Vorwort zu einem Roman - Thomas Mann - E-Book

Vorwort zu einem Roman E-Book

Thomas Mann

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Beschreibung

»denn nur wo das Ich eine Aufgabe ist, hat es einen Sinn, zu schreiben.« Für den kurz zuvor verstorbenen Schriftsteller Erich von Mendelssohn, an dessen Leben und Werk Thomas Mann hier erinnert, war das Ich unzweifelhaft eine Aufgabe – und das Schreiben die einzig denkbare Lebensaufgabe. Mann verfasste das Vorwort laut Datierung im September 1913 und fungierte auch als Herausgeber des postum veröffentlichten Romans ›Tag und Nacht‹. Der Text erschien im November 1913 als Vorabdruck in den Süddeutschen Monatsheften und anschließend wie geplant im Rahmen der Buchausgabe. Mendelssohn, der Mann außerordentlich bewundert hatte, war im Alter von nur sechsundzwanzig Jahren verstorben, möglicherweise an Langzeitfolgen der körperlichen Extrembelastungen, denen er sich auf seinen Reisen vor allem nach Skandinavien immer wieder ausgesetzt hatte. Mann entwirft hier eine eigentümliche Parallele zwischen dem Reformgedanken (Mendelssohn hatte eine der ersten Reformschulen besucht) und der Vergänglichkeit des brüchigen menschlichen Körpers – beide Thematiken spielen auch in anderen seiner Werke eine Rolle.

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Seitenzahl: 16

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Thomas Mann

Vorwort zu einem Roman

Essay/s

Fischer e-books

In der Textfassung derGroßen kommentierten Frankfurter Ausgabe(GKFA)Mit Daten zu Leben und Werk

{387}Vorwort zu einem Roman

»Liebe zu sich selbst«, hat, ich weiß nicht mehr welcher Autor gesagt – es war ein geistreicher Autor, soviel ist sicher – »Liebe zu sich selbst ist immer der Anfang eines romanhaften Lebens.« Liebe zu sich selbst, so kann man hinzufügen, ist auch der Anfang aller Autobiographie. Denn der Trieb eines Menschen, sein Leben zu fixieren, sein Werden aufzuzeigen, sein Schicksal literarisch zu feiern und die Teilnahme der Mit- und Nachwelt leidenschaftlich dafür in Anspruch zu nehmen, hat dieselbe ungewöhnliche Lebhaftigkeit des Ichgefühls zur Voraussetzung, die, nach jenem Autor, ein Leben nicht nur subjektiv zum Roman zu stempeln, sondern auch objektiv ins Interessante und Bedeutende zu erheben vermag. Das ist etwas Stärkeres, Tieferes und Produktiveres als »Selbstgefälligkeit«. Es ist in den schönsten Fällen das dankbar-ehrfürchtige Erfülltsein der Götterlieblinge von sich selbst, wie es mit unvergleichlich innigem Nachdruck aus den Zeilen spricht:

»Alles geben die Götter, die unendlichen,

Ihren Lieblingen ganz:

Alle Freuden, die unendlichen,

Alle Schmerzen, die unendlichen, ganz.«

Es ist das naiv-aristokratische Interesse an dem Mysterium hoher Bevorteilung, substanzieller Vornehmheit, gefährlicher Auszeichnung, angeborener Verdienste, als deren Träger sie sich fühlen, ist die Lust, aus geheimster Erfahrung zu bekunden, wie ein Genie sich bildet, Glück und Verdienst nach irgendwelchem Gnadenschlusse sich unauflöslich verketten: Sie brachte »Dichtung und Wahrheit« hervor; und sie ist recht eigentlich der Geist der großen Autobiographie überhaupt.

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