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Neben viel Lob hatte Thomas Manns im November 1924 veröffentlichter Roman ›Der Zauberberg‹ auch Kritik bezüglich der Darstellung medizinischer Details hervorgerufen. Der Redakteur Julius Schwalbe regte daraufhin eine Stellungnahme Manns an, der dem Wunsch mit diesem Schreiben nachkam. Es wurde am 17. Juli 1925 in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift (Jg. 51, Nr. 29) sowie im Berliner Tageblatt und im Berliner Börsen-Courier (hier leicht gekürzt) veröffentlicht. Nachdem Katia Mann sich bereits 1912 zur Kur in Davos aufgehalten hatte, waren die Beschreibungen im ›Zauberberg‹ ganz wesentlich von ihren Schilderungen inspiriert, ebenso wie von eigenen Beobachtungen, die Mann während seines Besuches dort gemacht hatte. »Und ich sollte Medizin und ärztlichen Stand verunglimpft haben?« Dies erschien dem Dichter dann doch undenkbar, hatten sich doch von Seiten der ärztlichen Zunft genügend Vertreter auch zustimmend über sein neuestes Werk geäußert.
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Seitenzahl: 14
Thomas Mann
Vom Geist der Medizin
Essay/s
Fischer e-books
In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk
OFFENER BRIEF AN DEN HERAUSGEBER DER DEUTSCHEN MEDIZINISCHEN WOCHENSCHRIFT ÜBER DEN ROMAN »DER ZAUBERBERG«
Sehr geehrter Herr!
Haben Sie Dank für Ihr Schreiben vom 16. VI. und für Mitteilung der kritischen Betrachtungen, die von ärztlicher Seite an meinen Roman »Der Zauberberg« geknüpft worden sind! Es ist mir sehr wertvoll, diese Aeußerungen in Händen zu haben, die ich bisher nur vom Hörensagen kannte, und von denen ich mir kein deutliches Bild hatte machen können.
Eine Apologie meiner Erzählung gegen jene fachmännischen Ausstellungen und Bedenken zu liefern, die sich ja übrigens weniger gegen die Wahrheit meiner Schilderungen, als gegen ihre Opportunität richten, kann nicht meine Sache sein. Man soll es die andern sagen lassen, meine ich; und von anderer, ebenfalls ärztlicher Seite hat mein Buch denn auch schon manche Fürsprache und Stützung erfahren, privat und öffentlich; wobei ich besonders die auffallend mutigen Aeußerungen jener Frau Dr. Margarethe Levy (Berlin) im Sinne habe, der die Deutsche medizinische Wochenschrift loyaler Weise gestattete zu erklären: die Kritik, die der Roman an der Realität des Lungen-Luxus-Sanatoriums übe, sei nach ihrer Erfahrung als Patientin und Aerztin nur allzu gelungen und berechtigt, und das Buch bedeute einen sehr ernsthaften Appell an das Gewissen der Aerzte, ihre Kranken vor dem psychisch schädigenden Einfluß dieses Milieus zu bewahren. Ich bitte auch, mit dankbarer Genugtuung ihre Aufforderung wiederholen zu dürfen, die Aerzte sollten den Roman nicht als einen gegen sie gerichteten {997}Angriff betrachten, sondern als Mahnung zur Erkenntnis und Einsicht.