Verzaubert 3: Gefürchtete Feinde - Anna-Sophie Caspar - E-Book

Verzaubert 3: Gefürchtete Feinde E-Book

Anna-Sophie Caspar

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Beschreibung

**Finde die Kraft, die in der Liebe verborgen liegt …** Effie muss noch lernen ihre Kräfte als Elementar zu kontrollieren und der Druck, unter dem sie dabei steht, ist gewaltig. Schließlich ist sie die Trägerin des mächtigsten Seelentiers, das es je gegeben hat. Jeden Tag trainiert sie hart, um sich ihrem gefürchteten Feind Nathaniel endlich entgegenstellen zu können. Aber das ist noch nicht ihr größtes Problem. Auch Edens Tierseele wird immer stärker und plötzlich erfährt Effie von Geheimnissen, die sie an seiner Liebe zu ihr zweifeln lassen. Doch ihr bleibt kaum Zeit seinen Gefühlen auf den Grund zu gehen, denn Nathaniel setzt alles daran, Effie und ihre Freunde zu vernichten, und entfacht einen Kampf auf Leben und Tod. //Alle Bände der magischen Bestseller-Reihe: -- Verzaubert 1: Geheimnisvolle Nachbarn -- Verzaubert 2: Gefährliche Freunde -- Verzaubert 3: Gefürchtete Feinde -- Alle Bände der Fantasy-Bestseller-Trilogie »Verzaubert« in einer E-Box!// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Anna-Sophie Caspar

Verzaubert 3: Gefürchtete Feinde

Effie muss noch lernen ihre Kräfte als Elementar zu kontrollieren und der Druck, unter dem sie dabei steht, ist gewaltig. Schließlich ist sie die Trägerin des mächtigsten Seelentiers, das es je gegeben hat. Jeden Tag trainiert sie hart, um sich ihrem gefürchteten Feind Nathaniel endlich entgegenstellen zu können. Aber das ist noch nicht ihr größtes Problem. Auch Edens Tierseele wird immer stärker und plötzlich erfährt Effie von Geheimnissen, die sie an seiner Liebe zu ihr zweifeln lassen. Doch ihr bleibt kaum Zeit seinen Gefühlen auf den Grund zu gehen, denn Nathaniel setzt alles daran, Effie und ihre Freunde zu vernichten, und entfacht einen Kampf auf Leben und Tod.

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Vita

Danksagung

Glossar

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© privat

Anna-Sophie Caspar erblickte 1986 das Licht der Welt und lebt heute in Essen. Obwohl sie schon als Kind gerne kleinere Geschichten erfand, wagte sie sich erst nach ihrem Pädagogikstudium an ihren ersten Roman. Heute arbeitet sie in einem Kinderheim und genießt es, sich in ihrer Freizeit in der Sonne zu aalen und ihre vielen Ideen zu Papier zu bringen.

Prolog

Effie presste sich mit dem Rücken gegen die schwere Stahltür, während Eden von außen immerzu dagegen hämmerte, damit sie ihn hineinließ. Am liebsten hätte sie die Tür aufgerissen, ihre Arme um ihn geschlungen und ihn nie wieder losgelassen. Aber sie musste jetzt stark bleiben … Gegen die Tränen ankämpfen, die in ihr aufstiegen … Sie wollte dem Töten ein Ende setzen, die Menschen retten, die sie liebte … Und sie war bereit, den Preis dafür zu bezahlen.

Nachttraining

»Autsch!« Choi taumelte zurück, fing sich aber schnell wieder. »Mann, wer hätte gedacht, dass du so eine gute Kämpferin bist?« Anerkennend nickte er und ging erneut in Angriffsposition.

Adrenalin schoss durch Effies Adern. Sie senkte den Kopf und wartete auf die nächste Attacke.

Herausfordernd breitete er die Arme aus. »Bereit?«

Sie lächelte. »Mehr als bereit.«

In dem Moment trat Eden aus dem Schatten der Kokospalmen. Für einen Sekundenbruchteil fing er ihre Aufmerksamkeit. Lange genug, dass Choi sie von den Beinen riss, sie rücklings in den Sand fiel und in den schwarzen Nachthimmel blickte.

»Diesmal war ich schneller, Schätzchen.« Choi hielt ihr seine Hand hin und half ihr hoch.

Nicht nur Eden hatte sein Training unterbrochen, sondern auch einige Wächter versammelten sich am Strand und beobachteten Choi und Effie. Mit ihren Trainingsanzügen und den einheitlich kurz geschorenen Haaren, sahen die Wächter sich so ähnlich, dass es Effie immer noch schwerfiel, sie auf den ersten Blick auseinanderzuhalten.

Choi grinste. In der nächsten Sekunde sprang er auf Effie zu. Sie breitete die Arme aus, ein Energieschub schoss durch ihren Körper und spannte jeden ihrer Muskeln an, bis sie sich mit den Füßen vom Boden abstieß und in die Luft erhob. Schon flog sie so hoch, dass er nicht mehr nach ihr greifen konnte, und sauste dann im Sturzflug auf ihn hinab, umklammerte seinen Oberkörper und schleuderte mit ihm zu Boden. Sie kugelten über den kalten Sand, bis sie Chois Arme und Beine fixierte.

»Ha«, triumphierend sprang sie auf. »Zwei zu eins würde ich sagen.« Leicht außer Atem reichte sie ihm diesmal ihre Hand zur Hilfe.

»Deine Fortschritte der letzten Wochen sind riesig. Ich erkenne dich im Kampf kaum wieder«, sagte er und lachte. »Wer bist du und was hast du mit Effie gemacht?«

»Haha«, machte sie, zwang sich zu einem Lächeln und klopfte sich den Sand von der Trainingshose.

Es war nur ein Scherz, sagte sie sich in Gedanken. Er wusste nicht, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte. Ja, es stimmte, sie beherrschte ihre Kräfte richtig gut. Nur war Effie sich nicht sicher, ob sie es war, die die Kontrolle hatte, oder die Phönix-Seele in ihr, die immer mächtiger wurde. Tief in ihr spürte sie, dass die Tierseele ihr Handeln stärker beeinflusste als jemals zuvor.

Das war auch einer der Gründe, warum sie die Nachttrainingseinheiten so genoss. Sie hielten sie davon ab zu schlafen und wenn sie in den frühen Morgenstunden ins Bett ging, war sie meist viel zu müde, um noch zu träumen.

Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, fürchtete sie sich. Davor, dass der Phönix Kontakt mit ihr aufnahm. Es war schwer zu beschreiben und sie traute sich nicht, darüber zu reden. Mit niemandem. Seit ihrer Verwandlung vor einigen Wochen war es anders. Die Phönix-Seele regte sich häufiger, und sie wollte bestimmen. Die Richtung angeben.

Bis jetzt schaffte Effie es, sich diesem Drängen zu widersetzen. Aber wie lange würde sie stark bleiben?

»Eure Art zu kämpfen ist mehr als plump«, riss Raphael, einer der Wächter, sie aus ihren Gedanken. »Ihr seid nur gut, weil ihr übernatürliche Kräfte habt.«

Choi legte den Kopf in den Nacken und schloss genervt die Augen. Raphael mischte sich ständig ein, selbst wenn niemand nach seiner Meinung fragte, wie zum Beispiel jetzt. Es dauerte einen Moment, bis Choi die Augen wieder öffnete und ihn ansah. »Möchtest du mich zum nächsten Kampf herausfordern?«

»Wenn du ein Mensch wärst, würde ich dich in weniger als zwanzig Sekunden besiegen, aber das Kräfteverhältnis ist leider unausgeglichen, daher wäre es unfair.«

Raphael und die anderen Wächter sprachen Deutsch, was die Kommunikation deutlich erleichterte, anders als mit den Priesterinnen, unter denen nur die Pythia und Rea die deutsche Sprache beherrschten. Mit den anderen Priesterinnen musste Effie sich mit Händen und Füßen verständigen oder indem Eden und Choi für sie übersetzten. In solchen Momenten war sie neidisch auf die Fähigkeit der beiden, sich in jeder Sprache verständigen zu können.

»Ach was!« Choi machte eine wegwerfende Handbewegung. »Für so einen guten Kämpfer wie dich dürfte doch selbst ein stärkerer Gegner kein Problem sein.«

Raphael ging einen Schritt auf ihn zu. »Wir könnten ja Effie fragen, ob sie dir deine Kräfte aussaugt«, sagte Raphael herausfordernd. »Dann kämpfen wir von Mensch zu Mensch.«

Choi fing aus tiefster Seele an zu lachen. »Das hättest du wohl gern, du arroganter Schnösel. Ich liebe meine Fähigkeiten.« Er musterte ihn von oben bis unten. »Warte mal«, sagte er und beugte sich ein Stück vor, nah an Raphaels Gesicht heran. »Sehnst du dich nach übernatürlichen Kräften?«

Raphael presste die Lippen zusammen.

Bei seinem Anblick klappte Choi das Kinn herunter und es sah nicht einmal gespielt aus. »Wirklich? Du möchtest ein Elementar sein? Du wüsstest doch gar nicht, mit deinen Fähigkeiten umzugehen.«

Selbstgefällig hob Raphael die Nase in die Luft und betrachtete Choi von oben herab. »Deine Überheblichkeit wird dir schon vergehen.« Ohne ein weiteres Wort wandte er sich von ihnen ab und marschierte davon.

Choi schnaubte. »Wenn er kein Mensch wäre, hätte ich ihm längst eine runtergehauen. Und zwar so fest, dass es richtig wehtut.«

»Mach dir nichts draus.« Ermutigend klopfte Effie ihm auf die Schulter. »Er ist nur neidisch.«

»Du hast gut reden«, sagte er und zog eine Zigarettenschachtel aus der Trainingsjacke, »dich nervt dieser Idiot ja auch nicht permanent.«

»Nein, ich bin schließlich der Phönix-Elementar«, scherzte sie. »Mich ignoriert er lediglich.«

»Du Glückliche.« Er lachte, steckte sich eine Zigarette in den Mund und zündete sie an. »Ich denke, für heute haben wir genug trainiert.« Er nahm einen tiefen Zug, stieß eine Rauchwolke in die Luft und war im nächsten Augenblick im Dunkel der Nacht verschwunden.

Beinahe als wären sie enttäuscht, zogen sich die umstehenden Wächter mit hängenden Schultern zurück. Nur Eden blieb übrig. Im Mondlicht war seine dunkle Silhouette zu sehen. Er kam zu ihr und als er vor ihr stand, schmiegte Effie ihren Kopf an seine kühle Jacke.

Gemeinsam mit Ilias, einem älteren Wächter, war Eden für das Training und die Vorbereitungen für den Kampf gegen Nathaniel zuständig. Und obwohl sie hier gemeinsam auf der Insel ›festsaßen‹, sah Effie ihn verdammt selten: beim Training, beim Essen und wenn sie nachts todmüde ins Bett fielen. Dass sie mal einige Minuten allein waren, kam so gut wie nie vor. Wenn sie genau darüber nachdachte, waren Tage vergangen, seitdem sie sich abseits der anderen zu zweit unterhalten hatten. Ständig wurde Eden von Zenon, Ilias, den anderen Wächtern und hin und wieder auch von einigen Priesterinnen in Beschlag genommen. Im Vergleich zu ihm ließen sie Effie regelrecht in Ruhe. Was sie ehrlich gesagt wunderte, jetzt, wo sie der voll verwandelte Phönix-Elementar war.

Ein plötzliches Stechen in ihrer Brust ließ sie zusammenzucken. Seit einigen Tagen schon quälte sie dieses Gefühl: ein Sog, ein Riss in ihrer Herzgegend, als würde etwas fehlen. Sie wusste genau, was ihr fehlte: der Stein, den Nathaniel wieder an sich gerissen hatte. Das versteinerte Phönix-Ei war von den Vorfahrinnen der Priesterinnen mit einem Zauber belegt worden, um die Phönix-Seele im menschlichen Körper gefangen zu halten … In Effies Körper … Wenn sie ihn bei sich trug, gab er ihr Kraft, schenkte ihr Zuversicht und löste in ihr das Gefühl der Vollkommenheit aus. Aber er war nicht bei ihr, dabei brauchte sie ihn doch so sehr. Ihre Seele, oder vielmehr die Phönix-Seele schrie danach. Tagsüber, und nachts in ihren Träumen noch viel mehr. Sie musste ihn holen. Sie musste ihn holen, um sich komplett zu fühlen.

Mit einem Ruck ließ sie von Eden ab und schüttelte sich. Diese Gedanken und Gefühle … Es waren nicht ihre. Oder doch?

Gelassen steckte er seine Hände in die Hosentaschen, legte den Kopf schief und musterte sie. »Alles in Ordnung?«

»Es … Ich …«, die richtigen Worte für das zu finden, was in ihr vorging, war nicht so einfach.

In ihr regte sich ein ärgerliches Gefühl. Oder war es Belustigung? Jedenfalls fühlte es sich fremd an, als wären es nicht ihre eigenen Emotionen. Versuchte die Phönix-Seele nun schon im Wachzustand mit ihr zu kommunizieren?

Effie wollte die Kontrolle nicht verlieren. Was, wenn die Phönix-Seele bald die Oberhand über ihr Handeln gewann? Dann wäre sie nicht mehr Besitzerin und Chefin ihres Körpers, sondern nur noch Untermieterin, die in eine tiefe dunkle Ecke vertrieben wurde, in der ihr kein Mitspracherecht mehr zustand. Während die Phönix-Seele durch die Lüfte flog und sich auf einem einsamen Berg niederließ, fern von jeglicher Zivilisation.

O nein, bitte nicht. So wollte sie nicht enden.

Eden schmunzelte. »Du siehst aus, als wäre dir eine Laus über die Leber gelaufen.«

»Nimmt dein Seelentier oft Kontakt mit dir auf?«, fragte sie.

Sein Lächeln versiegte. Auch wenn er die Kontrolle über seine Gesichtszüge behielt, spürte Effie, dass ihn diese Frage ärgerte.

»Ich meine, in deinen Träumen«, fügte sie hinzu.

Er schürzte seine Lippen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Seit wann bist du so neugierig?«

»Ich war schon immer neugierig«, sagte sie und musterte ihn skeptisch. Dank ihrer Neugierde hatten sie sich schließlich kennengelernt.

Einen Moment wirkte er irritiert.

»Stimmt«, sagte er dann, löste seine Arme, griff nach ihrer Hand und zog sie wieder zu sich. »Ich wollte dich nur testen.« Behutsam legte er seine Hände um ihren Kopf und sah ihr in die Augen.

Sein Atem streichelte über ihre Haut und ein angenehmes Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus. Langsam näherten sich seine Lippen den ihren. Sie seufzte. Das machte er clever. Seitdem sie auf der Insel waren, fanden sie kaum noch Zeit für sich. Wenn sie ins Bett gingen, schaffte sie es gerade noch, ihm Gute Nacht zu sagen, bevor sie vor Müdigkeit und Erschöpfung sofort einschlief.

»Eden«, sie nahm etwas Abstand, damit sie nicht zum Opfer ihrer Leidenschaft wurde. »Versuchst du gerade, meiner Frage auszuweichen?«

Abwartend sah er sie an, als hoffte er, dass sie keine Antwort verlangte. Aber so leicht kam er ihr nicht davon. Sie hielt seinem Blick stand und wartete. So lange, bis er ergeben seufzte.

»Ja.« Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Mein Seelentier nimmt Kontakt mit mir auf.«

»Häufiger als früher, ich meine, bevor ich mich vollständig verwandelt habe?«

»Was spielt das für eine Rolle?«

Wenn er wüsste, wie verdächtig er sich durch diese Antwort machte. Vielleicht sollte sie mal über einen Job bei der Polizei nachdenken. Gerade hatte sie ihr Talent, Menschen zu durchschauen, entdeckt.

»Warum ärgert dich die Frage? Ist doch nichts dabei.« Unschuldig hob sie die Schultern. »Es interessiert mich einfach.«

»Ich weiß nicht genau.« Amüsiert zog er die Brauen hoch. So schnell hatte er seine Fassung zurückgewonnen. »Vielleicht, seitdem du dich vollständig verwandelt hast.« Er beugte sich zu ihr hinunter. »Oder seitdem wir hier auf der Insel sind.« Obwohl er ihr nah blieb, verschränkte er seine Arme wieder vor der Brust. »Darf ich jetzt eine Frage stellen?«

Zögernd nickte sie. »Warum nicht?«

»Nimmt die Phönix-Seele Kontakt zu dir auf?«

»Ja«, sagte sie bedächtig, »das weißt du doch.«

»Ich meine, ob sie es häufiger tut als sonst?« Er redete langsam, als spräche er mit einem kleinen Mädchen.

Verärgert musterte sie ihn. Was war nur los mit ihm? Eden kam ihr fremd vor, als stünde vor ihr eine andere Person. Zum Glück funktionierte die Fähigkeit von Nathaniels Gestaltwandler-Elementar bei ihr nicht – Effie würde einen Gestaltwandler erkennen, der versuchen würde, sich als Eden auszugeben. Anderenfalls wäre sie sich gerade nicht so sicher, ob das hier der Echte war. Doch vor ihr stand definitiv Eden. Was die Sache verkomplizierte.

»Ja, mehr als sonst«, antwortete sie.

Ein zufriedener Ausdruck trat in sein Gesicht. »Gut.«

»Gut?«, wiederholte sie. »Du findest es gut, dass die Phönix-Seele sich in meinem Körper ausbreitet und versucht, meine menschliche Seele zu vertreiben?«

»So ist es nicht.«

»Ach nein?«

»Nein«, antwortete er ungerührt. »Die Phönix-Seele leiht sich nur deinen Körper.«

»Ach so!« Sie schaffte es nicht, den Sarkasmus in ihren Worten zu unterdrücken. »Das ist natürlich was ganz anderes. Wirklich sehr beruhigend.«

Abrupt wandte Eden sich ab und rieb sich die Schläfen. Er drückte fest zu, als wollte er stechende Kopfschmerzen vertreiben. »Tut mir leid«, sagte er und blinzelte, als müsste er sich orientieren. »Ich … das, was ich gerade zu dir gesagt habe … ich meine es nicht so.« Er sah sie wieder an. »Geht es dir gut?«

»Die Frage ist wohl eher: Geht es dir gut?« Sie musterte ihn. »Ich habe das Gefühl, mit zwei verschiedenen Personen zu sprechen.«

Nachdenklich zogen sich seine Augenbrauen zusammen. »Ich weiß nicht genau«, gestand er. »Ich habe mich reden hören und mich beobachtet, als hätte ich die Steuerung über mein Handeln verloren.«

Eden sprach genau das aus, was sie befürchtete. Was, wenn nicht nur die Phönix-Seele, sondern auch die Tierseelen der anderen Elementare stärker wurden? Was war mit Choi? Bei ihm hatte sie bisher nichts bemerkt. Aber er war eben Choi … »Meinst du, unsere Tierseelen sind dabei, die Kontrolle über unsere Körper zu ergreifen?« Eine leichte Brise kalter, salziger Meeresluft wehte ihr übers Gesicht.

Frühstück unter Palmen

Einige Wochen waren vergangen, seitdem sie aus Nathaniels Reich geflohen waren und Ted sie auf die Phönix-Insel gebracht hatte, auf der die Priesterinnen des Orakels von Delphi lebten. Mittlerweile hatte Effie ihr Zeitgefühl verloren.

Da die Insel mit einem Zauber belegt war, der Menschen und Elementare fernhielt, stellte sie das perfekte Versteck vor Nathaniel dar. Nicht nur Ted, Eden, Choi und Effie waren hier untergekommen, sondern auch fünfzig Wächter der Pythagoreer, die mit ihnen gemeinsam in den Kampf gegen Nathaniel ziehen wollten. Einzig Vespa fehlte … Aber sie würden sie finden, sie aus Nathaniels Fängen befreien und zurückholen.

Die Größe der Insel war überschaubar. In normalem Schritttempo hatte man sie in einem Tag umrundet. In der Mitte, nahe dem heiligen Tempel, gab es eine Quelle, wo sie frisches Wasser bekamen. Die achtzehn Priesterinnen, die hier seit Jahrzehnten lebten, schliefen in Baumhäusern. Unter den Frauen waren fast alle Altersklassen vertreten, die jüngsten von ihnen waren Anfang zwanzig. Sie hatten den Besuchern die Strohhütten überlassen, die zwischen den Kokospalmen standen, und teilten sich jeweils zu dritt oder zu viert ein Baumhaus. Dennoch reichten die Schlafplätze nicht aus, deshalb hatten die Wächter am Waldrand ein Zeltlager aufgebaut.

Effie und Eden teilten sich eine Hütte. Sie diente lediglich als Schlafzimmer, denn viel mehr als eine Matratze, ein kleines Regal und ein winziges Schränkchen passte nicht hinein. Choi schlief nebenan.

Das Klima, nun ja, wie sollte man es am besten beschreiben … es war sehr wechselhaft. In der Nacht kühlte es stark ab, während es am Tag schweißtreibend heiß wurde und das gemischt mit einer Luftfeuchtigkeit, die man in Deutschland niemals erleben würde. Besonders am Nachmittag fühlte Effie sich, als liefe sie durch ein Tropengewächshaus.

Vom ersten Tag an trainierten die Elementare und die Wächter hart. Wenn sie gerade keine neuen Kampftechniken lernten, schmiedeten sie Angriffspläne, aßen oder schliefen. Das war doch ein Inselleben, wie es sich jede Frau wünschte …

Mit den Priesterinnen hätte Effie allerdings auch nicht tauschen wollen. Was machten sie eigentlich den ganzen Tag? Kleider nähen und geheime Zeremonien durchführen? Ehrlich gesagt, hatte sie keine Ahnung. Während die Priesterinnen in ihren hellen Kleidern herumliefen, waren die Wächter nur in Trainingsanzügen anzutreffen, ausgenommen Zenon, der weiterhin die weiße Leinenkutte der Pythagoreer trug, und der Pythia, die in ihrem aquamarinblauen Kleid an eine Priesterin aus Die Nebel von Avalon erinnerte.

Je länger sie auf der Insel waren, desto schlechter fühlte Effie sich. Während sie hier trainierten, hielt Nathaniel Vespa gefangen und tat ihr sonst was an. Effie versuchte, jegliche Gedanken daran zu verdrängen. Viel schlimmer war Chois wachsende Ungeduld. Hin und wieder, wenn er sich unbeobachtet fühlte, sah sie, wie er ein Foto von Vespa aus seiner Jackentasche zog. Dann trat ein Ausdruck in seine Augen, den sie nicht von ihm kannte. Eine merkwürdige Mischung aus Wut, Liebe und Verzweiflung.

Allmählich machte Effie sich große Sorgen, dass er plötzlich auf eigene Faust losziehen könnte.

Aber sie brauchten noch Zeit, auch wenn beim Training schon große Fortschritte zu erkennen waren. Denn eins stand fest: Wenn sie Nathaniel besiegen wollten, dann mussten sie verdammt gut vorbereitet sein.

***

Früh am Morgen, noch bevor die Sonne aufging, versammelten sich alle zum Frühstücken.

Die Wächter und die Priesterinnen nahmen ihre Mahlzeit wie immer schweigend am Strand ein. Die ersten Tage hatten Choi, Effie und Eden es ihnen gleichgetan, mittlerweile aßen sie jedoch abseits der anderen auf ein paar Baumstämmen, die sie sich zwischen den Kokospalmen zusammengelegt hatten.

Wie bei jeder Mahlzeit war auch heute Morgen auf einer langen Steinplatte das Frühstücksbuffet aufgebaut, auch wenn die Auswahl nicht sonderlich groß war. Nüsse, klein geschnittenes Obst und Kokosmilch.

Effie nahm sich eine Schale und füllte sich von allem ein bisschen hinein. Als sie zu ihrem Frühstücksplatz kam und sich auf den Baumstamm zwischen Choi und Eden setzte, hatte Choi sein Schälchen schon fast geleert. Mit vollem Mund blickte er zu ihr.

»Gemeinsam Essen ist eine Form der Kommunikation und keine Meditation«, begrüßte er sie und löffelte sich sein Tropenmüsli in den Mund. »Und das sage ich euch als ein absoluter Genussmensch.«

Das schweigsame Essen der Priesterinnen und Pythagoreer ärgerte ihn regelrecht. Effie grinste. Im Gegensatz zu ihm genoss sie es, abseits der anderen zu speisen. In ihrer Schulzeit hatte sie ihr Essen in der Schulkantine immer gegen ihre Mitschüler verteidigen müssen und meistens war es auf dem Tisch oder dem Boden gelandet, statt in ihrem Mund. Seitdem aß sie nicht gern unter vielen Menschen. Sie schob sich ein Stück Ananas in den Mund und kaute langsam.

»Ich könnte den ganzen Tag essen und hätte immer noch das Gefühl zu verhungern«, seufzte Choi und rieb sich über den Bauch. »Das Zeug, das die uns hier servieren, macht doch nicht satt. Was würde ich für einen Burger geben!« Er stocherte in seiner Schale herum und konnte sich offenbar nicht entscheiden, ob er als Nächstes eine Nuss oder ein Stück Mango essen sollte. »Oder ein Burrito, oder eine XXL-Pizza«, träumte er weiter. »Ich versteh das nicht, wir sind doch auf dieser Insel nicht gestrandet. Ted fährt regelmäßig aufs Festland, warum bringt er nichts Vernünftiges mit?«

Ted konnte als Einziger von ihnen in unsichtbarem Zustand die Insel verlassen. Die Wächter rechneten überall mit Nathaniel oder seinen Elementaren, nachdem er es einmal geschafft hatte, sich bei ihnen einzuschleichen.

Nahrungsmittel und alles andere Nötige schaffte also Ted heran. Die Auswahl ihrer Kleidung hielt sich auch in Grenzen. Ted hatte lediglich einmal Trainingsanzüge für alle gekauft, die dann durch Chois Kräfte mehrmals verdoppelt wurden. Demzufolge trugen sie jeden Tag das Gleiche.

»Wir können Ted fragen.« Eden kramte in seiner Trainingsjacke und zog kurz darauf einen zerknüllten Zettel heraus. »Hat jemand einen Stift?«

In Sekundenschnelle hielt Choi ihm einen Kugelschreiber entgegen. »Seit den Zwanzigerjahren trage ich ihn immer bei mir«, sagte er. »Er ist mein Glücksbringer.«

Effie begutachtete den goldenen Kugelschreiber in Edens Hand und fasste abwesend an ihr Armband. Einen Glücksbringer konnte jeder gebrauchen.

»Wie hat der Kugelschreiber es denn geschafft, dein Glücksbringer zu werden?«, fragte sie und schmunzelte.

Chois Miene blieb ernst. »Er hat mir das Leben gerettet.«

»Was soll Ted euch mitbringen?«, fragte Eden und hielt Choi davon ab, seine Geschichte zu erzählen.

»Rum«, sagte dieser sofort.

Eden schrieb seinen Wunsch auf das knittrige Papier. Außerdem zählte Choi Zutaten für eine Pizza auf, wobei Effie überlegte, wo sie diese backen wollten. Hier gab es nur das Lagerfeuer und die riesigen Steinplatten, die sich erhitzten, wenn man unter ihnen ein Feuer entzündete … Auf denen könnte es vielleicht funktionieren.

»Schokolade!«, rief Choi, als hätte er einen Geistesblitz.

Zucker … Eine sehr gute Idee. Bei dem Gedanken daran lief Effie das Wasser im Mund zusammen. Den Priesterinnen und Pythagoreern fiel es leicht, darauf zu verzichten, weil sie nie Zucker aßen. Aber wenn der Körper an Zucker gewöhnt war, gestaltete sich das schwieriger. Das hatte sie bei einer Folge ›Dschungelcamp‹ gelernt. Nicht, dass sie diese Sendung regelmäßig gesehen hätte, sie hatte nur zufällig eingeschaltet … Wie auch immer.

»Wenn Ted mir keine Schokolade mitbringt«, sagte Choi, »gehe ich selbst los und hol mir welche. Und es ist mir so was von egal, ob ich da draußen Nathaniel oder einem seiner Elementare über den Weg laufe.«

Effie lachte. Choi sprach ihr aus der Seele. »Für mich bitte auch eine Tafel Schokolade«, sagte sie zu Eden.

»Schokolade«, notierte er. »Sonst noch was?«

Sie überlegte. »Ein Handy, das funktioniert, wäre gut. Ansonsten soll er mir eine Postkarte mitbringen, damit ich meinen Eltern schreiben kann.«

Wahrscheinlich drehten sie vor Sorge längst durch, weil sie seit Wochen kein Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Das Problem war nur, dass man hier auf der Insel nirgendwo Handyempfang bekam, und Effie hatte es wirklich mit allen Handys ausprobiert, die sie auftreiben konnte. Kein einziges funktionierte.

Bevor sie dazu kamen, weitere Wünsche aufzuzählen, traten Daphne und Medea zu ihnen. Effie schaffte es gerade noch, sich zu beherrschen und bei ihrem Anblick nicht die Augen zu verdrehen.

Daphne und Medea waren zwei jüngere Priesterinnen, höchstens Anfang zwanzig so wie Effie, die ständig den Kontakt zu ihnen suchten. An sich hätte Effie das sehr nett gefunden, wenn die beiden nicht auf Eden und Choi fixiert gewesen wären. Hinzu kam, dass Effie kein einziges Wort von dem verstand, was sie sagten. Doch am meisten störte sie, und das hätte sie niemals laut zugegeben, dass die beiden Edens und Chois Aufmerksamkeit vollkommen in Anspruch nahmen, die Effie dabei zu vergessen schienen. Ziemlich erschreckend, wie schnell man zur Außenseiterin wurde, wenn man eine Sprache nicht beherrschte …

Dafür konnte sie ihre Gesten und Körpersprache ganz gut interpretieren. Dass Daphne Choi einen nicht vorhandenen Fussel vom Hemd zupfte, bedeutete zum Beispiel: Ich fass dich an, obwohl ich das eigentlich nicht sollte. Sofort dachte Effie an Vespa. Sie wäre bestimmt nicht begeistert, wenn sie davon wüsste.

Choi hatte die Hände in den Hosentaschen vergraben und lehnte sich misstrauisch zurück. Offensichtlich wusste er selbst nicht, wie er mit der Situation umgehen sollte. Daphne sagte etwas und warf ihre langen schwarzen Haare kokett nach hinten. Irritiert weiteten sich Chois Augen.

»Leider versteh ich sie nicht, aber vielleicht wäre es clever, Vespa mal zu erwähnen«, sagte Effie.

»Hab ich schon«, antwortete er. »Aber entweder kapiert sie es nicht oder es interessiert sie nicht.« Er nickte in Edens Richtung. »An deiner Stelle würde ich mir ein bisschen mehr Sorgen um Medea machen.«

Das wurde ja immer besser. Genervt sah sie, wie Medea sich durch ihre langen roten Haare fuhr und Eden anlächelte, wobei sich niedliche Grübchen in ihren Wangen bildeten. Wieder verstand Effie nicht, was sie sagte, aber Eden runzelte skeptisch die Stirn. Im nächsten Moment nahm Medea wie selbstverständlich Edens Hand und lief los.

Widerspruchslos ließ er sich von ihr mitziehen.

»Wohin geht ihr?«, rief Effie gerade noch rechtzeitig, bevor sie zwischen den Palmen verschwanden.

»Zur Pythia«, sagte Eden flüchtig.

»Zur Pythia?«, wiederholte Effie. Was wollte die denn von ihm?

»Das Kampftraining fängt gleich an, wir treffen uns am Strand«, rief er und blickte von Effie zu Choi. »Seid pünktlich.«

»Aber du wolltest Ted doch die Einkaufsliste geben«, sagte Effie. Ein kläglicher Versuch, ihn von seinem Vorhaben abzuhalten, mit Medea zu gehen.

Einen Sekundenbruchteil später stand Eden wieder vor ihr. Es hatte funktioniert. Ihr Herz machte einen Hüpfer und ein kleines bisschen freute sie sich über den Triumph. So leicht konnte Medea Eden nicht von ihr wegzerren.

Er nahm ihre Hand und legte den Zettel hinein. »Gib du ihn Ted, falls du ihn siehst. Wir sehen uns gleich.« Ein flüchtiger Kuss auf Effies Stirn, dann eilte Eden wieder zu Medea und ging mit ihr davon.

Plopp … Die Glücksseifenblase in Effies Kopf zerplatzte und sie starrte den beiden resigniert hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen waren.

Zu früh gefreut … Medea schien es nicht mal für nötig zu halten, Effie eines Blickes zu würdigen, und das war seltsam in Anbetracht dessen, dass die Priesterinnen den Phönix-Elementar angeblich anbeteten. Von wegen … Wenn es so wäre, würden sie Effie mit Sicherheit etwas mehr Beachtung schenken und sie nicht behandeln, als wäre sie Luft. Und Eden … Ach, es machte sie einfach nur wütend.

Das Geheimnis der Pythia

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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