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Unser Gesundheitssystem ist am Zusammenbrechen: Überfüllte Krankenhäuser, überlastete Ärzte, verzweifeltes Pflegepersonal und das alles bei überbordenden Kosten auf dem Rücken der Patentinnen und Patienten. Vorsorge ist wichtiger denn je. Dieses Buch zeigt, was Sie jetzt tun können, um im Alter das Leben ohne Reue zu genießen. Unser Verhalten hat großen Einfluss darauf, ob Krankheiten entstehen oder nicht. Eine neue Studie beweist: Der genetische Anteil für ein gesundes Leben beträgt 7 Prozent. Das bedeutet: 93 Prozent können wir selbst steuern. Wir sind verantwortlich für unser Leben. Wir lenken unseren Lifestyle. Wir haben unsere Gesundheit in der Hand. Was sind die zehn goldenen Regeln der Vorsorge? Wann soll Vorsorge überhaupt beginnen? Inkl. Checkliste der Vorsorgeuntersuchungen für alle Altersstufen und Extra-Kapitel zum Thema Demenz und Vorsorge. Die Autoren sind Experten aus den Bereichen Intensivmedizin, Schmerztherapie, Gesundheitspsychologie, Altersmedizin, innere Medizin und Geriatrie, Molekularbiologie, Sozialwissenschaften und Demenz.
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Gesund bleiben ohne Verzicht.
Wir haben unsere Gesundheit in der Hand, sind verantwortlich für unser Leben und lenken unseren Lebensstil.
Wir entscheiden mit, ob Krankheiten entstehen oder nicht. Eine neue Studie beweist: Der genetische Anteil für ein gesundes Leben beträgt 7 Prozent. Das bedeutet: 93 Prozent können wir selbst steuern. Unser zunehmend überfordertes Gesundheitssystem macht die eigene Vorsorge wichtiger denn je – dieses Buch zeigt, was Sie jetzt tun können, um das Leben ohne Reue zu genießen.
Was sind die zehn goldenen Regeln der Vorsorge? Wann soll Vorsorge überhaupt beginnen? Wie lässt sich Demenz vorbeugen? Und vieles mehr.
Mit Checkliste der Vorsorgeuntersuchungen für alle Altersstufen.
Die Autoren sind Experten aus den Bereichen Intensivmedizin, Schmerztherapie, Gesundheitspsychologie, Altersmedizin, innere Medizin und Geriatrie, Molekularbiologie, Sozialwissenschaften und Demenz.
»Der Weise trifft für das Zukünftige Vorsorge als wäre es zugegen.«
Publilius Syrus, römischer Denker
»Wer nicht jeden Tag etwas für seine Gesundheit aufbringt, muss eines Tages sehr viel Zeit für die Krankheit opfern.«
Sebastian Kneipp
»Es ist zu spät, Brunnen zu graben, wenn der Durst brennt.«
Titus Maccius Plautus, römischer Komödiendichter
Die Autoren
Einleitung
Kollaps & Systemversagen
Kapitel 1
Der Held, die alte Dame und die Tänzerin
Kapitel 2
Prävention, was ist das eigentlich?
Kapitel 3
Die Regierung möchte die Gesundheitsversorgung verbessern
Kapitel 4
Die zehn goldenen Regeln der Vorsorge
Kapitel 5
Was Sie schon immer übers Abnehmen wissen wollten
Kapitel 6
Ziel ist, das Altern gesund und erträglich zu machen
Kapitel 7
Fitness-Tracker, Smartwatches, KI
Kapitel 8
Schreckensbild Demenz
Kapitel 9
Manche Menschen machen alles richtig
Kapitel 10
Warum tut die Politik so wenig?
Anhang
Anmerkung: Im vorliegenden Buch wird aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit auf gegenderte Formulierung weitgehend verzichtet. Selbstverständlich ist immer die weibliche und männliche Form gemeint.
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar ist Facharzt für Anästhesiologie und allgemeine Intensivmedizin, außerdem Spezialisierung auf den Gebieten der Schmerztherapie und Palliativmedizin. Er ist Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Klinikum Klagenfurt und Vorstand der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am LKH Wolfsberg. Lehrstuhl für Palliativmedizin an der SFU Wien. Gerichtsachverständiger für Anästhesiologie, allgemeine Intensivmedizin und Palliativmedizin. 1. Vizepräsident der Österr. Palliativgesellschaft (OPG), PAST Präsident ÖGARI, Generalsekretär der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG).
Dr. Georg Pinter ist Facharzt für Innere Medizin/Geriatrie und Arzt für Allgemeinmedizin. Er ist Vorstand des Zentrums für Altersmedizin am Klinikum Klagenfurt am WS. Sekretär der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie (ÖGGG), Geriatriereferent der Ärztekammer für Kärnten.
Univ.-Prof. Dr. Herbert Janig ist Klinischer und Gesundheitspsychologe, Prof. i. R. an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Ehem. Leitung des Studienbereichs „Gesundheit und Pflege“ an der FH Kärnten. Arbeitsschwerpunkte: Projektbegleitung im Gesundheitsbereich.
Michael Schmieder, MAE ist Ethiker und Pfleger. Er leitete über 30 Jahre lang die „Sonnweid“ in Wetzikon und entwickelte sie zu einem der besten Institutionen für Menschen mit Demenz. Er gilt als wichtiger Erneuerer der Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz. Heute vermittelt er sein Wissen mit Referaten, Büchern und Medienbeiträgen.
www.demenzworld.com und www.demenzwiki.de sind durch seine Initiative entstanden.
Dr. med. Dipl. Soz-W. Reinhard Sittl studierte Medizin und Sozialwissenschaften. Zusätzlich hat er die B-Lizenz des DFB als Fußballtrainer. Von 1988 bis 2016 war er Leiter des Interdisziplinären Schmerzzentrums an der Universitätsklinik in Erlangen. Schon seit 2000 hat er die Medizinische Trainingstherapie in das Behandlungskonzept chronischer Schmerzpatienten integriert. Seit 2016 bietet er in seiner Privatpraxis neben einer Schmerztherapie-Beratung Hypnose als Zusatztherapie für Menschen mit hartnäckigen Schmerzen an.
Dr. Slaven Stekovic, MBA ist ein Molekularbiologe und Unternehmer im Bereich der Langlebigkeit, Alterung und altersassoziierten Erkrankungen, er forschte an der Karl-Franzens-Universität in Graz und unterrichtet an mehreren europäischen Universitäten. Dr. Stekovic beschäftigt sich vorwiegend mit der Anwendung neuer wissenschaftlicher Entdeckungen und neuen Technologien in den realen Umgebungen – von Robotik und Künstlicher Intelligenz bis zur Entwicklung neuer Therapien für altersassoziierte Erkrankungen.
Kollaps & Systemversagen
Das Problem mit Katastrophen ist, dass man sie erst bemerkt, wenn sie schon da sind.
»Das Gesundheitssystem bricht zusammen«, sagte Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes, im Mai 2023. Kurz davor hatte ein Arzt gewarnt, in Wien besser keinen schweren Unfall zu haben, weil eine flächendeckende Notfallversorgung nicht mehr gewährleistet sei. Also bitte aufpassen beim Gasgeben und Überholen. Der Tod schleicht durch die Intensivstationen wie ein grantiger Geck.
Keine Betten, keine Mitarbeiter, jeder dritte Mediziner will nicht mehr im Spital arbeiten, und das Pflegepersonal ist den Tränen nahe – oder schon im Burnout. Händeringend sucht man im Ausland nach Arbeitswilligen, auf den Philippinen, in Brasilien und in Afrika. Ärzte schreiben offene Briefe, die nicht mehr auslösen als eine knackige Meldung im Boulevard. Ganze Stationen werden geschlossen, Operationen verschoben, Patienten auf die Gänge verlegt. Der systematische Kollaps kommt freilich nicht überraschend.
Vor drei Jahren wiesen wir in unserem Buch »Im kranken Haus« auf die Schwächen des Gesundheitssystems hin. Fünfzig Punkte, jeweils mit konkreten Lösungsvorschlägen. Geändert hat sich nichts. Jetzt brennt der Hut und der weiße Kittel gleich mit.
Drei Gesundheitsminister in drei Jahren, die je nach Anlass mehr oder weniger betroffen in die Kameras nickten. In der Pandemie hieß es, man müsse das Gesundheitssystem in Form von Lockdowns und einer wankelmütigen Impflicht schützen. Nach der Pandemie brach das System ganz von allein zusammen. Das Virus heißt Tatenlosigkeit. Über die Vogel-Strauß-Politik werden wir später im Buch noch berichten.
Der Status quo ist also keine Überrumpelung oder Verblüffung: Überfüllte Spitäler, unnötige Krankentransporte, der Ruf nach Work-Life-Balance in Form einer 32-Stunden-Woche oder noch besser: gar nicht arbeiten, fehlende Medikamente, steigende Kosten, ungesunde Bürokratie, manipulierte Studien, keine Regelungen für praktische Ärzte, Angst vor juristischen Konsequenzen, junge Mediziner wollen nicht aufs Land und immer mehr ältere Menschen leben in den Städten und wünschen sich ein Leben ohne Krebs. Dazwischen Pressekonferenzen und allenthalben ein Gesundheitsgipfel. Notfallpläne gibt es nicht einmal in der Schublade.
»In Wiens Spitälern herrscht ein Flächenbrand«, sagte Stefan Ferenci, Vizepräsident der Ärztekammer Wien. Als Löschmittel forderte er eine Prämie für Gesundheitsbedienstete in Höhe von 24.000 Euro. In Summe käme das Goodie der Bleibe-Boni auf 675 Millionen Euro, die der Steuerzahler zu entrichten hätte. In anderen Rechnungen werden die Mehrkosten auf eine Milliarde geschätzt. auf eine Milliarde. Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sah im Zeit-im-Bild-Interview keine Schuld bei sich, er sagte, er werde mit dem Finanzminister reden. Außerdem warf er der Kammer vor, »in einen persönlichen Krieg mit dem Gesundheitsverbund zu ziehen«, und: »Die Ärztekammer möchte das Tohuwabohu haben.«
Streikankündigungen, Drohungen, Geldforderungen. Ausgestreckte Zeigefinger, die das Gegenüber anklagen. Stethoskope in geschlossenen Ohren. Chaos in Skalpellform. Irgendwie will niemand Verantwortung übernehmen, das wäre politisch nicht korrekt.
Reinhard Waldhör, Vorsitzender der Gesundheitsgewerkschaft, sprach von »äußert beunruhigenden Zeiten«. Von einem Notstand. 2.775 Spitalsbetten gesperrt, 700 Ärzte und 2.200 Pflegekräfte fehlen. So ein Wunder.
Ein Bericht der Patientenanwaltschaft dokumentiert drei tragische Fälle in Spitälern. Der Grund: Überlastung.
Fall eins: Ein 31-jähriger Mann sei wegen eines Diagnosefehlers in einem Spital zu Tode gekommen. Er habe in einer Notfallambulanz über starke Schmerzen im linken Brustkorb geklagt. Die Diagnose: Muskelverspannung und Nervenschmerz. Der Patient wurde heimgeschickt und starb wenige Stunden später an einem Herzinfarkt.
Fall zwei: Eine 53-jährige Frau starb bei der Dialyse, weil der venöse Schlauch herausgerutscht sei und das gereinigte Blut statt zurück in den Körper auf den Boden geronnen war. Auf den Gerätealarm wurde zu spät reagiert, die Frau verstarb.
Fall drei: Ein Behandlungsfehler soll passiert sein, als ein 22 Tage altes Baby beim Baden im Krankenhaus an Oberschenkel, Gesäß und Bauch Verbrühungen erlitt. Eine Pflegeassistentin habe Gummihandschuhe getragen und es verabsäumt, genau auf die Wassertemperatur zu achten. In diesem Fall zahlte die Haftpflichtversicherung eine Entschädigung.
Insgesamt wurde die Wiener Patientenanwaltschaft 972-mal »wegen Anliegen in Krankenhäusern« kontaktiert.
Da ist einiges faul.
Es riecht nach Mief wie aus dem Kanal.
Willkommen in der Zweiklassen-Medizin.
Wie sehr es ächzt und kracht im Gebälk des Systems, zeigen die Statistiken, über die man lieber nicht spricht: Die Zahl der unbesetzten Hausarztstellen stieg in nur zwei Jahren um 68 Prozent, also von 62 auf 104. Gleichzeitig erhöhte sich die Zahl der Wahlärzte um zehn Prozent – auf 3.394. Mehr als 55 Prozent der Hausärzte sind jetzt Wahlärzte. Bei den Fachärzten ist das Verhältnis noch drastischer: Sieben von zehn arbeiten als Wahlärzte. Dazu kommt die Überalterung: Jeder zweite niedergelassene Arzt ist über 55 Jahre alt.
Für die Patienten heißt das: statt der e-card bitte die Kreditkarte zücken.
Bundeskanzler Karl Nehammer erkannte im Juni Weises: »Wir haben zahlreiche Strukturprobleme, die seit mindestens 15 Jahren verschleppt wurden und sich nun zugespitzt haben.« Gemeinsam mit Gesundheitsminister Johannes Rauch plante man eine strukturelle Änderung: Im zweiten Halbjahr 2023 sollen 100 neue Kassenarztstellen geschaffen werden, bis Ende 2024 500 dazukommen und auch die Kassenverträge finanziell attraktiver werden. Außerdem sollen bis 2025 80 neue Ärztezentren entstehen, sogenannte Primärversorgungseinheiten, kurz PVE. Ob das die Situation in den Spitälern und das System an sich verbessert? All jene Strukturpläne, die seit mindestens 15 Jahren verschleppt wurden? Das System hängt an der Beatmungsmaschine.
Pffftt… ooooch.
Pffftt… ooooch.
Pffftt… ooooch.
Leider, sagt der Operateur, leider konnten wir nichts mehr tun.
Das Problem mit dieser Katastrophe ist, dass man sie hätte verhindern können.
Die Menschen draußen bekommen das mit oder erfahren es am eigenen Leib. Laut einer Umfrage des Demox-Institutes für das Austrian Health Forum ist jeder dritte Österreicher mit dem Gesundheitssystem unzufrieden, sechs von zehn sehen eine Verschlechterung. Zum Vergleich: Im Mai 2019 waren noch 77 Prozent »sehr zufrieden« oder »eher zufrieden«. Die Rede ist heute von einer Zwei-Klassen-Medizin und einem erschreckenden Pflegenotstand. 66 Prozent haben Schwierigkeiten einen Arzttermin zu bekommen, 27 Prozent nutzen ihre Beziehungen, um die Sache zu beschleunigen. Jeder vierte hat vor, eine Zusatzversicherung abzuschließen, 46 Prozent besuchten in den vergangenen sechs Monaten einen Wahlarzt. Kurzum: Wer Geld hat und gute Kontakte, kommt dran, für den Rest heißt es: bitte warten.
Gerade jetzt empfiehlt es sich, mehr auf sich zu schauen. Vorsorgen statt behandeln ist das Gebot der Stunde.
Jeder möchte alt und vor allem gesund alt werden. Früher dachte man, das liege alles in den Genen, die uns von Mutter und Vater mitgegeben wurden. Wenn die Eltern oder Großeltern sehr alt wurden, konnte man sich ebenfalls auf ein langes Leben freuen, hieß es. Denn ein genauer Code liege darin, mit welcher Lebenserwartung eben zu rechnen sei. Und dieses Alter – vielleicht wollten das viele auch gar nicht wissen – könnte man auch labortechnisch ermitteln.
Eine aktuelle Studie ließ aufhorchen. In Zeiten von Computer und KI (Künstlicher Intelligenz) konnte ein riesiger Datensatz von 400 Millionen Menschen ausgewertet werden. Im von Google gegründeten Biotech-Unternehmen Calico wurden die Zahlen und Fakten sortiert. Graham Ruby leitete die Untersuchung und veröffentlichte sie im Fachmagazin Genetics Society of America.
Das Ergebnis: Nur vier bis sieben Prozent unseres genetischen Codes beeinflussen die Lebenserwartung. Wenn sie fast nicht von den Genen abhängt, wovon dann? Von unserem Lebensstil. 93 bis 96 Prozent der Lebenserwartung sind von unserem Lifestyle beeinflussbar.
Wir haben unser Leben quasi in der Hand. Und können selbst bestimmen, ob wir als Fast-Food-Junkie und Kettenraucher schon früh im modrigen Grab liegen oder ob wir uns noch im hohen Alter die Sonne ins Gesicht scheinen lassen wollen.
Dem gegenüber steht ein aktueller Systemfehler in der strengen Kammerdenke: Im Dezember 2022 startete die Ärztekammer eine Kampagne, die die Leistungen der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in den Vordergrund stellen sollte.
Der irrwitzige Slogan lautete: »Meine Gesundheit beginnt bei meiner Ärztin, meinem Arzt. Und nirgendwo sonst.« Darunter stand abgedruckt: »Nur von meiner Ärztin, von meinem Arzt: meine Vorsorge, meine Medikamente, die richtige Diagnose und Therapie. Das ist sicher.«
Da stellt sich die Frage, ob die oben erwähnte Studie den Marketing-Spezialisten der Ärztekammer nicht bekannt war.
Jedenfalls kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Public Health-Experten warfen der Kammer vor, dass die Gesundheit von vielen Dingen beeinflusst werde. Etwa Faktoren wie Einkommen, Bildung, Umwelt oder Prävention. Auch würden andere Gesundheitsberufe mit diesem Slogan völlig ausgeklammert.
Richtig ist: Die Gesundheit beginnt nicht beim Arzt, sie beginnt bei einem selbst.
Die Kampagne wurde heftig kritisiert.
Sogar Klage wurde eingereicht.
Am Ende schickte die Ärztekammer am 14. Juni 2023 eine Rundmail an die Mitglieder:
Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund der mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 30.05.2023, GZ 1 R 31/23w, bestätigten einstweiligen Verfügung darf die Kampagne „Meine Gesundheit beginnt bei meiner Ärztin, meinem Arzt. Und nirgendwo sonst.“ ab sofort nicht mehr weiterverbreitet werden. Wir ersuchen daher alle Kernbotschaften und sämtliche Sujets der Kampagne unverzüglich von Ihrer Webseite/in Ihren digitalen Medien offline zu nehmen und aus Ihren Printmedien zu entfernen sowie Äußerungen über die Inhalte und Kernbotschaften der Kampagne zu unterlassen.
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jegliche mündliche, schriftliche oder digitale Weiterverbreitung von Kernbotschaften und sämtlichen Sujets der Kampagne auch durch der Ärztekammer zuordenbaren Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter und Organe zu unterlassen ist.
Ebenso ersuchen wir, Ihre ärztlichen Mitglieder darüber zu informieren, dass die mit der Österreichischen Ärztezeitung ausgesandten Wartezimmerplakate zur Kampagne unverzüglich abzuhängen sind.
Die weitere strategische Vorgangsweise wird in der nächsten Sitzung der BKNÄ am 22.06.2023 besprochen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Harald Schlögel,
Geschäftsführender Vizepräsident
Aha. Was blieb, ist eine Fußnote in der Aufzählung der Errungenschaften der Kammer.
Nebenbei ist zu erwähnen, dass das österreichische Gesundheitssystem vorwiegend auf Reparaturmedizin ausgelegt ist. Wir reden davon, dass die Kosten für Gesundheitsausgaben ins Unermessliche steigen und für Prävention zu wenig ausgegeben wird, weil das Behandeln lukrativer ist als das Vorbeugen.
In diesem Buch widmen wir uns der Prävention, dem Vorbeugen. Wir schauen uns Menschen und ihren Lifestyle an. Wir betrachten Vorsorgemedizin konkret. Was müssen wir wirklich tun, um gesund zu bleiben? Und warum tun wir das nicht? Was hindert uns daran? Warum knurrt der innere Schweinehund so laut?
Wir checken, wie Vorsorge in der Praxis abläuft. Heute kann mithilfe der KI ein Arzt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung vorhersagen und vorbeugende Maßnahmen einleiten, um die Krankheit vollständig zu verhindern.
Wir offenbaren zehn goldene Regeln der Vorsorge. Was sollte man vorsorglich schlucken? Ist die reguläre Gesundenuntersuchung nicht zu ungenau? Wie viele Parameter müssen gemessen werden, um ein Bild zu bekommen, ein Abbild der eigenen, biomedizinischen Zukunft?
Es wird in diesem Buch auch darum gehen, wie wir Krankheiten wie Alzheimer oder Diabetes im Voraus bekämpfen können. Dann gibt es ein Kapitel über Hightech-Tools, elektronische Helferlein, die permanent unsere Körperwerte abrufen. Helfen sie uns wirklich? Oder machen uns die vielen Daten verrückt? Und überhaupt: Wie sieht es mit der Sicherheit dieser Daten aus?
Was können wir für unsere innere Balance tun? Wie kann Stress vermieden oder abgebaut werden? Hilft dabei die Kraft der guten Gedanken? Heilt Liebe präventiv? Braucht es einen Glauben, um gesund zu bleiben? Und: Was kann der Mensch selbst, was kann die Gesellschaft tun, um besser, um gesünder zu werden? Stichwort: Eigenverantwortung versus gesellschaftliche Verantwortung.
Ein Hauptproblem unserer Zeit ist der langsame Selbstmord mit Messer und Gabel. Viele Menschen sind übergewichtig. Das schadet nicht nur dem Herz-Kreislauf-System und den Gelenken, sondern auch der Leber.
In einer Studie aus dem Jahr 2020 zeigten Wissenschaftler, dass eine Reduktion der Körpermasse, also des Gewichts, von zehn Prozent schon viel ausmacht. Wenn eine Person, die 80 Kilo schwer ist, acht Kilogramm abnimmt und es auf 72 Kilogramm runterschafft, tut sie auch für ihre Leber etwas Gutes. Der BMI, der Body-Mass-Index, wird reduziert. Bei 90 Prozent der Patienten konnte die Versteifung der Leber sogar rückgängig gemacht werden. Dieser steife Zustand ging von selbst zurück, die Leber wurde wieder elastischer – allein durch das Abnehmen.
Ein anderes Ergebnis dieser Studie war weniger aufmunternd. Es zeigte sich, dass es nur 50 Prozent der Patienten schafften, zehn Prozent ihres Körpergewichtes zu verlieren; jeder zweite gab auf und ging in die Kantine. Was brauchen wir zum Abnehmen? Regelmäßiges Training und regelmäßig gesundes Essen. Es hilft nicht, drei Wochen lang Gemüse und Suppen zu essen und alle fünf Tage ins Fitnesscenter zu rennen, um dann nach der dritten oder vierten Woche wieder den Würstelstand leerzuräumen. Es ist wichtig, dass sich der Lebensstil ändert, damit die Ursache behandelt wird.
Wir haben das Abnehmen im Selbstversuch probiert und in einem Kapitel detailliert protokolliert.
Erstaunlich: Es geht.
Zurzeit wird ein Medikament für Diabetiker als neues Abnehm-Wundermittel propagiert: die Schlankmacher-Spritze mit dem Namen Ozempic, auch bekannt unter Wegovy. Es beinhaltet den Wirkstoff Semaglutid, der körpereigene Hormone nachahmt. In den USA ist es bereits zugelassen, demnächst auch in Europa. Ein plastischer Chirurg in Wien verabreicht es an Interessierte. Gepriesen wird das Fett-weg-Jaukerl mit Celebrity-Faktor. Kim Kardashian, Adele und auch Elon Musk schwören darauf. Was das Marketing ganz leise erwähnt, sind die Nebenwirkungen: Übelkeit und das sogenannte Ozempic-Face – ein hängendes Gesicht und älteres Aussehen. Außerdem gebe es keine Langzeitstudien. Und: Wer das Präparat absetzt, muss den gesunden Lebenswandel weiterführen, sonst packt der Jo-Jo-Effekt die verlorenen Pfunde wieder rund um die Leibesmitte. Kurzum: Es geht auch ohne Pharma. Wir haben es bewiesen. Vorsorge ist Bewusstsein.
Vorsorge ist das Schauen auf das Ich.
Schließlich wollen wir uns noch ansehen, warum die Politik so wenig für die Prävention unternimmt. Warum Vorsorge gerne aufgeschoben wird. Und wie viel Geld man sparen könnte, wenn man rechtzeitig darauf schaut, dass die Menschen Bewegung machen, sich vernünftig ernähren und sich um die richtigen Untersuchungen kümmern. Der beste Arzt ist die Eigenverantwortung.
Wir entscheiden, ob Krankheiten wie Demenz entstehen oder nicht. Wir sind verantwortlich für unser Leben. Wir lenken unseren Lifestyle. Daher braucht es dieses Buch: Wir haben unsere Gesundheit in der Hand.
Und jetzt treffen wir Franz Klammer.
Die Herbstsonne tüncht Mooswald in ein orangegelbes Geflecht, in ein Kaleidoskop aus Licht und Schatten. In diesem Ort läuft die Zeit um einen Tick langsamer; manchmal scheint sie stillzustehen, als wären die Stunden und Minuten vernachlässigbar, eine Lappalie. Zeit perlt an uns ab. Es muss an der Kärntner Luft liegen, dass man hier die Ruhe Zug um Zug einatmet. Das Ziel befinde sich am Ende der Straße, sagt das Navi.
Vis-à-vis von seinem Elternhaus hat Franz Klammer sein Refugium hingebaut. Vor dem Eingang prangt ein steinerner Hund, von der Weite könnte man ihn für echt halten. Der Olympiasieger öffnet die Tür und sagt: »Servus, warst du nicht eh schon einmal da?«
»Nein, aber danke für die Einladung.«
»Komm doch weiter«, sagt Franz Klammer. Er trägt Jeans und ein kariertes Freizeithemd. Der Smoking wird nur bei Preisverleihungen angezogen. Daheim lebt es sich leger. Kärntner mögen keine Krawatten.
Die Küche ist groß und offen, viel helles Holz.
Das Wohnzimmer mit Ausblick auf die Karawanken. Der Dobratsch thront im Hintergrund. Holz und viel Glas, eine Breitseite Natur zum Greifen, Wälder, Lichtungen, grüne Abschnitte und Schneekuppen auf den Bergen in der Ferne. Es ist später Nachmittag, bald wird die Sonne hinter dem Massiv verschwinden. Zwielicht zeigt alles.
In der Mitte des Raums steht ein wuchtiger Holztisch, umringt von Sesseln, alles gemütlich und vom Feinsten. Frei von Staub.
Franz Klammer holt eine Flasche Sauvignon Blanc aus der Südsteiermark aus dem Kühlschrank und füllt die Gläser goldgelb an. »Prost auf die Gesundheit.« Er wirkt sehr authentisch, steht nach wie vor gut auf dem Innenski des Lebens. Naturbursch durch und durch. Das Lächeln eines Lausers, der Blick eindringlich wie im Starthaus auf der Streif.
Im Dezember wird der Volksheld siebzig. 1976 gewann er Olympia in der Abfahrt. Mit 25 Abfahrtssiegen und dem fünfmaligen Gewinn des Abfahrtsweltcups ist er der erfolgreichste Rennläufer dieser Disziplin in der Weltcupgeschichte. Sogar einen Kinofilm hat man über ihn gemacht. Titel: Klammer – Chasing the Line. Kritiker lobten den Film, nur der Standard nicht: »Klammers Triumph gerinnt zum kitschigen Emblem des nationalen Zusammenhalts«. Naja – ihm ist’s wurscht.
Trotzdem ist der Nationalheld am Boden geblieben, kärntnerisch geerdet. Echt. Vital.
»Gesund ist für mich, dass ich alles machen kann, was ich machen will. Dann geht’s mir gut. Dann bin ich gesund.« Er nippt am Weinglas, deutet hinaus auf die Berge, seine Heimat; sein Arbeitsplatz waren die Steilhänge.
»Für mich ist der Sport wichtig, dass ich nach wie vor viel Ski fahren gehen kann, dass ich mit meinem Radl fahren, dass ich Golf spielen, dass ich einfach manchmal ein bisschen wandern kann, und natürlich gehört das Feiern auch dazu.«
Feste besuchen oder einfach einen Tag mal Tag sein lassen und ein bisschen Ski fahren, einkehren und sitzen bleiben. Diese Dinge sind einfach wichtig. Wer sich das Feiern versagt, entsagt sich dem Glück. Zur Gesundheit gehören eben auch kleinere Sünden. Das ist das Geheimnis.
Bewusst leben.
Er überlegt, wie das früher so war. Als Leistungssportler ans Altern zu denken, war nie ein Thema. Das ändert sich erst, wenn die Falten kommen. »Ich versuche schon, auf den Körper zu schauen. Wahrscheinlich zu wenig. Aber ich hab meine gesunden Phasen, in denen ich sage: Okay, jetzt muss ich mich zurücknehmen. Hab ja als Sportler gewusst, dass ich in den Körper hineinhorchen muss. Da sag ich: Hoppla, das ist zu viel, jetzt muss ich wieder Gas rausnehmen, egal ob das jetzt Sport oder was auch immer ist. Letztens war ich in Kitzbühel, fünf Tage und danach musste ich alles entspannter angehen.«
Das Leben macht Spaß, wenn Abwechslung da ist.
Einer der Autoren dieses Buches fragt: »Sagen wir ganz offen: Wenn man eine halbe Nacht durchmacht, wie motivierst du dich am nächsten Tag oder sagst du dir, ich pfeif drauf und bleib liegen?«
Franz Klammers Mundwinkel heben sich. »Nein, das Durchmachen darf nicht so sein, dass du am nächsten Tag dann sagst, jetzt hänge ich hier, sondern du musst aufstehen und den normalen Tagesablauf angehen. Natürlich, als ich jünger war, ist das leichter gegangen. Jetzt ist es ein bisschen schwerer, aber trotzdem muss man den normalen Tagesablauf einhalten und alles unternehmen, was man sich vorgenommen hat. Speziell, wenn du eine Radtour geplant hast oder Golf spielen willst, kannst nicht sagen, das gefällt mir jetzt nicht. Da gehört eine gewisse Disziplin zum Leben dazu.«
Die heutigen Trainingsprogramme von Sportlern seien nicht vergleichbar mit dem, wie man das früher angegangen ist. »Wohl, wir haben schon Konditionstrainer gehabt, auch Fitnesstrainer. Natürlich haben wir ganz anders trainiert als heute. Wenn du dir das Training von den Leuten heute anschaust, dann haben wir damals alles falsch gemacht. Aber es haben ja alle alles falsch gemacht, also war es wieder egal. Du musst natürlich schon einen Biss haben.«
Biss ist der Wille, etwas zu erreichen. Hingebung, Verve, Herzblut als Lebensmotor.
Psychologische Betreuung bis in die letzten Ganglien und Synapsen, so etwas gab es zu seiner aktiven Zeit nicht. »Ich glaub, die haben wir auch nicht gebraucht. Der Gute hat es in sich gehabt, und der Schlechte lernt es nie.« In seinen Sätzen schwingt Echtheit mit, das Unmittelbare.
Nicht alles muss reguliert und betreut sein. Was es braucht, ist die Mixtur aus Abfahrtshocke und Hocken in einem Wirtshaus. Franz Klammer mag Bodenständiges, einen Tafelspitz, Kasnocken oder auch einmal ein Schnitzerl. So was dürfe man sich nicht verwehren. Wer bewusst kleine Sünden begeht, macht noch lange keinen Fehler. Solange es im Maß bleibt.
Kleine Sünden sind Chili für die Seele.
Im August fuhr er ein paar Kilometer bei der Tour de France mit. »Da mache ich mich schon ein bissel fit, dass ich nicht ganz ohne Vorbereitung dastehe. Weil das geht nicht mehr. Früher habe ich noch von meinen Rennfahrerzeiten gezehrt, da konnte ich alles ad hoc machen. Jetzt braucht man schon eine gewisse Vorbereitungszeit.« Beim Schifahren geht es aber noch aus dem Stehgreif. Wer die Streif beim Hahnenkammrennen in der Direttissima hinuntergerast ist, tut sich beim gemütlichen Wedeln im Tiefschnee nicht schwer.
Der Trick besteht darin, bewusst zu leben und dabei trotzdem an das Morgen zu denken, aber nie zu apodiktisch.
»Natürlich hat man einen Plan, eine Familie, die man ernähren soll. Im Prinzip lebe ich schon im Heute. Und nicht im Was-morgen-sein-wird. Natürlich gibt es einen großen Plan, aber das ist nicht so strikt. Ich denke nicht, was wird in fünf Jahren sein, bei mir sind immer der nächste Tag und die nahe Zukunft das Um und Auf. Mit dem fahre ich ganz gut.« Das Gute ist, dass man dabei spontan sein kann.
Achtsamkeit ohne Verbissenheit, ein Credo, das glücklich macht und obendrein gesund hält. Ein kluges Prinzip, das man als Arzt genauso unterschreiben kann.
Rezept: Klammer-Glück. Schau auf dein Leben und schätze es. Und lass dir dein Leben nicht madig machen. Es ist gut so.
Draußen dämmert es. Die Sonne ist ein einsamer Kämpfer. Franz Klammer überlässt sich dem Strom seiner Gedanken.
»Die Natur, oh ja, sie ist unglaublich. Warte, ich zeig dir jetzt schnell eine Erinnerung. Da bin ich heuer eine Ski-Tour gegangen, raus aus der Haustür, die Ski hingeknallt und raufgegangen. Ein Wahnsinnserlebnis, das genieße ich, das ist jedes Mal was Besonderes. Es ist ein erhabenes Gefühl, das ist für mich schon sehr wichtig. Das habe ich beim Radfahren, mit dem Mountainbike oder dem Rennrad, wenn ich oben am Berg stehe, das atme ich ein und genieße den Moment. Für mich ist das ein wesentlicher Teil des Wohlfühlens.«
Es gibt vier Ls, die ganz entscheidend für Gesundheit und Vorsorge sind. Laufen. Lernen. Lachen. Lieben.
Franz Klammer lacht. »Was soll ich ohne Freude, was hat das Leben für einen Sinn, wenn man keine Gaudi hat? Ich finde, das ist ganz wichtig. Das Schönste ist, wenn die Gaudi aus dem Nichts heraus entsteht, und auf einmal wird es eine richtige Hetz. Man muss der Hetz freien Lauf lassen. Das ist das Um und Auf. Nicht sagen: Eigentlich darf ich das nicht machen, weil ich habe ja einen Plan und soll auf die Gesundheit auch noch schauen. Das ist in diesem Fall dann eher zweitrangig.«
Interessanterweise ist ihm der Glaube als spiritueller Zugang zur Vorsorge nicht wirklich wichtig. Jemand, der mit 120 km/h in der Hocke bleibt, kniet nicht gerne in der Kirche.
Franz Klammers Kraft liegt in der eigenen Motivation. »Ich meine nicht der Glaube, mich hat die Freude angespornt. Ich war vierzehn Jahre alt und habe die Möglichkeit gehabt, Rennen zu fahren, und dann bin ich Rennen gefahren. Da habe ich gewusst, das wird mein Leben, das hat mir so viel Spaß gemacht über die Jahrzehnte hindurch. Am Start zu stehen und wegzufahren, das ist so ein Glücksgefühl und eine Freude, da wird etwas frei, und das war für mich die Triebfeder. Nicht, dass ich Olympiasieger werden soll, sondern einfach, dass ich das so gern gemacht habe. Als Bub habe ich immer gesungen beim Skifahren, das tue ich jetzt auch, wenn’s so richtig gut geht. Dann singe ich, obwohl ich nicht singen kann.«
Heute sagt man ganz modern, Dopamin, Endorphine, alles, was freigesetzt wird und was den Körper aufrechterhält.
»Das ist mir alles fremd«, sagt Franz Klammer. Ihn macht es stolz, dass er Leute inspiriert hat. »Viele Menschen haben wegen mir mit dem Skifahren angefangen. Sie kommen zu mir und sagen, dass ich Ihnen eine schöne Zeit gegeben und ihr Leben bereichert habe. Das war aber nicht unbedingt die Animo, ich reise gerne und genieße jeden Moment, egal, wo ich hinfahre.«
Seine Stärke ist, in jeder Lage das Beste herauszuholen und sich an die guten Sachen zu erinnern: »Wenn du mich fragst, was war dein schlechtestes Skirennen – ich habe keine Ahnung. Ich habe das schon längst vergessen. Ich weiß, was mein bestes Rennen war, aber die schlechten Sachen oder die, die nicht funktioniert haben, die streiche ich aus dem Leben, die tangieren mich auch nicht mehr. Das war und ist vorbei, und jetzt ist das Leben wieder was Neues. Schauen wir, was das Leben noch bringt.«
Ein Schlüssel zum Annehmen des Lebens ist die Dankbarkeit.
»Ich bin meinen Eltern irrsinnig dankbar, meiner Frau, dass sich unsere Ehe so entwickelt hat und dass ich eigentlich ein Leben führe, wie ich es mir vorstelle. Denn ich habe keine Bucket List, also eine Tabelle, auf der steht, was ich alles noch machen muss, bevor das Zielband des Lebens reißt.«
Franz Klammer hat zwei Töchter, Stephanie und Sophie, und drei Enkel, Felix, Alexander und Johanna. Einen Sportplan gibt es in der Familie nicht. Die beste Form ist, einfach aktiv zu sein, jeder nach seiner Fasson. Man ist bereit, manchmal auch eine Herausforderung anzunehmen, sei es sportlich etwas Anstrengendes zu machen, und zu sagen: Ich will das schaffen. Das hält dich gesund, weil du aktiv bist und nicht passiv.
»Wenn ich aktiv bin, dann nehme ich viel in die eigene Hand, und das ist auch vom Gesundheitlichen, vom Mentalen her das Wichtigste.«
»Als Arzt weiß man: Menschen sind oft ein bisschen bewegungsfaul. Wie würdest du Menschen zum gesunden Sport motivieren?«
Er gestikuliert mit den Händen. »Man muss ihnen vorleben und plausibel erklären, wie schön das ist. Wenn mit mir einer eine Skitour macht, sagt er dann: Das ist sowas von herrlich. Meine Tochter ist mit mir mitgegangen und hatte eine Riesenfreude. Als sie nicht auf den Gipfel wollte, habe ich sie mit einem Schmäh gepackt, und es hat ihr dann doch viel Spaß gemacht. Ich glaube, drängen geht nicht, auch nicht bei kleinen Kindern. Besser langsam hinführen, vielleicht springt der Funke über. Meines Erachtens ist Sport extrem wichtig fürs Wohlbefinden, für die Jugend, damit man über die Pubertät hinwegkommt. Meine Töchter sind keine Skifahrerinnen geworden, sie sind geritten und hatten keine Pubertätsprobleme. Sie hatten ein Pferd und sind in der Woche fünfmal zum Pferd gefahren. Plötzlich waren sie achtzehn und die Zeit war vorbei. Sie haben es irrsinnig gern gemacht. Wenn man das Glück hat, dass man die Kinder vom Computer wegbringt und dass sie sich körperlich ertüchtigen, läuft alles andere mit.«
Tiere seien überhaupt gute Motivatoren. Ein Hund zum Spazierengehen oder zum Laufen wirkt auch bei Bewegungsmuffeln Wunder, wuff.
»Spielt für dich Ernährung eine wichtige Rolle für die Ausgeglichenheit?« Klammer überlegt. »Jein, wir essen eigentlich sehr gesund. Meine Frau kocht umsichtig, aber nie einseitig. Fleisch, viel Gemüse. Aber wir essen keinen Junk. Das ist mir schon sehr wichtig. Die Ernährung gehört eben dazu. Ich halte von den ganzen Diäten nicht wirklich was, man muss das Leben so nehmen, wie es ist. Als Sportler haben wir früher überhaupt keine besondere Ernährung gehabt. Heutzutage haben sie einen eigenen Koch dabei, das hat es bei uns alles nicht gegeben. Und es hat auch funktioniert. Ich glaube, wenn man jung ist, kann der Körper sehr viel verkraften. Später kommt dann die Vernunft dazu. Radfahren gehen und beim Essen mäßigen, am Abend nichts essen und keine Völlerei. Manchmal sollte man sich schon ein bisschen kasteien, um dem Körper die Chance zu geben, sich zu erholen.«
Auch geistige Fitness braucht es, um die grauen Zellen auf Trab zu halten. Klammer liest viele Bücher und lernt Italienisch. Im Alter eine Fremdsprache zu lernen und an der Kreativität zu arbeiten, ist wie ein großer Schöpfer aus dem Jungbrunnen.
Das Rezept ist relativ simpel: »Zuerst schauen, dass der Körper auf der Höhe ist, und dann, dass der Kopf in Ordnung bleibt.«
»Neueste Erkenntnisse zeigen: Eine Sprache zu lernen, ist eigentlich das Wichtigste gegen die Demenz. Du machst das genau richtig.«
»Na bitte.«
Franz Klammer erzählt, dass heute im Rennsport Musiktherapie eingesetzt wird, aus psychologischen und meditativen Gründen. »Wir haben ja damals keinen Psychologen gehabt, wie sie ihn heute alle brauchen. Und alle hören jetzt Musik. Ich habe damals in den 1970er-Jahren das Trompetenkonzert von Johann Nepomuk Hummel gehört, und es hat mir gefallen. Das habe ich mir dann abends zum Schlafengehen und auch morgens zum Aufstehen rauf und runter angehört. Es hat mir niemand gesagt, dass ich das machen soll. Es tat mir gut, so habe ich es einfach verwendet.«
»Auch beim Olympiasieg?«
»Ja, natürlich.«
»Früher hat man einfach mehr improvisiert. Intuitiv gehandelt. Die Gesundheit definiert sich, wie wir gehört haben, durch physisches und soziales Wohlbefinden. Ist dir das soziale Umfeld, die Familie, die Liebe auch wichtig?«
Franz Klammers Augenbrauen heben sich. »Die Liebe ist besonders wichtig. Der Mensch ist nicht gebaut, um einsam zu sein, sondern die Zweisamkeit ist wichtig. Die Familie ist wichtig,