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Wie geht man mit einem zweijährigen Kind um, das nach jedem Spielzeug greift, mit dem sein Freund gerade spielt? Was sagen Sie einer Vierjährigen, die wütend losbrüllt, wenn ihr Baby-Bruder schreit? Wie reden Sie mit einem Zehnjährigen, der wieder und wieder seine Aufgaben nicht erledigt? Wie können Sie gewährleisten, dass Ihre Kinder im Teenageralter Ihnen gegenüber offen und trotzdem sicher sind? Inbal Kashtan beschäftigt sich mit Herausforderungen, mit denen Eltern permanent konfrontiert sind. Dabei legt sie den Fokus auf die Gewaltfreie Kommunikation, die leicht annehmbare Lösungsansätze anbietet. Selbst-Empathie, der Umgang mit Wut und der beschützende Einsatz von Macht sind einige für Eltern sehr relevante Themen, die die Autorin behandelt.
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Seitenzahl: 101
Gewaltfreie Kommunikation (GFK) ist eine Art des Umgangs miteinander, die den Kommunikationsfluss, der im Austausch von Informationen und im friedlichen Lösen von Konflikten notwendig ist, erleichtert. Der Fokus liegt dabei auf Werten und Bedürfnissen, die alle Menschen gemeinsam haben, und wir werden zu einem Sprachgebrauch angeregt, der Wohlwollen verstärkt. Ein Sprachgebrauch, der zu Ablehnung oder Abwertung führt, wird vermieden.
Gewaltfreie Kommunikation geht davon aus, dass die befriedigendste Handlungsmotivation darin liegt, das Leben zu bereichern und nicht aus Angst, Schuld oder Scham etwas zu tun. Besondere Bedeutung kommt der Übernahme von Verantwortung zu – für getroffene Entscheidungen sowie der Verbesserung der Beziehungsqualität als vorrangigem Ziel.
Durch die Gewaltfreie Kommunikation werden Sie verstehen, dass ...
alles, was ein Mensch jemals tut, ein Versuch ist, Bedürfnisse zu erfüllen;
es für alle Beteiligten förderlicher ist, Bedürfnisse durch Kooperation statt durch Wettbewerb zu erfüllen;
es Menschen von ihrer Natur her Freude bereitet, zum Wohlergehen anderer beizutragen, wenn sie das freiwillig tun können.
Die Gewaltfreie Kommunikation bietet Ihnen die Gelegenheit ...
Verbindungen mit anderen Menschen zu schaffen, die für Sie befriedigender sind;
Ihre Bedürfnisse auf eine Weise zu erfüllen, die Ihren Werten und denen anderer gerecht wird;
vergangene Erfahrungen und Beziehungen, die schmerzvoll oder erfolglos waren, zu heilen.
Die Fähigkeiten der Gewaltfreien Kommunikation werden Sie dabei unterstützen ...
Schuldgefühle, Scham, Angst und Depression aufzulösen;
Ärger und Frustration umzuwandeln in den Aufbau von Partnerschaften und Kooperationen;
Lösungen zu finden, die auf gegenseitiger Rücksichtnahme, Respekt und Konsens basieren;
Bedürfnisse so zu erfüllen, dass sie das Leben bereichern, sei es im persönlichen Leben, in der Familie, der Schule, der Nachbarschaft und in der Gesellschaft.
Weitere Informationen über das Center for Nonviolent Communication in den USA und die Gewaltfreie Kommunikation finden Sie auf den Internetseiten www.CNVC.org und www.NonviolentCommunication.com.
Informationen über die Gewaltfreie Kommunikation im deutschsprachigen Raum finden Sie unter www.gewaltfrei.de.
Inbal Kashtan beschäftigt sich mit Herausforderungen, mit denen Eltern permanent konfrontiert sind: Wie geht man mit einem zweijährigen Kind um, das nach jedem Spielzeug greift, mit dem sein Freund gerade spielt? Was sagen Sie einer Vierjährigen, die wütend losbrüllt, wenn ihr Baby-Bruder schreit? Wie reden Sie mit einem Zehnjährigen, der wieder und wieder seine Aufgaben nicht erledigt? Wie können Sie gewährleisten, dass Ihre Kinder im Teenageralter Ihnen gegenüber offen und trotzdem sicher sind? Selbst-Empathie, der Umgang mit Wut und der beschützende Einsatz von Macht sind einige für Eltern sehr relevante Themen, die die Autorin behandelt. Sie bietet außerdem umsetzbare Lösungsvorschläge an, die den Bedürfnissen aller Rechnung tragen.
Inbal Kashtan koordiniert die Eltern-Projekte für das Center for Nonviolent Communication. Sie führt GFK-Trainings durch und entwickelt Seminarkonzepte. Ihr wichtigster Lehrer war in den zurückliegenden Jahren ihr eigener Sohn, der ihr geholfen hat, sich darüber klar zu werden, was es bedeutet, gewaltfrei zu leben.
Copyright © der deutschen Ausgabe: Junfermannsche Verlagsbuchhandlung, Paderborn 2005
3. Auflage 2014
Copyright: © 2003 Inbal Kashtan
Translated from the book Parenting From Your Heart, written by Inbal Kashtan, Copyright 2003, Publication Date: Sept. 2003.
Publisher: PuddleDancer Press, ISBN 1-892005-08-5. Used with permission. For further information about Nonviolent Communication please visit the Center for Nonviolent Communication on the web at: www.cnvc.org.
Übersetzung: Michael Dillo
Fachliche Begleitung und Überarbeitung der Übersetzung: Ingrid Holler, München
Coverfoto: © lev dolgachov – Fotolia.com
Covergestaltung / Reihenentwurf: Christian Tschepp
Satz: JUNFERMANN Druck & Service, Paderborn
Alle Rechte vorbehalten.
Erscheinungsdatum dieser eBook-Ausgabe: 2015
ISBN der Printausgabe: 978-3-87387-992-8
ISBNs dieses eBooks: 978-3-95571-050-7 (EPUB), 978-3-95571-414-7 (PDF), 978-3-95571-413-0 (MOBI)
Wie können wir mit einem zweijährigen Kind umgehen, wenn es seinem Spielkameraden das Spielzeuge wegnimmt? Was können wir zu einer Vierjährigen sagen, die auf dem Spielplatz andere Kinder nicht auf die Rutsche lassen will? Wie können wir mit einem Teenager über die Hausarbeit sprechen, die er – wieder einmal – nicht gemacht hat? Wie schützen wir unsere Kinder, wenn sie durch ihre freien Entscheidungen ihre Sicherheit gefährden? Mit welchen Mitteln können wir uns selbst helfen, um mit unserem eigenen Ärger, unserer Frustration oder unserem Schmerz umzugehen, wenn die Kommunikation mit unseren Kindern angespannt ist oder scheinbar gar nicht mehr stattfindet?
Als Eltern stehen wir fortwährend vor solchen Situationen. Vergrößert sich die Kinderzahl, dann wachsen die Herausforderungen. Addieren wir noch den aus der Arbeit (oder Arbeitslosigkeit), dem Geld (oder Geldmangel), der Zeit, den Beziehungen oder anderen Verpflichtungen resultierenden Druck hinzu, dann fehlt plötzlich nur noch der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Einige erleben noch den Stress, Kinder alleine großzuziehen – ohne Partner, ohne Großfamilie oder Gemeinschaft. Und da bleiben noch ungezählte weitere Herausforderungen, denen sich Eltern ausgesetzt sehen. Es ist kein Wunder, wenn sich Eltern nach Unterstützung, Anleitung und Erleichterung sehnen. Wenn wir uns dann an Erziehungsbücher oder Experten wenden, sind die Ratschläge oft widersprüchlich und stimmen möglicherweise nicht mit unseren eigenen Werten und Wünschen für unsere Kinder und Familien überein. Und selbst dann, wenn wir tatsächlich eine Idee finden, die wir umsetzen wollen, kann es ein enorm herausforderndes Vorhaben sein, Gewohnheiten und Muster in Beziehungen zu verändern.
In diesem Buch werde ich Eltern und anderen Menschen, die im Kontakt mit Kindern stehen, eine kurze Einführung geben, wie die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) auf praktische, sofort einsetzbare Art Unterstützung leisten kann bei der Aufgabe, Kinder großzuziehen. Ganz besonders hoffe ich, dass ich der Sehnsucht vieler Eltern nach einer tieferen Verbindung mit sich selbst, ihren Partnern, Partnerinnen und ihren Kindern Rechnung tragen kann. Ebenso hoffe ich, dass ich Eltern erreichen kann, die durch ihr Elternsein dazu beizutragen möchten, den Frieden auf der Welt zu fördern. Der Ansatz, den ich beschreibe, geht, wie Sie sehen werden, über sofortige Lösungen hinaus in Bereiche von persönlicher und sozialer Umwandlung.
Das Buch greift ein großes Spektrum von Themen und Lösungen auf und bietet zehn Übungen an. Diese sollen Ihnen dabei helfen, das Erlernte im Alltag zu erproben, während Sie Ihre elterlichen Vorgehensweisen verändern oder anpassen. Es handelt sich hier jedoch nicht um eine umfassende Auseinandersetzung mit GFK und dem Thema der Elternschaft. Viele Themen, die in meinen Workshops und Lehrgängen, in meiner Mailingliste für Eltern und in meinem eigenen Leben aufgekommen sind, habe ich nicht einmal erwähnt. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass die Auswahl der Themen praxisnah genug ist und dass Ihnen die Ausführungen als gut anwendbares Hilfsmittel dienen, um die Beziehungen zu Ihren Kindern zu vertiefen. Vielleicht sind meine Erfahrungen auch so anregend für Sie, dass Sie mehr darüber erfahren möchten. Wenn Sie sich entscheiden, die vorgestellten Ideen in die Tat umzusetzen, und Sie dadurch Veränderungen in Ihrem Familienleben bewirken, würde ich sehr gerne davon erfahren.
Einen Überblick über die grundlegenden Schritte des GFK-Prozesses und zusätzliche Informationen über die GFK finden Sie im Anhang dieses Buches.
Wenn Eltern von ihren Kindern erwarten, dass sie etwas tun, was die Kinder eigentlich nicht tun wollen, dann liegt oft die Versuchung nahe, die Mitwirkung der Kinder zu erzwingen. Dabei verfügen die Erwachsenen über eine ungleich größere physische, emotionale und praktische Macht, die sie gegenüber ihren Kindern haben. (Mit praktischer Macht meine ich, dass Erwachsene einen viel leichteren Zugang haben zu gesellschaftlichen Ressourcen und so die Kontrolle über ihr eigenes Leben und das ihrer Kinder entsprechend leichter ausüben können.) Dennoch bin ich überzeugt, dass der Versuch, ein Kind zu etwas zu zwingen, was es nicht tun möchte, weder auf kurze Sicht Erfolg haben wird noch die Familien langfristig fördern kann. (Die einzige Ausnahme besteht dann, wenn es zu einer Bedrohung der Gesundheit oder der Sicherheit des Kindes kommt. In diesem Fall schlägt die GFK vor, dass wir unsere Macht nicht zur Bestrafung, sondern zum Schutz einsetzen.) In der Gewaltfreien Kommunikation verweisen wir auf den Gebrauch von Macht, um etwas zu erzwingen, was wir wollen, als „Macht über“. Wenn wir dagegen unsere Macht einsetzen, um Bedürfnisse – unsere oder die anderer – zu erfüllen, verwenden wir den Begriff „Macht mit“.
Maria, eine Mutter, die einige meiner Veröffentlichungen gelesen hatte, stellte mir eine Frage, die sich direkt auf die Versuchung bezog, die Kontrolle über unsere Ressourcen zu nutzen, um das Verhalten eines Kindes zu beeinflussen (Hinweis: Die Namen aller Personen wurden geändert.): Wenn ich mit meinem zwei Jahre alten Sohn Noel „verhandle“, setze ich dabei die Ankündigung von Belohnungen und „Konsequenzen“ ein. Manchmal habe ich den Eindruck, dass das ziemlich effektiv ist. Letzten Endes bekomme ich ihn dahin, das zu tun, was ich von ihm möchte, so zum Beispiel, dass er seinen Teller leer isst. Dennoch fühle ich mich irgendwie unwohl mit dieser Lösung. Ist es in irgendeiner Art problematisch, mit Belohnungen und Bestrafungen zu arbeiten, wenn sie funktionieren?
Ich denke schon, dass der Einsatz von Belohnungen und Bestrafungen problematisch ist, weil sie auf lange Sicht selten in der Art funktionieren, wie wir uns das erhoffen. Tatsächlich erweisen sie sich nach meiner Einschätzung oft als „Eigentor“. Marshall Rosenberg untersucht diesen Punkt, indem er Eltern zwei Fragen stellt: „Was möchtest du, das dein Kind tut?“ und: „Aus welchen Gründen hättest du gerne, dass dein Kind es tut?“ Eltern möchten selten, dass ihre Kinder etwas aus Angst vor Bestrafungen, aus Schuld, Scham und Verpflichtung oder sogar aus dem Wunsch nach Belohnung tun.
In diesem Zusammenhang frage ich mich oft, was Eltern – oder Erziehungsexperten – damit meinen, wenn sie sagen, dass Bestrafungen effektiv seien. Ich glaube, dass „effektiv“ gewöhnlich bedeutet, dass Eltern Gefügigkeit von ihren Kindern erwarten, die Kinder sollen tun, was ihre Eltern von ihnen wollen – zumindest für eine Weile. Beides, das Ziel (Gefügigkeit) und die Mittel (Belohnungen und Bestrafungen), haben ihren Preis. Sie schließen nicht nur Furcht, Schuld, Scham, Verpflichtungen oder das Verlangen nach Belohnungen ein, sondern sie werden sehr oft auch von Ärger und Groll begleitet. Und weil Belohnungen und Bestrafungen extrinsische (äußere) Anreize sind, werden Kinder abhängig davon und verlieren den Kontakt zu ihrer intrinsischen (inneren) Motivation, ihre eigenen Bedürfnisse und die anderer zufriedenzustellen.
Ich bin überzeugt, dass die kraftvollste und freudigste intrinsische Motivation, die menschliche Wesen dazu bringt, irgendeine Handlung auszuführen, darin besteht, ihre eigenen und die Bedürfnisse anderer zu berücksichtigen. Beide, Kinder wie Erwachsene, handeln aus dieser inneren Motivation heraus, wenn sie wirklich eine Verbundenheit mit sich selbst und miteinander verspüren, wenn sie darauf vertrauen können, dass ihre Bedürfnisse für andere bedeutsam sind, und wenn sie die Freiheit erfahren, wählen zu können, ob und wie sie zur Unterstützung der anderen beitragen möchten.
Wenn wir es unseren Kindern ermöglichen wollen, aus intrinsischen Anreizen heraus das zu tun, worum wir sie bitten, dann wenden wir unsere Aufmerksamkeit von autoritärem Handeln und aufgezwungener Disziplin ab und verwenden so viel Energie wie möglich darauf, den langfristig wirkenden Bedürfnissen alle Beachtung zu schenken. Das kann uns zunächst mehr Zeit kosten, weil es bedeutet, dass wir hinter die gegenwärtigen Probleme schauen und uns daran erinnern, was in einem übergeordneten Zusammenhang das Wichtigste ist. In jedem Fall ist dieses Engagement den zeitlichen Einsatz wert. Auf lange Sicht können Familien tiefere Verbindungen, Vertrauen und Harmonie erleben, und die Kinder erlernen nützliche Fähigkeiten für ihr Leben. Ich glaube, die meisten Eltern werden diese Ziele viel erstrebenswerter und interessanter finden als mehr Gehorsam.
Anstelle von Belohnungen und Bestrafungen bietet die GFK drei Möglichkeiten an, mit denen wir beginnen können, mit anderen einen Kontakt aufzubauen: Empathie anbieten, die eigenen Beobachtungen, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten ausdrücken und schließlich die Verbindung mit uns selbst durch Selbst-Einfühlung herstellen. In den nächsten drei Abschnitten werde ich diese drei Möglichkeiten genauer untersuchen. Dabei werde ich die Frage, die Maria mir gestellt hat, im Auge behalten.
Empathie für eine andere Person aufzubringen öffnet die Türen zu tiefem Verstehen und intensiverem Kontakt. Wenn Maria auf Noel zugeht, so kann sie von der Voraussetzung ausgehen, dass einige seiner Bedürfnisse nicht zufriedengestellt sind. Selbst bei einem Kleinkind oder einem Kind, das nicht an die Sprache der GFK gewöhnt ist, sind Eltern sehr wahrscheinlich in der Lage, die Bedürfnisse herauszufinden.