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Leben ist Rhythmus Natürliche Rhythmusgeber wie Sonnenlicht, Nahrung und Schlaf sind maßgeblich für unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit, ja für unsere gesamte Entwicklung. Doch im Alltag kommen wir oftmals aus dem Takt. Jede menschliche Zelle besitzt eigene innere Uhren, die durch die Anforderungen des modernen Lebens immer häufiger falsch gehen. Dem können wir mit den neuesten Erkenntnissen der Chronobiologie, dem Wissen über natürliche Rhythmen, entgegensteuern. Maximilian Moser, Bestsellerautor und Professor an der Medizinischen Universität Graz, erklärt anschaulich den menschlichen Zeitorganismus und dessen Rolle für die Erhaltung und Wiedererlangung der Gesundheit. Mit einfachen Übungen und praktischen Tipps lernen Sie, wie Sie Ihr Leben natürlicher gestalten können - denn ein gesunder Rhythmus lässt Sie besser schlafen, spart Kraft, gibt Energie und hält jung.
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Das Buch
»Natürliche Rhythmen sind die Grundlage eines gesunden Lebens.«
Maximilian Moser
Natürliche Rhythmusgeber wie Sonnenlicht, Nahrung und Schlaf sind maßgeblich für unser Wohlbefinden, unsere Gesundheit, ja für unsere gesamte Entwicklung. Doch im Alltag kommen wir oftmals aus dem Takt. Jede menschliche Zelle besitzt eigene innere Uhren, die durch die Anforderungen des modernen Lebens immer häufiger falsch gehen. Um dies zu ändern, gibt der Chronobiologe Maximilian Moser Tipps und Übungen an die Hand, mit denen Sie Ihr Leben gesünder gestalten können. Er erklärt, wie Sie zu mehr Natürlichkeit zurückfinden, besser schlafen und fröhlicher leben können.
Maximilian Moser erläutert faszinierende Fakten über die Zeitanatomie unseres Körpers und wie Sie die neuesten Erkenntnisse der Chronobiologie für ein rhythmisches Leben nutzen können. Spannend und erzählerisch gibt er in anschaulichen Beispielen alltagstaugliche und wirksame Tipps, um die eigene Gesundheit und die Selbstheilungskräfte des Körpers zu fördern.
Der Autor
Univ.-Prof. Dr. Maximilian Moser ist Physiologe und Chronobiologe an der Medizinischen Universität Graz und leitet das Human Research Institut in Weiz, Österreich. In seiner langjährigen Forschungslaufbahn entwickelte er u.a. in der Weltraummedizin neue Methoden zur Untersuchung von Stressbelastungen und zur Messung der Schlafqualität. Über von ihm geleitete Projekte zum therapeutischen und präventiven Einsatz der Chronobiologie haben internationale Medien berichtet. Seine Bücher Das Geheimnis der Zirbe und Die sanfte Medizin der Bäume sind erfolgreiche Longseller. Mit Kurt Langbein hat er eine Filmdokumentation über Chronobiologie produziert.
PROF. DR. MAXIMILIAN MOSER
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ISBN: 978-3-8437-1660-4
© der deutschen Ausgabe 2017 by Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin
Lektorat und Schreibbegleitung: Diane Zilliges
Innenillustrationen: © fotolia: Baum Danussa, Blüte (Übung) f. Volodymyr Vechirnii, Blätter marinavorona, Blumenstrauß Lisla, Gewürzflasche Seamartini Graphics, Schneeflocke senoldo
Covergestaltung: zero-media.net, München
Umschlagmotiv:FinePic®, München
E-Book: LVD GmbH, Berlin
Alle Rechte vorbehalten.
»Was also ist Zeit? Wenn mich niemand fragt, weiß ich es, soll ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.«
Augustinus
Einleitung
An einem kühlen Frühlingsabend des Jahres 1982 hatte ich auf dem Schlossberg des Studentenstädtchens Marburg an der Lahn eine Verabredung, die mein weiteres Leben entscheidend bestimmen sollte: In der einbrechenden Dämmerung, die vom Rot des westlichen Himmels gefärbt war, kam eine sehr aufrechte, hochgewachsene Gestalt direkt auf mich zu.
»Hildebrandt!« stellte sich der Mann mit prüfendem Blick und einem festen Händedruck vor, »freut mich, dass Sie den Weg zu uns gefunden haben!« Einige Briefe hatten wir schon gewechselt, doch auf Tagungen meiner Fachkollegen hatte ich vergeblich nach ihm Ausschau gehalten. Nun konnte ich ihn all die Dinge fragen, die mich schon lange beim Lesen seiner Arbeiten beschäftigt hatten.
Wir saßen beim Dessert im Schlossgasthof – Hildebrandts Schattenmorellen waren nicht serviert worden, da sie der Kellner schlicht vergessen hatte. Interessant, wie das Gedächtnis bei wichtigen Momenten im Leben fotografisch wird. Dabei hatte ich so viele andere faszinierende Dinge an diesem Tag gesehen: Das Institut für Arbeitsphysiologie und Rehabilitationsforschung, durch das mich Friedhart Raschke, mittlerweile Professor und in einer Klinik in Norderney, geführt hatte. Den damals hochmodernen Großrechner – heute von jedem PC in den Schatten gestellt –, der auf die Aufzeichnung und Analyse menschlicher Rhythmen spezialisiert war. Und vor allem die Ergebnisse: Rhythmen des Lebens, auf die die wissenschaftliche Aufmerksamkeit gelenkt wurde! Gunther Hildebrandts Institut war eines der ersten in Europa, das sich weitgehend auf Chronobiologie, die Erforschung der Körperrhythmen, spezialisiert hatte.Er selbst hat sein ganzes Forscherleben diesem Thema und seiner Verbindung mit Gesundheit und Krankheit gewidmet. Als hochmusikalischer Mensch hatte er früh erkannt, dass es nicht nur zufällige Schwankungen waren, die empfindliche Messgeräte aufzeichneten, wenn Parameter wie Körpertemperatur, Durchblutung oder Herzschlagtätigkeit über längere Zeit gemessen wurden. Es waren vom Körper selbst erzeugte Rhythmen. Bald war dies seine Schlüsselerkenntnis: Leben ist Rhythmus. Ohne Rhythmen ist kein dauerhaftes, kein gesundes Leben möglich.
Für meine wissenschaftliche Arbeit hatte die Begegnung mit Hildebrandt tiefgehende Konsequenzen: Mein Hauptgebiet war zu diesem Zeitpunkt die Kreislaufforschung, und ich hatte schwerwiegende Zweifel, ob die Art und Weise, wie die herkömmliche Schulmedizin mit Gesundheit und Krankheit umging, für die betroffenen Patienten wirklich nützlich sei. Zu wenig wurde in der Medizin für mein Empfinden die Fähigkeit zur Selbstheilung beachtet, es gab auch kaum Forschung auf diesem Gebiet. Dafür lag der Schwerpunkt auf einer zwingend pharmakologischen Beeinflussung von Körpervorgängen. Mit welchen Medikamenten kann man den Blutdruck nach unten regeln, wenn er zu hoch ist? Mit welchen erhöht man ihn, wenn er zu niedrig ist? Ich war zu diesem Zeitpunkt in einer ernsten Sinnkrise, da mir diese Art des Zugangs zum menschlichen Körper zu brachial, ja beinahe gewalttätig, erschien.
Nun tat sich auf einmal ein neues Forschungsgebiet vor mir auf, die Chronobiologie. Sie ermöglichte es, dem menschlichen Organismus direkt bei der Selbstregulation, also quasi beim Gesundwerden, zuzusehen. In der Wissenschaftstheorie kann man ja unterscheiden zwischen »Machtwissen«, das dem Menschen Macht über die Natur oder die Körpervorgänge gibt, und »Wesenswissen«, bei dem es mehr um das Verständnis von Natur und Mensch geht. Machtwissen ist bis heute sehr gefragt, da viele Menschen der Meinung sind, dass man die Natur und damit auch den Körper beherrschen muss. Das Ergebnis einer so orientierten Wissenschaft und ihrer technologischen Umsetzung kann man unter anderem am Klimawandel und den damit verbundenen Problemen beobachten. In der Medizin führt diese Betrachtungsweise dazu, gegen jedes Leiden eine »Pille« zu erfinden. Was dabei aber passiert, ist, dass man die Selbstkompetenz des menschlichen Organismus untergräbt. Die sich daraus ergebenden Probleme sind vielfältig, ich nenne hier nur drei davon:
• Wenn bestimmte Körperfunktionen durch pharmakologische Mittel ersetzt werden, verliert der Körper seine Selbstheilungskompetenz. Es verkümmern die normalerweise in dem Bereich aktiven Organsysteme, denn jedes nicht genutzte Organ im lebenden Organismus wird zurückgebildet.
• Der Schutz, den uns Antibiotika im Notfall geben können, wird zum Bumerang, wenn sie im Übermaß und ohne wirkliche Notwendigkeit eingesetzt werden: Es entstehen resistente Keime, die heute in vielen Krankenhäusern bereits zahlreiche Todesopfer fordern. Menschen, die von solchen Keimen befallen werden und daran nicht sterben, müssten eigentlich den Rest ihres Lebens in Quarantäne verbringen.
• Ein Lebensstil, der im Vertrauen auf die allmächtige Medizin keine Rücksicht auf die Bedürfnisse des Organismus nimmt, kann zu Zivilisationskrankheiten wie Diabetes oder Alzheimer führen, die jahrelanges Leiden und intensive medizinischeund/oder pflegerische Betreuung benötigen. Die moderne Medizin kann solche »chronischen« Leiden durch starke Medikamente zwar lindern, aber nicht mehr heilen. Sie scheint auch kein großes Interesse daran zu haben, ihre Patienten und damit Kunden dauerhaft zu heilen oder präventiv vor chronischen Erkrankungen zu schützen.
Die Chronobiologie und ihre Umsetzung in der Chronomedizin zeigt dagegen, dass man durch die Beachtung und Unterstützung der biologischen Rhythmen im Rahmen eines vernünftigen Lebensstils die Selbstheilungskompetenz enorm fördern kann. Ein Organismus, der schwingungsfähig ist, der also gut mit den natürlichen Rhythmen mitgehen kann, reguliert sich sehr viel besser. Ein angemessener Lebensstil verstärkt dabei gerade diese Schwingungsfähigkeit. Stabilität und damit Gesundheit entstehen also aus dieser Schwingungsfähigkeit.
Seit meiner Begegnung mit Hildebrandt haben zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten gezeigt, dass sein Konzept sinnvolle medizinische und auch für das Leben wichtige Konsequenzen hat. Wir kennen heute messbare Verbesserungen der Gesundheit und wissen sogar um bessere Chancen bei der Heilung vonKrankheiten. Ein gesundes und langes Leben im Vollbesitz körperlicher und geistiger Kraft ist durch die Anwendung chronobiologischer Prinzipien in Verbindung mit einem gesundheitlich sinnvollen Lebensstil tatsächlich möglich. Medizinisch-pharmakologische Eingriffe sind dort angebracht und nötig, wo es dringend notwendig ist: bei Unfällen und akuten schweren Erkrankungen. Im Alltagsleben sind der Lebensstil und die Beachtung der biologischen Rhythmen für die Erhaltung der Gesundheit am wichtigsten. Und genau dabei kann jeder Mensch, können Sie für sich und Ihre Familie eine Menge tun.
Dieses Buch möchte Sie in die wunderbare Welt der biologischen Rhythmen und der Selbstheilungskompetenz des Organismus führen. In unterschiedlichen Bereichen werde ich Ihnen zeigen, wie Sie durch einfache, aber wirkungsvolle Maßnahmen Ihr Leben rhythmischer und damit gesünder gestalten können. Die tägliche Arbeit wird Ihnen leichter fallen, der Urlaub mehr Freude machen. Stress wird gemindert und Ihre körperliche Gesundheit verbessert werden. Ein paar Blicke über den Tellerrand zu einer sinnvollen Ernährung aus chronobiologischer Sicht und sogar zur Verbesserung der Qualität Ihrer Lebensmittel werden wir in dem Buch ebenfalls werfen.
Der Rhythmus des Lebens
Die Wissenschaft braucht ihre Zeit für neue Erkenntnisse. Hildebrandt führten seine Forschungsergebnisse zunächst in die Isolation. Hämische Kommentare der Fachkollegen – »Der sieht überall Harmonien« – folgten seinen Vorträgen. Wahrscheinlich war es die Unvoreingenommenheit meiner Jugend, ich war damals 25, die die Suche nach der Wahrheit vor die Anpassung an die Dogmen der Wissenschaftsgemeinde stellte. Ich bewunderte Hildebrandt, sein Institut, sein Werk. Er hatte lebenslang auf Tierversuche verzichtet, weil er derartige Experimente ethisch äußerst fragwürdig fand. Er forschte an Gesunden, während die meisten anderen möglichst exotische Krankheiten zu entdecken suchten. Er untersuchte naturheilkundliche und homöopathische Mittel, als die Schulmedizin noch all dies als Hokuspokus verteufelte, so wie es die Inquisitoren der Kirche mit Galilei und den Naturwissenschaften zuvor getan hatte.
Was aber war das Besondere an Hildebrandts Zugang zu den Rhythmen? Schon im 18. Jahrhundert hatte Jean Jacques d’Ortous de Mairan, ein französischer Geophysiker, beobachtet, dass Mimosen ihre Blätter am Tag heben und in der Nacht senken. Mairan hatte die glänzende Idee, ein paar Pflanzen in eine Kammer völlig ins Dunkel zu stellen – und siehe da, die Mimosen hoben und senkten ihre Blätter auch dort. Der erste »endogene«, also aus dem Inneren der Pflanze selbst kommende Rhythmus war entdeckt. Allerdings folgten die Pflänzchen nun nicht mehr dem Sonnenlauf, sondern schrieben ihren eigenen Rhythmus, der ein wenig vom äußeren Tag abwich. Dieser innere Tageslauf sollte etwa 200 Jahre später vom Chronobiologen Franz Halberg als »circadianer Rhythmus« bezeichnet werden, im Unterschied vom ziemlich genau 24-stündigen geologischen Tag-Nacht-Rhythmus.
Das Erstaunliche dabei, das bis etwa 1950 wieder in Vergessenheit geraten sollte, war die Tatsache, dass die Natur den Rhythmus offensichtlich für so wichtig hielt, dass sie ihn in diese Pflänzchen eingebaut hatte. Nicht genau, sondern mit einer gewissen Ungenauigkeit, die jeden Morgen durch das Licht der Sonne wieder korrigiert wurde. Im Inneren aller Lebewesen,das wissen wir heute, läuft nicht nur eine, sondern laufen Milliarden, ja sogar Hunderte Billionen innere Uhren, die durch das Tageslicht aufeinander und auf die Außenwelt abgestimmt werden. Es gibt sie in jeder Zelle des Körpers. Äußere Zeitgeber können diese inneren Uhren beachten oder ihnen eine andere Zeitstruktur aufzwingen. Letzteres kann unangenehme Folgen haben, wenn es immer wieder passiert.
Die inneren Uhren des Tagesablaufs, also die circadianen Uhren der vielen Zellen, werden durch einen Kern im Inneren unseres Gehirns koordiniert. Dieser Kern befindet sich direkt über der Kreuzung der optischen Nervenbahnen hinter der Nase und heißt Nucleus suprachiasmaticus (»Kern oberhalb der Kreuzung der Sehnerven«). Seine unmittelbare Nähe zu den vom Auge kommenden Sehnerven verdankt er seiner Beziehung zum Licht, das der wichtigste Zeitgeber für den Organismus ist.
Der Begriff »Zeitgeber« stammt übrigens vom deutschen Chronobiologen Jürgen Aschoff, der in den 50er- und 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts – die Beatles übten in Liverpool gerade ihre ersten Nummern – seine berühmten Bunkerversuche in Andechs bei München durchführte.
Die innere Uhr
Aschoffs Studenten gingen damals freiwillig für Wochen in einen Bunker – ohne Uhr und ohne soziale Kontakte nach außen, mit Ausnahme des Essens, das auf Anforderung durch eine Schleuse geschoben wurde. In diesen Versuchen wurde erstmalig nachgewiesen, dass auch beim Menschen die innere Uhr Abweichungen von der 24-Stunden-Rhythmik zeigt, wenn sie kein Tageslicht zur Synchronisation erhält – eben keinen Zeitgeber. Es wurde aber auch gezeigt, dass der innere Tag-Nacht-Rhythmus über Monate mit einer mittleren Periodendauer von 24,86 Stunden aufrechterhalten wird, gemittelt über insgesamt 300 Versuchspersonen. Es gibt also wieder eine kleine Abweichung von der genauen Sonnenumlaufzeit von 24 Stunden, wie bei der Mimose. Und es gibt wieder eine in den Organismus eingebaute innere Uhr.
In den Versuchen Aschoffs und anderer Chronobiologen zeigte sich außerdem erstmalig, dass die Abtrennung der inneren Rhythmen von den äußeren psychiatrische Symptome erzeugen konnte – Depressionen traten auf, auch psychotische Zustände. Hildebrandt berichtete mir von einem Versuch, der in seiner Arbeitsgruppe stattgefunden hatte: Ein sehr talentierter wissenschaftlicher Mitarbeiter unterzog sich einem längeren Aufenthalt in der Isolationskammer, rund um die Uhr gut überwacht vom Versuchsteam. Scheinbar lief alles nach Plan: Messungen wurden durchgeführt, Essen durch die Schleuse gereicht, die aus der Kammer zurückkommenden Briefe und Protokolle sahen für die begleitenden Psychologen nicht ungewöhnlich aus. Dann wurde der Versuch beendet. Der Mitarbeiter kam aus den Isolationsräumen und begab sich, Weihnachten stand vor der Tür, zunächst für einige Tage auf Urlaub. Von dort schrieb er eine Karte: Es habe einige Zeit gebraucht, bis er sich wieder in der Welt außerhalb des Bunkers zurechtfand. In der Isolation habe er den Betreuern zudem etwas verschwiegen: Er habe nämlich regelmäßig Besuch von seinen Eltern und seinem Hund gehabt. Beide seien allerdings schon einige Jahre tot gewesen …
Die naheliegende Erklärung, dass Isolation durch die soziale Abschottung psychotische Symptome erzeugen könne, greift nur zum Teil. Die Abschottung von den äußeren Rhythmen ist mindestens ebenso bedeutend für die Destabilisierung der Psyche. Auch bei psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen und Psychosen ist oft die Störung des Tag-Nacht-Rhythmus oder die Schlaflosigkeit ein erstes Krankheitsanzeichen.
Bereits im Kleinen ist das spürbar. Sicher haben Sie schon bemerkt, dass an einem trüben Tag alles schrecklich sein kann: Der Frühstückskaffee schmeckt nicht so richtig, der Partner oder die Partnerin gibt nur einsilbig Antwort oder ist verstimmt, im Büro sind alle unfreundlich. Wissenschaftler haben tatsächlich herausgefunden, dass der November nicht nur das trübste Wetter zeigt, sondern auch der Monat mit der schlechtesten Stimmung ist. Die fehlende Sonne nimmt uns die Freude, den Lebensmut und den Antrieb. Ganz anders ein strahlender Frühlingsmorgen im Mai: Jetzt schmeckt der Kaffee, das Partnergespräch läuft bestens, und auch im Büro wird alles mit Schwung erledigt. Sonne beschert uns tiefgreifende physiologische und auch psychische Veränderungen, und zwar in der Regel zum Guten.
Sehzellen, die kein Bild schaffen
Wie schon erwähnt ist Licht unser wichtigster Zeitgeber, das haben zahlreiche Studien bis in die jüngste Vergangenheit immer wieder bestätigt. Bereits in den 1960er-Jahren hatte man beobachtet, dass Blinde, deren Augenäpfel aus ästhetischen Gründen entfernt worden waren, schwere vegetative Störungen entwickelten, periodische Kopfschmerzen und Depressionen sowie Schlafstörungen. Vor wenigen Jahren löste die Suche nach der Ursache dafür eine kleine wissenschaftliche Sensation aus: Ein neuer Sehfarbstoff, nur dazu ausgelegt, Tageslicht wahrzunehmen, wurde im Auge entdeckt!
Dieses sogenannte Melanopsin (griech.: »schwarzer Sehfarbstoff«) war bis dahin nur bei Ur-Blaualgen und einigen Pflanzen bekannt und ist besonders im kurzwelligen Grün-Blau-Farbbereich lichtempfindlich. Der chemische Farbstoff war nicht der Gleiche wie in den schon lange bekannten Zapfen und Stäbchen unserer Netzhaut, man fand ihn vielmehr in eigenen, unscheinbaren Nervenendigungen des Augenhintergrundes, die 1998 endgültig als lichtempfindlich erkannt und deren Verlauf zum schon erwähnten suprachiasmatischen Kern im Gehirn nachgewiesen wurde. Seine Aufgabe ist die Synchronisation der inneren Uhren mit dem äußeren Tageslicht und -ablauf.
In der Folge zeigte sich, dass tatsächlich eine neu entdeckte Sinneszelle hinter diesen Beobachtungen stand – die erste seit 1880 entdeckte Sinneszelle im Auge. Der Grund für diese späte Entdeckung war wohl, dass sich dieser Lichtsinn dem menschlichen Bewusstsein verbarg. Auch Blinde haben die Fähigkeit, ihre Körperrhythmen mit dem äußeren Tag zu synchronisieren,allerdings nehmen sie das Licht nicht bewusst wahr, nur ihr vegetatives System und ihre Körperrhythmen stellten sich darauf ein.
Die Art des Sehfarbstoffs machte klar, dass es sich um ein Relikt aus der Urzeit handelte. Noch bevor irgendein Lebewesen bewusst Licht wahrnahm, steuerten Melanopsine bereits den Ablauf der Zellfunktionen bei Blaualgen und anderen frühen Lebensformen und stellten die innere Uhr. Da man diese Farbstoffe beim Menschen nicht vermutet hatte, waren mit ihrer Entdeckung auch alle bisherigen Messungen der Lichtempfindlichkeit der menschlichen Körperrhythmik ungültig. Am Abend und im Schlaf wird beim gesunden Menschen nämlich ein besonderes Hormon gebildet, das Melatonin, das verschiedene wichtige Aufgaben im Körper erfüllt. Melatonin ist unser bestes Antioxidans und schützt unsere Körpergewebe vor freien Sauerstoffradikalen, die zu einer Schädigung und vorzeitigen Alterung von Körperzellen führen können. Außerdem macht es müde und wird auch erfolgreich für die Behandlung von Schlafstörungen und Jetlag verwendet. Die Produktion des Melatonins, das hatte man schon in den 1990er-Jahren entdeckt, wird durch helles Licht unterdrückt. Das ist am Tag sinnvoll, da man ja zu dieser Zeit frisch und munter sein sollte. In den ersten Versuchsanordnungen zur Messung der Melatoninunterdrückung hatte man das rötliche Licht von Glühbirnen verwendet, und dabei erst ab 1000 Lux, was sehr hellem Bürolicht entspricht, eine solche Drosselung feststellen können. 1998 wiederholte man die Messungen mit blau-grünem Licht, für das der neuentdeckte Sehfarbstoff Melanopsin besonders empfindlich ist. Und siehe da, nicht mehr 1000 Lux waren erforderlich, um die für die Gesundheit wichtige Melatoninausschüttung in der Nacht zu stören, sondern schwache 3 Lux blau-grünes Licht reichten dafür bereits aus. Dies war um weniges heller als Mondlicht. Alle arbeitsmedizinischen Lehrbücher zu diesem Thema mussten umgeschrieben werden.
Diese Ergebnisse haben Relevanz für Ihr ganz persönliches Leben und Wohlbefinden: Schon ganz schwaches, tageslichtähnliches Licht kann die körpereigene Rhythmik empfindlich stören, wenn es zur falschen Uhrzeit – etwa um 2 Uhr morgens –auf Ihre Netzhaut einwirkt. Abends beginnt der Körper mit einsetzender Dunkelheit, vermehrt Melatonin zu produzieren, das für Regeneration und Schlaf sorgt und die freien Radikale im Blut und Gewebe unschädlich macht. Schauen Sie mitten in der Nacht für wenige Minuten auf den Fernsehbildschirm oder setzen sich den Energiesparlampen im Schlafzimmer oder Bad aus, kann das bereits die Melatoninproduktion – und damit die nächtliche Regeneration und allgemeine Rhythmik im Organismus – drastisch reduzieren. Das hat empfindliche Konsequenzen für die Frage, welche Lampen in Bade- oder Schlafzimmer installiert werden sollen. Leuchtstoffröhren und leider auch Energiesparlampen sind besonders im Blau-Grün-Bereich aktiv. Ebenso Fernseher und Computerbildschirme. Nur die klassische Glühlampe und in ähnlichem Maß die Halogenleuchte lassen unsere Körperrhythmen unbehelligt, wenn wir sie in der Nacht einschalten. Sie werden in den weiteren Kapiteln noch viele Möglichkeiten kennenlernen, Ihr Leben möglichst rhythmusgesund zu gestalten und auch heute noch an herkömmliche Glühbirnen heranzukommen sowie auch abends benutzte Bildschirme besser verträglich zu machen.
In unserem modernen Alltag mag so etwas übertrieben klingen. Doch man muss sich darüber im Klaren sein, dass noch vor zwei oder drei Generationen elektrisches Licht gar nicht verfügbar war. Unsere Urgroßeltern standen mit den Hühnern auf und gingen kurz nach Sonnenuntergang wieder ins Bett. Gaslicht gab es ab Ende des 19. Jahrhunderts in manchen Städten. Bis dahin und auf dem Land wurden Kerzen oder ein Kienspan entzündet oder man saß am Lagerfeuer oder am offenen Kamin zusammen. Wir wissen heute, dass das gelblich-rötliche Licht des Feuers unserem Organismus nicht schadet, dass es die Produktion des Melatonins nicht stört. Man wird auch früher müde, wenn das Licht im Zimmer gelblich ist und man nicht in einen blauen Bildschirm schaut. Eigentlich logisch,wenn man bedenkt, dass unsere Vorfahren zwei Millionen Jahre lang am Lagerfeuer geruht haben. Wir aber haben in relativ kurzer Zeit unsere Lebensbedingungen von Grund auf verändert.
Völlig aus dem Rhythmus
Im Jahr 2000 rüttelte eine Studie, die ursprünglich von der Iceland Air in Auftrag gegeben worden war, die wissenschaftliche Fachwelt auf. Die isländische Luftfahrtgesellschaft hatte beobachtet, dass Piloten besonders hohe Krebsraten, insbesondere beim schwarzen Hautkrebs, dem Melanom, aufwiesen. Da Flugzeuge in großer Höhe der sogenannten Höhenstrahlung ausgesetzt sind, nahm man an, dass diese Strahlenbelastung wohl der erste Grund sei. Zusätzlich unterteilte man die Krankheitsfälle in Piloten, die vorwiegend Nord-Süd-Flüge durchgeführt hatten, und solche mit überwiegend Ost-West-Flügen. Im ersten Fall war die Überlegung, dass Piloten, die zum Beispiel nach Afrika fliegen, ihre Freizeit am Strand verbringen und dadurch einer hohen und für ihre – wenig pigmentierte – isländische Haut schädlichen zusätzlichen UV-Bestrahlung ausgesetzt würden. Man vermutete, dass diese Gruppe ein noch höheres Hautkrebsrisikohabe als die Ost-West-Flieger. Tatsächlich jedoch zeigten die Ost-West-Flieger ein fünfmal so hohes Krebsrisiko wie Nord-Süd-Flieger.
Es stellte sich heraus, dass offensichtlich der Jetlag, der durch das Überfliegen mehrerer Zeitzonen in Ost-West-Richtung entsteht, die Ursache für das erhöhte Krebsrisiko war und nicht die erhöhte UV-Bestrahlung in Afrika. Und das auch beim Hautkrebs. Kurz darauf wurde die Thematik von mehreren internationalen Forschungsteams nochmals bei Nacht- und Schichtarbeit untersucht, und auch hier erwiesen sich Rhythmusstörungen durch wechselnde Arbeitsschichten als besonders gefährlich für das Auftreten von Krebs – in diesem Fall Brustkrebs. Frauen, die über mindestens sieben Jahre im Wechselschichtbetrieb gearbeitet hatten, zeigten im Durchschnitt von 14 Studien eine um etwa 50 Prozent erhöhte Wahrscheinlichkeit, im Lauf des weiteren Lebens an Brustkrebs zu erkranken. Da Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung überhaupt ist, ist dies ein dramatischer Anstieg. Von 100 europäischen oder US-amerikanischen Frauen bekommen in der Lebenszeit 10 bis 13 Brustkrebs, bei japanischen Frauen sind es nur 2 bis 3 von 100. Warum?
Viele Menschen in Japan leben noch sehr rhythmisch, das ist oder war zumindest Teil der japanischen Lebensform. Frauen, die den Atombombenabwurf in Hiroshima überlebt haben, zeigten durch die Belastung mit radioaktiven Strahlen eine doppelt so hohe Brustkrebsrate wie der japanische Durchschnitt, was aber noch immer nur die Hälfte des europäischen oder US-amerikanischen Wertes ist. Neben der gesundheitlich sehr vernünftigen traditionellen Ernährung in Japan spielt sicher das rhythmische und gleichmäßige Leben vieler Japanerinnen eine Rolle für die geringe Krebsrate.
Weitere Studien zum Prostatakrebs, einer der häufigsten Krebsformen bei Männern, ergab eine ähnliche Erhöhung des Auftretens als Folge von Nacht- und Schichtarbeit. Das Wachstum beider Krebsformen, Brustkrebs wie auch Prostatakrebs, wird oft von Sexualhormonen gesteuert, sodass angenommen wird, dass insbesondere die Störung des Hormonsystems durch Nacht- und Schichtarbeit diese schlimmen Auswirkungen verursacht. Aber auch Herzinfarkte und Fettstoffwechselstörungen steigen als Folge von Nacht- und Schichtarbeit um etwa 50 Prozent an.
Interessanterweise treten die negativen Effekte dann nicht auf, wenn regelmäßig Nachtarbeit durchgeführt wird. Nachtportiere, die immer in der Nacht arbeiten, weisen Studien zufolge keineerhöhte Krebswahrscheinlichkeit auf. Ein ständiger Wechsel der Arbeitszeit scheint also besonders schädlich zu sein. Der Organismus muss sich dann fortwährend anpassen und kommt dadurch aus dem Tritt. Die Synchronisation, also die Abstimmung zwischen den einzelnen Rhythmen des Organismus, geht verloren. Die Organe sprechen dann gewissermaßen nicht mehr miteinander oder hören auch nichts mehr voneinander. Das ist der Zustand, der auch bei Krebskranken zu beobachten ist: In einer Studie mit mehreren deutschen Krebskliniken haben wir herausgefunden, dass biologische Rhythmen bei Krebskranken stark abgeschwächt und gestört sind und mit zunehmender Erkrankung schwächer werden.
Für die Arbeitsgestaltung bei Nacht- und Schichtarbeit hat dies wesentliche Konsequenzen: Eine länger dauernde regelmäßige Nachtarbeit einzelner Arbeitnehmer ist chronobiologisch wesentlich weniger schädlich als der ständige Wechsel des Dreischichtbetriebs, der derzeit in vielen Firmen üblich ist. Kaum hat der Organismus sich an eine neue Zeit angepasst, wird er bereits wieder gezwungen, seine Arbeitszeit zu wechseln. Hier ist viel Aufklärungsarbeit notwendig, da auch Gewerkschaften oft nicht einsehen, dass es vernünftiger ist, auf einen Teil des Lohns zu verzichten, als die Gesundheit der Arbeitnehmer aufs Spiel zu setzen.
All das gibt einen ersten Einblick, wie wichtig biologische Rhythmen für die menschliche Gesundheit sind. Unsere Urgroßeltern hatten noch intakte Rhythmen, da Nacht- und Schichtarbeit ebenso unbekannt waren wie Jetlag und das nächtliche Hängenbleiben vorm Fernseher oder dem PC. Wahrscheinlich ist dies einer der Gründe, warum erst in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung des Rhythmus erkannt wurde: Erst mit ihrem Verlust in den heutigen Lebensumständen wurde die Wissenschaft auf die Bedeutung der Rhythmen aufmerksam. Auch Vitamine wurden erst entdeckt, als sich ihre Mangelerscheinungen wie Skorbut (Vitamin-C-Mangel), Beri-Beri (Vitamin-B-Mangel), Rachitis (Vitamin-D-Mangel) und andere Erkrankungen offenbarten.
2004 wurden die bis dahin gesammelten Erkenntnisse in Graz im Rahmen einer von unserer Arbeitsgruppe organisierten internationalen Tagung zusammengefasst und 2006 in der renommierten Zeitschrift »Cancer Causes & Control« publiziert. 2007 wurde, auch aufgrund dieser Publikation, von der IARC (International Agency for Research on Cancer), einer Teilorganisation der Weltgesundheitsorganisation WHO, »Nacht und Schichtarbeit, die biologische Rhythmen stört«, als »wahrscheinlich kanzerogen« klassifiziert. Diese Einordnung hatte in Dänemark bereits praktische Auswirkungen: 2009 wurden 40 Frauen, die lange Zeit in der Nacht- und Schichtarbeit gearbeitet und danach Brustkrebs entwickelt hatten, mit jeweils 100 000 Euro vom dänischen Staat entschädigt.
Es erstaunt, warum die Industrie im deutschsprachigen Raumbis jetzt kaum Notiz von diesen Forschungen nimmt. Maßnahmen zur Verbesserung der Nacht- und Schichtarbeit sollten eigentlich dringend getroffen werden, bevor die Auswirkungen bei den Arbeitenden nicht mehr revidierbar sind. Die Situation erinnert ein wenig an die Zeit, als zwar die Auswirkungen des Rauchens in ersten Studien ans Tageslicht kamen, aber anstelle von präventiven Maßnahmen diese Studien gezielt bezweifelt wurden und Wissenschaftler aus diesem Forschungsfeld starker Kritik und Skepsis ausgesetzt waren.
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