Vier Leichen und ein Todesfall - Andreas Erlenkamp - E-Book

Vier Leichen und ein Todesfall E-Book

Andreas Erlenkamp

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Beschreibung

Für den Krimi-Club geht ein Traum in Erfüllung, denn endlich findet in Niedermühlenbach das langersehnte Krimifestival statt! Die fünf Mitglieder haben alle Hände voll zu tun mit der Organisation, doch die Freude überwiegt: Schließlich steht das gesamte Dorf im Zeichen von Mord und Totschlag - zumindest literarisch. Doch dann wird vor der Premierenlesung einer der geladenen Autoren ermordet aufgefunden ...

"Vier Leichen und ein Todesfall" ist der vierte Band der spannenden Mosel-Krimi-Reihe von Andreas Erlenkamp um die ehemalige Kommissarin Clarissa von Michel und die charmanten Mitglieder des Krimi-Clubs Niedermühlenbach.

Alle bisherigen Bände der charmanten Krimi-Reihe:

Ein Prosit auf den Mörder
Zwei Blüten für den Mörder
Ein dreifaches Hoch auf den Mörder
Vier Leichen und ein Todesfall

Das sagen waschechte Krimi-Fans zur Reihe:


»Clarissa und die Niedermühlenbachler haben mein Herz im Sturm erobert. Die Truppe ist eigenwillig und auch ein wenig skurril, hat aber das Herz am rechten Fleck. Solche Freunde wünscht man sich, da wird einem nicht langweilig.« (Redrose, Lesejury)

»Für Cosy-Crime-Fans und solche, die es werden wollen.« (Stein2203, Lesejury)

»Das Buch ist ein wirklich sehr guter und humorvoller Krimi. Der Schreibstil hat mir super gut gefallen. Die Charaktere sind sehr sympathisch und gut beschrieben, genau wie der Örtlichkeit. Ich komme von der Mosel und bin begeistert.« (Alex1208, Lesejury)

»Der Autor hat die Atmosphäre in diesem Buch gut umgesetzt. Mosel, Wein, Mord und Zwiebelkuchen, dies sind die Zutaten für diesen erfrischenden Regionalkrimi. Für mich ist es ein Wohlfühlkrimi für gemütliche Lesestunden.« (UlrikesBuecherschrank, Lesejury)

Für Leserinnen und Leser von Susanne Hanika, Ellen Barksdale oder Jessica Müller - und alle, die gerne unblutige Cosy Crimes und Provinz-Krimis lesen, die zum Miträtseln einladen.

ebooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung!



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Ähnliche


Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Die wichtigsten Personen in diesem Buch

Titel

Widmung

Zitat

Prolog

Leon

Der Tipp des BKA

Eine Ehrung mit Schlussüberraschung

Die neue Besitzerin des alten Forsthauses

Niedermühlenbach mörderisch gut

Schweich an der Mosel

Abendtraining

Der Gewölbekeller

Gilberto Marrone

Eine gute Auswahl

Alex

Gut drei Monate später

Die Pressekonferenz

Ruhe vor dem Sturm

Auf dem Marktplatz

Ein bisschen zu früh

Am nächsten Morgen

Im Polizeipräsidium

Im Pfarrgarten

Die Krisenrunde

Viele Fragen, wenige Antworten

Ein kollegiales Angebot

Whisky für alle

Nächtliche Erkenntnis

Frühstück mit Ausblick

Im Mainzer Labor

Zwei Spürnasen bei der Arbeit

Hotel Moselkrug

Ein paar Fragen in der Maisonne

Amelie

Riesling und Zwiebelkuchen

Hausdurchsuchung

Belastende Zeugenaussagen

Vera findet Merkwürdiges

Die Benefiz-Lesung

Wenn beim Frühstück der Groschen fällt

Die letzten Puzzleteile

TV Moseltal

Der Abschlussball

Im alten Forsthaus

Abschluss mit Kirschstreusel

Anmerkung

Danksagung

Bonus-Kurzgeschichte Das Weihnachtsgedicht

Über den Autor

Weitere Titel des Autors

Impressum

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Über dieses Buch

Für den Krimi-Club geht ein Traum in Erfüllung, denn endlich findet in Niedermühlenbach das langersehnte Krimifestival statt! Die fünf Mitglieder haben alle Hände voll zu tun mit der Organisation, doch die Freude überwiegt: Schließlich steht das gesamte Dorf im Zeichen von Mord und Todschlag – zumindest literarisch. Doch dann wird vor der Premierenlesung einer der geladenen Autoren ermordet aufgefunden ...

Die wichtigsten Personen in diesem Buch

Clarissa Freifrau von Michel

Clarissa war mehr als dreißig Jahre lang Polizistin, bevor sie mit einundsechzig Jahren in den Ruhestand ging. In den letzten zwölf Jahren ihres Berufslebens hat sie als Erste Kriminalhauptkommissarin das Dezernat Kapitaldelikte geleitet. Kurz: Clarissa war die Leiterin der Mordkommission. Den Titel „Freifrau“ unterschlägt sie bei jeder Vorstellung ganz bewusst. Clarissa hat sich inzwischen auf dem Land, in Niedermühlenbach, niedergelassen. In dem örtlichen Krimi-Club hat sie Gleichgesinnte und neue Freunde gefunden. Sie liebt Wein und gutes Essen, Blumen und Gartenarbeit ... und sie hat ein feines Gespür für Mörder.

Alexander Freiherr von Michel, genannt Alex

Er ist Clarissas einziger Neffe. Mit nicht einmal dreißig Jahren hat er bereits acht Bestseller-Romane geschrieben, allerdings unter dem Pseudonym Alexandra von Seifenberg. Alex’ größter Wunsch ist es, nicht mehr historische Familiensagas zu schreiben, sondern einen Krimi unter seinem eigenen Namen zu veröffentlichen. Kein Wunder, dass er regelmäßig Clarissa besucht, um sich Anregungen zu holen. Mittlerweile hat der Krimi-Club Alex in seine Reihen aufgenommen.

Kriminalkommissarin Lisa-Marlene Bellenberg

Die junge Frau ist Clarissas ehemalige Mitarbeiterin. In Clarissas Augen hat Lisa großes Potenzial als Polizistin. Lisa hielt Alex lange Zeit für einen selbstverliebten Schnulzenschreiber. Er sie dagegen für eine Zicke ... aber das hat sich längst geändert, die beiden sind mittlerweile ein Paar.

Jochen Bremmer

Der Seniorchef eines Moselweinguts ist begeistert von Clarissas feinem Gespür für Wein. Er hätte nichts dagegen, sie öfter zu sehen.

Der Krimi-Club Niedermühlenbach

Alle vierzehn Tage treffen sich die Mitglieder des Krimi-Clubs, um über Kriminalromane zu sprechen. Seit Clarissa dort Mitglied ist, hat der Krimi-Club manchmal auch mehr zu tun, als nur über Bücher zu reden ...

Die Mitglieder sind:

Vera Adenau

Die Bäckerin kennt so ziemlich jeden in Niedermühlenbach. Mit dem Aussehen und der guten Laune eines Puttenengels fällt es Vera nicht schwer, auf Menschen zuzugehen. Und dass sie den besten Kirschstreuselkuchen der ganzen Region backt, ist auch kein Geheimnis.

Luise Hackenroth

Ist mit ihren zweiundfünfzig Jahren sozusagen das Küken im Krimi-Club. Als vor acht Jahren ihr Mann überraschend starb, verkaufte Luise die Firma und engagiert sich seitdem ehrenamtlich in der Gemeindebücherei. Luises ständiger Begleiter ist der Goldendoodle Ray, ein wollweißes Energiebündel.

Ferdinand Teichmann

War im ersten Leben Wirtschaftsprüfer, bevor er in den Schuldienst wechselte. Der bekennende England-Fan trägt am liebsten Tweed. Seit seiner Pensionierung ist Ferdinand ein begeistertes Mitglied des Krimi-Clubs. Genau wie Jochen Bremmer fühlt er sich in Clarissas Gegenwart sehr wohl.

Andreas Erlenkamp

Für Heike und Andreas

»Lächle, du kannst sie nicht alle töten.«

Aufdruck auf meinem Kaffeebecher

Prolog

Von der Lounge drang Gelächter zu ihm herüber, Gläser klirrten, ein paar Takte Bar-Jazz kämpften sich durch das Stimmengemurmel. Glücklicherweise hatte er diese Ecke hier auf dem Sonnendeck ganz für sich allein. Das war gut so, er war nicht in der Stimmung für Small Talk. Die Fragerunde eben und das Signieren der Bücher hatten ihm gereicht. Dabei war eine Autorenlesung mit anschließender Signierstunde auf einem Flusskreuzfahrtschiff eine sichere Bank. Erschöpft lehnte er sich in dem geflochtenen Outdoor-Sofa zurück, rückte dann noch ein paarmal hin und her. Zwecklos. Die wetterfesten Polster sahen zwar einladend aus, waren aber knochenhart.

Das Publikum freute sich erfahrungsgemäß über die Lesung, alle waren in Urlaubsstimmung. Bei vielen saß das Geld etwas lockerer, da lief auch der Bücherverkauf nach der Lesung immer gut. Oft deckten sich die Passagiere noch mit Lesestoff für die nächsten Tage auf der Mosel ein – wie gesagt: eine sichere Sache.

Was ihm die Laune vermiest und den Abend gründlich verdorben hatte, war diese blöde Kuh mit ihren Fragen gewesen. Die erste hatte er noch mit einem charmanten Lachen beantwortet: Ja, es stimmte, er und der Bestsellerautor, der Liebling aller Buchbloggerinnen und Star jeder Buchmesse, hatten früher in einer WG zusammen gewohnt. Ja, sie waren mal Freunde gewesen, Blutsbrüder sozusagen. Und ja, natürlich hatte er noch Kontakt zu seinem berühmten Kollegen.

Doch die Kuh hatte weitergebohrt und nicht lockergelassen. Ob er denn schon mal über ein gemeinsames Projekt nachgedacht habe? Könnten seine Mosel-Krimis nicht etwas mehr Ruhm vertragen? Vielleicht könne er ja sogar noch etwas dazulernen?

Am liebsten wäre er aufgesprungen und hätte sie angeschrien – hatte er natürlich nicht. Er war ihr lediglich die Antworten schuldig geblieben, hatte sie auf später vertröstet und stattdessen noch rasch ein paar unverfängliche Fragen von anderen Zuhörern beantwortet, bevor er die ganze Veranstaltung vorzeitig beendet hatte. Was hätte er auch tun sollen – etwa die Wahrheit sagen? Er hatte keinen Kontakt mehr zu seinem früheren Kumpel, aber das würde er natürlich niemals zugeben. Nicht in einem Raum voller Leute. Und schon gar nicht, während er in ein Mikrofon sprach, damit auch der letzte halb taube Teilnehmer im Publikum es noch mitbekam.

So weit, so schlimm. Mit einem wütenden Schnauben trank er einen weiteren Schluck Wein. Der Mosel-Riesling war kühl, jedoch nicht zu kühl, und hatte genau den richtigen Anteil Säure. Die Aromen explodierten an seinem Gaumen. Aber weder der fantastische Wein noch der Anblick der angestrahlten Reichsburg von Cochem oben auf dem Berg, die beleuchteten Häuser, die dunkle Silhouette der steilen Weinberge oder der träge dahinziehende Fluss konnten ihn beruhigen. Er hatte einmal mehr lügen müssen, und das ließ seine Laune auf den Nullpunkt sinken. Mit seinem berühmten Kollegen verband ihn nichts mehr, rein gar nichts. Kein höflicher Austausch und ganz sicher keine Freundschaft. Er hasste ihn. Für ihn war er gestorben.

Gestorben – durchaus eine Möglichkeit. Den Blick in die Ferne gerichtet, setzte er sich auf, balancierte nur noch angespannt auf der Sofakante. Seine Augen schweiften ziellos über das vorüberziehende Flussufer. Es war nicht das erste Mal, dass er sich den Tod des anderen ausmalte, und zwar in allen blutigen Details.

Mit jeder Bestsellerplatzierung des anderen, mit jedem Fernsehinterview des großen Stars und vor allem mit jeder neugierigen Frage nach der gemeinsamen Vergangenheit wuchs diese Wut in ihm. Die Wut fraß ihn langsam auf, verseuchte seine eigene Arbeit, seine Kreativität, ätzte sich durch seine Bücher. Voller Zorn schleuderte er das Weinglas über Bord, hinein in die bleigrauen Wellen der Mosel. Es war an der Zeit, endlich zu handeln. Der andere würde bezahlen, so viel stand fest. Am Ende wäre klar, wer der lachende Sieger sein würde.

Leon

Leon Klienmann überprüfte die Fotos auf seiner Digitalkamera. Was für eine müde Auswahl. Ihm graute davor, sich die Fotos zu Hause auf seinem großen Computermonitor anzusehen. Selbst das winzige Display der Kamera offenbarte schon die ganze Wahrheit: Grütze, Grütze und nochmals Grütze. Mit diesen langweiligen Fotos würde er keinen schlappen Euro verdienen.

»Shit!«

Fluchen würde ihm auch nichts nutzen. Wenigstens regnete es heute nicht, aber lausig kalt war es hier draußen vor der Mainzer Staatskanzlei. Er stand sich schon seit mehr als einer Stunde die Beine in den Bauch. Außer einer schwarzen Mercedes-Limousine, auf deren Rücksitz möglicherweise ein hohes Tier der Landesregierung vorgefahren war, herrschte hier tote Hose. Fotos von schwarzen Limousinen hauten keinen vom Hocker. Mann, er brauchte dringend ein paar gute Bilder für die Redaktion. Vielleicht sollte ich Carsten anrufen und ihm frühzeitig erklären, dass ich nicht liefern kann, überlegte Leon. Carsten war immer total stinkig, wenn er erst kurz vor Redaktionsschluss erfuhr, dass er nichts im Kasten hatte. In so einem Fall musste Carsten einen Plan B aus der Schublade zaubern, und das machte den Chef vom Dienst bei der Mainzer Allgemeinen alles andere als glücklich.

Leon war seit zwei Jahren dabei. Wenn er am Wochenende ausging, erzählte er neuen Bekanntschaften im Club gerne, dass er für die Berichterstattung im Ressort Politik verantwortlich war. Background-Storys, verdeckte Recherchen, so was in der Art. Das klang zugleich geheimnisvoll und wichtig. Dabei war seine bisher einzige Background-Story ein Porträt des Chefkochs der Landtagskantine gewesen. Und verdeckt hatte er bislang auch nur ein Mal recherchiert. Damals hatte er sich gegenüber einem obskuren Mainzer Hundezüchter als Interessent ausgegeben, der einen Pudelwelpen kaufen wollte. Okay, die Fotos von dem Pudel mit seinem treuherzigen Blick hatte er dann auch noch mal an die Zeitschrift Hunde & Welpen verkauft. Zweitverwertung, leicht verdiente Extra-Kohle, aber das war es dann schon gewesen.

Leon träumte von der ganz großen Story, von einer Artikelserie in der Süddeutschen oder im Spiegel, vom Titelfoto auf dem Stern oder dem Focus.

Aber da würde er ganz sicher nicht mit den Lebensweisheiten eines Kantinenkochs oder einem Pudelfoto hinkommen. Vielleicht, wenn der Kantinenchef den Pudel heimlich auf die Speisekarte ... nee, alles Wunschträume.

Leon hängte sich die Kamera über die Schulter und blätterte noch einmal das Handout durch, das ihm Aisha, die Stellvertreterin von Carsten, in die Hand gedrückt hatte. Da waren alle Veranstaltungen der Staatskanzlei für die nächsten zehn Tage aufgelistet.

»Shit, warum bin ich nicht als Redakteur nach Berlin gegangen?«, murmelte er resigniert. In Berlin gab es Action. Moderne Bürogebäude, coole Clubs. Hier dagegen war die Staatskanzlei in einem barocken Gebäude untergebracht, das allenfalls seine Oma verzückte. Nee, in Mainz spielte sich Politik nicht in verspiegeltem High-Tech-Ambiente ab. Es half auch nichts, sich einzureden, dass das hier früher mal die Waffenkammer der Stadt gewesen war. Dadurch wurde der alte Kasten auch nicht interessanter.

Die Beschäftigung als freier Mitarbeiter war ganz okay, nur dass man damit eben am Freitagabend im Club nicht angeben und Eindruck bei den Bräuten schinden konnte.

Lustlos schlug er die nächste Seite des Handouts auf. Heute um elf gab es eine Ehrung durch den Innenminister. Da bekamen Bürger einen Preis, die Zivilcourage bewiesen hatten. Leon hatte davon schon gehört, beherztes Eingreifen, Verhinderung von Straftaten. Vor seinem inneren Auge sah er sich selber, wie er einen Angriff auf diese nette blonde Abgeordnete von den Grünen verhinderte. Die Süße, die ihn immer anlächelte, wenn sie wahrnahm, dass er seine Kamera auf sie richtete. Er sah sich, wie er einen Angreifer zu Boden warf und mühelos in Schach hielt, bis die blonde Frau in Sicherheit war – schließlich trainierte er regelmäßig im Fitnessstudio. Junger Reporter überwältigt brutalen Angreifer. Ja, das wäre mal eine Story.

Leon seufzte und las weiter. Der Krimi-Club Niedermühlenbach. Vera Adenau, Luise Hackenroth, Ferdinand Teichmann, Clarissa von Michel und Alexander von Michel. Nicht gerade groß, der Club, und die sollten heute einen Preis kriegen?

Kopfschüttelnd steckte er den Ausdruck in seine Umhängetasche, deren Riemen quer über seine Brust führte. Noch eine halbe Stunde bis zur Preisverleihung. Er wechselte das Standbein und kreiste die Schultern, die vom Gewicht seiner Kameras und Taschen wie immer völlig verspannt waren.

Der Tipp des BKA

Ein Reifenquietschen und lautes Hupen ließen Leon hochschauen. Der Transporter von irgendeinem Kurierdienst hatte die Kurve wohl sehr rasant genommen und dabei einen anderen Wagen geschnitten.

Nee, ein Kurier war das nicht, korrigierte sich Leon, sondern offenbar der Lieferwagen einer Bäckerei. Der Wagen war von oben bis unten mit einer Fotofolie beklebt und sah aus wie ein riesiges, frisch gebackenes Kastenbrot auf Rädern. Leon grinste. Sachen gab's, die konnte man sich nicht ausdenken. Dann aber fielen ihm gleich zwei Dinge auf. Punkt eins: Das Brotmobil bremste – trotz des Halteverbots – am Straßenrand, direkt vor der Staatskanzlei. Punkt zwei: Auf der Seite des Wagens stand: Brot und Kuchen, die sind lecker, kaufst du sie im Dorf beim Bäcker. Drum zögere nicht und handle schlau, kauf ein bei Bäcker Adenau.

Adenau? Den Namen hatte er doch gerade noch gelesen. Er kramte noch einmal das Handout heraus und schlug die Seite mit der heutigen Ehrung auf. Da stand es, gleich in der ersten Zeile: Vera Adenau. Das konnte kein Zufall sein. Sie war Mitglied des Krimi-Clubs Niedermühlenbach.

Die Seitentür des Transporters öffnete sich, und während drei Frauen und ein älterer Mann ausstiegen, stopfte Leon hektisch das Handout in die Tasche zurück, nahm seine Kamera und fing an zu fotografieren. Der Krimi-Club reiste im Roggenbrot an, das war doch mal ein Motiv.

Am Steuer, das konnte er dank des Teleobjektivs jetzt erkennen, saß ein Mann, ungefähr in seinem Alter. Lockige Haare, Dreitagebart. Der sieht aber gar nicht glücklich aus, schoss es Leon durch den Kopf.

Eine kleine, eher kompakt gebaute Frau war außen um den Wagen herumgegangen, fuchtelte jetzt wild mit den Händen und schien dem Fahrer des Transporters durch das geöffnete Seitenfenster irgendetwas zu erklären. Mit zwei Hopsern setzte sich der Wagen wieder in Bewegung, augenscheinlich war der Fahrer nicht mit der Kupplung vertraut. Ein weiteres wütendes Hupen bewies, dass er auch keine Rücksicht auf den nachfolgenden Verkehr genommen hatte. Der Transporter verschwand hinter der nächsten Kurve.

Leon richtete die Kamera auf die Gruppe. Endlich mal was Interessantes, dann hatte sich die Warterei doch gelohnt. Die Gruppe wirkte im Vergleich zu den grauen Anzügen und Business-Kostümen, die er während der letzten Tage hatte vorüberziehen sehen, geradezu exotisch. Leon drückte auf den Auslöser. Erst die Fotos, dann das Nachdenken. Seine Regel Nummer eins.

Die kleine Frau, die eben noch dem jungen Fahrer Anweisungen gegeben hatte, strahlte über das ganze Gesicht und schob mit dem Zeigefinger eine kleine Hornbrille auf der Nase nach oben. Leon musste unwillkürlich mitlächeln, die Begeisterung der Frau war mit Händen greifbar. Die Frau daneben war der krasse Gegensatz. Leon stieß einen Pfiff aus. Na, das war doch mal ein Fotomotiv. Sie sah aus wie ein ehemaliges Supermodel. Die hohen Wangenknochen, die etwas zu große Nase, die dem perfekten Gesicht erst etwas Außergewöhnliches gab – dazu blonde, modisch frisierte Haare. Wahnsinn, dachte Leon. Diese Bilder kann ich gleich der Vogue anbieten. Die Frau trug Stiefel mit hohen Pfennigabsätzen und einen cremefarbenen Wollmantel mit farblich passendem großem Schal. Die beiden anderen Mitglieder des Krimi-Clubs hatte im Vergleich deutlich weniger Glamour-Potenzial. Die dritte Frau in der Runde erinnerte Leon rein äußerlich an die britische Schauspielerin Judi Dench. Ja, genau, dachte er, der Kurzhaarschnitt, das Gesicht, das war Judi Dench in ihrer Paraderolle als M in den James-Bond-Filmen. Neben ihr ging ein Mann, ungefähr Mitte sechzig, der dagegen nicht zu einem Bond-Film passte, wohl aber in eine Folge von Downton Abbey. Britischer Landadel in Reinkultur. Tweedanzug, Fliege, eine offene Barbourjacke und eine Tweedmütze auf dem Kopf. Dazu der sorgfältig gestutzte weiße Schnurrbart und ein sonnengebräuntes Gesicht.

»Wo bleiben deine Jagdhunde, Mister?«, murmelte Leon, »du siehst aus, als würde gleich um die Ecke die nächste Moorhuhnjagd beginnen.«

Den Blick fest auf sein Motiv gerichtet, hatte sich Leon inzwischen nahe genug an die kleine Gruppe heranbewegt, um hören zu können, was gesprochen wurde.

»Ich habe Alex erklärt, wo er parken kann. Die Elisabeth, das ist eine Bekannte von Wölfchens Freund Dieter, die hat hier in Mainz nämlich jahrelang eine Affäre gehabt und immer genau gewusst, wo sie mit dem Auto kostenlos die ganze Nacht über stehen bleiben konnte. Solche Insiderinfos bekommt man ja nicht alle Tage, nicht wahr? Aber mir hat sie alles brühwarm beim Streuselkuchen erzählt.« Die stämmige Königin der guten Laune redete auf die anderen ein, die das mit einem geduldigen Lächeln hinnahmen.

»Hoffentlich überlebt Alex den Stadtverkehr«, steuerte Mister Moorhuhnjagd bei. Es sind nur zwei Männer im Krimi-Club. Das muss also Ferdinand Teichmann sein, schloss Leon, wenn Alexander noch am Steuer sitzt. Die Gruppe lief an ihm vorbei, ohne ihn wirklich zu beachten. Wobei, so ganz stimmte das nicht. Leon hätte schwören können, dass die Frau, die Judi Dench ähnelte, ihm einen prüfenden Blick zugeworfen hatte. Mit diesem Blick schien sie alles Wesentliche zu erfassen. Auf ihn wirkte es, als hätte sie sich blitzschnell Details zu seinem Äußeren gemerkt. Unheimlich, ganz unheimlich, dachte er.

»Sie sind Journalist?« Die Stimme hinter ihm ließ ihn herumfahren. Vor ihm stand eine Frau, sie mochte etwa Mitte vierzig sein. Ihr teurer Hosenanzug und ihr Designer-Mantel deuteten darauf hin, dass sie keine Journalisten-Kollegin war, die konnten sich einen solchen Kleidungsstil nicht leisten.

»Leon Klienmann, Mainzer Allgemeine, Landespolitik.«

»Haben Sie vor, über den Krimi-Club zu schreiben?«

»Weiß ich noch nicht. Eine weitere Ehrung von ein paar ehrenamtlich engagierten Bürgern? Das wird meinen Chef nicht gerade in Freudentaumel versetzen. Und wie sieht das bei Ihnen aus, interessieren Sie sich für die Ehrung?«

»Ich werde auf jeden Fall dort sein.«

»Dann kennen Sie den Krimi-Club? Wie sind die denn so?« Infos aus erster Hand sollte man sich nicht entgehen lassen. Seine Regel Nummer zwei.

»Der Krimi-Club hat im letzten Jahr ein Mörder-Paar überführt, einen Falschgeld-Ring auffliegen lassen und einen Doppelmord aufgeklärt. Nicht zu vergessen den Diebstahl von Tombola-Preisen des Weihnachtsbasars, aber das nur am Rande. Und nebenbei schreiben die Mitglieder ganz hervorragende Buchempfehlungen für Krimis.«

»Im Ernst? Die haben echte Verbrechen aufgeklärt? Ich dachte, in so einem Club redet man über Bücher. Und jetzt erzählen Sie mir, das ist so eine Art Miss Marple und ihre Freunde?« Leon grinste.

»Sie sollten Clarissa von Michel nicht unterschätzen, das haben schon andere getan und es bitter bereut. Wenn Sie auf der Suche nach einer guten Story sind, dann empfehle ich Ihnen, den Krimi-Club weiter im Blick zu behalten.«

»Ach, ist das so? Wer sind Sie, die PR-Managerin dieses Vereins?«

»Nein, nur jemand, der sich auskennt. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich möchte die Ehrung nicht verpassen.« Die Frau im Hosenanzug wandte sich ab und ging in Richtung Staatskanzlei.

»Moment, warten Sie. Sie haben mir noch gar nicht Ihren Namen verraten.« Leon beeilte sich, nicht den Anschluss zu verlieren. »Sagen Sie mir wenigstens, wer Sie sind.«

Die Frau im Hosenanzug blieb noch einmal kurz stehen. »Kriminalhauptkommissarin Lichtel-Gauss. Bundeskriminalamt, Referat Organisierte Kriminalität, Herr Klienmann. Und wenn das BKA Ihnen einen Tipp gibt, sollten Sie ihn beherzigen.« Die Beamtin zwinkerte ihm zu, drehte sich um und ging weiter.

Leon schaute ihr mit halb geöffnetem Mund nach. Holy shit, das glaub ich doch jetzt nicht, dachte er. Aber dann beeilte er sich, seinen Presseausweis aus der Innentasche herauszufischen, um gleich drinnen am Empfang keine Zeit zu verlieren. Er wollte einen möglichst guten Platz bei der Feierstunde ergattern. Wenn die Kriminalhauptkommissarin recht hatte, war da mehr als nur eine kurze Meldung für ihn drin. Keine Ahnung, was die mit alldem zu tun hatte, aber er wäre schön blöd, sich etwas entgehen zu lassen, was ihm praktisch auf dem Silbertablett serviert wurde.

Hör auf dein Bauchgefühl. Seine Regel Nummer drei.

Eine Ehrung mit Schlussüberraschung

»Wo bleibt denn nur Alex?« Clarissa von Michel schaute abwechselnd auf ihre Armbanduhr und zur großen Eingangstür des Saals in der Staatskanzlei.

»Keine Sorge, Clarissa, ich habe ihm ganz genau beschrieben, wo er parken kann. Unser Bäckereitransporter ist ja kein Lkw, damit kommt man auch in engen Straßen gut zurecht«, beruhigte Vera Adenau ihre Freundin.

»Also, ich beneide Alex nicht. Für jemanden, der noch nie so ein Fahrzeug gefahren hat, dürfte das eine ziemliche Herausforderung sein«, warf Ferdinand Teichmann ein und fuhr sich mit zwei Fingern nachdenklich über den Schnurrbart. »Ich finde es jedenfalls hochanständig von Alex, dass er uns vorne im Halteverbot herausgelassen hat, damit wir uns nicht hetzen müssen. Ich hätte nie gedacht, dass es am Vormittag auf der Autobahn so voll sein kann. Gut, dass wir ein bisschen Zeitreserve eingeplant hatten.«

»Du hast vollkommen recht, Ferdi. Stell dir nur vor, wie peinlich es gewesen wäre, wenn der Krimi-Club Niedermühlenbach zu spät zu seiner eigenen Feierstunde gekommen wäre. Ich glaube, ich wäre gestorben vor Aufregung und Scham.« Luise Hackenroth strich sich eine widerspenstige blonde Strähne hinter das Ohr. Wenn jemand vor Aufregung sterben würde, dann ganz sicher nicht Luise, dachte Clarissa amüsiert. Ihre Freundin hatte nicht nur einen messerscharfen Verstand, sondern war auch so etwas wie der ruhende Ausgleich zu der stets beschwingt-aufgeregten Vera. Vera sprühte nur so vor Lebensfreude und Aktivität. Ihre Begeisterung für eine Sache war ansteckend, aber manchmal auch ein wenig anstrengend.

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und Alex stürzte in den Saal. Clarissa sah, wie er einen Augenblick stehen blieb, tief durchatmete und sich suchend umschaute. Sie hob kurz die Hand, um sich bemerkbar zu machen, was Alex mit einem Lächeln und einem hochgestreckten Daumen quittierte. Mit einer geübten Handbewegung zog er seine Krawatte gerade und strich sich mit beiden Händen noch einmal durch die widerspenstigen lockigen schwarzen Haare. Das machte seine Frisur in Clarissas Augen allerdings keinen Deut besser. Trotzdem, das musste sie sich eingestehen, machte ihr Neffe heute eine wirklich gute Figur. Sie wusste gar nicht, wann sie ihn das letzte Mal im Anzug gesehen hatte. Alex wäre so jederzeit als erfolgreicher Manager auf dem Weg zu einer Cocktailparty durchgegangen. Doch er arbeitete nicht in der Wirtschaft, sondern war Schriftsteller. Bei Lesungen, davon hatte sich Clarissa schon selbst überzeugen können, erlagen die weiblichen Fans regelmäßig seinem jungenhaften Charme.

»Guten Morgen, ihr Lieben, na, seid ihr schon aufgeregt?«

Clarissa hatte sich so auf ihren Neffen konzentriert, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass Anne Lichtel-Gauss zu der kleinen Gruppe getreten war.

»Anne, das ist aber eine Überraschung«, sagte Clarissa, »was treibt denn eine vielbeschäftigte BKA-Beamtin nach Mainz?«

»Das fragst du doch nicht im Ernst, Clarissa? Denkst du wirklich, ich lasse es mir entgehen, wenn der Innenminister den Krimi-Club für seine Verdienste auszeichnet? Außerdem habe ich da noch eine kleine Überraschung für euch.«

Auch die übrigen Mitglieder des Krimi-Clubs begrüßten Anne herzlich. Sie hatten ihre Unterstützung bei der Falschgeldermittlung nicht vergessen.

»Gott sei Dank. Geschafft! Ich hatte schon befürchtet, zu spät zu kommen.« Alex war zu der Gruppe getreten und überreichte Vera die Autoschlüssel. »Hiermit übergebe ich dir wieder die Verantwortung für das Brotmobil. Ich bin tausend Tode gestorben. In dem Wagen hat man ja null Rundumsicht. Ach, und bestell deiner Bekannten doch bitte, dass sich auf dem großen Grundstück, wo sie immer so prima geparkt hat, jetzt ein Einkaufszentrum befindet.«

»Sag mal, beschwerst du dich gerade über mein Auto? Ich weiß wirklich nicht, was du hast«, verteidigte sich Vera, »der Transporter ist doch ganz schnuckelig. Du hättest mal Wölfchens alten Laster sehen sollen.«

»Also, wir sollten uns wirklich mal über deine Definition von schnuckelig unterhalten.«

»Herrje«, murmelte Ferdinand, »und ich dachte, wir könnten bei unserem nächsten Treffen über ein paar neue Krimis reden.«

Clarissa legte ihrem Freund die Hand auf den Arm. »Das werden wir auch, Ferdi. Ganz sicher.«

»Hört mal, ihr Lieben, ihr müsst mich jetzt entschuldigen«, sagte Anne, »ich habe versprochen, mich vor der Veranstaltung bei der Referentin des Ministers zu melden. Ach ja, ich habe draußen vor der Staatskanzlei mit einem Journalisten gesprochen. Leon Klienmann von der Mainzer Allgemeinen.«

»Knapp 1,80 Meter groß, rund neunzig Kilo schwer, braune Haare, keine dreißig Jahre alt und noch am Anfang seiner Reporterkarriere?«, fragte Clarissa.

Anne nickte. »Exakt, du hast ihn also auch gesehen. Aber wie kommst du darauf, dass er noch am Anfang steht?«

»Mit nicht mal dreißig? Du meinst, er hat schon mit fünfzehn angefangen zu arbeiten? Schwer vorstellbar. Außerdem hat er lustlos in ein paar Papieren geblättert, wahrscheinlich eine Terminübersicht oder so. Als wir aus dem Transporter gestiegen sind, hat er nicht mehr aufgehört zu fotografieren. Ich vermute, Luise hat es ihm besonders angetan. Für mich sah das so aus, als wäre er noch auf der Suche nach einem Thema. Er sah ganz zufrieden aus, als er uns fotografiert hat. Ich kann mich mit alldem natürlich auch irren.«

»Das, liebe Clarissa, halte ich für unwahrscheinlich. Ich wünschte, du wärst nicht ausgeschieden und wir könnten zusammenarbeiten.«

»Ich bin ganz zufrieden mit meinem Ruhestand, die Mörderjagd überlasse ich anderen.«

»Na, das hat man ja im letzten Jahr gemerkt.« Anne kicherte. »Wie dem auch sei. Ich habe Klienmann jedenfalls empfohlen, an der Ehrung teilzunehmen. Ich denke, der Krimi-Club hat ein bisschen Publicity verdient. Bis später!« Anne lächelte die Runde verschwörerisch an und ging dann in den hinteren Teil des Saals, wo ein Techniker ein paar Funkmikrofone vorbereitete.

»Mensch, Clarissa, ich hab gar keinen Reporter bemerkt. Worauf du immer achtest«, wunderte sich Vera. »Jedenfalls bin ich gespannt, welche Überraschung Anne noch für uns hat. Kinder, das ist alles so aufregend. Schade, dass Wölfchen mit dieser fiesen Erkältung im Bett liegt. Was hätte ihm das alles hier gefallen. Bestimmt wäre er ganz aus dem Häuschen.« Vera seufzte. Wolfgang Adenau, von Vera liebevoll Wölfchen genannt, war das genaue Gegenteil seiner Gattin. Ob er je schon einmal ganz aus dem Häuschen gewesen war, das bezweifelte Clarissa.

***

»Seit mehr als acht Jahren gibt es nun den Krimi-Club Niedermühlenbach. Aber erst seit einem knappen Jahr stellen die Mitglieder des Clubs unter Beweis, dass sie sich nicht nur mit Verbrechen zwischen zwei Buchdeckeln auskennen.« Der Innenminister schaute von seinem Stichwortzettel hoch und lächelte in die Runde. Clarissa hatte das Gefühl, dass er ihren Blick suchte. »Ich wage mal die Behauptung, dass das mit dem damaligen Neuzugang im Club zu tun hat. Vor fast einem Jahr hat sich Clarissa von Michel dem Krimi-Club Niedermühlenbach angeschlossen. Und was für eine Bereicherung ist sie für diesen. Sie war schließlich bis zu ihrer Pensionierung erste Kriminalhauptkommissarin und die Leiterin des Dezernats Kapitaldelikte. Oder, wie wir Laien gerne sagen: die Chefin der Mordkommission. Sie hat jahrzehntelang bewiesen, dass sie ein feines Gespür für Verbrechen und Mord besitzt. Unser Land und die Polizeibehörde verdanken ihr und den übrigen Mitgliedern des Krimi-Clubs viel. Vera Adenau«, der Innenminister nickte in Veras Richtung, die vor Verlegenheit ganz rot wurde, »backt nicht nur hervorragenden Kirschstreusel, habe ich mir sagen lassen, sie hat auch aktiv an der Lösung der Kriminalfälle mitgearbeitet. Genauso wie Ferdinand Teichmann, Oberstudiendirektor im Ruhestand. Sie werden sich nicht mehr daran erinnern, Herr Teichmann, aber als Sie noch Wirtschaftsprüfer waren, also noch lange vor Ihrer Entscheidung, in den Schuldienst zu wechseln, haben wir uns einmal auf einer Fortbildung getroffen. Ich musste in meinen alten Unterlagen nachschauen, um ganz sicherzugehen, aber Ihr Name kam mir gleich bekannt vor.« Der Innenminister machte eine kurze Pause und trank einen Schluck Wasser, bevor er fortfuhr: »Und da wären noch zwei weitere Mitglieder des Krimi-Clubs, die ich Ihnen vorstellen möchte. Zunächst einmal Luise Hackenroth. Ich durfte einmal das Unternehmen von Frau Hackenroths verstorbenem Ehemann besichtigen. Ich erinnere mich gut an seine erfolgreiche Firma, die Sie, Frau Hackenroth, nach seinem plötzlichen Tod weitergeführt haben. Wie ich gehört habe, haben Sie sich selbst während des Verkaufs der Firma an einen Konkurrenten noch vehement für die gesicherte Zukunft Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingesetzt.« Der Innenminister nickte mit einer wohlwollenden Miene, so als wollte er damit noch einmal unterstreichen, wie sehr ihm dieses Engagement gefiel. »Nun, seit ein paar Jahren haben Sie ehrenamtlich die Leitung der Gemeindebücherei übernommen und das – hier verlasse ich mich mal auf meine Stichwortgeber im Hintergrund – mit so großem Erfolg, dass manch etablierte Stadtbücherei in der Moselregion ganz neidisch ist. Das jüngste Mitglied des Krimi-Clubs ist Alexander Freiherr von Michel, der Neffe unserer ehemaligen Leiterin der Mordkommission. Alexander Freiherr von Michel ist ein überaus erfolgreicher Schriftsteller. Keine dreißig Jahre alt, hat er bereits acht Bestseller veröffentlicht. Meine Frau ist übrigens ein sehr großer Fan Ihrer Bücher, Herr von Michel. Sie ist ein wenig enttäuscht darüber, dass Sie jetzt Krimis schreiben, und sie hat mir aufgetragen, Ihnen an dieser Stelle ans Herz zu legen, doch bitte auch weiterhin historische Liebesromane zu schreiben. Sie sehen, meine Damen und Herren, der Krimi-Club Niedermühlenbach ist eine illustre Runde. Und diesen fünf Menschen ist es gelungen, innerhalb eines Jahres ein heimtückisches Mörderpaar zu überführen, mehrere Millionen Euro Falschgeld aus dem Verkehr zu ziehen und einen Doppelmord aufzuklären. Es ist mir eine besondere Freude, heute im Namen der rheinland-pfälzischen Landesregierung dem Krimi-Club Niedermühlenbach den diesjährigen Preis für bürgerliches Engagement zu überreichen.«

Das Publikum klatschte, und der Krimi-Club erhob sich geschlossen von den Plätzen in der ersten Reihe, um auf die Bühne zu gehen. Der Innenminister beugte sich noch einmal zum Mikrofon. »Ich habe übrigens nicht nur ein paar wirklich hübsche Urkunden dabei, sondern auch einen Scheck über tausend Euro, genug Geld, um ein paar neue Krimis anzuschaffen.« Der Innenminister schüttelte allen die Hand, überreichte Urkunden und Blumensträuße, die ihm zwei Helfer vom seitlichen Bühnenrand anreichten. Dazu kam ein großer, fast einen Meter breiter symbolischer Scheck, den Clarissa und Luise zwischen sich halten mussten, damit die Fotografen alles im Bild festhalten konnten. Schließlich war auch das überstanden. Bevor aber Clarissa und die anderen die Bühne wieder verlassen konnten, trat Anne Lichtel-Gauss von der Seite auf die Bühne, ein Mikrofon in der Hand.

»Sehr geehrter Herr Innenminister, sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal, liebe Mitglieder des Krimi-Clubs. Erlauben Sie mir bitte noch ein paar Worte. Mein Name ist Anne Lichtel-Gauss, ich bin Kriminalhauptkommissarin beim Bundeskriminalamt. Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, warum das BKA bei der heutigen Feierstunde dabei ist. Nun, wie der Herr Innenminister bereits ausgeführt hat, hat der Krimi-Club Niedermühlenbach in den zurückliegenden Monaten eine bemerkenswerte Erfolgsquote bei der Aufklärung von Kapitalverbrechen gehabt. Aber diese fünf Menschen hier auf der Bühne haben nicht nur Mörder überführt, sie haben auch mit ihren Ermittlungen erreicht, dass das Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen eine kriminelle Organisation festsetzen konnten, die in großem Maßstab Falschgeld produziert hatte. Dass diese Blüten im Wert von mehreren Millionen Euro nicht auf den Markt gekommen sind, verdanken wir den Ermittlungen des Krimi-Clubs. Und, viele von Ihnen werden das womöglich gar nicht wissen, für sachdienliche Hinweise, die dazu beitragen, Täter zu überführen oder schwere Straftaten zu verhindern, kann das BKA Belohnungen vergeben.« Anne Lichtel-Gauss lächelte und zwinkerte Clarissa und den anderen zu. Sie griff in die Innentasche ihres Jacketts und zog einen Umschlag heraus. »Ich freue mich, dem Krimi-Club Niedermühlenbach im Namen des Präsidenten des Bundeskriminalamtes unseren Dank und unsere Anerkennung auszusprechen. Und außerdem darf ich dem Krimi-Club eine Belohnung in Höhe von dreitausend Euro überreichen.« Sie übergab den Umschlag einer überraschten und sprachlosen Clarissa, und dann nahm sich die BKA-Beamtin die Freiheit, alle Mitglieder des Krimi-Clubs auf der Bühne herzlich zu umarmen.

»Eine Menge Geld«, meldete sich der Innenminister wieder zu Wort, »haben Sie denn schon eine Idee, was Sie damit tun wollen?«

Clarissa schaute ihre Freunde an. Vera strahlte wie ein Honigkuchenpferd, Ferdi lächelte verschmitzt und Luise formte stumm mit den Lippen das Wort Festival. Der Einzige, der nicht von einem Ohr zum anderen strahlte, war Alex. Der schien das alles noch gar nicht realisiert zu haben und schüttelte nur verwundert den Kopf. Clarissa nahm, nachdem die anderen ihr aufmunternd zugenickt hatten, das Mikrofon vom Innenminister entgegen.

»Sehr geehrter Herr Minister, liebe Anne, sehr geehrte Damen und Herren hier im Saal, auch wenn der Herr Minister es in seiner Laudatio so dargestellt hat, als wäre ich ein besonders wichtiges Mitglied des Krimi-Clubs Niedermühlenbach, muss ich doch hier vehement widersprechen. Alle Mitglieder des Clubs haben sich bei den Ermittlungen eingebracht, vielleicht habe ich nur ein wenig mehr Routine.« Der letzte Satz wurde im Saal mit einem Auflachen des Publikums quittiert. »Wir freuen uns jedenfalls alle sehr, dass unsere Arbeit auf diese Weise anerkannt wird.«

»Und über das Geld freuen wir uns auch«, rief Vera dazwischen. Weitere Lacher im Publikum.

»Ja, Vera hat recht. Wir freuen uns auch über das Geld und werden sicher mit einem Teil der Summe den Bücherbestand der Gemeindebücherei Niedermühlenbach erweitern, aber es gibt auch noch ein Herzensprojekt, das der Krimi-Club bereits seit mehreren Jahren plant und bisher nicht umsetzen konnte.«

Clarissa schaute Luise auffordernd an, die die stumme Bitte verstand. Sie trat neben Clarissa, nahm das Mikrofon und sagte: »Clarissa hat ganz recht. Seit mehreren Jahren wollen wir ein Literaturfestival in Niedermühlenbach und der Umgebung auf die Beine stellen, aber dafür haben uns bislang die finanziellen Mittel gefehlt. Ich denke, und da spreche ich im Namen von Vera, Ferdinand, Clarissa und Alex, wir werden das Krimifestival ›Niedermühlenbach mörderisch gut‹ endlich organisieren können.«

Der Saal klatschte Beifall. Bei ihrem Gang von der Bühne sah Clarissa den jungen Journalisten, der ihr schon auf dem Weg zur Staatskanzlei aufgefallen war. Er machte sich eifrig Notizen, und er sah dabei sehr zufrieden aus.

Die neue Besitzerin des alten Forsthauses

Drei Tage später ging Clarissa durch das alte Forsthaus und schaute sich prüfend um: Die Zimmer waren aufgeräumt, sie hatte im Wohnzimmer frische Blumen auf den Tisch gestellt und in der großen Wohnküche den Tisch für Kaffee und Kuchen gedeckt. Clarissas Lieblingszimmer im Haus war die sogenannte Bibliothek. Ihre Kusine Elli, die Noch-Hausbesitzerin, hatte an der Zimmertür extra ein Messingschild angebracht, um Feriengäste zu beeindrucken. Über die Idee kann man geteilter Meinung sein, dachte Clarissa, aber was Elli aus dem Raum gemacht hat, verdient Anerkennung. Deckenhohe alte Bücherregale aus England, eine Bücherleiter, die auf einer Messingschiene vor den Regalen verschoben werden konnte, gemütliche Ohrensessel mit Beistelltischen und zwei Stehlampen mit Porzellanschirmen und Messingfüßen. Dazu ein alter Kaminofen, in dem jetzt ein Feuer brannte.

Keine Frage, das alte Forsthaus zeigte sich von seiner besten Seite. Für Clarissas Bemühungen gab es auch einen Grund: Elli wollte heute zusammen mit ihrem Mann Stefan vorbeikommen. Die beiden wohnten in Berlin, und es verschlug sie selten an die Mosel. Warum sie ausgerechnet hier eine Immobilie gekauft hatten, entzog sich Clarissas Verständnis bis heute. Es war wohl ursprünglich als Geldanlage gedacht gewesen. Feriengäste sollten das Haus mieten. Elli hatte mit Blick auf potenzielle ausländische Mieter das Haus im Internet sogar etwas großspurig ›Goethe-Haus‹ getauft. Nicht, dass der Dichterfürst zu Lebzeiten auch nur in die Nähe von Niedermühlenbach gekommen wäre. Tatsächlich aber hieß der Vorbesitzer Gregor Goethe, seines Zeichens Revierförster, nicht Dichter. Doch das hatte Elli nicht davon abgehalten, den Namen für Werbezwecke auszuschlachten. Wohlgemerkt, ohne den Vornamen zu erwähnen.

Doch auch dieser Schachzug hatte nicht den gewünschten Erfolg gebracht: Niedermühlenbach war eben doch nicht das Tor zum Moseltal, sondern ein idyllisches kleines Dorf abseits jedes Tourismus, was den Niedermühlenbachern durchaus recht war.

Der Mangel an Mietern, die im Goethe-Haus ihren Urlaub verbringen wollten, hatte es Clarissa ermöglicht, das Haus für mehrere Wochen zu mieten. Diese Zeit hatte ihr so gut gefallen, dass am Ende aus den Wochen Monate geworden waren. Als sie dann erfahren hatte, dass Elli und Stefan das Haus verkaufen wollten, hatte sich Clarissa ohne langes Zögern entschieden, das Haus selbst zu kaufen.

Ihre Eigentumswohnung in der Stadt hatte Clarissa problemlos verkaufen können. Das Ausräumen hatte noch einmal Zeit gekostet, aber seit sie im Ruhestand war, spielte Zeit für sie keine große Rolle mehr. Nein, rückblickend, dachte sie zufrieden, hat alles reibungslos funktioniert.

Es klingelte an der Haustür. Clarissa schaute kurz zur Wanduhr. Halb drei, Elli und Stefan waren wirklich pünktlich.

»Also, dann mal los«, sagte sie zu dem großen ausgestopften Hirschkopf, der unbeteiligt von der Wand im Flur herabblickte und von Clarissa den Namen Hubertus bekommen hatte. »Sag nichts, Hubertus, ich vermute, du freust dich einfach im Stillen darüber, dass alles so bleibt, wie es ist. Würde ich jedenfalls an deiner Stelle tun.«

Sie öffnete schwungvoll die Haustür, und Augenblicke später fiel ihr Elli lachend um den Hals.

»Clarissa, hallo, meine Liebe! Ach, ist das schön, dich endlich mal wiederzusehen. Es tut mir so schrecklich leid, dass wir in den letzten Monaten nicht vorbeigeschaut haben. Toll sieht es vor dem Haus aus, du hast die Beete neu angelegt, nicht wahr? Und dann der große Holzunterstand, fantastisch.«

Elli hatte vom Wesen her viel Ähnlichkeit mit Vera Adenau. Lebhaft beschrieb es eigentlich nur ungenügend, daueraufgekratzt traf es schon eher. Und es gab noch eine Gemeinsamkeit zwischen Elli und Vera: Beide Frauen hatten Männer, die sozusagen einen stillen Gegenpol zu ihren Gattinnen bildeten.

»Ich freue mich auch, euch zu sehen, kommt doch herein«, bat Clarissa. Stefan, der bis dahin schweigend der stürmischen Begrüßung seiner Frau zugesehen hatte, trat vor, umarmte Clarissa und raunte ihr ins Ohr. »Sie freut sich schon den ganzen Morgen auf diesen Besuch. Dir geht es offenbar gut, das ist schön.«

Ja, keine Frage, Stefan wurden seinem Ruf als Buchhalter gerecht: ruhig und besonnen. Außerdem besaß er einen feinen Sinn für Humor. Clarissa mochte ihren angeheirateten Cousin sehr.

»Wo bleibt ihr beiden denn? Wie ich sehe, hast du so gut wie nichts verändert«, tönte Elli, die bereits im Hausflur stand, »ich hätte nie gedacht, dass dieser ganze Jägerkram deinen Geschmack trifft.«

»Tut er auch nicht«, erwiderte Clarissa und lachte. »Hubertus, der Hirsch, bleibt natürlich am Platz, aber der Rest wird in den kommenden Wochen etwas ... ähm ... modernisiert. Aber das wollte ich erst angehen, wenn mir das Haus offiziell gehört.«

Ein Foto des Flurs hätte im Lexikon neben dem Stichwort ›Forsthaus, traditionell‹ stehen können. Und Clarissa war fest entschlossen, einiges daran zu ändern.

»Am schlimmsten finde ich die Mischung aus dunkelbrauner Holzverkleidung und der pastellgrünen Wand darüber«, sagte Stefan, und zwar so leise, dass es nur Clarissa hören konnte.

»Du sagst es, die Farbe erinnert mich immer an die Erbsensuppe meiner Mutter – grässlich, sowohl die Farbe als auch die Suppe.«

Stefan nickte. »An den Eintopf erinnere ich mich auch noch, den hat sie uns früher immer vorgesetzt, wenn wir sie besucht haben. Ich brauche bloß an diese blassen Stückchen fetten Schweinebauch zu denken, die sie immer reingetan hat ...« Stefan verzog das Gesicht. »Uff. Themenwechsel. Ich vermute, dass die Geweihe hier im Flur auch entfernt werden?«

»Auf jeden Fall. Wenn ihr ein paar davon mit nach Berlin nehmen wollt ...«

»Nee, lass mal, das wäre mir dann doch zu rustikal.«