Vom Erleben Gottes - Heinrich Lhotzky - E-Book

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Heinrich Lhotzky

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Beschreibung

Wie findet man Gott? Wie gelangt man ins Himmelreich? Wie bleibt man gesund, wird man glücklich? Dies und vieles mehr beschreibt und erklärt ausführlich und voller Sachkenntnis der Theologe und Publizist Heinrich Lhotzky (1859-1930). In neuer deutscher Rechtschreibung und Korrektur gelesen.

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Heinrich Lhotzky

Vom Erleben Gottes

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

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Wie findet man Gott?

Wie gelangt man ins Himmelreich?

Wie bleibt man gesund, wird man glücklich?

Dies und vieles mehr beschreibt und erklärt ausführlich und voller Sachkenntnis der Theologe und Publizist Heinrich Lhotzky (1859-1930).

 

In neuer deutscher Rechtschreibung und Korrektur gelesen.

 

1. KAPITEL

Groß ist die Gegenwart des Menschen. Dieses Wesens, das seine wahre Vollkommenheit sucht. Weit größer ist die Zukunft der Menschheit. Man kann sie mit einem Worte beschreiben: Herrschaft des Geistes über den Stoff, der Wahrheit über die Lüge, des Vollkommenen über das Unvollkommene. Der einzige berechtigte und lohnende Lebensinhalt jedes Einzelnen ist, diesem Ziele sich und alle seine Kräfte ganz zu weihen.

Wir sind heute die wichtigsten Menschen, durch die alle Kräfte hindurchlaufen auf die große Zukunft der Menschheit. Wir sind heute in all unserer Unvollkommenheit das unersetzliche Glied der langen Kette des Werdens, ohne das es ein Ziel überhaupt nicht gibt. Von dem jeweilig lebenden Geschlecht hängt die ganze Zukunft der Menschheit ab.

Wir dürfen nicht glauben, dass die Entwicklung heute stille steht oder jemals still stehen wird. Alles deutet darauf hin, dass die Menschheit längst noch nicht fertig ist, und die Frage der Entwicklung ist durchaus nicht bloß eine Frage nach unserem Woher?, sondern ebenso eine Frage nach unserem Wohin? Es ist auffallend, dass noch niemand diese Frage vom naturgeschichtlichen Standpunkte aus behandelt hat.

Uns steht eine menschliche Vollkommenheit deutlich vor Augen, aber wir haben sie nicht. Das kann nur daher kommen, dass die gerade Linie der Entwicklung durch uns hindurchgeht, dass sie aber ihr Ziel noch immer nicht erreicht hat.

Die Unvollkommenheit des Menschen ist also naturgeschichtlich im Verlaufe der Entwicklung begründet. Dieser Zustand ist zugleich unser Unglück und unser Glück. Unser Unglück ruht in unserer Unvollkommenheit und dem Bewusstsein dieses Zustandes; unser Glück aber darin, dass es einen Drang nach vorwärts gibt, der niemals stille stehen kann, dass also auch die menschliche Unvollkommenheit niemals das Letzte sein darf, sondern dass es auch für den Menschen eine Vollendung gibt, die erreicht werden kann und wird. Noch fehlt unser wahres Menschsein, aber es ist kein Zweifel, dass es nicht außen bleiben kann.

Aus der Menschheit wird noch vieles herauskommen, was man nicht ahnt. Sie ist wie ein Kind, das die unverständigen Lehrmeister wegschätzen als unbegabt und unartig, weil es nicht nach den von ihnen ausgedachten Regeln fein säuberlich daherfährt. Aber Augen, die tiefer sehen als Schulgewaltige, werden sagen: Aus dir wird noch etwas Großes.

Der Glaube an die Menschheit ist die größte Macht aller Zeiten gewesen, die Wurzel jeglichen Fortschritts. Es mag aufwärts gehen oder abwärts: Dieser Glaube steht ewig und unabänderlich da und hilft uns immer wieder heraus.

Dieser Glaube ist das Wesen des Geistes. Sein eigenes Selbstbewusstsein. So wie das Leben an sich glaubte und immer neue, höhere und höchste Formen schuf, so glaubt der Geist an sich, also an die Menschheit.

Wer den Glauben teilt, der steht im Fortschritt und bildet ein unentbehrliches Glied des Werdens; wer ihn nicht teilt, steht im Schatten und versinkt und verkümmert außerhalb der Lebenslinien.

Zahllose Helden hat unser Geschlecht. Von den wenigsten kennt man die Namen. Schadet nichts. Ihr Wert ruht in ihnen selbst und bleibt ihre Herrlichkeit. Wie wurden sie Helden? Nur im Kampfe gegen das Böse. Weil das Gute, das Wahre ihren Geist erfüllte und sie ihre Person dafür einsetzten und ungeahnte Menschenkraft entwickelten, darum wurden sie Helden.

Vielerlei sind die Gebiete, auf denen sie arbeiteten. Der eine machte Erfindungen, der andere vermehrte das Wissen, ein dritter schaffte in der Kunst. Alle für die Gesamtheit, bewusst oder unbewusst. Alle vertieften Menschenwesen und Menschengeist und offenbarten seine Gottesnatur. Mensch ist der höchste Adel, den es gibt. Sogar der Mensch, den wir am höchsten stellen, weil er alles bewusst und klar dahingab zur Befreiung der Menschen vom Bösen – er wollte durchaus nur Mensch sein. Man kann sagen, das Menschentum war das Einzige, was er wirklich für sich begehrte. Alles andere, auch sein Leben, gab er her. Er wird gewusst haben, warum er das tat.

Viele haben ihr Leben eingesetzt im Kampfe für das Gute. Wer es nicht einsetzt, erreicht gewiss nicht viel. Es hat sich herausgestellt, dass das Gute für die Menschheit überhaupt viel mehr wert ist als irgendein Einzelleben. Das Leben ist nicht der Güter Höchstes. Es gibt höhere Werte, auch höhere Wonnen, als nur die, zu leben. Aber der Übel Größtes ist die Schuld. Es ist um kein einziges Leben schade, auch kein einziges ist verloren, das im Kampfe gegen das Böse eingesetzt wurde.

 

Es liegt im Menschen als Menschen eine unwiderstehliche Kraft des Willens, wenn er einfach und schlicht ohne jegliche Rücksicht allein für die Wahrheit eintritt.

Es ist völlig unmöglich, irgendetwas zu erreichen, wenn man nicht das Bewusstsein des Sieges in sich trägt. Alles große Werden ist zuerst im Geiste fertig geworden. Aus diesem trat es heraus in sichtbare Wirklichkeit. Was nicht im Geiste fertig ist und mit der Urkraft felsenfester Zuversicht daherbraust, kann niemals Wirklichkeit werden.

Ein verzagtes Heer wird niemals siegen, und ein verbitterter Geist kann nichts erreichen. Um am Glück der Menschheit mitzuarbeiten, dazu muss man selbst Glücksträger sein und im Geiste voll des großen Vertrauens, dem schließlich alle Herrschaft und Kraft beschieden ist.

 

Nichts im Leben ist schwer, wenn man ein Vorwärts kennt.

 

Ein Mensch, der etwas zu hoffen hat, lebt erst richtig!

 

Starke haben Zeit und sind in ihrer Zielsicherheit leicht zu Nachgiebigkeit geneigt.

 

Den Kräftigen hilft die große Kraft.

 

Je mehr einer sich Gott hingibt und auf sich verzichtet, umso reicher wird sein Leben, umso seliger sein Zustand, weil er in Gott seine eigene Wahrheit findet. Und der Gott der Mannigfaltigkeit wollte nie die Einerleiheit. Die Einheit im Geiste bei größter persönlicher Lebensverschiedenheit. Wenn irgendwo geistlich uniformierte Menschen mit einerlei Ansichten, Formeln und Gebärden erstehen, so ist in ihnen vielleicht viel Frömmigkeit, aber nicht des Vaters Geist, der immer Verschiedenheiten harmonisch ausprägt.

Wer dagegen sein Leben sucht und sein Wünschen eigensinnig festhält, der wird und muss es verlieren. Er verliert sich selbst, und solche Leute werden dann die Dutzendmenschen, die Vielzuvielen, die abgeschliffenen Bachkiesel der Einerleiheit, die um ihr Eigensein gekommen sind, weil sie's nicht im Urquell, in Gott suchten.

Alle diese werden durch ihr persönliches Wünschen zu den bekannten philiströsen Nichtigkeiten, sind angefüllt mit kleinlichem Begehren und so lange ausgeschlossen vom Himmelreich.

Das sind einfache, aber unerbittliche Naturgesetze des menschlichen Seins.

 

Wenn ich das Wort Menschlichkeit höre, ist's mir immer, als sollte man einen Edelstein aus dem Staube aufheben. Es gibt in der Welt einen geheimen Zauber, mit dem die festesten Türen gesprengt, die größten Taten verrichtet, und wirkliche Wunder vollbracht werden können. Dieses Zaubermittel gibt's. Wer Wunder tun will, kann's, denn das Mittel ist nicht etwa im Besitz weniger Auserwählter, sondern aller ohne Ausnahme. Nur wissen die Menschen nicht, wie reich sie sind, und lassen ihren Edelstein im Staube liegen, ja häufen selbst noch Staub darauf. Dieses köstlichste Gut ist die Menschlichkeit.

Im rein Menschlichen liegt unsere beste Kraft und größte Macht. Es ist nur bei vielen tief vergraben unter dem Gebildeten, oder dem Geadelten, oder dem Besitzlichen, oder dem Religiösen, oder dem Politischen, oder irgendwelcher bunten Torheit, mit der wir uns zu behängen lieben. Aber wer irgendeinen Wirkungskreis haben will, wer irgendetwas Weitergehendes leisten will, kann es nur durch seine wahre Menschlichkeit.

Je wahrer, je einfacher und klarer ein Mensch ist, desto nachdrücklicher wird er sich auswirken. Je gekünstelter, geschraubter und absichtlicher jemand sich gibt, desto mehr schrumpft sein Wirkungskreis zusammen. Wer harte Herzen erschließen, Widerspenstige zähmen, Menschen, Tiere und die ganze Natur überwinden will, muss alles Berechnete, Überstiegene, Gewalttätige ablegen und mit einem wahren Kinderherzen voll Vertrauen, voll Freude und Herzlichkeit, voll unverwüstlichen, unverbitterlichen Frohsinn seine Straße gehen. Er muss mit einem Worte Mensch sein, und soweit er's sein kann, reicht sein Einfluss. Bei dem einen reicht er weiter, bei dem anderen ist er sehr eng begrenzt. Das liegt nicht in einem Tun oder einer Angewöhnung, sondern in einem ganz einfachen Sein, das angeboren oder auch erwachsen sein kann, aber nie angelernt, angewöhnt.

Eigentlich weiß das jeder ohne Weiteres. Jeder Künstler, jeder Schriftsteller, jeder Lehrer und Erzieher, jeder Prediger, jeder Redner, jeder Arzt, jeder Feldherr, ja jeder Fabrikherr, jeder Kaufmann, jeder Vorgesetzte überhaupt, weiß, dass sein wahrer Einfluss reicht, soweit seine Menschlichkeit geht. Man kann die Menschen auch anders zwingen, mit Gewalt, mit Wissen, mit Geld, man kann sie mit Polizeimacht Hurra zu schreien nötigen, aber jeder weiß ganz genau, dass er sich mit diesen Mitteln ebenso leicht verhasst wie lächerlich macht. Wunder wird solch einer nicht tun und weiß auch, dass er's nicht kann, und bleibt darum ewig unbefriedigt.

Aber merkwürdig. Obgleich wir alles das wissen, entschuldigen wir unverdrossen jede Schwäche mit unserer Menschlichkeit, erklären unsere Torheiten damit, dass wir Menschen sind, und wenn's in einem Kreise zu recht gröblichen Schlechtigkeiten kommt, sagt man: Es menschelt. So häufen wir Staub auf den besten Edelstein dieses Planeten und vergraben unser Bestes im Schutt. Wir verstehen unsere Wahrheit nicht.

Wenn wir wenigstens sagten: Wir haben unsere wahre Menschlichkeit noch nicht erreicht, wir sind vorläufig noch zu schwach und darum unfähig und minderwertig, so wäre dagegen nichts einzuwenden. Wir wüssten dann wenigstens, dass es nicht ewig so sein wird, und könnten freudig ausblicken auf das, was wir sein werden. Aber so verachten wir unser Köstlichstes und lähmen damit unseren wahren Fortschritt. Darum liegt so viel Trostlosigkeit überall da, wo Menschen sind.

Gerade hier war der Weg Jesu grundanders. Seine wahre Menschlichkeit war das Geheimnis seiner Wirksamkeit und seiner großen Kraft. Und er wusste das und begehrte darum auch weiter nichts zu sein als ein Mensch. Darin lag auch seine Macht über die Massen. Er hat doch nie unter ihnen Umtriebe gemacht und Einrichtungen ins Leben gerufen, aber er hatte die Massen. Ein unendlicher Zauber ging von seiner Person aus. Das war sein Menschliches. Das merkte jeder, dass er für jeden ein Herz hatte, für jeden mindestens ein teilnehmendes Wort, aber auch rettende Kräfte. Dass er seine ganze Person für jedermann einzusetzen bereit war, das zog alle an und schuf um ihn her einen Lebensbereich voll froher Menschen.

Von jedem Menschen gehen unsichtbar und unmessbar Strahlen seines Wesens aus. Je lebendiger er in sich ist, umso stärkere. Sie gehen unbewusst aus. Denn unser Bestes liegt im Unbewussten und Unpersönlichen. Sie gehen ungebrochen aus und unbemerkt, bis sie einen Widerstand finden. Den finden sie natürlich nicht an toten Gegenständen – sie sind ja viel feiner als Röntgenstrahlen – sondern nur an Menschen. Jeder strahlt. Aber nicht jeder strahlt gleichartig. Wer nun fähig ist, unsere Strahlen aufzunehmen, der erleichtert uns und beglückt uns. Er versetzt uns in die Möglichkeit des Gebens. Geben ist Seligkeit. Wo sie aber abprallen, da fallen sie auf uns zurück und belasten uns. Oft so, dass wir's körperlich empfinden, wie ein drückendes Unwohlsein. Das muss so sein und ist auch gut. Es bedeutet für uns: Ihr müsst stärker strahlen. Ihr müsst solche Kräfte anwenden, dass sie allen Widerstand jauchzend überwinden und überall Eingang finden. Sie können es, denn sie sind die echten Strahlen.

Wir können nicht willkürlich erzeugen, was wir besitzen und weitergeben möchten. Die Leute, die etwas machen wollen und sich dazu Mühe geben, verraten nur ihre Armseligkeit und Verständnislosigkeit für natürliche Vorgänge. Alle Strahlen gehen nur unbewusst aus und stehen im geraden Verhältnis zu ihrem Quell. Es ist genau so, wie bei jedem Kerzenlicht. Die Lichtstrahlen gehen so weit, bis die Finsternis sie verschluckt. Wollte nun das Licht im Verdruss darüber anfangen, nervös zu flackern und sich selbst zu überleuchten versuchen, so würde es höchstens auslöschen, aber die Strahlen gingen keinesfalls weiter, als sie an sich konnten. Wenn man aber die Lichtquelle vergrößert, dann wird augenblicklich die Strahlung mächtiger, ohne Mühe und Anstrengung, ganz von selbst. Es kann nicht anders sein. Die Natur ist so.

Genau so ist's bei dem Menschen. Wenn seine Strahlen Widerstände finden, und er die Last des Rückpralls empfindet, dann darf er nicht flackern wollen und irrlichtelieren. Sonst verlöscht er ganz und wird zum blechernen Schwätzer, der mit Worten rasselt und sich ewig wiederholt. Er muss umgekehrt die Strahlungsquelle vertiefen und erweitern. Er muss immer mehr seine eigene Wahrheit herausarbeiten und dem echten Menschenwesen zur Geltung verhelfen, unbekümmert um alle Widerstände und alle Schlacken. Dann braucht er sich nicht zu sorgen. Er wird schon strahlen im Maße seines inneren Zunehmens. Er kann nur strahlen im Unbewussten. Darum ist unser bewusstes Sein weniger wertvoll als unser unbewusstes. Unsere Werte liegen da, wo wir's nicht wissen.

Alles Sorgen ist völlig unnütz, und wer Eindrücke hervorrufen will, macht sich lächerlich vor den Menschen und vor der Natur. Es gibt nichts Komischeres oder Traurigeres als einen eitlen Menschen. Er lebt ja nur vom Bewussten und ist ein Widerspruch in sich selbst, denn er verkennt seinen eigentlichen Wert, der ganz anderswo liegt.

Wenn sich Menschen untereinander verstehen, ist's im Grunde ganz gleichgültig, über welchen Gegenstand sie miteinander reden. Es ist in jedem Falle erquicklich, weil sie nicht so sehr auf ihre Worte, als auf ihr Wesen achten, weil alles, was sie miteinander reden, nur die Strahlungen ihres innersten Seins vermittelt. Es handelt sich immer nur darum, den Weg vom Menschen zum Menschen zu finden. Sobald man gegenseitig miteinander klar ist, findet sich alles andere von selbst. Dann findet sich auch ein Boden, auf dem man sich begegnet, unabhängig von seinen zufälligen Anschauungen.

Das mutet mich immer ganz besonders an, wenn Menschen glauben, ihre Ausdrucks- und Anschauungsweise sei etwas Wesentliches. Ich bin doch gewiss etwas anderes, als die Summe meiner jeweiligen Anschauungsformen. Schon deshalb, weil ich viel älter bin als sie. Ich sagte »Ich«, als ich überhaupt noch keine Ansichten hatte. Ein richtiger Mensch ändert überhaupt in gewissem Zeitverlauf seine Meinungen in dem Maße, als er sein Wissen und Denken bereichert. Nur der Philister bleibt ewig stehen. Dafür ist er auch kein lebendiger Mensch, sondern irgendwann und -wie erstarrt.

Ich habe mich stets gut vertragen können mit allerlei Menschen, die über die Hauptfragen des Lebens ganz anders dachten und redeten als ich, und Menschen, die die gleichen Worte brauchten, waren mir oft unerträglich. Gleiche Anschauungen sind gleiche Gewänder, sie gewährleisten noch kein gleiches Wesen. Das innere Verstehen liegt jenseits aller Ansichten.

Die Gleichheit der Worte verbirgt gerade die Ungleichheit der Gedanken und des Verständnisses. Es wird niemals gelingen, eine Einheit der Menschen im Geiste herzustellen durch Vereinheitlichung ihrer Ausdrucksweise. Es kann jemand heute kaum durch etwas seine Unkenntnis des Seelenlebens besser bezeugen, wie durch den Versuch, wortgleiche Bekenntniseinheit zwischen Menschengruppen herzustellen.

Zwei Menschen können zu verschiedenen Zeiten genau Entgegengesetztes tun und sagen und doch sich innerlich eins wissen, und man kann andre genau nachahmen und gerade das Gegenteil von dem ausführen, was jener Sinn ist.

Menschen, die Trostquellen für Unglückliche sind, wirken sich im Allgemeinen mehr unbewusst aus. Wohltätige Wirkungen entströmen ihnen wie sonnige Glücksstrahlen. Ihr ganzes Sein vermag zu trösten, nicht ihr Tun oder Reden.

Sammle in dir die Strahlen des Friedens, ganz still, ganz unscheinbar, ganz verborgen und mache so wenig Aufhebens wie möglich davon. Es schadet nichts, wenn deine Augen und Mienen noch finster bleiben. Du sollst gewiss keine Friedensgesichter schneiden. Das würde dich nur verunstalten. Du kennst solche ewig freundliche Vollmondsfriedensfratzen. Sie stehen dir übel an.

Nein, sammle die Friedensstrahlen in dir, für dich. Sie werden, ohne dass du's merkst, aus dir herausleuchten und dich verklären. Nur so wird der Friede Wirklichkeit, Geschichte, Beweis für die Welt.

Um versöhnlich zu wirken, dazu bedarf man gar keiner Umstände. Man hat weder eine Partei noch Religion noch Konfession noch irgendeinen andern Menschen dazu nötig. Nur einen einzigen Menschen hat man nötig. Der ist man selbst. Man hat gar nichts dabei zu tun, nur ganz einfach eine neue, aufrichtige Haltung allen Menschen gegenüber einzunehmen, der nächsten Umgebung gegenüber zuerst.

Wer damit anfängt, zunächst auf weitere Kreise wirken zu wollen, ist ganz gewiss auf falschem Wege. Unser Einfluss liegt überhaupt nicht im Bereiche des persönlichen Lebens, sondern des unpersönlichen. Rechte Wirkungen gehen nur unbewusst und unwillkürlich von uns aus und sind ein Zeichen unserer geistigen Gesundheit.

Es gibt kaum ein deutlicheres Kennzeichen für die Zugehörigkeit zum Reiche Gottes als die Versöhnlichkeit. Kein frommes Gebärdenspiel, keine religiöse Sprechweise gehört zum Reiche Gottes. Nur wer mit leidet, mit trägt, mit glaubt, mit hofft, und zwar unter allen Umständen, der ist Christi, ganz gleichviel, ob er eine Religion hat oder welcher religiösen Sonderfärbung er zugehört.

... Vergeben, wie der Vater vergibt. Das ist nicht eine Kunstfertigkeit, die man erlernen kann, sondern das Natürliche, was das Reich Gottes von selbst bewirkt in dem Maße, als jemand in seinem Lichte steht, und auch der Sündigste und Stumpfste und Ungebildetste weiß ohne Weiteres, dass das die Wahrheit ist für die Welt.

Unzählige Menschen sind heute dahin gekommen, dass sie sich nicht mehr getrauen, sie selbst zu sein, ihre eigenen Gedanken zu denken und ihr eigenes Leben zu leben. Man hat ihnen eingeredet, dass ihr eigenes Sein grundschlecht sei, und während sie darüber erschrocken, verzagt und unsicher werden, wird ihre Kraft von anderen aufgesogen, die sich außerordentlich brav und nachahmungswert und durchaus nicht in Grund und Boden verderbt vorkommen.

Würden befreiende Geister den Menschen begegnen, so würden diese armen Gefangenen den Mut gewinnen, eigene Wege zu gehen, und die wundervolle Mannigfaltigkeit des Seins würde sich auch in ihnen spiegeln voll Leben und Freude. Natürlich würde bei solcher Befreiung zunächst manches Störende unterlaufen. Wer lange eingesperrt war, mag wohl die verwegensten Sprünge machen vor fröhlichem Übermut, ehe er seinen rechten Gang findet. Aber das sind Begleiterscheinungen, die sich von selbst verlieren, sobald jemand die Pflichten des Eigenseins klar erkennt und übernommen hat. Wenn ein frischer Lufthauch kommt, fürchten auch viele, sie könnten sich erkälten und erkälten sich auch, schließlich wird aber doch der frische Hauch als lebensrettende Wohltat empfunden.

Solche Leute, von denen Lösungen auf weitere Kreise ausgehen, sind die wahren Lebensquellen. An ihnen können Menschen werden, weil die Erquickung des Lebens von ihnen ausgeht. Sie haben nicht das Bedürfnis, allem ihren eigenen Stempel aufzudrücken, sondern jedes in seinem Sondersein aufleben zu sehen, ganz anders vielleicht, als man gemeint, aber doch verbunden in der Einheit des Lebens. Von ihrem ganzen Sein gehen Ströme lebendigen Wassers aus.

Segnen ist bewusstes Überfließenslassen der verborgenen Kräfte des Menschen auf andere. Es ist ein Mitteilen von Geistesbeziehungen, die hoch über allen niederen Kräften der Seele und des Stoffes stehen. Die Segenskräfte sind geistige, nicht seelische. Darum wirkt Segen befreiend, niedere Kräfte wirken bindend. Man darf nie glauben, Jesus oder irgendjemand in der Schrift habe etwa magnetische oder hypnotische Kräfte, oder wie man sagen will, durch Handauflegen ausgeströmt und damit geheimnisvolle Wirkungen hervorgebracht. Seine Mitteilung war eine innere Gemeinschaft im Geiste, der als höchstes und verborgenstes Sein des Menschen belebend, befreiend, beseligend auf die Umgebung strahlte. Das geschah oft ganz unbewusst und unbeabsichtigt. Hat doch jeder Mensch einen unsichtbaren Wirkungskreis um sich her.

Wer im Wechsel der Dinge den festen Punkt im lebendigen Gotte gefunden hat, von dessen Leibe strömt Leben und Gutes auf seine Umgebung, gleichviel, ob sie gläubig ist oder nicht, gleichviel auch, welcher Religion sie angehört. Leben ist überströmende Wahrheit Gottes. Diese kann nicht vor den winzigen konfessionellen oder religiösen Schranken Halt machen. Sie strömt wie der Regen und rauscht daher wie eine Wasserflut, die sich weder an Grenzsteine noch Feldmarken gebunden hält.

Wie kann die Welt neu werden? Mit Gewalt nicht. Mit guten Lehren und Ermahnungen auch nicht. Aber durch eine Handvoll Menschen, die Jehova hat, und an denen Jehova gesehen und erlebt wird.

Das sicherste Heilmittel für Verbitterte und Unglückselige beruht auf Ansteckung durch Gesundheit. Die Gesundheit des Geistes besteht in einem Zustand der Zuversicht und Hoffnungsfreudigkeit. Die großen Vorwärtslinien, das Grundgesetz der Welt, müssen durch ihn hindurchlaufen. Sie machen ihn zum Lebensträger und Kraftbehälter auch für andere Geister. An solchen Leuten können Menschen gesunden. Ihr bloßes Sein, nicht nur ihr Tun oder gar nur ihr Reden, ermutigt, und wer ermutigt wird, der gesundet und kommt in das Glück. Ohne solche Lebensträger bleibt die Menschheit stumpfe Masse.

Aber wer das Glück hat, solchen Leuten zu begegnen, muss sich gegenwärtig halten, dass er nur dann gesundet, wenn er sich selbst finden lernt. Solange man nur eines anderen Leben findet, solange fehlt noch das eigene Glück.

Viele begnügen sich damit, sich irgendwo an bestehendes Leben anzuhängen und erwarten davon ihr eigenes Glück. Das ist aber viel zu wenig. Wer wirklich auf gesunde Weise satt werden will, muss wohl Fremdes in sich aufnehmen, aber dann verdauen und zu eigenen Bestandteilen umwandeln und alles Unbrauchbare wieder abstoßen. Wer glücklich werden will, darf überall Leben suchen und von überallher Gutes aufnehmen, aber dann muss er's in sich zu einem ganz neuen Sondersein verarbeiten, das sich eigenständig auswirkt, und alles, was nicht für ihn brauchbar ist, muss er ausstoßen.

 

Wer seine Stärke in Jehova hat, sieht der ganzen Welt Ohnmacht und Schwäche und ist darum freundlich und nachgiebig gegen jedermann. Aus Kraftbewusstsein.