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In diesem Bericht erzähle ich von meiner Reise mit dem Fahrrad von Hamburg nach Santiago de Compostela. Wie ich es erlebt habe, wie ich gefahren bin. In zwei Abschnitten fuhr ich 2015 und 2016 insgesamt 3360 Km zum Grab des Heiligen Jakobus - als Fahrradpilger auf dem Jakobsweg. Ich konnte meine Berufstätigkeit mit Hilfe eines Altersteilzeitvertrages mit 60 Jahren beenden. Da ich schon immer gern und viel mit dem Fahrrad unterwegs war, begann ich erst kürzere, dann immer längere Fahrradreisen. Die Elbe entlang, rund ums Ijsselmeer in Holland, nach Berlin, nach Süddeutschland und nach Frankreich hinein, immer weiter. Anfang 2015 bekam ich zwei kleine Bücher in die Hände, in denen Fahrradpilger ihre Reisen von Deutschland nach Santiago de Compostela schilderten. Deren Berichte faszinierten mich und ließen mich nicht mehr los. Und ich begann mit den Vorbereitungen ... Schön wäre es, wenn dieser Bericht andere Menschen anregen würde, ebenfalls aufzubrechen. Es lohnt sich. Ein bisschen Training kann nicht schaden, aber dann: Losfahren. Ihr werdet schon ankommen.
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Seitenzahl: 134
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Günter Busse wurde 1952 in Schleswig-Holstein als zweites Kind einer Arbeiterfamilie geboren. Nach einer Ausbildung in einem Metallberuf und dem Erwerb einer höheren Allgemeinbildung auf dem Zweiten Bildungsweg erlebte er viele Jahre in verschiedenen Betrieben der Metallindustrie, zu Beginn auch mit Phasen von Arbeitslosigkeit. Von 1981 bis 2015 arbeitete er in Hamburg in einem Betrieb der Schiffbauindustrie, bis er 2013 in den Vorruhestand gehen konnte. Seit dem Ende seiner Berufstätigkeit ist er viel mit dem Fahrrad unterwegs, primär in Deutschland und angrenzenden Ländern. Und er fuhr den Jakobsweg nach Santiago de Compostela – mit Start in Hamburg. Schriftliche Arbeiten begleiten ihn privat schon viele Jahre, so lag es nahe, von seiner Pilgerreise mit dem Fahrrad in dieser Form zu berichten.
Für Anna, Susanne und Noah
und alle Fahrradpilger
In diesem kleinen Bericht erzähle ich etwas von meiner Reise mit dem Fahrrad von Hamburg nach Santiago de Compostela. So wie ich es erlebt habe, wie ich gefahren bin.
Alles in diesem Bericht sind meine persönliche Erfahrungen, meine Eindrücke, mein Erleben, meine Gedanken, meine Sichtweise, meine Fotos – ohne irgendeinen Anspruch auf Objektivität.
Ich war als Pilger unterwegs, als Fahrradpilger auf dem Jakobsweg.
Es war mein Glück, die Berufstätigkeit durch einen Altersteilzeit-Vertrag recht früh beenden zu können. Mit 60 Jahren begann meine „passive“ Phase der Altersteilzeit – und ich musste nicht mehr zur Arbeit!
Da ich schon immer gern und viel mit dem Fahrrad unterwegs war, begann ich erst kürzere, dann immer längere Fahrradreisen zu machen. Die Elbe entlang, rund ums Ijsselmeer in Holland, nach Berlin, nach Süddeutschland und nach Frankreich hinein…Immer weiter.
Irgendwann kam ich auf die Idee, von meiner Heimatstadt Hamburg bis nach Portugal zu fahren, also eine richtige „Heldentat“ mit einer mehrwöchigen Reise zu vollbringen – als Krönung meiner Touren. Mit Zelt und Schlafsack auf dem Fahrrad, ein alter Traum, unabhängig und frei. Doch leider kam ich nur bis Montpellier in Südfrankreich (immerhin), dann musste ich wegen einer „leichten“ Erschöpfung aufgeben.
Anfang 2015 bekam ich zwei kleine Bücher in die Hände, in denen Fahrradpilger ihre Reisen von Deutschland nach Santiago de Compostela beschrieben. Deren Berichte faszinierten mich und ließen mich nicht mehr los. Das war es! Warum diese Berichte mich so stark ansprachen?
Der Grund ist mir nicht klar, aber so war es. Und ich begann mit den Vorbereitungen.
Unterstützung bekam ich vom Pilgerbüro der Jacobi-Kirche in Hamburg, von vielen Menschen unterwegs, von Pilgern und Kirchenmenschen.
Danke!
Und ich danke meiner Lebensgefährtin, die mich so oft per Telefon und Skype anhörte und mir Mut zusprach. Danke Arielle!
Vorwort
Pilgerbüro und Pilgervesper
Mein Weg in Deutschland 2015 - 910 Km
Von Hamburg nach Verden
Von Verden nach Minden
Von Minden nach Schloß Holte
Von Schloß Holte nach Soest
Von Soest nach Finnentrop
Von Finnentrop nach Betzdorf
Betzdorf und andere Orte - Straßenverkehr
Von Betzdorf nach Koblenz
Von Koblenz nach Alf
Von Alf nach Trier
Ruhetag in Trier
Von Trier nach Saarbrücken
Mein Weg in Frankreich 2015 – 820 Km
Von Saarbrücken nach Dieuze
Von Dieuze nach Epinal
Von Epinal nach Bourbonne les Baines
Von Bourbonne les Baines nach Champlitte
Von Champlitte nach Dijon
In Dijon I
In Dijon II
Von Dijon nach Buxy
Von Buxy nach Matour
Kerzen
Von Matour nach Charlieu
Von Charlieu nach Boen-sur-Lignon
Von Boen-sur-Lignon nach Bas-en-Basset
Von Bas-en-basset nach Le Puy en Velay
Ein Tag in Le Puy
Zurück von Le Puy nach Hamburg
Robert
Zuhause
Mein Weg in Frankreich 2016 – 750 Km
2016 - Auf ein Neues – wieder nach Le Puy en Velay
Von Le Puy en Velay nach Saugues
Von Saugues nach Nasbinals
Von Nasbinals nach Grand Vabre
Von Grand Vabre nach Cabrerets
Von Cabrerets nach Moissac
Von Moissac nach Lectoure
Von Lectoure nach Nogaro
Von Nogaro nach Pau
Von Pau nach Navarrenx
Von Navarrenx nach St Jean Pied-de-Port
Mein Weg in Spanien 2016 – 880 Km
Von St Jean Pied-de-Port nach Pamplona
Von Pamplona nach Estella
Von Estella nach Najera
Von Najera nach Burgos
Von Burgos nach Fromista
Von Fromista nach Sahagun
Von Sahagun nach Hospital de Orbigo
Opfer des Straßenverkehrs
Von Hospital de Orbigo nach Foncebadon
Von Foncebadon nach Vega de Valcarce
Von Vega de Valcarce nach Sarria
Von Sarria nach Melide
Von Melide nach Santiago de Compostela
Von Santiago de Compostela nach Hause
Meine Compostela
Stempel im Pilgerpass
Pilgerpass
Material – mein Rad
Material – Buch und Karten
Gepäckliste
Kleiner Rückblick
Mein gesamter Weg – 3360 Km
Am Donnerstag, den 26. März 2015, fuhr ich mit meinem Fahrrad ins Zentrum Hamburgs, zum Pilgerbüro in der Kirche St. Jacobi. Donnerstags ist das Pilgerbüro von 15:30 bis 17:30 geöffnet. Ich klingelte an der Rückseite der Kirche und wurde hereingelassen. Und ich bekam einen Pilgerpass, meine Credencial del Peregrino. Im Pilgerpass wurden meine persönlichen Daten aus dem Personalausweis eingetragen und dass ich „en bicicleta“ ab Hamburg nach Santiago de Compostela pilgere.
Ein schönes Gefühl, den eigenen Pilgerpass in der Hand zu haben. Und den ersten Stempel bekam ich gleich mit: St. Jacobi, Hamburg.
Jeden ersten Donnerstag im Monat gibt es eine Pilgervesper in St. Jacobi. Am 2. April 2015 wurde diese in einen Gottesdienst, der um 18 Uhr begann, integriert. Bei der Ausgabe meines Pilgerpasses hatte mir die nette Mitarbeiterin gesagt, man könne bei der Pilgervesper einen Segen für den Weg bekommen. Deshalb fuhr ich an dem Tag wieder ins Zentrum und besuchte den Gottesdienst.
Die anwesenden Pilger, ich schätze, es waren wohl zwanzig Menschen, oder vielleicht auch nur fünfzehn, konnten nach ungefähr einer Stunde nach vorn gehen und sich vom Pastor, dem Pilgerpastor von St. Jacobi, einen Segen erhalten. Jeder Pilger sagte seinen Namen und seinen Weg oder sein Ziel. Pastor Lohse legte dann seine Hände auf den Kopf oder auf die Schultern der Pilger und sagte jedem etwas Gutes. Mir sagte er etwas von einem Schutzengel und dass Gott mir das Ziel, das er für mich vorgesehen hat, zeigen würde. Diese Worte fand ich sehr schön – auch wenn ich nicht an Gott glaube, hatte diese Zeremonie etwas sehr Bewegendes und sehr Anrührendes. Meine Augen wurden etwas feucht dabei. Es war das erste Mal in meinem Leben, das ein anderer Mensch mich persönlich segnete. Nach der Segnung verließ ich den Gottesdienst vorzeitig, wie ich gestehen muss, und fuhr bei windigem kaltem Wetter zurück in meinen Stadtteil Farmsen. Es war gut, dass ich teilgenommen hatte.
http://www.jacobus.de/
http://deutsche-jakobus-gesellschaft.de
www.jakobsweg.de
Ich begann am 16. April, startete im Süden meiner Heimatstadt Hamburg und fuhr in 11 Tagen bis zur französischen Grenze in der Nähe von Saarbrücken. Meine Route in Deutschland hatte ich selbst überlegt und geplant, in Frankreich fuhr ich weiter mit Hilfe meines Reiseführers „Radwandern entlang des Jakobsweges“ bis nach Le Puy en Velay. Mein Reiseführer hatte eine Route von Saarbrücken bis nach Le Puy vorgeschlagen, daran wollte ich mich halten. Deshalb war mein Ziel in Deutschland zunächst die französische Grenze bei Saarbrücken. Ein „offizieller“ Jakobsweg war meine Route in Deutschland wohl nicht.
16.4. 2015 - Tag 1
Am 16.4. ging es endlich los. Nach den Renovierungsarbeiten in meiner neuen Wohnung und der Umzugsarbeit, dem Krankenhausaufenthalt meiner Mutter, Arbeit für meine Partei und so vielen anderen kleinen und größeren Dingen konnte ich mich endlich loseisen.
Das Fahrrad war gepackt, mit gut 19 Kg Gepäck, aufgepumpt, und der Fahrer: bereit!
Und so fuhr ich am Donnerstag, den 16.4.2015 in Hamburg-Farmsen ab, um 10 Uhr, zunächst mit U- und S-Bahn bis Harburg, den südlichen Teil Hamburgs.
Denn als ersten Teil meiner Reise Hamburg zu durchqueren war mir ein Graus, ich wollte möglichst schnell heraus aus der Stadt. Start also um 11:00 ab S-Bahn-Harburg, im Süden Hamburgs, immer an der B75 entlang Richtung Bremen, ab Rotenburg an der B215 bis Verden. In Rotenburg steuerte ich die Kirche und das Pfarrbüro an, in der Hoffnung auf einen Stempel für meinen Pilgerpass. Leider war beides geschlossen, die Pastorin sogar im Urlaub, wie mir jemand vor dem geschlossenen Pfarrbüro mitteilte. Donnerstag, 15:00 Uhr, kann passieren.
In Verden versuchte ich es gleich nach der Ankunft erneut. Immerhin ist dort die Kirche bis 17:00 Uhr geöffnet, aber kein Kirchenstempel und kein Mensch zu sehen. Vor der Kirche kam gerade eine ältere Frau mit ihrem Fahrrad an, in einer Tasche hatte sie diverse Prospekte, deshalb hoffte ich, dass sie irgendetwas mit der Kirche zu tun hätte und wollte sie ansprechen.
Aber die nette Frau kam mir zuvor und fragte mich, ob ich nicht wüsste wohin!
Auf mein überraschtes Gesicht und meine gestammelte Erwähnung „Kirchenbüro?“ hin erklärte sie mir, wo „der Pastor“ wohnt: „Da rechts die Straße und dann links.“ Und ich fand es tatsächlich, klingelte beim Büro und beim Pastor – und wurde hereingelassen. Der Mann kam mir aus seiner Wohnung im Treppenhaus entgegen, ich erklärte ihm kurz, worum es mir ging, und daraufhin gingen wir in sein Büro und er stempelte meinen Pilgerpass. Zum Abschied wünschte er mir noch alles Gute und „Gottes Segen“. Meine Augen wurden (schon wieder!) etwas feucht dabei. Komisch, bei so einem alten Atheisten wie mir. Aber ich freute mich sehr über den zweiten Stempel (der erste ist vom Pilgerbüro in Hamburg). Schnurstracks fuhr ich zur Jugendherberge und bekam dort das letzte freie Zimmer.
Ein Mehrbettzimmer, das ich als Einzelner belegte, 38 Euro mit Frühstück. So richtig preisgünstig sind die Jugendherbergen auch nicht mehr. Nach dem Einchecken fuhr ich mit dem abgepackten Fahrrad noch ins Zentrum, um etwas zu essen. Eine Pizza sollte es sein, leider war diese nicht gut zubereitet – man kann eben nicht alles haben. Ich kam auf gut 100 Km an diesem ersten Tag und in den Beinen spürte ich das auch. Ist aber ein guter Anfang, dachte ich: Nur noch 29x diese Strecke, dann ist es geschafft!
Radweg an der B75
Drei Pferde in der Fußgängerzone von Verden
17.4. - Tag 2
Am 17.4. ging es von Verden nach Minden, von der Entfernung eigentlich gut machbar, aber…ich verfuhr mich zweimal, was zusätzliche Kilometer bedeutete. Nachmittags wurde es windig, natürlich fast immer von vorn. Zum Glück hatte ich mich am Mittag in einem Fischimbiss in Nienburg gestärkt, kam durch die Umwege aber erst gegen 18:00 in Minden an, und das ziemlich erschöpft, leicht frierend und schlecht gelaunt. Kurz vor Minden war ich auch noch in einen heftigen Regenschauer geraten, was eine zusätzliche Erschwernis bedeutete und Nerven kostete.
In Minden checkte ich ohne weitere Suche im Hotel Kronprinz für 62 Euro ein – das erste Hotel, das dem Radwanderer aus Richtung Norden in Minden entgegenkommt. Im Zimmer legte ich mich sofort ins Bett und schlief für eine Stunde ein. Kein Wunder nach diesem Tag mit Wind und Regen und 105 Km.
Später zum Abendbrot gab’s noch eine Buttermilch und Sonnenblumenkerne, ich konnte einen Teil meiner Kleidung waschen und trocknen, Wlan gab es auch; eine wirklich gute Erholung in einem schönen Hotelzimmer. Ein Jahr vorher, 2014, hatte ich übrigens schon einmal in diesem Hotel nach einem Zimmer gefragt, damals war es mir zu teuer.
Einen Pilgerstempel zu bekommen, war am späteren Abend schwierig, denn die Kirchenbüros waren schon geschlossen. Und ich war ja auch noch nicht auf dem „offiziellen“ Jakobsweg.
Marktplatz in Minden
18.4. - Tag 3
Am 18.4. fuhr ich am Morgen in Minden noch zwei Kirchen an, und siehe da, in der Zweiten bekam ich einen Stempel in meinen schönen Pilgerpass. Danach gleich zum guten Weserradweg, durch die Porta Westfalica und fleißig weiter bis Vlotho geradelt. Dort verließ ich die Weser und fuhr über Bad Salzuflen, Leopoldshöhe und Oerlinghausen bis Schloß Holte, mein
Ziel für diesen Tag. Leider war kein Hotel in Sicht, aber sehr zentral ein Campingplatz. Und so übernachtete ich in Schloss Holte, das die Erwartungen, die der Name weckte, für mich nicht erfüllte, im Zelt. Für 9 Euro inklusive zwei Duschmarken zu je 1 Euro! An diesem Tag kam ich auf 70 Km, mit diversen Bergprüfungen dabei.
Leider regnete es in der Nacht, kein schönes Gefühl trotz wasserdichten Zeltwänden. Duschen und Sanitäreinrichtungen waren schon etwas rustikal, aber sauber und in Ordnung. Mein Zelt war das Einzige auf diesem Campingplatz, außer mir campierten nur noch ein paar Monteure in Wohnwagen dort. Einpacken konnte ich am nächsten Morgen zum Glück unter einem Vordach; im Freien zu packen, nach einem Regen oder womöglich während es regnet, stellte ich mir lieber nicht vor.
Die Porta Westfalica – hier durchbricht die Weser zwei Höhenzüge, die dem Bewohner der norddeutschen Tiefebene einen ersten Eindruck von Hügeln und Bergen vermitteln
Auf dem Campingplatz in Schloß Holte - am Abend noch Sonne, nachts gab’s etwas Regen
19.4. - Tag 4
Ostwestfalen, relativ flaches Land, über Verl, Kaunitz, Hövelhof, Ostenland, Delbrück und Lippstadt fuhr ich nach Soest.
In Lippstadt, einer schönen Stadt mit vielen alten Häusern und viel Wasser, konnte ich mir in der Tourismus-Information noch einen Jakobs-Pilger-Stempel abholen, ebenso abends in Soest in einer Kirche. 75 Km, gut zu schaffen. Manchmal ist eine Aufgabe gar nicht so schwer, wie sie einem zu Beginn erscheint. Verfahren hatte ich mich auch noch einmal, das kann passieren mit einer so groben Deutschland-Karte wie meiner. Damit konnte ich mich eben nicht auf jedes kleine Detail vorbereiten. Hauptsache ist, dass man im Fall des Falles zum richtigen Weg zurückfindet.
Die Jugendherberge in Soest kostete für mein Einzelzimmer 41 Euro. Ein stolzer Preis für eine Jugendherberge, aber die Heizung funktionierte, so konnte ich noch etwas Wäsche waschen und trocknen.
Am nächsten Morgen in der Jugendherberge in Soest traf ich beim Frühstück eine junge Fußpilgerin, die in der Gegend pilgerte. Eine einfache junge Frau, die ihren Pilgerweg nach meinem Gefühl viel mehr brauchte als ich den meinen, denn sie schien mir wirklich gravierende Probleme zu haben.
Blick am nächsten Morgen zurück auf Soest
20.4. – Tag 5
Was für ein Tag!
Mit stundenlangem Berganschieben des Fahrrades. Die Route durch das Sauerland, die ich mir zuhause überlegt hatte, ist für Fahrradreisende nicht empfehlenswert. Von der schönen Stadt Soest fuhr ich Richtung Arnsberg, beim Möhne-Stausee verfuhr ich mich bereits einmal. Ich landete auf einem unbefestigten Waldweg! Zum Glück halfen mir zwei ältere Spaziergänger aus dem Wald herauszukommen. Und nach dem Möhnesee ging es reichlich bergan, mit langen Phasen des Schiebens. Aber es kam nach Arnsberg Richtung Sundern noch schlimmer. Schieben stundenlang, immer schön Richtung Gipfel. Vermutlich ist noch kein Fahrradtourist diese Route gefahren, jedenfalls nicht freiwillig. Als es dann vom Gipfel in Serpentinen ins Tal ging, sagte ich zu mir selbst: „Hier kann doch niemand hinauffahren, das ist doch Wahnsinn!“ Schon gar nicht mit schwerem Gepäck, das macht man höchstens einmal und dann nie wieder. Beim nächsten Mal (falls das passieren sollte) würde ich mich an Flüssen orientieren, also den Weserradweg weiterfahren, bis zum Fuldaradweg, und dann versuchen, möglichst „hügel- und berglos“ an den Main zu kommen.
Über Allendorf ging’s dann noch bis Finnentrop, wo ich zufällig(!) ein Hinweisschild für eine Jugendherberge entdeckte. Die Jugendherberge war geschlossen, am Eingang hing aber eine Telefonnummer für Unterkunftsbedürftige. Ich rief an, jemand kam und ich wurde dort aufgenommen – als einziger Gast in dem riesigen Gebäude!
Wie schön, ein Bett zu haben, nach stundenlangem Schieben, schweissbedeckt und mit keuchendem Atem und 80 Km mit vielen Bergprüfungen.
Ein Pilgerweg ist kein Zuckerschlecken, jedenfalls war er das nicht an diesem Tag. 21,70 Euro musste ich in der Jugendherberge bezahlen, ohne Frühstück. Am nächsten Morgen bekam ich aber ganz überraschend zwei Brötchen von einer Mitarbeiterin geschenkt – so fing der Tag gut an.
Bergan im Wald
Sauerland
21.4. – Tag 6