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Mit ihrem Buch »Jein!« verfasste Stefanie Stahl ein Standardwerk zum Thema Bindungsangst. In »Vom Jein zum Ja« entwickelt die Bestsellerautorin diesen Ansatz weiter. Sie beleuchtet die typischen Bindungsstile, die Beziehungen immer wieder aufs Neue scheitern lassen: die ängstlich-anklammernden, die ängstlich-vermeidenden und die gleichgültig-vermeidenden Typen. Die eigentlichen Ursachen für Bindungsangst verortet die Psychotherapeutin in der Kindheit. Aus ihrer jahrelangen praktischen Erfahrung empfiehlt sie deshalb die Auseinandersetzung mit dem inneren Kind. Mit Hilfe gezielter Übungen kann das Beziehungsproblem bearbeitet und dauerhaft gelöst werden.
Von der Autorin von »Das Kind in dir muss Heimat finden«. Dieses Buch ist unter demselben Titel bereits im Verlag Ellert&Richter erschienen.
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Seitenzahl: 267
Zum Buch
Mit ihrem Buch »Jein!« verfasste Stefanie Stahl das Standardwerk zum Thema Bindungsangst. In »Vom Jein zum Ja« entwickelt die Bestsellerautorin diesen Ansatz weiter. Sie beleuchtet die typischen Bindungsstile, die Beziehungen immer wieder aufs Neue scheitern lassen: die ängstlich-anklammernden, die ängstlich-vermeidenden und die gleichgültig-vermeidenden Typen. Die eigentlichen Ursachen für Bindungsangst verortet die Psychotherapeutin in der Kindheit. Aus ihrer jahrelangen praktischen Erfahrung empfiehlt sie deshalb die Auseinandersetzung mit dem inneren Kind. Mit Hilfe gezielter Übungen kann das Beziehungsproblem bearbeitet und dauerhaft gelöst werden.
Von der Autorin von »Das Kind in dir muss Heimat finden«.
Dieses Buch ist unter demselben Titel bereits im Verlag Ellert&Richter erschienen.
Zur Autorin
Stefanie Stahl, Diplom-Psychologin und Buchautorin in freier Praxis in Trier, ist Deutschlands bekannteste Psychotherapeutin. Sie hält regelmäßig Vorträge und Seminare zu ihren Spezialgebieten Bindungsangst, Liebe und Selbstwertgefühl. Mit dem Modell vom Sonnen- und Schattenkind hat sie eine besonders bildhafte und praxisnahe Methode zur Arbeit mit dem inneren Kind erschaffen, die über die Grenzen Deutschlands hinaus auf große Resonanz stößt. Stefanie Stahls Bücher wie „Das Kind in dir muss Heimat finden“ oder „Jeder ist beziehungsfähig“ stehen seit Jahren auf den Top-Rängen der Bestsellerlisten und haben sich millionenfach verkauft.
Die Autorin ist eine begehrte Keynote Speakerin und wird regelmäßig als Expertin für Presse und Talkshows angefragt.
Weitere Informationen untern https://www.stefaniestahl.de
Stefanie Stahl
Vom Jein zum Ja!
Bindungsängste überwinden und endlich bereit sein für eine tragfähige Partnerschaft
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Neuausgabe © 2020 Kailash Verlag, München
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Zuerst erschienen im Ellert & Richter Verlag GmbH, Hamburg 2014
Lektorat: Petra Kunze
Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
Covergestaltung: Daniela Hofner, ki 36 Editorial Design, München
Fotos der Autorin: Roswitha Kaster
Illustrationen im Innenteil: bob-design, Trier
ISBN 978-3-641-26214-3V003
www.kailash-verlag.de
Inhalt
Neues seit »Jein!«
Was ist Bindungsangst?
Das Phantom Bindungsangst
Woran erkenne ich, ob ich bindungsängstlich bin?
Passive und aktive Bindungsangst
Der kleine »Diagnoseleitfaden«
Das Dilemma der Bindungsängstlichen: Freisein und Dabeisein!
Der Selbstschutz: flüchten, angreifen, tot stellen – von der Flucht in die Arbeit bis zur Funkstille
Flucht als Abwehrstrategie
Der Angriff als Abwehr
Heiße und kalte Wut: passive und aktive Aggression
Totstellen als Abwehrstrategie
Thema und Variation: die typischen Phasen einer bindungsängstlichen Beziehung
Der Anfang der Beziehung
Die Mitte der Beziehung
Das Ende der Beziehung
Erstarrung statt Achterbahn
Erste Hilfe für Betroffene
Woher kommt Bindungsangst?
Warum stecke ich im Jein! fest?
Ich hatte eine schöne Kindheit!
Die sichere Bindung: wie Urvertrauen entsteht
Das Band der Liebe
Was Kinder brauchen
Der sicher gebundene Mensch und die Liebe
Die unsicheren Bindungsstile
Exkurs
Bindungsängstliche: tapfere Krieger!
Mama, wo bist du? Die vermeidende Bindung
Ängstliche und gleichgültige Vermeider
Der ängstlich-vermeidend gebundene Mensch und die Liebe
Der gleichgültig gebundene Mensch und die Liebe
Wie ist Mama heute gelaunt? Die anklammernde Bindung
Der anklammernd gebundene Mensch und die Liebe
Mama, du brauchst mich zu sehr! Bindungsangst aus Nähe-Überflutung
Der näheüberflutete Mensch und die Liebe
Mama, du nervst! Bindungsangst aus Trotzverhalten
Mama und Papa, hört auf zu streiten!
Mama und Papa lassen sich scheiden
Der Selbstwert bestimmt unser ganzes Leben
Selbstwert, Verliebtheit und Prüfungsangst
Ich bin, was ich glaube zu sein! Das innere Kind und seine Glaubenssätze
Exkurs
Ich bin etwas ganz Besonderes! Das innere Kind und der Narzisst
Der kleine Narzisst in uns allen!
Wenn Sicherheit vor Leidenschaft geht
Dornröschen muss erlöst werden: Bindungsangst und Helfersyndrom
Wie kann ich meine Bindungsangst loswerden?
Vom Jein zum Ja finden
Finde deine Glaubenssätze
Liste Glaubenssätze
Die Schutzstrategien
Erkenne deine persönlichen Schutzstrategien
Verhaltensweisen von aktiv Bindungsängstlichen
Verhaltensweisen von passiv Bindungsängstlichen
Deine Ressourcen
Dein innerer Erwachsener
Gespräch mit dem inneren Kind
Das innere Kind und die Liebe
Gesunder Selbstschutz vor Nähe-Überflutung und Grenzverletzungen
Gesunder Selbstschutz für Verlustängstliche
Dein Partner ist nicht dein Feind!
Behalte dich genau im Auge!
Achte auf deine Wünsche und Bedürfnisse!
Fühle, was du fühlst!
Sei du selbst!
Mach eine persönliche Inventur
Fühle dich frei und unabhängig!
Du genügst!
Sei, was du glaubst zu sein!
Gestalte deine Beziehungen!
Übe dich in Empathie!
Ich, Du und Wir! So gelingt Kommunikation
Stehe zu deiner Verletzlichkeit!
Wachse über dich hinaus!
Warum bin ich nur so abhängig?
Hilfe für Partner von Bindungsängstlichen
Der ungeheure Sog bindungsängstlicher Beziehungen
Ich stecke fest!
Ich liebe ihn/sie so sehr!
Ich will ja nur verstehen, was in meinem Partner vorgeht!
Erlange die Kontrolle zurück!
Der Weg in die Unabhängigkeit
Mach dein eigenes Ding
Wann sollte man die Hoffnung aufgeben?
Traue deiner Verliebtheit nicht!
Der Abschied – wenn du dich trennen willst
Akzeptiere, dass du abhängig bist
Vermeide jegliche Versuchung
Führe eine Mängelliste mit dir herum
Hüte dich vor Selbstmitleid
Suche dir Hilfe
Geh aus und flirte
Erlaube dir, richtig wütend zu sein
Vorsicht, Falle!
Richte deinen Stolz auf
Werde gewahr, welche Menschen dich wirklich glücklich machen
Literatur
Register
Für Holger
Neues seit Jein!
Freiheit heißt nicht, sich vom anderen zu entfernen, sondern sich so zu steuern, dass in der Beziehung Raum für zwei Menschen ist.
David Schnarch
Als ich im Jahr 2008 das Buch Jein! Bindungsängste erkennen und bewältigen schrieb, kam ich mir vor wie eine Pionierin in Sachen Bindungsangst. Weder in der psychologischen Fachliteratur noch in der Ratgeberliteratur konnte ich viel zu diesem Thema auftreiben. Also verband ich die wissenschaftlichen Grundlagen mit meinen eigenen Reflexionen und praktischen Erfahrungen, die ich sowohl als Psychotherapeutin wie auch als Privatperson gesammelt hatte. Offensichtlich habe ich mit meinem Ansatz bei vielen Menschen einen Nerv getroffen, wie der große Erfolg von Jein! zeigt.
Jetzt, Jahre später, habe ich ein noch viel tieferes Verständnis für die psychologischen Mechanismen, die einen Menschen bindungsängstlich oder auch bindungsunfähig werden lassen. Zudem habe ich durch die Erfahrung, die ich mit vielen Klienten und Klientinnen in der Psychotherapie und in meinen Seminaren sammeln durfte, ein konkretes Übungsprogramm entwickelt, wie man sich von seiner Beziehungsangst befreien kann.
In meine Praxis kommen täglich Menschen, die erkannt haben: Ich kann mich nicht oder nur schlecht binden. Oder: Ich klammere und komme von meinem Partner nicht los, obwohl ich in dieser Beziehung todunglücklich bin. Oft sind sie verzweifelt und fest davon überzeugt, dass sie niemals eine glückliche Partnerschaft führen werden. Ich kann sie jedoch schon im ersten Gespräch beruhigen: Das stimmt nicht! Eigentlich ist es gar nicht mal so schwer, sich zu einem beziehungsfähigen Menschen zu entwickeln – egal, ob man eher zu der anklammernden oder der bindungsängstlichen Sorte gehört. Die Voraussetzung für Veränderung ist jedoch, dass ich mich selbst auf einer tiefen Ebene verstehe, also erkenne, warum das Problem überhaupt besteht. Denn erst dann kann ich konkrete Maßnahmen ergreifen, um es zu verändern. Oder flapsig ausgedrückt: Ich muss wissen, wo genau die Schrauben locker sitzen, um sie festdrehen zu können.
Viele Menschen, die dieses Buch zur Hand nehmen, sind sich vermutlich noch gar nicht sicher, ob sie nun bindungsängstlich sind oder zu viel klammern. Oder ob ihre Bindungsfähigkeit ganz »normal« ausgeprägt ist, aber sie leider den falschen Partner haben. Deswegen beschreibe ich im ersten Kapitel, wie sich Bindungsängste auf eine Partnerschaft auswirken oder wie sie eine Partnerschaft verhindern können. Sie können dann schauen, ob Sie sich selbst und/oder Ihren Partner in den beschriebenen Verhaltensweisen, Gefühls- und Denkmustern wiederfinden. Danach werde ich im zweiten Kapitel auf die tieferen Ursachen von Bindungsängsten eingehen, damit Sie möglichst gründliche Einsichten über sich und Ihren Partner oder Ihre Partnerin erhalten, die die Voraussetzung für Veränderung sind. Und dann schreiten wir vom Jein zum Ja oder auch – je nach Ausgangslage – zu einem klaren Nein (zumindest für die aktuelle Beziehung). Im dritten Kapitel werde ich also die konkreten Lösungswege für Bindungsängstliche aufzeigen. Im vierten Kapitel beschäftige ich mich mit den Partnern von Bindungsängstlichen, die häufig sehr verzweifelt sind, und gebe ihnen Hilfestellung, ihr Problem besser zu verstehen und ihre Situation zu verändern.
Wenn Sie dieses Buch gelesen haben und sich trauen, sich mit den Übungen im Kapitel »Wie kann ich meine Bindungsangst loswerden?« zu beschäftigen, könnte es also sehr gut sein, dass Sie Ihre Bindungsängstlichkeit ablegen und damit für sich den Weg frei machen für echte Liebesbeziehungen, in denen Sie sich zugleich geborgen und frei fühlen können.
Was ist Bindungsangst?
Das Phantom Bindungsangst
Die meisten Menschen wünschen sich eine erfüllte Liebesbeziehung. Sie sehnen sich nach Sicherheit, Liebe und Geborgenheit. Und irgendwie, so denkt man, kann das doch so schwer nicht sein: Man lernt jemanden kennen, stellt viele Gemeinsamkeiten fest, verliebt sich ineinander und lebt dann glücklich bis ans Lebensende. Aber bei vielen klappt das nicht. Sie scheinen immer an die falschen Partner zu geraten. Die Beziehung fängt entweder nie richtig an, weil sie ihren Schwarm nicht einfangen können, oder sie beginnt leidenschaftlich, wird dann aber immer komplizierter, bis sie schließlich in die Brüche geht. Andere stecken über viele Jahre oder gar ihr Leben lang in einer Dauerbeziehung oder Ehe fest, die weitaus mehr Frust als Lust beschert. Manche spurten von Affäre zu Affäre, fühlen sich jedoch leer und ausgebrannt. Eine Minderheit hält sich ganz raus und bleibt dauerhaft Single.
Man könnte die Aufzählung unterschiedlicher Beziehungsformen und Beziehungsversuche noch lange fortsetzen. Eines haben alle beteiligten Protagonisten jedoch gemeinsam: Sie fühlen sich nicht wirklich in einer Liebesbeziehung angekommen. Sie sind noch auf der Suche nach dem richtigen Weg innerhalb ihrer Partnerschaft oder nach dem richtigen Partner, mit dem es endlich einmal klappen soll.
Bindungsangst ist etwas, was die meisten Menschen nicht haben wollen. Weder bei sich selbst noch beim Partner oder der Partnerin. Bei vielen löst dieses Wort Widerstand und Abwehr aus: Ich bin doch nicht bindungsängstlich! Mir muss nur endlich mal der oder die Richtige begegnen! Ich bin oft überrascht, wie viel Betroffenheit und Abwehr die »Diagnose« hervorruft. Dabei ist Bindungsangst an sich doch nichts Schlimmes. Bindungsangst ist schließlich nichts anderes als ein Selbstschutz, den die Betroffenen in ihrer Kindheit (unbewusst) aufgebaut haben, um in ihrer Familie klarzukommen. Dieser Selbstschutz war für sie als Kind ganz wichtig und wird als Prägung mit in das Erwachsenenalter genommen. Hierauf werde ich in späteren Kapiteln noch eingehen. Die Bindungsangst als solche ist nicht das eigentliche Problem, sondern eher die Strategien, die Betroffene unbewusst wählen, um ihre Bindungsangst zu kontrollieren und mit ihr umzugehen. Bildlich gesprochen können sie ganz schön um sich schlagen, wenn ihnen der Partner zu nah kommt, oder sie lassen ihn einfach gegen die Wand laufen, was für den anderen auch sehr schmerzhaft sein kann. Es ist das Ziel dieses Buches, Betroffenen dabei zu helfen, diese Strategien aufzulösen und sie durch einen gesunden Selbstschutz zu ersetzen, mit dem sie eine Liebesbeziehung genießen können. Aber dafür müssen die Betroffenen zunächst einmal erkennen, dass sie solche sind. Denn viele Betroffene und ihre Partner oder Möchtegern-Partner erkennen die eigentliche Ursache für ihren Beziehungsfrust nicht. Nicht wenige sind schon relativ alt, bevor sie feststellen, dass sie bindungsängstlich sind. Viele bemerken es nie. Manche sind sogar ein Leben lang mit einem Partner verheiratet, ohne zu entdecken, dass die wenig befriedigende Ehe bindungsängstliche Strukturen aufweist. Bindungsängste sind für die Betroffenen und ihre Partner nicht leicht zu durchschauen. Die Partner sind zumeist verwirrt von dem widersprüchlichen Verhalten ihrer Zielperson. Und auch die Betroffenen selbst können sich ihre konfusen Gefühle und Gedanken in Bezug auf ihren Partner nicht erklären.
Sehr häufig erhalte ich E-Mails, in denen mir sowohl Bindungsängstliche als auch deren Partner oder Partnerinnen danken, weil sie endlich eine Erklärung für das »Hin und Her« und »Kreuz und Quer« in ihrer Beziehung gefunden haben. Es sind die krassen Wechsel zwischen Nähe und Distanz, die bindungsängstliche Beziehungen für die Beteiligten so anstrengend machen. Und diese hängen mit dem notorischen Jein zusammen, in dem die Betroffenen sich gefangen fühlen. Es ist die Ambivalenz zwischen Nähe-Wunsch und Nähe-Angst, die die Bindungsängstlichen nicht zu einer klaren Entscheidung für oder gegen die Beziehung finden lässt. Oder sie haben sich scheinbar entschieden, wie die oben erwähnten Verheirateten, halten sich aber innerhalb der Ehe oder der Dauerbeziehung den Partner mehr oder minder chronisch auf Distanz. Also auch hinter einer scheinbar klaren Entscheidung für eine Beziehung kann sich ein Jein verbergen.
Woran erkenne ich, ob ich bindungsängstlich bin?
Viele Bindungsängstliche verspüren eine starke Sehnsucht nach Liebe und Beziehung. Andere verspüren keinen so starken Bindungswunsch, sondern eher ein ausgeprägtes Freiheitsbedürfnis. Vor allem die Ersteren beschäftigt deswegen häufig die Frage, ob es an ihnen liegt, dass sie sich immer wieder in schwierige Beziehungen verrennen, oder eher daran, dass der Partner beziehungsweise die Partnerin doch nicht die oder der Richtige ist? Die Freiheitsbezogenen kauen hingegen häufig an der Frage, ob Liebe und Beziehung überhaupt so erstrebenswert und wichtig sind, dass man dafür so viele persönliche Kompromisse eingehen sollte. In beiden Fällen neigen Bindungsängstliche dazu, nach einer mehr oder minder kurzen Anfangsphase an der Beziehung, also an ihrem Partner oder ihrer Partnerin, zu (ver-)zweifeln. Sie sehen die realen oder auch vermeintlichen Schwächen ihres Partners und reiben sich an der Frage auf, ob nicht doch ein anderer Partner besser passen würde. Diese Zweifel werden gefüttert durch den Umstand, dass vielen Bindungsängstlichen immer wieder das liebende Gefühl für ihren Partner abhandenkommt. Nicht wenige können eigentlich nur in der Anfangsphase der Beziehung Liebe empfinden, oder wenn sie sich in jemanden verlieben, der ihnen keine Beziehungssicherheit vermittelt.
Häufig ist es auch so, dass die Liebesgefühle des Bindungsängstlichen mit der jeweiligen Nähe und Distanz in der Beziehung schwanken. Wenn der Bindungsängstliche also genügend Abstand zu seinem Partner verspürt, weil beispielsweise gerade mal wieder Schluss ist oder weil man sich länger nicht gesehen hat, dann können seine Gefühle recht intensiv werden. Ist die Beziehung hingegen in einer Phase der Nähe und Sicherheit, also eigentlich gerade am schönsten, dann erleben viele Bindungsängstliche den plötzlichen Gefühlstod. Warum das so ist, werde ich später noch erklären. Hier soll erst einmal nur die »symptomatische« Ebene beschrieben werden. Das Jein, das die Bindungsängstlichen verspüren, ist also sowohl gedanklicher (Zweifel) als auch emotionaler (Gefühlsschwund) Natur. Sind die Gedanken und die Gefühle jedoch zwiespältig, dann werden es die Handlungen zwangsläufig auch. Der Zickzackkurs von Nähe und Distanz, den die Bindungsängstlichen hinlegen, spiegelt also schlicht die innere Zerrissenheit der Betroffenen auf der Handlungsebene. Ein Hauptmerkmal bindungsängstlichen Erlebens ist eine starke Amplitude zwischen Nähe- und Distanzwünschen und eine nagende Unentschlossenheit, wenn sie darüber nachdenken, ob sie eine Beziehung fortführen oder überhaupt anfangen möchten. Ein Beispiel einer bindungsängstlichen Beziehung:
Julius (38 Jahre) hat schon einige Beziehungen hinter sich. Er erklärt öfter, er sei verliebt in die Liebe. Er mag die Aufregung und das Abenteuer, wenn sich noch alles so frisch anfühlt. Sobald eine Beziehung jedoch in ein sicheres Fahrwasser kommt, wird es ihm schnell langweilig. Seine bislang größte Liebe war Swetlana (34 Jahre). Swetlana war kompliziert und schwierig: Zuckerbrot und Peitsche. Sie konnte leidenschaftlich und hingebungsvoll sein, aber auch zickig und fordernd. Die Beziehung mit ihr war eine einzige Achterbahnfahrt von gegenseitigen Verletzungen und leidenschaftlichem Sex. Ein ruhiges Gefühl der Sicherheit hat sich für Julius bei Swetlana nie eingestellt. Schließlich hat sie ihn auch wegen ihres Tanzlehrers verlassen. Julius war damals total verzweifelt. Und auch noch heute, drei Jahre später, fühlt er sich nicht ganz gelöst von ihr. Er vergleicht sie auch immer wieder mit seiner aktuellen Freundin Manu. Sie ist das Gegenteil von Swetlana: ausgeglichen und lieb. Julius weiß, dass Manu ihm viel besser tut als Swetlana, aber seine Gefühle für Manu sind im Vergleich zu jenen für Swetlana lauwarm. Ihre Anhänglichkeit törnt ihn eher ab. Deswegen überlegt er auch, die Beziehung mit Manu zu beenden.
Julius ist ein typisches Beispiel für einen bindungsängstlichen Beziehungsstil: Die größte Leidenschaft empfindet er, wenn die Beziehung eher unsicher ist. Gerät der Bindungsängstliche hingegen an einen Menschen, der sich auf ihn einlässt und mit dem eine verbindliche Beziehung möglich wäre, dann wird es ihm entweder zu eng oder zu langweilig. Deshalb sucht Julius regelrecht, wenn auch unbewusst, nach Partnerinnen, die sich eher abweisend oder wankelmütig verhalten. Was ihm dabei überhaupt nicht bewusst ist: Seinem »Beuteschema« liegt ein Selbstwertproblem zugrunde: Julius sucht Bestätigung in der Eroberung. Swetlana hat er nie richtig an die Angel bekommen, und genau deshalb konnte er nicht von ihr lassen. Dass sie ihn schließlich sogar wegen eines anderen verließ, hat seinen Selbstwert maximal angekratzt. Deswegen kommt er auch nicht richtig über sie hinweg. Manu hingegen hat er sicher – sie »hängt fest an der Angel«. Er kann sich ihrer Zuneigung sicher sein. Doch genau deswegen langweilt ihn die Beziehung mit Manu schon wieder. Er braucht eine neue Eroberung, um seinen Selbstwert erneut zu bestätigen. »Ich liebe die, die ich nicht kriegen kann« ist das Motto vieler Betroffener.
In diesem Beispiel hat allerdings nicht nur Julius Schwierigkeiten damit, sich zu binden, auch Swetlana leidet unter Bindungsangst. Sobald sie sich wohlig und geborgen mit ihrem Partner fühlt, fängt sie Streit an. Sie traut dem Frieden nämlich nicht – das wäre ja zu schön, um wahr zu sein! Auch Swetlana leidet unter einem geringen Selbstwertgefühl und dies führt bei ihr zu erheblichen Verlustängsten. Sobald sich ein Gefühl der Sicherheit in der Beziehung einstellt, kommt Angst in ihr auf, ihren Partner zu verlieren. Um diesem Gefühl zu entkommen, wird sie aggressiv. Hierdurch behält sie die Kontrolle über das Geschehen. Falls ihr Partner sie wegen der Streitereien verlassen sollte, ist ihr das immer noch lieber, als wenn sie sich vertrauensvoll hingäbe, und er verließe sie dann. Diese ganzen inneren Vorgänge sind Swetlana selbst jedoch nicht komplett bewusst – sie weiß lediglich, dass sie häufig übertreibt. Warum sie jedoch immer wieder so ausflippt, kann sie sich nicht erklären.
Es gibt aber auch bindungsscheue Naturen, deren emotionale Temperatur konstant niedrig bleibt, die sich also nicht in Dramen von großer Liebe und Leidenschaft wie Julius und Swetlana verfangen. Diese »Gattung« der Bindungsängstlichen bezeichne ich gerne als die »Maurer«: Der Maurer oder die Maurerin halten, außer in der verliebten Anfangsphase, mehr oder minder konstant einen gewissen Abstand zum Partner ein. Sie sind nicht selten in Ehen oder Dauerbeziehungen anzutreffen, die sie ertragen, indem sie sowohl emotional als auch real häufig abwesend sind.
Björn (45 Jahre) ist mit seiner Freundin Claudia (40 Jahre) schon seit 15 Jahren zusammen. Heiraten findet er spießig – er braucht für eine Beziehung keinen Schein, sagt er seiner Freundin immer wieder. Claudia fände eine Hochzeit zwar sehr romantisch, aber was soll sie machen, wenn Björn nicht will? Björn ist selbstständiger Tischler und Zimmermann. Die Geschäfte laufen sehr gut. Er arbeitet viel, auch am Wochenende. Nach Feierabend trinkt er gern sein Bier und ist häufig leicht betrunken, wenn er schlafen geht. Auf Sex hat er selten Lust, er ist zu müde, zu abgespannt. Claudia fühlt sich einsam in der Beziehung mit Björn. Wenn sie ihn darauf anspricht, gelobt er, seine Arbeit zu reduzieren und sich mehr Zeit für sie zu nehmen, aber dem folgen keine Taten. Claudia kommt weder nah an ihn heran, noch kommt sie von ihm weg.
Björn schützt sich vor seiner Bindungsangst, indem er häufig abwesend ist. Durch die Arbeit, das Trinken und die sexuelle Lustlosigkeit installiert er eine fast undurchdringliche Mauer zwischen sich und Claudia. Björn hat schnell das Gefühl, sich in einer Beziehung »selbst zu verlieren«, wenn es zu nah wird. Am sichersten fühlt er sich deswegen, wenn er einen gewissen Abstand zu seiner Partnerin hält. Björn kann sich schlecht abgrenzen. Er ist in Liebesangelegenheiten wenig konfliktfähig. Deswegen muss er sich umso rigider äußerlich abgrenzen. Und dies führt dazu, dass er der Alleinherrscher über Nähe und Distanz in der Beziehung ist. Claudia hat keine Chance, näher an ihn heranzukommen. Er verspricht ihr zwar mehr Nähe per Lippenbekenntnis, aber letztlich löst er dieses Versprechen nicht ein. Claudia kann sich die Zähne an ihm ausbeißen – Björn kommt ihr nur näher, wenn er das will. Björn, der wie alle Bindungsängstlichen ein Selbstwertproblem hat, fühlt sich mit Claudia nicht wirklich auf Augenhöhe und ist ständig besorgt, dass er in eine unterlegene Position kommen könnte. Er will die Oberhand behalten und stemmt sich trotzig gegen Claudias Erwartungen.
Aber auch Claudia leidet unter einem geringen Selbstwertgefühl. Björn schürt dieses Problem noch, weil er sie so häufig zurückweist und ihr so selten das Gefühl vermittelt, dass sie wichtig für ihn ist. Im tiefsten Inneren glaubt sie nämlich, es läge an ihr. Wäre sie hübscher und interessanter, dann würde Björn bestimmt mehr von ihr wollen, so denkt sie fälschlicherweise. Und dies ist der Grund, warum sie schlecht von ihm loskommt, sie will unbedingt von Björn Bestätigung bekommen. Auch wenn Claudia ein völlig anderer Typ als Julius im vorigen Beispiel ist, haben beide ein ähnliches Problem: Sie beißen sich an Partnern fest, von denen sie wenig Wertschätzung erhalten und die sich nicht wirklich für die Beziehung mit ihnen entscheiden.
Passive und aktive Bindungsangst
Steven Carter und Julia Sokol unterscheiden in ihrem Buch Nah und doch so fern zwischen aktiven und passiven Bindungsängsten. Der Bindungsängstliche im aktiven Modus ist der Partner, der aktiv aus der Beziehung flüchtet oder diese boykottiert. Der passive Partner ist jener, der mit dem aktiv Bindungsängstlichen eine Beziehung führt oder eingehen will. Ob der Bindungsängstliche sich im aktiven oder passiven Modus befindet, kann zwischen verschiedenen Partnerschaften und auch innerhalb einer Partnerschaft wechseln. Wie bereits erklärt, machen viele Betroffene die Erfahrung, dass sie immer dann besonders verliebt sind, wenn sich ihr Partner nicht wirklich auf die Beziehung einlässt. Deswegen kann es passieren, dass der passive Partner in den aktiven Modus wechselt, sobald sich seine Zielperson ernsthaft auf die Beziehung mit ihm einlassen will. So ist es bei Julius und Swetlana und Julius und Manu. War Julius bei der temperamentvollen Swetlana in der passiven Position, weil sie durch den Streit immer wieder für Distanz sorgte, geriet er bei der bindungswilligen Manu in die aktive Rolle und flüchtete.
Nicht selten ist es so, dass sich zwei Bindungsängstliche ineinander verlieben, bei denen einer im aktiven Modus agiert und der andere im passiven. Dann sieht es nach außen zwar so aus, als würde der eine Partner sich durchaus binden wollen – aber in Wirklichkeit leidet er selbst unter Bindungsängsten. Und sein Wunsch nach Bindung würde schnell erlöschen, wenn der Partner oder die Partnerin wirklich darauf einginge.
Es gibt aber auch Menschen, die eigentlich bindungsfähig sind und die ebenfalls in den Sog einer bindungsängstlichen Beziehung geraten und nicht davon loskommen. Ob man nun selbst Bindungsängste hat oder eigentlich grundsätzlich bindungsfähig ist und gerade wirklich nur »an den falschen Partner« geraten ist, kann man meines Erachtens daran erkennen, wie lange man an einer unglücklichen Beziehung festhält. Wer beispielsweise mehrere Jahre in einer unglücklichen Beziehung verharrt oder wiederholt Beziehungen führt, in denen er den Partner dann am meisten liebt, wenn dieser sich nicht wirklich einlässt, hat höchstwahrscheinlich selbst Bindungsschwierigkeiten.
An dieser Stelle möchte ich jedoch betonen, dass die Balance zwischen Nähe und Distanz auch für bindungsfähige Menschen eine echte Herausforderung ist. Ein gelungenes Verhältnis von Nähe und Distanz spielt auch in intakten Beziehungen eine wichtige Rolle. Auch ein bindungsfähiger Mensch kann sich entlieben, wenn der Partner zu viel an ihm klammert. Und es kann auch in intakten Partnerschaften den Gang der Leidenschaft befeuern, wenn man eifersüchtig wird. Der Tanz zwischen Nähe und Distanz spielt vor allem für die erotische Anziehung eine wichtige Rolle. Es ist ja eine bekannte Tatsache, dass eine hohe Beziehungssicherheit nicht unbedingt scharfmacht. Andererseits kann gerade die Vertrautheit einer sicheren Beziehung den Rahmen bieten, um seine sexuellen Wünsche auszuleben. Was die Nähe und Distanz betrifft, ist der Unterschied zwischen bindungsängstlichen und sicheren Partnerschaften der, dass die Amplitude von Nähe und Distanz in bindungsängstlichen Beziehungen entweder extrem hoch ist – man ist sich also extrem nah oder entfernt sich extrem weit voneinander – oder ein Partner beziehungsweise beide halten eine konstant hohe Distanz zueinander ein.
Der kleine »Diagnoseleitfaden«
In den Beispielen von Swetlana und Julius sowie Björn und Claudia klingen viele Themen an, die in bindungsängstlichen Beziehungen eine Rolle spielen. Diese fasse ich auf den folgenden Seiten noch einmal zusammen. So entsteht eine Art Schnell-Diagnoseleitfaden. Wer sich (oder seinen Partner) in den genannten Themen stark wiederfindet, hat Bindungsängste. Die eingehende Erörterung der Ursachen für Bindungsangst und ihre typischen Folgen erläutere ich im zweiten Teil des Buches im Kapitel »Woher kommt Bindungsangst?«.
Der Zickzackkurs von Nähe und Distanz: Oft, nicht immer, weisen bindungsängstliche Beziehungen krasse Wechsel von Nähe und Distanz auf. In meinem Buch Jein! habe ich von»Inseln der Nähe« gesprochen. Das heißt, auf Momente inniger Leidenschaft und liebevoller Nähe folgt die abrupte Distanzierung des aktiv Bindungsängstlichen. Nach solchen Momenten taucht dieser erst einmal wieder körperlich oder psychisch ab. Oder er bricht Streit vom Zaun, so wie Swetlana. Für die Partner ist dieser Zickzackkurs von Nähe und Distanz extrem verunsichernd.
Die Mauer zwischen uns:Es gibt aber auch bindungsängstliche Beziehungen, die nicht von dramatischen Nähe-Distanz-Wechseln gekennzeichnet sind, sondern wo einer oder beide Partner konstant Abstand halten. So wie bei Björn, dem »Maurer«, und Claudia: Björn ist mehr oder minder konstant abwesend und sorgt über Arbeit und Alkohol dafür, dass er ewig unnahbar bleibt. Claudia macht ihm selten Szenen – sie spricht zwar immer mal wieder ihre Bedürfnisse nach mehr Zuwendung an, aber das war’s dann auch. Claudia hat Angst vor Streit und Konflikten – genau wie Björn – und deswegen ist ihre Beziehung auf diesem distanzierten Niveau in einem relativ ruhigen Fahrwasser.
Einer hat die Macht über Nähe und Distanz: Ohne dass es ihnen selbst so bewusst ist, sind viele aktiv Bindungsängstliche »radikal kompromisslos«. Hierdurch sorgen sie für einseitige Machtverhältnisse. Sie bestimmen, wann sie dem Partner nahe sein wollen und wann nicht. Die Partner können nach mehr Zuwendung betteln und flehen, der Bindungsängstliche gibt nicht nach. Im Gegenteil: Je mehr Druck er von seinem Partner verspürt, desto mehr treibt es ihn in die Flucht. Dies hängt mit den schlechten Abgrenzungsfähigkeiten der Bindungsängstlichen zusammen: Weil sie wenig konfliktfähig sind, grenzen sie sich – wie ein in die Ecke getriebenes Tier – umso härter nach außen ab. Das zementiert die einseitigen Machtverhältnisse noch stärker.
Der andere Partner fühlt sich hilflos und ohnmächtig:Wie so oft im zwischenmenschlichen Miteinander verkehrt sich gerade durch die innere Unsicherheit des Beziehungsängstlichen die Täter-Opfer-Rolle: Der Bindungsängstliche, der Gefühle der Unterlegenheit und Ohnmacht vermeiden will, wehrt sich heftig gegen die vermeintlichen Ansprüche seines Partners, bestimmt herrisch über Nähe und Distanz und verursacht in seinem Partner mit diesem Verhalten genau jene Ohnmachtsgefühle, die er selbst nicht haben will. Die Partner von Bindungsängstlichen machen nämlich Erfahrungen heftigster Hilflosigkeit und Ohnmacht, weil sie einfach keinen Weg finden, ihrem geliebten Bindungsängstlichen näher zu kommen. Egal, was sie tun, ihre Anstrengungen laufen ins Leere oder bewirken sogar das Gegenteil vom gewünschten Effekt.
Sich festlegen? Unmöglich!Hilflos und ohnmächtig fühlen sich die passiven Partner auch oft angesichts der Tatsache, dass aktiv Bindungsängstliche einen hartnäckigen Widerwillen aufweisen, sich zeitlich festzulegen. Sie halten sich gern bis zum letzten Moment alle Optionen offen. Nicht selten werden feststehende Pläne auch im letzten Moment wieder über den Haufen geworfen. Das kann die Partner in den Wahnsinn treiben. Der Bindungsängstliche, als Alleinherrscher von Nähe und Distanz, verfügt somit auch über die einseitige Planungshoheit. Claudia, die Partnerin von Björn, kann ein Lied davon singen. Sie traut sich schon kaum noch, sich auf einen Freitagabend zu freuen – zu oft ist es schon vorgekommen, dass Björn diesen boykottiert, weil er bis spätabends bei einem Kunden festhängt.
Und plötzlich ist die Liebe weg: Viele Bindungsängstliche klagen darüber, dass sie ihre Partner nach einer mehr oder minder langen Anfangsphase nicht mehr oder nur noch sporadisch lieben. Ihnen kommt immer wieder das liebende Gefühl für ihre Partner abhanden, sobald sich ein Gefühl der Sicherheit und Verbindlichkeit in der Beziehung einstellt. Hieraus resultiert auch die quälende Frage, ob der Partner oder die Partnerin überhaupt der oder die richtige ist.
Der Schwund an Liebesgefühlen resultiert aus den starken Druckgefühlen, die Bindungsängstliche in Bezug auf die Partnerschaft verspüren. Bindungsängstliche meinen nämlich, dass sie sich den Erwartungen ihrer Partner anpassen müssen, und das löst in ihnen Druck und ein Gefühl der Nähe-Überflutung aus. Deswegen empfinden viele von ihnen einen starken Freiheitsdrang, mit dem sie sich den vermeintlichen Ansprüchen ihrer Partner entziehen. Bei anderen steht eher die Angst vor der Ablehnung beziehungsweise Verlustangst im Vordergrund. Sobald die Beziehung enger wird, geraten sie in Panik. Diese kann sehr stark werden oder auch in Depressionen umschlagen. Oft ersticken diese extrem belastenden Reaktionen auf die unbewusste Angst alle Liebesgefühle.
Partnerwahl als Selbstbestätigung:Es gibt noch einen weiteren Grund dafür, dass bei Menschen mit Bindungsproblemen die Liebe zum Partner den plötzlichen Gefühlstod stirbt. Denn nicht wenige Bindungsängstliche versuchen, ihren lädierten Selbstwert über die Partnerwahl zu stärken. Bindungsängstliche, die eher dem Jäger-Typus entsprechen, wie Julius, der Freund der impulsiven Swetlana, suchen sich beispielsweise gern Partner aus, die sie erst einmal erobern müssen. Und je schwieriger die Jagd, desto wertvoller die »Trophäe«, also desto höher der Selbstwert-Gewinn. Wenn sie ihre Partner jedoch erobert haben, dann verlieren diese in der Regel schlagartig an Reiz. Solange der Partner nämlich noch nicht erobert ist, schaut der Jäger oder die Jägerin zu ihm auf. Lässt die Zielperson sich dann jedoch auf die Beziehung ein, sinkt ihr Wert in den Augen des Jägers, weil sich hierdurch das Machtverhältnis in der Beziehung verändert hat. So verliert die Zielperson an Anziehungskraft, weil sie nun auch eine gewisse Abhängigkeit vom Jäger aufweist. Anders gesagt: Sobald sich die ehemals Angebetete und Gejagte auf den Bewunderer und Jäger einlässt, fällt sie von ihrem Podest. Das törnt den Jäger ab, weil die Liebe des Partners jetzt scheinbar nicht mehr so viel wert ist. Um seinen Selbstwert zu stärken, braucht er also ein neues Objekt, das er bewundern, jagen und erobern kann.
Passivität als Schutz vor Verantwortung:Natürlich sind nicht alle Bindungsängstlichen Jäger. Es gibt sogar das krasse Gegenteil: Einige Betroffene vermeiden ganz bewusst, hinter ihrem Schwarm herzulaufen. Sie lassen sich stattdessen lieber »aufgabeln«, wie es ein Klient formulierte. Ihre Angst vor Ablehnung sitzt zu tief, als dass sie sich trauen würden, jemanden zu umwerben. Zudem setzt in dieser frühen Phase schon ihr Widerwille gegen Verantwortungsgefühle ein: Wenn der Partner sie unbedingt haben will und sie erobert, dann hat er später auch weniger Grund zur Beschwerde, schließlich hat der Bindungsängstliche sich ja nicht aufgedrängt.
Rückzug aus Angst, sein »wahres« Gesicht zu zeigen: In der Phase der Eroberung zeigen sich vor allem die »Jäger« natürlich von ihrer besten Seite. Doch im tiefsten Inneren umwölkt sie – wie alle Beziehungsängstlichen – die Angst, nicht zu genügen. Schließlich haben sie während der Jagd eine gewisse Show abgezogen – wenn sie sich einen Beziehungsalltag vorstellen, bekommen sie jedoch sofort Angst, als Schwindler aufzufliegen. Denn sie sorgen sich sehr, dass der Partner sie nicht mehr haben will, wenn er erkennt, wie sie »wirklich« sind. Ihre Reaktion auf diese Angst: sofortiger Rückzug. Lieber aktiv fliehen, als sich dieser vermeintlichen Schmach auszusetzen. Sobald es verbindlicher wird, verlieren Bindungsängstliche deshalb das Interesse an ihrer Eroberung.
Bloß keine Erwartungen!