael G. Allington und Agnar Sandmo der Grundgedanke eines rationalen Steuerhinterziehers.
Unter Steuerflucht versteht man die Verlagerung von Einkunftsquellen, Unternehmenssitz, Wohnsitz oder Aufenthaltsort aus steuerlichen Gründen in andere Länder oder Wirtschaftsgebiete, häufig in Niedrigsteuerländer oder Steueroasen. Der Begriff wird sowohl für Fälle illegaler Steuerhinterziehung als auch bei legaler Steuervermeidung verwendet. Da sich vor allem Kapitaleinkünfte leicht verlagern lassen, sind diese häufig Gegenstand von Steuerflucht. Kapitalflucht kann aber auch andere Gründe haben, etwa die Aspekte Vermögensschutz und Vermögenssicherung. Multinationale Unternehmen verlagern Produktionsstätten aus steuerlichen Gründen ins Ausland, wenn beispielsweise die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt wird. Und Gewinne werden von ihnen in Tochtergesellschaften in Steueroasen verlagert, um grundsätzlich Steuern zu sparen.
Nicht nur in Deutschland haben die Reichen ihr unversteuertes Geld in den letzten Jahrzehnten ins Ausland geschafft. Briten, Franzosen, Griechen, Italiener, Österreicher, Russen, Spanier oder Schweizer haben es ebenfalls getan. Während die Europäer ihr Schwarzgeld in der Regel zu den Banken in den Nachbarländern schafften, bevorzugten Amerikaner aus Nord und Süd die Offshore-Zentren der Karibik. Kam das Schwarzgeld früher vorrangig aus den westlichen Industrieländern, kommt es heute vor allem aus den Schwellen- und Entwicklungsländern Asiens. Sie stehen nach Berechnungen der Organisation Global Financial Integrity (GFI) für 61 Prozent des gesamten globalen Schwarzgeldaufkommens. Den asiatischen Ländern wurden in den letzten Jahren Billionen Dollar Schwarzgeld entzogen. Weltweit werden von Privatpersonen aktuell rund 9 Billionen Dollar Schwarzvermögen im Ausland versteckt. Nimmt man die unversteuerten Gewinn- und Kapitaltransfers der Unternehmen hinzu, sind es sogar 25 bis 30 Billionen Dollar.
Kontinent
Gesamtvermögen
Anlagen in Steueroasen
Nordamerika
16,2
1,6
Europa
10,3
2,6
Naher Osten u. Asien
10,2
4,1
Lateinamerika
1,3
0,7
Insgesamt
38,0
9,0
Weltweites Privatvermögen ohne Immobilien, nichtfinanzielle Vermögenswerte und Unternehmen in Privatbesitz – in Billionen DollarQuellen: BIZ, Merrill Lynch/CapGemini, Boston Consulting Group
China, Mexiko, Malaysia, Saudi-Arabien, Russland, die Philippinen, Nigeria, Indien, Indonesien und die Vereinigten Arabischen Emirate stehen heute für 80 Prozent des gesamten illegalen Geldtransfers. Im Vergleich dazu hat das Problem abfließenden Schwarzgelds in den westlichen Industrieländern mit 15,6 Prozent eine deutlich geringere Dimension. Und dennoch: Ende des letzten Jahrzehnts hatten Bundesbürger rund 400 Milliarden Dollar unversteuert im Ausland angelegt. Davon lagen nach Schätzungen der Deutschen Steuer-Gewerkschaft rund 180 bis 200 Milliarden auf Konten Liechtensteiner und Schweizer Banken. Nach Berechnungen der EU-Kommission gehen den EU-Staaten durch Steuerentzug im Jahr durchschnittlich 200 bis 250 Milliarden Euro Steuereinnahmen verloren – mithin 2,5 Prozent ihres BIP. Das Schwarzgeld gelangt in erster Linie über Steuerentzug und illegale Preismanipulationen bei Handelswaren, Korruption, Geldwäsche oder Drogenhandel in die Steueroasen.
Gefälschte Handelsbilanzen sind vor allem in China weit verbreitet:
Bei Ausfuhren werden Preise niedriger angesetzt, die Preisdifferenz dann auf Konten im Ausland überwiesen.
Bei Importen zahlen chinesische Unternehmen überhöhte Preise, die Preisdifferenz wird dann vom Lieferanten ebenfalls auf ein Konto im Ausland überwiesen.
China ist nach Berechnungen des Ökonomen Christopher Balding von der Peking-Universität das Land mit der größten Kapitalflucht weltweit. Seit 2012 rund 1,6 Billionen Dollar. Und das nur durch manipulierte Importe und Exporte. Laut Gesetz dürfen jährlich nur umgerechnet 50 000 Dollar pro Person China verlassen. Wer mehr Geld transferieren möchte, muss eine Genehmigung einholen. Doch seit 2012 gibt es ein Schlupfloch:
Um den Bürokratieaufwand zu reduzieren, verzichten die Behörden seit vier Jahren darauf, jede einzelne Importrechnung freizugeben. Folge: Etliche Chinesen haben in den vergangenen Jahren rund um den Globus Unternehmen gegründet und betreiben »Handel«.
Dass es ein massives Kapitalleck gibt, haben inzwischen auch die chinesischen Behörden begriffen. Inzwischen prüfen sie, ob Exporteur und Importeur verwandt sind. Doch selbst wenn China dieses Phänomen eindämmen sollte, gibt es andere Tricks:
Nehmen wir einen reichen Chinesen, der gerne ein Haus in Australien kaufen möchte. Einfach 1 Million nach Australien überweisen? Keine Chance. Wie dann? Der Chinese könnte beispielsweise eine Beratungsgesellschaft in Hongkong beauftragen, ihm eine Studie zum australischen Wohnungsmarkt zu erstellen. Kostenpunkt 1 050 000 Dollar. Diese Rechnung kann er bei den chinesischen Behörden einreichen, das Geld fließt. 50 000 behält die Beratungsfirma, für die verbleibende Million Dollar wird dann wie geplant die Immobilie gekauft.
Und das Geld ist raus aus China – wohl für immer.
Chinesische Gelder fließen vor allem in die Finanzzentren London, New York, die British Virgin Islands und die Schweiz. Ähnlich werden Schwarzgeldgeschäfte von Indern und Pakistanis über die Steueroase Dubai abgewickelt. Die Schweiz ist trotz ihrer Weißgeldstrategie auch 2016 immer noch ein Hort für Schwarzgeld aus Asien, Lateinamerika, den Nahen Osten und Afrika. Rund 1 Billion Schweizer Franken dürften es nach Berechnungen der Schweizerischen Nationalbank schon sein. Das Land hat seit Ende des Ersten Weltkriegs maßgeblich zur internationalen Steuerflucht beigetragen.
Soweit einige Fakten zum Phänomen Steuerflucht in die Steueroasen. Aber was führt zu diesem immensen kriminellen Potenzial? Beweggrund ist zunächst die individuelle Verbesserung der Rendite durch Umgehung der nationalen Besteuerung, in Deutschland insbesondere der Zinsabschlags- und Vermögensbesteuerung. Viele Untersuchungen weisen darauf hin, dass die Steuermoral ein wesentlicher Gradmesser für das Ausmaß von Steuerentzug ist. Nach Untersuchungen des Tübinger Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) wird Steuermoral deshalb als Einstellung der Steuerzahler zum Steuerentzug definiert:
Wird Steuerentzug sehr negativ bewertet, ist die Steuermoral hoch.
Wird Steuerentzug als unproblematisch angesehen, ist die Steuermoral niedrig.
Zwar sind nach einer weltweiten Befragung zum Wertewandel 57 Prozent der Deutschen der Meinung, dass Steuerentzug in keinem Fall in Ordnung ist. Nach Umfragen tricksen jedoch 50 Prozent der Bundesbürger bei ihrer Steuererklärung. Allein das verursacht nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums jährlich zwischen 30 bis 50 Milliarden Euro.
Nach der IAW-Studie sind folgende Einflussfaktoren für die Steuermoral der Steuerpflichtigen entscheidend:
Direkt-demokratische Elemente:
Die Steuermoral steigt umso mehr, je mehr der Steuerpflichtige selbst am Entscheidungsprozess über Steuernormen partizipieren kann.
Dezentralismus:
Die Steuermoral ist umso höher, je dezentraler ein Staat und sein Steuersystem aufgebaut sind. Mit seiner Stadt, seiner Gemeinde, seinem Bezirk kann sich der Steuerpflichtige identifizieren.
Wirtschaftliche Belastung:
Steigen die Abgaben und Steuern für den Einzelnen, ohne dass dem zugleich eine Zunahme staatlicher Leistungen gegenüberstehen, wird dies als unfair empfunden und mit unfairem Verhalten erwidert.
Darstellung der Steuerverwendung:
Wird der verschwenderische Umgang der öffentlichen Haushalte mit Steuergeldern beklagt und fehlen die positiven Botschaften, wie sinnvoll Steuern eingesetzt werden, werden Steuern allein als Opfer ohne Gegenleistung empfunden und kaum noch als das, was sie eigentlich sind: Die Grundlage des Staates zur Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben.
Intransparenz und Komplexität des Steuerrechts:
Ein vereinfachtes System ist eines der wesentlichen Faktoren, welche die Steuermoral bestimmen.
Verhalten der anderen:
Wer davon ausgeht, dass andere Steuerzahler ihren Pflichten nicht nachkommen, kommt eher in die Versuchung, ebenfalls nicht alles wahrheitsgemäß beim Fiskus anzugeben. Nach der IAW-Studie sind fast zwei Drittel der Bundesbürger der Meinung, dass so gut wie alle anderen oder zumindest viele andere Bürger Steuern hinterziehen, soweit sie dazu die Möglichkeit sehen.
Das nationale Recht in Deutschland versucht dem Phänomen der Steuerflucht auf verschiedene Weise entgegenzuwirken. Zum einen, indem Steuerflüchtige durch das Strafrecht mit einer Geldstrafe oder – bei Steuerentzug von 1 Million Euro und mehr – mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahre bestraft werden. Zum anderen, indem Kompetenzen geschaffen wurden, um den Geldfluss über die Grenzen besser zu kontrollieren. Das geschieht vorrangig über die Abgabenordnung (AO). Darin wird dem Steuerhinterzieher auch die Möglichkeit eingeräumt, in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren. Und zwar, indem er Selbstanzeige stellt (§ 371 AO). Dazu kommen Regelungen im Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) bei Kontrollen des grenzüberschreitenden Bargeldverkehrs. Auf internationaler Seite kommen länderübergreifende Kontrollmitteilungen und ein steuerrelevanter Informationsaustausch hinzu. Dieser greift ab 2017 in der gesamten EU und ab 2018 in mittlerweile rund 100 Ländern weltweit, darunter auch etliche Steueroasen.
Neben den nationalen Sanktions- und Kontrollmechanismen gibt es auf internationaler wie europäischer Ebene zwar Bemühungen und Vereinbarungen, um das Phänomen der Steuerflucht in die Steueroasen einzudämmen. Unverzichtbare Voraussetzung für ein erfolgreiches Vorgehen gegen Steuerentzug und Steuerflucht ist jedoch eine bessere Steuermoral der Steuerpflichtigen. Die erfordert vor allem ein stärkeres Vertrauen der Steuerpflichtigen in das Steuerrechtssystem sowie eine bessere Identifikation mit diesem. Um das zu erreichen, ist eine Vereinfachung und damit eine bessere Transparenz des Steuerrechts zwingend erforderlich. Auch sollte der Gemeinsinn von Steuern und dessen positive Verwendung verstärkt herausgestellt werden.
Steuern sind schon in Deutschland eine schwierige Materie. Noch schwieriger wird es jedoch, wenn es steuerlich auch um andere Länder geht. Denn die haben unterschiedliche Vorstellungen davon, was wo und wie von ihren Bürgern zu versteuern ist. Dabei hat die Steuerpflicht nichts mit der Staatsbürgerschaft einer Person zu tun. So müssen in Deutschland ansässige Franzosen, Italiener, Türken oder Russen auch hierzulande Steuern zahlen. Denn in Deutschland gilt das Wohnsitzlandprinzip. Danach bestimmt der gewöhnliche Aufenthaltsort, der Lebensmittelpunkt, wo jemand steuerpflichtig ist.
Nach § 9 AO ist der gewöhnliche Aufenthaltsort dort, »wo eine Person sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass sie sich an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend aufhält. Dabei kommt es nicht auf den Willen des Steuerpflichtigen, sondern auf den tatsächlichen Aufenthalt an.« Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland ist nach § 9 Satz 2 AO immer dann gegeben, wenn dieser jährlich insgesamt sechs Monate erreicht. Wer als Steuerpflichtiger also dem Fiskus in der Heimat entkommen will, sollte Nachfolgendes beachten:
Die Zelte in Deutschland müssen – für alle ersichtlich – abgebrochen werden. Dazu gehören eine Abmeldung beim Einwohnermeldeamt und eine »Nullstellung« beim Wohnsitzfinanzamt ebenso wie eine Verzichterklärung auf das Wahlrecht in Deutschland.
Die bisherige Wohnung/das Haus muss aufgegeben werden. Indiz: Miet-/Kaufvertrag mit Fremden, Abmeldung von Strom, Wasser und Telefon.
Das Auto muss hierzulande ab- und im neuen Wohnsitzland angemeldet werden.
Der Pass sollte nur im Ausland bei einem deutschen Konsulat verlängert werden.
Künftig sollte alles vermieden werden, was Rückschlüsse auf einen Aufenthalt in Deutschland zulässt: Hotel- und Restaurantrechnungen, Mietverträge, Postanschrift, Strafmandate, Einkäufe mit Kreditkarte.
Wer hier fahrlässig handelt, den holt – wie das Beispiel Boris Becker zeigt – die deutsche Besteuerung ein. Becker hatte auf dem Höhepunkt seiner Tenniskarriere seinen offiziellen Wohnsitz zwar in Monaco. Er hatte gleichzeitig aber auch noch bei seiner Schwester in München ein Gästezimmer, das er zwischen seinen Turnieren rund um die Welt häufig nutzte – zu häufig, wie der Fiskus seinerzeit feststellte. Steuernachzahlungen in Millionenhöhe waren die Folge.
Abb. 1: Einkommensteuerspitzensätze der Zentralstaaten und der Gebietskörperschaften sowie sonstige Zuschläge (2014, alle Angaben in Prozent)
Abb. 2: Unternehmensbesteuerung 2014 im internationalen VergleichTarifliche Belastung des Gewinns von Kapitalgesellschaften 2014 (nominal) in Prozent (Körperschaftsteuern, Gewerbeertragsteuern und vergleichbare andere Steuern des Zentralstaats und der Gebietskörperschaften)
Anders verhält es sich nach dem Welteinkommensprinzip, das beispielsweise für US-Bürger gilt. Für sie sind sämtliche im Ausland erzielten Einkommen auch in den USA steuerpflichtig. Demgegenüber wird bei deutschen Staatsbürgern das Welteinkommen als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung in Deutschland herangezogen. Dabei werden bereits im Ausland gezahlte Steuern bei der deutschen Steuer angerechnet (Freistellungsmethode). Das ist jedoch auf die Fälle beschränkt, in denen Kapitalflucht von Privatpersonen oder Standortverlagerung von Unternehmen aus rein steuerlichen Gründen nicht anzunehmen ist. Die Finanzbehörden behalten sich jedoch vor, den steuerpflichtigen Rest des Welteinkommens mit dem Steuersatz zu belegen, der für das gesamte Welteinkommen des Steuerpflichtigen im jeweiligen Steuerjahr der angemessene Steuersatz wäre.
Damit jedoch die im Ausland gezahlte Steuer als bezahlt angesehen gelten kann, braucht es zwischen den Staaten Abkommen – sogenannte Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), die das regeln. Sie sollen eine doppelte Besteuerung ein und desselben Einkommens verhindern bzw. abschwächen.
Wirtschaftsbeziehungen werden zunehmend international und damit auch die Herstellung oder Dienstleistung immer öfter über Grenzen hinweg erbracht. Grundsätzlich ist die Besteuerungsgewalt Teil staatlicher Souveränität. Das heißt, jeder Staat darf frei darüber entscheiden, was und wie er besteuert. Im Allgemeinen erkennen Staaten gegenseitig sowohl die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen als auch das Staatsgebiet, aus dem Einkünfte stammen, als legitime Anknüpfungspunkte an, die eine Einkommensbesteuerung rechtfertigen. Im Falle grenzüberschreitender Leistungen bedeutet dies, dass sowohl der Ansässigkeitsstaat des Leistungserbringers, der die Einkünfte erzielt, als auch der sogenannte Quellenstaat, aus dem die Einkünfte stammen, dieselben für die Einkommensteuer erfassen dürfen. Da sich Leistungserbringer und Leistungsnehmer immer häufiger in verschiedenen Ländern befinden, wenden viele Staaten den Ort des Ergebnisses bzw. der Verwertung der Leistung sowie den Zahlungsort als Anknüpfungspunkt für eine Quellenbesteuerung an. Einkünfte werden so häufig doppelt besteuert.
Um eine Doppelbesteuerung zu vermeiden, schließen Staaten zweiseitige Doppelbesteuerungsabkommen. Sie definieren darin die erfassten Einkunftsarten, bestimmen, welcher Staat unter welchen Voraussetzungen welche Einkünfte in welcher Höhe bestimmen darf, und wie die Doppelbesteuerung durch den Ansässigkeitsstaat zu vermeiden ist. Für solche Doppelbesteuerungsabkommen steht weltweit ein Model Pate, das von der OECD 1963 entwickelt wurde und seitdem regelmäßig aktualisiert wird. Da es sich bei der Mehrheit der OECD-Staaten um entwickelte Länder handelt, spiegelt das Musterabkommen überwiegend deren Interessen wider. Als Reaktion darauf wurden Alternativmusterabkommen geschaffen, die die Interessen von Entwicklungs- und Schwellenländern stärker berücksichtigen. Das ist umso wichtiger, da Einkünfte aus diesen Leistungen vor allem aus diesen Ländern verstärkt in Steueroasen verschoben werden und sich somit oft jeglicher Besteuerung entziehen.
Heute ist ein dichtes Netz von Doppelbesteuerungsabkommen Teil des gesetzlichen Rahmens für internationalen Handel, Einkommen und Gewinne sowie internationale Kapitalanlagen. Weltweit gibt es über 3 000 bilaterale Abkommen, die die grenzüberschreitenden Aktivitäten von Privatpersonen und Unternehmen beeinflussen. Auf internationalen Druck hin haben zwischenzeitlich auch einige Steueroasen derartige Abkommen vorrangig mit Industrieländern geschlossen.
Während Entwicklungs- und Schwellenländer am Abschluss von DBAs interessiert sind, um damit vor allem bei ausländischen Investoren Vertrauen zu gewinnen, liegt das Interesse von Hochsteuerländern heute vorrangig am Abschluss derartiger Abkommen, um gegen den Steuerentzug ihrer Steuerpflichtigen vorgehen zu können. Denn Artikel 26 des OECD-Musterabkommens regelt den Austausch steuerbezogener Informationen zwischen DBA-Vertragsländern. Damit haben etwa steuerbegünstigte Unternehmensformen – vor allem in Steueroasen – in der Regel keinen Zugang zu den Vorteilen der Doppelbesteuerungsabkommen.
Richtig genutzt verhindern diese Abkommen nicht nur eine Doppelbesteuerung. Sie bieten Unternehmen auch ganz legale Möglichkeiten, ihre Steuerbelastung im internationalen Geschäftsverkehr zu minimieren. In den internationalen Konzernen sitzen Steuerexperten, die die weltweiten DBAs auf solche Möglichkeiten durchforsten. Das gilt vor allem bei geplanten Auslandsinvestitionen. Erreicht wird das durch das sogenannte Treaty Shopping, mit dem sich die steuerliche Belastung bei Auslandsinvestitionen optimieren lässt. Dazu wird eine internationale Unternehmensstruktur in einem oder mehreren Ländern implementiert. So können bei Investitionen die Vorteile von DBAs genutzt werden, die bei einer Direktinvestition im jeweiligen Zielland sonst nicht möglich wären.
Ist beispielsweise von einem deutschen Unternehmen eine Investition in Indien geplant, bietet sich Mauritius als steuerliches Sprungbrett für ein Treaty Shopping an. Die Insel vor Afrika hat als eines von weltweit nur fünf Ländern ein vorteilhaftes DBA mit Deutschland im Hinblick auf Veräußerungsgewinne und Ausschüttungen bei Kapitalgesellschaften abgeschlossen. Die Kombination der günstigen innerstaatlichen Besteuerung in Mauritius mit dem DBA mit Deutschland ermöglicht Unternehmen eine optimierte Firmenstruktur. Wie das im Einzelfall funktioniert, soll am Beispielfall der Veräußerung eines Anteils an einer nicht börsennotierten indischen Kapitalgesellschaft verdeutlicht werden, bei der die Investition in der ersten Variante direkt über eine deutsche Kapitalgesellschaft und in der zweiten über eine mauritische Zwischengesellschaft erfolgt. Dabei wird unterstellt, dass die indische Gesellschaft nicht den Regelungen des deutschen Außensteuergesetzes unterliegt:
Wird die Beteiligung später veräußert, unterliegt der Gewinn der indischen Ertragssteuer, da somit Indien aufgrund der Regelungen des Art. 13 Abs. 4 DBA-Deutschland das Besteuerungsrecht hat. Die Steuer beträgt für den Fall, dass die Beteiligung
weniger als ein Jahr gehalten wurde: 41,82 Prozent,
länger als ein Jahr gehalten wurde: 20,91 Prozent.
Der Veräußerungsgewinn wird in Deutschland zu 100 Prozent freigestellt. In Deutschland kann wegen fehlender deutscher Steuerbelastung folglich die abgeführte indische Steuer nicht auf die Steuerschuld in Deutschland angerechnet werden. Die fälligen Steuern in Indien für das Unternehmen bleiben in voller Höhe bestehen.
Wird die Beteiligung durch die mauritische Gesellschaft veräußert, fällt keine Steuer auf den Veräußerungsgewinn an, da Art. 13 DBA zwischen Indien und Mauritius Indien kein Besteuerungsrecht einräumt und Mauritius den Veräußerungsgewinn trotz Besteuerungsrecht nicht besteuert. Um die steuerfreien Gewinne aus der mauritischen Gesellschaft nach Deutschland weiterzuleiten, müssen sie ausgeschüttet werden. Auf diese Ausschüttung fallen nach Art. 10 DBA Deutschland/Mauritius in Mauritius 5 Prozent Quellensteuer an, wobei das Besteuerungsrecht für die Ausschüttung grundsätzlich Deutschland hat. Deutschland wiederum stellt diese Ausschüttungen von der deutschen Körperschaftsteuer frei und rechnet die mauritische Quellensteuer nicht an. Letztendlich beträgt die steuerliche Vorbelastung der Gewinne auf Ebene des deutschen Unternehmens damit 5 statt wie bei Variante 1 zwischen 20,91 und 41,82 Prozent.
Investition über
Steuerbelastung Indien in %
Steuerbelastung Mauritius in %
Steuerbelastung gesamt in %
Deutschland direkt
20,91–41,82
–
20,91–41,82
via Mauritius
–
5
5
Gegenüberstellung der Steuerbelastung bei Investition über Deutschland und Mauritius
Unter den derzeitigen steuerlichen Rahmenbedingungen ist bei Investitionen in Indien der Umweg über Mauritius für deutsche Unternehmen legal nahezu konkurrenzlos. Das DBA ist reines Treaty Shopping. Es bleibt aber abzuwarten, was passiert, wenn sich Deutschland das Besteuerungsrecht für solche Veräußerungsgewinne künftig sichert.
Bei solchen und ähnlichen bilateralen Strukturen machen sich Unternehmen dabei ein grundsätzliches Problem zunutze:
Multinationale Konzerne sind integrierte globale Unternehmen, Steuern werden hingegen national erhoben.
Multis bestehen aus zahlreichen Tochtergesellschaften und verbundenen Unternehmen in verschiedenen Ländern. Zu entwirren, welches Land dabei welchen Teil ihres Gewinns besteuert, ist kompliziert. Denn die verschiedenen Steuersysteme kommen sich häufig in die Quere. Unternehmen haben das in den letzten Jahrzehnten für sich genutzt. Sie verlagerten Produktionen und ließen Gewinne dort anfallen, wo die Steuern am niedrigsten sind. Dazu passen sie häufig nur die Preise der Produkte an, die eine Tochtergesellschaft der anderen verrechnet. Und das günstigste Land ist natürlich dasjenige, das die niedrigsten Steuern erhebt – nach Möglichkeit sogar gar keine.
Indem sie diese Gewinne nicht zurück in die Muttergesellschaft leiten, sondern sie in eine Holdinggesellschaft in einer Steueroase abzweigen – häufig über eine Reihe von anderen Tochtergesellschaften als Zwischenstationen –, müssen sie nirgendwo Steuern zahlen. Gleichzeitig wandern die Kosten in jene Länder, wo die Steuern am höchsten sind. Die Multis haben ein System, das Doppelbesteuerung vermeiden sollte, in ein System der doppelten Nichtbesteuerung verdreht. So steht ihnen massenweise billiges Kapital für Reinvestitionen zur Verfügung. So können sie schneller expandieren als ihre kleinere, weniger international ausgerichtete Konkurrenz. Gleichzeitig wird Schwellen- und Entwicklungsländern ein Großteil der ihnen eigentlich zustehenden Steuern entzogen. Das fließt stattdessen in Form von Kapital in die Kassen reicher Staaten – häufig Steueroasen.
Obwohl also eine Doppelbesteuerung durch DBAs über Steuergutschriften legal vermieden und im Einzelfall sogar die Gesamtsteuerlast erheblich reduziert werden kann, helfen Steueroasen Unternehmen vor allem dabei, eine Doppelbesteuerung grundsätzlich zu vermeiden. Sie eliminieren die Doppelbesteuerung, indem sie eine doppelte Nichtbesteuerung möglich machen. Unternehmen vermeiden dadurch nicht nur die zweifache Besteuerung desselben Gewinns. Wie das Beispiel des US-Konzerns Apple zeigt, zahlen sie über den Einsatz grenzüberschreitender Strukturen, wenn überhaupt, nur geringe, in der Regel jedoch gar keine Steuern. Bei Apple geht das so:
Ein Verbraucher in München geht in den Apple Store und kauft dort ein iPhone ohne Netzsperre. Der Kaufpreis geht an die Apple Retail Germany GmbH. Die hat im vergangenen Jahr einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Umsatz erzielt. Apple Retail Germany behält das Geld allerdings nicht. Das Unternehmen hat im gleichen Zeitraum für einen hohen dreistelligen Millionen-Euro-Betrag Güter gekauft und nach Kosten für Mitarbeiter, Miete und andere Ausgaben unter dem Strich 1 Million Euro Verlust gemacht. Apple braucht also in Deutschland keinen Gewinn zu versteuern.
Der Großteil des deutschen Umsatzes – wenn nicht die kompletten Erlöse – fließen an Apple Sales International (ASI). Diese kaufen Apple-Produkte wie das neue iPhone von Vertragszulieferern in China und verkaufen sie dann weiter an die Verkaufsstellen. Apple Sales International ist ein in Irland registriertes Unternehmen, das im gleichen Jahr einen hohen Milliardengewinn ausweist. Für jede Milliarde Gewinn zahlt es aber nur 50 000 Euro an Steuern – ganze 0,005 Prozent. Der Grund:
Apple Sales International ist kein Steuerbürger Irlands. Es zahlt lediglich Steuern entsprechend einem Satz und einer Berechnungsbasis, die das Unternehmen mit den irischen Steuerbehörden ausgehandelt hat. Im Zeitraum 2003 bis 2014 hat Apple dadurch nach Berechnungen der EU-Kommission eigentlich fällige Steuerzahlungen in Höhe von rund 13 Milliarden Euro Steuern eingespart.
Zentrale Aufgabe von ASI ist es, chinesischen Produzenten die fertigen Apple-Produkte abzukaufen. ASI verkauft diese Produkte dann mit einem deutlichen Preisaufschlag an allerlei andere Apple-Tochterfirmen weiter, die sie dann ihrerseits in Europa, Afrika, Asien und Nahost an Endkunden verkaufen. Scheinbar ist ASI also das Drehkreuz von Apples Auslandsvertriebsnetz. Tatsächlich aber spielt die Tochter nur auf dem Papier diese wichtige Rolle. Die Apple-Waren werden ja nicht erst umständlich aus den chinesischen Fabriken nach Irland geschickt – und von dort weiter in die verschiedenen Verkaufsregionen. Die Ware landet in den allermeisten Fällen direkt beim jeweiligen Ländervertrieb.
Eine zentrale Rolle bei der Verlagerung der Profite spielt dabei die Tochterfirma Apple Sales International (ASI):
Abb. 3: Apple-Organigramm I
Der virtuelle Umweg über Irland dient allein dazu, Steuern zu sparen – und das im großen Stil. Auf Milliardengewinne fallen kaum Steuern an. Und das erreicht Apple mit einem zweiten Steuertrick: Apple ist ein internationaler Konzern, der in verschiedenen Ländern rund um den Globus Niederlassungen errichtet hat. Diese Niederlassungen unterliegen dem jeweiligen nationalen Steuerrecht des Staates, in dem sie sich befinden. Die Steuergesetze der verschiedenen Länder widersprechen sich zum Teil – und das lässt sich nutzen:
Apple macht sich einen Widerspruch zwischen dem irischen und dem US-amerikanischen Steuerrecht zunutze:
Laut US-Steuerrecht muss sich ein Unternehmen in jenem Land beim Fiskus melden, in dem es gegründet wurde.
Laut irischem Steuerrecht muss sich ein Unternehmen in jenem Land beim Fiskus melden, in dem es gemanagt wird.
Die ASI – und andere Tochterfirmen von Apple – sind dadurch fein raus. So wurde die ASI zwar in Irland gegründet, sie wird aber in den USA gemanagt. Die ASI in Irland hat daher kaum Angestellte, sondern vorrangig leitende Manager, die alle in Kalifornien residieren. In Irland gegründet, in den USA gemanagt – so lässt sich sowohl irisches als auch US-amerikanisches Steuerrecht umgehen. In der Folge hat sich ASI auch nirgendwo beim Fiskus angemeldet – und zahlt entsprechend auch keine Steuern. Apple hat also eine Lücke im internationalen Steuerrecht gefunden und diese konsequent ausgenutzt.
Und was Apple mit Gewinnverschiebungen über Irland macht, machen McDonald’s über Luxemburg oder die Kaffeekette Starbucks über die Niederlande.
So weit, so dreist. Aber ist der US-Fiskus wirklich unfähig, sich gegen solche Tricks abzusichern? Natürlich nicht. Natürlich gibt es im US-Steuerrecht Vorkehrungen, mit denen sich der Staat gegen die Steuerjongleure internationaler Konzerne wehren kann. In den USA sind solche Vorkehrungen in Section 954c, Subpart F des Steuerrechts festgehalten. Diesen zufolge müssen internationale Konzerne Gewinne aus Tochterfirmen eigentlich jedes Jahr in ihrem Heimatland versteuern. Eigentlich. Nur wurde diese Regelung auf Druck von Lobbyisten schon Mitte des vergangenen Jahrzehnts aufgeweicht – und im US-Recht somit ein weiteres Steuerschlupfloch geschaffen. Und das nutzt Apple ebenfalls aus. Das Steuerschlupfloch hat den klangvollen Namen check-the-box – und das funktioniert so:
Wenn Tochterfirmen ihre Gewinne an übergeordnete Tochterfirmen eines Konzerns abführen, dann kann die Konzernleitung unter bestimmten Bedingungen vom US-Fiskus verlangen, dass er diese Gewinne ignoriert.