Von der Ursache dem Princip und dem Einen - Giordano Bruno - E-Book

Von der Ursache dem Princip und dem Einen E-Book

Bruno Giordano

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Beschreibung

Dieses eBook: "Von der Ursache dem Princip und dem Einen" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Giordano Bruno (1548-1600) war ein italienischer Priester, Dichter, Philosoph und Astronom. Er wurde durch die Inquisition der Ketzerei und Magie für schuldig befunden und vom Gouverneur von Rom zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt. Am 12. März 2000 erklärte Papst Johannes Paul II. nach Beratung mit dem päpstlichen Kulturrat und einer theologischen Kommission, die Hinrichtung sei nunmehr auch aus kirchlicher Sicht als Unrecht zu betrachten. Zur Inhalt: Für Bruno stammte alles aus der Natur von der göttlichen Einheit von Materie und Dunkelheit ab. Zum einen trennte er Gott von der Welt und zum anderen tendierte er zu einem dazu entgegengesetzten Pantheismus. Bruno verband die These, dass Gott allem innewohne, mit dem Glauben, dass die Realität der Vorstellung entspringe. Damit nahm er die Gedanken von Gottfried Wilhelm Leibniz und Baruch de Spinoza vorweg. Er stellte sich gegen das geozentrische Weltbild, nahm stattdessen an, dass die Welt und die Menschen ein einmaliger "Unfall" einer einzelnen lebenden "Welt-Substanz" seien, und bekannte sich zur kopernikanischen Theorie (Heliozentrisches Weltbild).

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Seitenzahl: 183

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Giordano Bruno

Von der Ursache dem Princip und dem Einen

e-artnow, 2018 Kontakt: [email protected]

Inhaltsverzeichnis

Erster Dialog
Zweiter Dialog
Dritter Dialog
Vierter Dialog
Fünfter Dialog

Erster Dialog

Inhaltsverzeichnis

Personen: Elitropio, Filoteo, Armesso.

ELITROPIO: Wie Gefangene, die aus der Dunkelheit des finsteren Burgverlieses in das Licht hinaustreten, werden viele Anhänger der landläufigen Philosophie und so manch anderer scheu werden, stutzen und böse werden, weil die neue Sonne deiner hellen Gedanken für sie unerträglich ist.

FILOTEOFILO: Nun, dann liegt doch die Schuld nicht am Licht, sondern an ihren Augen. Je schöner und herrlicher die Sonne an sich selber ist, – den Augen der Nachteulen wird sie dadurch nur umso verhasster und widerwärtiger.

ELITROPIO: Dein Wunsch, jene Leute aus ihrem lichtlosen Abgrund hervorzulocken und dem offenen, ruhigen und heiteren Anblick der Sterne, welche wir in so großen Mengen am blauen Firmament sehen, gegenüberzustellen, ist nicht leicht zu erfüllen lieber Filoteo. Auch wenn dein frommer Eifer nichts mehr möchte, als den Menschen zu helfen; werden dich die Undankbaren auf vielerlei Art und Weise angreifen, wie Tiere, die die gütige Erde in ihrem mütterlichen Schoss erzeugt und nährt. Falls es nämlich wahr ist, dass die menschliche Gattung in ihren Individuen, in jedem besonders, die Verschiedenheiten aller anderen Gattungen nachbildet, um in jedem Individuum ausdrücklicher das Ganze zu sein, als es in andern Gattungen der Fall ist. Daher werden sich die einen wie blinde Maulwürfe, im selben Moment, indem sie die freie Luft spüren, möglichst schnell wieder in die Erde vergraben und in die dunklen Höhlen zurückkehren, für die sie die Natur bestimmt hat. Die anderen werden wie Nachtvögel nicht so schnell im leuchtenden Osten die rötliche Botin der Sonne erblicken, weil sie sich wegen der Schwäche ihrer Augen auch schon zur Rückkehr in ihre finsteren Löcher angetrieben fühlen. All die Wesen, die vom Anblick der himmlischen Lichter ausgeschlossen und für die ewigen Gefängnisse, Grüfte und Höhlen Pluto’s bestimmt sind, werden, von dem schaurigen Chor der Alecto zurückgefordert, den schnellen Rückweg zu ihren Wohnungen zu nehmen. Die Wesen dagegen, welche für den Anblick der Sonne geboren sind, werden, wenn das Ende der verhassten Nacht gekommen ist, dem Himmel für seine Güte dankbar und freudig die heiß ersehnten und erhofften Strahlen mit ihren Blicken einsaugen und mit Herz, Stimme und Hand jubelnd den Aufgang anbeten. Wenn Titan vom goldenen Osten die feurigen Rosse angetrieben und das träumerische Schweigen der feuchten Nacht unterbrochen hat, dann werden die Menschen sinnvoll sprechen, die unschuldigen, Wolle tragenden Herden blöken; die gehörnten Rinder werden unter der Obhut des rauen Bauers brüllen; die Esel des Silenus werden ihr Geschrei erheben, weil sie wieder den bestürzten Göttern hilfreich den dummen Giganten Schrecken einjagen können.

Sich im schmutzigen Lager wälzend mit ungestümem Grunzen werden die Hauer bewehrten Eber ihren betäubenden Lärm machen. Tiger, Bären, Löwen, Wölfe werden zusammen mit den listigen Füchsen die Köpfe aus ihren Höhlen hervorstecken, von ihren einsamen Höhen das ebene Jagdgefilde betrachten und aus tierischer Brust ihr Grunzen, Brummen, Heulen, Brüllen, Winseln ertönen lassen. In der Luft und auf den Zweigen weitverästelter Bäume werden die Hähne, Adler, Pfauen, Kraniche, Tauben, Schnepfen, Nachtigallen, Krähen, Elstern, Raben, der Kuckuck und die Zikade nicht aufhören, ihr lärmendes Gezwitscher zu wiederholen und zu verdoppeln. Und selbst aus dem unbeständigen Gefilde der Flut werden die weißen Schwäne, die bunten Enten, die geschäftigen Taucher, die Sumpfvögel und die heiseren Gänse zusammen mit den melancholisch quakenden Fröschen die Ohren mit ihren Geräuschen erfüllen. Und so wird sich auch das warme Sonnenlicht ebenso oft begrüßt und vielleicht aber auch belästigt fühlen von einer Fülle von Lauten, indem es die Luft dieser glücklicheren Hemisphäre durchstrahlt, wie es die Geister sind, je nach Größe und Beschaffenheit, der Laute, die aus der Tiefe der Brust hervorkommen.

FILOTEOFILO: Das ist doch nicht nur etwas Gewöhnliches, sondern auch ganz natürlich und notwendig, dass jedes lebende Wesen seinen Laut von sich gibt. Unvernünftige Tiere können unmöglich artikulierte Töne bilden wie die Menschen, weil sie eine andere Körperbeschaffenheit, einen anderen Geschmack und andere Nahrung zu sich nehmen.

ARMESSO: Ich bitte um die Erlaubnis, auch mitreden zu dürfen, nicht über das Licht, sondern über andere Dinge, welche dazu gehören aber die Sinne nicht erfreuen, sondern das Gefühl des Zuschauers oder Betrachters zu verletzen pflegen. Denn gerade, weil ich euren Frieden und eure Ruhe in brüderlicher Zuneigung wünsche, möchte ich nicht, dass aus euren Reden wieder solche Komödien, Tragödien, Klagelieder, Dialoge oder was immer sonst, wie diejenigen, die ihr vor kurzem, als ihr sie ins Freie hinausließet, euch zwangen, wohl eingeschlossen und zurückgezogen zu Hause zu bleiben.

FILOTEOFILO: Rede nur ganz frei heraus!

ARMESSO: Ich will keinesfalls reden wie ein heiliger Prophet, ein verzückter Seher, ein verhimmelter Apokalyptiker oder der verengelte Esel des Bileam; auch nicht räsonieren als wär‘ ich vom Bacchus inspiriert, vom Hauch der liederlichen Musen vom Parnass aufgeblasen, oder wie eine vom Phöbus geschwängerte Sibylle oder eine schicksalskundige Cassandra, nicht als wäre ich von Kopf bis Fuß von apollinischem Enthusiasmus vollgepfropft, wie ein erleuchteter Seher im Orakel oder auf dem delphischen Dreifuss, wie ein den Problemen der Sphinx gewachsener Ödipus oder ein Salomo den Rätseln der Königin von Saba gegenüber; nicht wie Calchas, der Dolmetscher des olympischen Senates, oder ein geisterfüllter Merlin, oder als käme ich aus der Höhle des Trophonius. Nein, ich will in ganz hausbackener und nüchterner Prosa reden, wie ein Mensch, der ganz andere Absichten hat, als sich den Saft des kleinen und großen Gehirns so lange herauszudestillieren, bis die dura und pia mater zuletzt als trocknes Residuum übrig bleibt; wie ein Mensch, der nun einmal kein anderes Hirn hat als sein eigenes, dem auch die Götter vom letzten Schub, die bloß zur Marschalltafel im himmlischen Hofhalten gehören, versagen; ich meine die Götter, die nicht Ambrosia essen noch Nektar trinken, sondern sich den Durst mit dem Bodensatz im Fass und mit ausgelaufenem Wein stillen, wenn sie gegen das Wasser und seine Nymphen besondere Abneigung hegen. Selbst diejenigen, die sich uns doch sonst heimischer, zutraulicher und umgänglicher zeigten, wie z.B. Bacchus oder der betrunkene Bitter vom Esel [Silen], wie Pan, Vertumnus, Faunus oder Priapus, auch sie werden mich nicht um eines Strohhälmchens Breite tiefer einweihen, obwohl sie doch ihren Pferden von ihren Taten selbst Mitteilung zu machen pflegten.

ELITROPIO: Die Vorrede ist etwas lang geraten!

ARMESSO: Nur Geduld! Der Schluss wird dafür desto kürzer sein. Ich will in aller Kürze sagen, dass ich euch Worte hören lassen will, die man nicht erst zu entziffern braucht, indem man sie erst gleichsam der Destillation unterwirft oder sie durch die Retorte gehen lässt, im Marienbade digeriert und nach dem Rezept der Quintessenz sublimiert, sondern Worte, wie sie mir meine Amme in den Kopf gepfropft hat, welche beinahe so fett, hochbusig, dickbäuchig, mit prallen Hüften und Po war, wie es jene Londonerin nur sein kann, die ich in Westminster gesehen habe und die von wegen der Erwärmung des Bauches ein paar Zitzen hat, die wie die Stulpenstiefel des Riesen Sankt Sparagorio aussehen und aus denen sich, würde man sie zu Leder verarbeiten, sicherlich zwei ferraresische Dudelsäcke machen ließen.

ELITROPIO: Das könnte nun wohl für eine Einleitung ausreichen.

ARMESSO: Weiter dann, um zu Ende zu kommen, ich möchte von euch hören, – die Stimmen und Laute bei Gelegenheit den von eurer Philosophie ausstrahlenden Lichtes und Glanzes einmal ganz bei Seite gelassen – mit welchen Lauten wollt ihr, dass wir insbesondere jenes Phänomen von Gelehrsamkeit begrüßen sollen, welches das Buch vom Aschermittwochsgastmahl ausmacht? Was für Tiere sind es, die es vorgetragen haben? Wasser-, Luft-, Land- oder Mondtiere? Und von den Äußerungen des Smith, Prudenzio und Frulla abgesehen, – ich möchte gerne wissen, ob die sich irren, die behaupten, dass du eine Stimme annimmst wie ein toller und rasender Hund, dass du ferner zuweilen den Affen, zuweilen den Wolf, die Elster, den Papagei, bald das eine Tier, bald ein anderes nachahmst und bedeutende und ernste Sätze, moralische und physikalische, gemeine und würdige, philosophische und komische blind durch einander würfelst.

FILOTEOFILO: Wundert euch nicht, Bruder! War es doch nichts als ein üppiges Gastmahl, wo die Gehirne durch Affekte regiert werden, wie sie durch die Einwirkung der Geschmäcker und Düfte von Getränken und Speisen entstehen. Wie ein Gastmahl materieller und körperlicher Art, ganz analog ist auch das Gastmahl in Wort und Geist. So hat denn auch dieses Gastmahl in Gesprächsform seine vielfachen und verschiedenen Teile, wie ein Gastmahl sie zu haben pflegt: es hat seine eigentümlichen Verhältnisse, Umstände und Mittel, wie sie in seiner Weise auch jenes haben könnte.

ARMESSO: Seid so gut und macht, dass ich euch verstehen kann!

FILOTEOFILO: Dort findet sich Nahrung wie gewöhnlich üblich nach Salat, Speise, Obst und Hausmannskost aus der Küche und aus der Apotheke zu finden, für Gesunde und für Kranke: Kaltes, Warmes, Rohes und Gekochtes; aus dem Wasser, vom Land, aus dem Haus und aus der Wildnis; Geröstetes, Gesottenes, Reifes, Herbes; Dinge die zur Ernährung allein, und solche, die dem Gaumen dienen; Substantielles und Leichtes, Salziges und Fades, Rohes und Eingemachtes, Bitteres und Süßes. Und so haben sich auch hier in bestimmter Reihenfolge die Gegensätze und Verschiedenheiten eingefunden, den Verschiedenheiten des Magens und des Geschmacks bei denen entsprechend, denen es gefallen möchte, an unserem symbolischen Gastmahl teilzunehmen, damit sich niemand beklagt, er sei umsonst gekommen, und damit derjenige dem das Eine nicht gefällt, sich vom Anderen nehmen kann.

ARMESSO: Schon gut; aber was sagt ihr dazu, wenn überdies in eurem Gastmahl Dinge vorkommen, die weder als Salat noch als Speise, weder als Dessert noch als Hausmannskost taugen, weder kalt noch warm, weder roh noch gekocht, die weder für den Appetit noch für den Hunger, weder für Gesunde noch für Kranke gut sind und demgemäß weder aus den Händen des Kochs noch des Apothekers hervorgehen?

FILOTEOFILO: Du wirst gleich sehen, dass sich unser Gastmahl auch darin nicht von jedem anderen unterscheidet. Wie du dich dort mitten im besten Essen entweder an einem allzu heißen Bissen verbrennst, so dass du ihn entweder ausspeien oder unter Ächzen und Tränen dem Gaumen liebäugelnd so lange anvertrauen musst, bis du ihn hinunterwürgen kannst; oder es wird dir ein Zahnstumpf, oder die Zunge kommt dir in den Weg, dass du mit dem Brot auf sie beißt; oder ein Steinchen wird zwischen den Zähnen zertrümmert, dass du den ganzen Bissen ausspeien musst; oder ein Härchen aus dem Bart oder vom Kopf des Kochs schleicht sich durch bis zu deinem Gaumen, um dich zum Brechen zu reizen; oder eine Gräte bleibt dir im Halse stecken, um dich sanft husten zu machen; oder ein Knöchlein legt sich dir quer vor den Schlund und bringt dich in Gefahr zu ersticken: gerade so haben sich in unserem Gastmahl zu unserem und aller Missvergnügen entsprechende und ähnliche Dinge eingefunden. Und ach, der Grund von dem allen ist die Sünde unseres alten Urvaters Adam. Seitdem ist die verderbte menschliche Natur dazu verdammt, dass sich ihr zu jedem Genuss der Verdruss gesellt.

ARMESSO: Wie andächtig und erbaulich das klingt! Nun, was antwortet ihr denen, die sagen, dass ihr ein wütender Zyniker seid?

FILOTEOFILO: Ich werde es freudig eingestehen, wenn nicht ganz, dann doch teilweise.

ARMESSO: Aber wisst ihr auch, dass der Vorwurf, Beschimpfungen hinzunehmen, nicht so schwer ist wie der, sie auszuteilen.

FILOTEOFILO: Mir genügt es, dass die meinigen als Wiedervergeltung, diejenigen anderer als Angriffe gemeint sind.

ARMESSO: Auch Götter kommen in die Lage, Beleidigungen hinzunehmen, Beschimpfungen zu dulden und Tadel zu erleiden; aber selber tadeln, beschimpfen und beleidigen ist die Art gemeiner, unedler, unwürdiger und schlechtgesinnter Menschen.

FILOTEOFILO: Das ist wahr; aber wir beleidigen ja auch nicht; wir geben nur die Beleidigungen zurück, die nicht sowohl uns, als der verachteten Philosophie angetan werden, und wir tun es, damit nicht zu den schon erlittenen Kränkungen neue hinzukommen.

ARMESSO: Ihr wollt also einem bissigen Hund gleichen, damit jedermann sich hüte, euch lästig zu fallen?

FILOTEOFILO: So ist’s. Ich wünsche Ruhe zu haben, und der Verdruss verdrießt mich.

ARMESSO: Schön; aber man meint, ihr verfahrt zu streng.

FILOTEOFILO: Damit sie nicht wieder kommen, und damit andere lernen, nicht mit mir und mit anderen anzubändeln; sie sollen vielmehr aus ähnlichen Mittelbegriffen die gleichen Schlüsse ziehen.

ARMESSO: Die Beleidigung war eine private, die Rache aber eine öffentliche Sache.

FILOTEOFILO: Ist sie deshalb ungerecht? Viele Vergehen, die im Verborgenen begangen sind, werden doch mit Fug und Recht öffentlich gestraft.

ARMESSO: Aber damit verderbt ihr euren Ruf und macht euch tadelnswerter als jene; denn man wird öffentlich sagen, dass ihr ungeduldig, launenhaft, eigensinnig, unbesonnen seid.

FILOTEOFILO: Das soll mich wenig kümmern, wenn nur sie und andere mir nicht weiter lästig fallen. Dazu zeige ich den Prügel des Zynikers, dass sie mich mit meiner Handlungsweise in Ruhe lassen, und wenn sie von mir keine Liebkosungen wollen, nicht an mir ihre Unhöflichkeit auslassen.

ARMESSO: Scheint es euch, einem Philosophen, zu geziemen auf Rache zu sinnen?

FILOTEOFILO: Glichen die, die mich ärgern, der Xanthippe, so würde ich Sokrates gleichen.

ARMESSO: Weißt du nicht, dass Nachsicht und Geduld allen gut steht? Dass wir durch sie den Heröen und Göttern ähnlich werden, die sich spät rächen oder sich überhaupt nicht rächen noch erzürnen?

FILOTEOFILO: Du irrst, wenn du glaubst, ich hätte es auf Rache abgesehen.

ARMESSO: Auf was denn?

FILOTEOFILO: Auf Besserung, und auch dadurch werden wir den Göttern ähnlich. Du weißt, dass der arme Vulkan von Jupiter Dispens hat, auch an Festtagen zu arbeiten, und so wird der verwünschte Ambos nicht mehr dessen ledig, die Streiche der gewaltigen Hämmer zu erdulden. So wie der eine erhoben ist, fällt der andere nieder, damit nur die gerechten Blitze zur Züchtigung der Verbrecher und Frevler niemals ausgehen.

ARMESSO: Aber es ist immer noch ein Unterschied zwischen euch und dem Schmied des Jupiter, dem Gemahl der Cypria.

FILOTEOFILO: Genug, dass ich ihnen an Geduld und Ausdauer vielleicht nicht so unähnlich bin. Auch in dieser Sache habe ich sie geübt; denn ich habe meinem Unwillen keineswegs zügellosem Lauf gelassen und habe meinem Zorn nicht die schärfsten Sporen gegeben.

ARMESSO: Nicht jedermann soll sich damit zu schaffen machen, ein Verbesserer zu sein, besonders der Menge.

FILOTEOFILO: Sagt doch auch, besonders dann, wenn diese sich mit ihm nichts zu schaffen macht.

ARMESSO. Man sagt, dass man sich nicht bekümmern soll um ein fremdes Land.

FILOTEOFILO: Und ich sage zweierlei: erstens dass man einen ausländischen Arzt nicht töten soll, weil er die Kuren vorzunehmen versucht, die die heimischen nicht machen; zweitens, dass für den wahren Philosophen jedes Land sein Vaterland ist.

ARMESSO: Wenn sie dich nun aber nicht haben wollen, weder als Philosophen, noch als Arzt, noch als Landsmann?

FILOTEOFILO: Deshalb werde ich nicht aufhören es zu sein.

ARMESSO: Wer bürgt euch dafür?

FILOTEOFILO: Die Götter, die mich hierher geschickt haben; ich, der ich mich hier befinde; und die, die Augen haben, mich hier zu sehen.

ARMESSO: Da hast du sehr wenige und wenig anerkannte Zeugen.

FILOTEOFILO: Auch die rechten Ärzte sind sehr wenig zahlreich und wenig anerkannt; fast alle dagegen sind rechte Kranke. Ich wiederhole, dass es dem einen weder gestattet ist, es zu bewirken noch dem andern es zu erlauben, dass solche Behandlung denen zu Teil werde, die lobenswerte Dienste leisten, ob diese nun Ausländer sind oder nicht.

ARMESSO: Wenige erkennen diese Dienste an.

FILOTEOFILO: Deshalb sind die Perlen nicht weniger kostbar, und wir müssen sie mit all unserer Kraft verteidigen, und mit der äußersten Anstrengung dahin wirken, dass sie davor geschützt, gesichert und bewahrt bleiben, von den Säuen mit den Füssen zertreten zu werden. So wahr mir die hohen Götter helfen mögen, mein Armesso, ich habe niemals aus schmutziger Eigenliebe oder aus gemeiner Sorge für ein privates Interesse solche Rache geübt, sondern aus Liebe zu meiner vielgeliebten Mutter, der Philosophie, und aus Eifer um ihre verletzte Majestät. – Jetzt möchte sich jeder nichtsnutzige Pedant, jeder lumpige Wortheld, jeder dumme Faun, jeder unwissende Esel, dadurch dass er sich mit einer Last von Büchern zeigt, sich den Bart lang wachsen lässt und allerlei andere Manieren annimmt, dafür ausgeben, als gehörte er zur Familie. Durch solche falschen Freunde und Söhne ist die Philosophie soweit heruntergebracht worden, dass bei der Menge ein Philosoph so viel bedeutet wie ein unnützer Mensch, ein Pedant, ein Gaukler, ein Marktschreier, ein Scharlatan, gut genug, um als Zeitvertreib im Haus und als Vogelscheuche auf dem Feld zu dienen.

ELITROPIO: In Wahrheit wird die Sippe der Philosophen vom größten Teil der Menschen noch niedriger geachtet, als die der Geistlichen, weil sie, aus jeder Art von Gesindel entnommen, das priesterliche Amt immer noch weniger in Verruf gebracht haben, als diejenigen, die, nach Bestien aller Art benannt, der Philosophie Verachtung gebracht haben.

FILOTEOFILO: Loben wir also in seiner Art das Altertum, wo die Philosophen zu Gesetzgebern, Räten und Königen emporsteigen, Räte und Könige aber zu Priestern erhoben werden durften. In unseren Tagen ist die Mehrzahl der Priester so beschaffen, dass sie und um ihretwillen die göttlichen Gebote verachtet werden; fast alle aber, die wir als Philosophen betrachten, sind derart, dass sie selbst und um ihretwillen die Wissenschaften in Geringschätzung sinken. Überdies pflegt unter ihnen die Menge von Schurken, wie Nesseln die Saat, mit ihren entgegengesetzten Phantastereien die Tugend und Wahrheit zu überwuchern, welche selten und nur seltenen Menschen erkennbar ist.

ARMESSO: Ich kenne keinen Philosophen, Elitropio, der sich so für die verachtete Philosophie ereiferte, keinen, der für seine Wissenschaft so eingenommen wäre, wie dieser Teofilo. Was würde geschehen, wenn alle anderen Philosophen von derselben Beschaffenheit, ich meine, ebenso leidenschaftlich wären!

ELITROPIO: Diese anderen Philosophen haben nicht so viel erfunden, haben auch nicht so viel zu behüten, nicht so viel zu verteidigen. Sie hingegen können immerhin eine Philosophie gering schätzen, die nichts taugt, oder eine andere, die wenig taugt, oder eine solche, die sie nicht kennen; aber dieser, der die Wahrheit, den verborgenen Schatz, gefunden hat, ist von der Schönheit dieses göttlichen Antlitzes entflammt und nicht weniger eifersüchtig darauf, dass sie nicht verfälscht, vernachlässigt oder entweiht wird, als ein anderer, der in schmutziger Begierde vom Gold, vom Karfunkel oder Diamanten oder von einem schönen Weibsbild eingenommen sein mag.

ARMESSO: Aber besinnen wir uns und kommen zurück zur Sache! Man sagt von euch, Teofilo, ihr hättet in jenem eurem Aschermittwochsgespräch eine ganze Stadt, eine ganze Provinz, ein ganzes Reich geschmäht und beleidigt.

FILOTEOFILO: Das habe ich nie gedacht, nie beabsichtigt, nie getan, und wenn ich es gedacht, beabsichtigt oder getan hätte, so würde ich mich selber am strengsten verdammen und zu tausend Widerrufen, Abbitten und Palinodien bereit sein. ……………Und das nicht allein, wenn ich ein altes edles Reich wie dieses beleidigt hätte, sondern auch jegliches andere sonst, für so barbarisch es auch gelten möge; und ich meine nicht nur, jede Stadt, für wie ungebildet sie berufen sei, sondern auch jegliches Geschlecht, als wie roh es auch bekannt sei, sondern auch jede Familie, wie ungastlich sie auch heiße. Denn es kann kein Reich, keine Stadt, kein Geschlecht, kein ganzes Haus geben, wo alle gleichen Sinnes wären oder wo man sich darauf einrichten dürfte, keines, wo sich nicht so entgegengesetzte und widersprechende Charaktere fänden, dass was dem einen Freude macht, dem andern missfallen muss.

ARMESSO: Gewiss, was mich anbetrifft, der ich das Ganze gelesen und wiedergelesen und wohl erwogen habe, ich finde euch wohl im Einzelnen vielleicht etwas gar zu frei herausgehend; im allgemeinen finde ich euer Verfahren anständig, vernünftig und rücksichtsvoll. Aber das Gerücht geht so wie ich sage.

ELITROPIO: Dies und andere Gerüchte sind durch die Gemeinheit einiger von denen ausgestreut worden, die sich getroffen fühlen. Rachsüchtig und an eigenem Verstand, Gelehrsamkeit, Geist und Kraft sich zu schwach fühlend, erdichten sie alle möglichen Unwahrheiten, denen nur ihresgleichen Glauben schenken können, und werben Genossen, indem sie es zu erreichen suchen, dass der Tadel gegen einzelne für eine Beleidigung gegen die Gesamtheit angesehen werde.

ARMESSO: Ich glaube vielmehr, dass es Personen gibt, nicht ohne Urteil und Verstand, welche die Beleidigung auf die Gesamtheit beziehen, weil ihr solche Sitten Personen von solcher Abkunft beilegt.

FILOTEOFILO: Nun, was für Sitten sind denn das, dass ähnliche, schlimmere und viel fremdartigere in Geschlecht, Art und Zahl sich nicht in den vorzüglichsten Ländern und Gegenden der Welt befänden? Oder werdet ihr es vielleicht beleidigend finden, und zwar beleidigend und undankbar gegen mein Vaterland, wenn ich sage, dass ähnliche und noch verwerflichere Sitten in Italien, in Neapel, in …Nola vorkommen? Würdige ich vielleicht dadurch dieses vom Himmel begnadigte Land herab, welches so oft zugleich zum Haupt und zur rechten Hand dieser Erde gesetzt war, zum Erzieher und Bezwinger der andern Geschlechter, dieses Land, das von uns und andern immer als Lehrerin, Säugamme und Mutter aller Tugenden, Wissenschaften, aller Bildung, allen guten Anstandes und aller höflichen Sitte geschätzt worden ist, wenn das gar noch überboten wird, was von ihm gerade auch unsere Posten gesungen haben, welche es doch ebenso sehr als Lehrerin aller Laster, alles Betruges, aller Habsucht und Grausamkeit darstellen?

ELITROPIO: Das stimmt ganz zu den Grundsätzen eurer Philosophie; meint ihr doch, dass die Gegensätze in den Prinzipien und in den nächsten Objekten zusammenfallen. Denn eben dieselben Geister, welche für hohe, tugendhafte und edelmütige Handlungen die geeignetsten sind, sinken am tiefsten, wenn sie auf Abwege geraten. Die selteneren und auserleseneren Geister finden sich da, wo im allgemeinen die unwissenderen und ungeschickteren sind, und wo meistenteils weniger gebildete und höfliche Leute sind, findet man in einzelnen Fällen Extreme von Bildung und Feinheit. Daher scheint den verschiedenen Geschlechtern das gleiche Maß von Vollkommenheit und Unvollkommenheit gegeben zu sein, nur in verschiedener Verteilung.

FILOTEOFILO: Ganz recht.

ARMESSO: Bei alledem bedaure ich wie viele andere mit mir, oh Teofilo, dass ihr in unserem lieben Vaterland gerade auf solche Subjekte gestoßen seid, die euch zu einer solchen Aschermittwochs-Lamentation Anlass gegeben haben, und nicht auf so viele andere, die euch gezeigt hätten, wie sehr dieses, unser Land, mag es auch immer von den Eurigen »gänzlich am Ende der Welt abgelegen« genannt werden, allen Studien edler Wissenschaften, der Waffen, der Ritterlichkeit, Bildung und höflicher Sitten ergeben sein. Soweit unsere Kraft reicht, streben wir danach nicht hinter unseren Ahnen zurückzubleiben oder von anderen Völkern übertroffen zu werden, besonders von denen, welche sich einbilden, die edle Anlage, Wissenschaften, Waffen und Bildung wie von Natur zu haben.