Walter Scott: Ivanhoe (Novelaris Klassik) - Walter Scott - E-Book

Walter Scott: Ivanhoe (Novelaris Klassik) E-Book

Walter Scott

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Beschreibung

England im 12. Jahrhundert: Ein Land im Umbruch, zerrissen zwischen sächsischer Tradition und normannischer Macht. In dieser Zeit der Intrigen und des Wandels kehrt Wilfred von Ivanhoe, ein junger Ritter von unerschütterlicher Loyalität zu König Richard Löwenherz, in eine Heimat zurück, die ihn einst verstieß. Walter Scotts historischer Roman entfaltet ein faszinierendes Panorama mittelalterlichen Lebens. Im Zentrum steht Ivanhoe, der sich zwischen zwei Kulturen, zwei Frauen und zwei Loyalitäten entscheiden muss. Die anmutige Lady Rowena und die geheimnisvolle Rebecca kämpfen um sein Herz, während er selbst um die Zukunft seines Landes ringt. An seiner Seite steht der legendäre König Richard – doch Verrat und Gefahr lauern in den Schatten der Burgen. In dieser meisterhaften Erzählung verschmelzen persönliches Schicksal und historischer Wandel zu einem bewegenden Epos über Ehre, Liebe und die ewige Frage nach Identität und Zugehörigkeit.

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Walter Scott

Ivanhoe

Copyright © 2024 Novelaris Verlag

ISBN: 978-3-68931-098-1

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Sechstes Kapitel.

Siebentes Kapitel.

Achtes Kapitel.

Neuntes Kapitel.

Zehntes Kapitel.

Elftes Kapitel.

Zwölftes Kapitel.

Dreizehntes Kapitel.

Vierzehntes Kapitel.

Fünfzehntes Kapitel.

Sechzehntes Kapitel.

Siebzehntes Kapitel.

Achtzehntes Kapitel.

Neunzehntes Kapitel.

Zwanzigstes Kapitel.

Einundzwanzigstes Kapitel.

Zweiundzwanzigstes Kapitel.

Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Vierundzwanzigstes Kapitel.

Fünfundzwanzigstes Kapitel.

Sechsundzwanzigstes Kapitel.

Siebenundzwanzigstes Kapitel.

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Neunundzwanzigstes Kapitel.

Dreißigstes Kapitel.

Einunddreißigstes Kapitel.

Zweiunddreißigstes Kapitel.

Dreiundreißigstes Kapitel.

Vierunddreißigstes Kapitel.

Fünfunddreißigstes Kapitel.

Sechsunddreißigstes Kapitel.

Siebenunddreißigstes Kapitel.

Achtunddreißigstes Kapitel.

Cover

Table of Contents

Text

Erstes Kapitel.

In der anmutigen Provinz des glücklichen Englands, die der Don durchströmt, dehnte sich in alter Zeit ein großer Wald aus, der die lieblichen Hügel und Täler zwischen Sheffield und der freundlichen Stadt Doncuster bedeckt. Überreste dieses mächtigen Waldgebiets findet man noch in der Umgegend der Rittersitze Wentworth, Warncliffe-Park und bei Rotherham. Hier hauste einst der sagenhafte Drache von Wantley, hier wurde manche blutige Schlacht im Bürgerkrieg der weißen und roten Rose ausgefochten, hier trieben vor alten Zeiten wilde Räuberbanden ihr Unwesen, deren Taten durch die englischen Volkslieder überall bekannt geworden sind. Und hier liegt auch der eigentliche Schauplatz dieser Erzählung und die Zeit, zu der sie spielt, reicht bis zum Ende der Regierung Richards des Ersten, als seine Untertanen, die während seiner langen Gefangenschaft auf jede mögliche Weise unterdrückt und geknechtet waren, seine Rückkehr wohl von Herzen wünschten, doch nicht zu erhoffen wagten. Der Adel, der während Stephans Regierung zu unbegrenzter Macht gelangt war, und den Heinrich der Zweite durch kluge Politik der Krone etwas von neuem untertänig gemacht hatte, schlug jetzt wieder völlig über die Stränge, kümmerte sich nicht um den ohnmächtigen Protest des englischen Staatsrates, befestigte seine Schlösser, verstärkte die Zahl seiner Hörigen und Reisigen, machte sich alles in seiner Umgebung zu Vasallen und bot alle Kraft auf, um, jeder in seinem Kreise, zu Macht und Gewalt zu gelangen und in den aller Voraussicht nach nahe bevorstehenden staatlichen Katastrophen eine hervorragende Rolle spielen zu können. Die Angehörigen des niederen Adels oder die Franklins, wie man sie nannte, die von Gesetzes wegen und durch den Geist der englischen Verfassung berechtigt waren, von der Feudaltyrannei unabhängig zu bleiben, wurden durch diese Zustände mehr als je in ihrer Existenz gefährdet. Wenn sie sich, was meist der Fall war, dem Schutze eines der kleinen Könige aus ihrer Umgebung unterstellten, an seinem Hofe Lehnsdienste taten, oder sich in einem gegenseitigen Schutz- und Trutzbündnis verpflichteten, ihm in seinen Unternehmungen Beistand zu leisten, so hatten sie sich allerdings wohl eine vorübergehende Sicherheit erkauft, aber eben dafür die Unabhängigkeit hingegeben, die jedem englischen Herzen lieb und teuer ist, und sie konnten mit Bestimmtheit darauf rechnen, in ein unbesonnenes Unternehmen hineingezogen zu werden, zu dem sich ihr Schutzherr aus Ehrgeiz hinreißen lassen würde. Auf der anderen Seite standen den mächtigen Baronen so viel Mittel zu Gebote, die kleinen Adligen zu knechten und zu schurigeln, dass sie nie um einen Vorwand verlegen waren und nur in seltenen Fällen darauf verzichteten, mit ihren Feindseligkeiten alle die unter ihren weniger mächtigen Nachbarn zu verfolgen, die es wagten, sich ihrer Oberherrschaft zu entziehen und in diesen gefahrvollen Zeiten ihren einzigen Schutz in ihrer makellosen Führung und in den Gesetzen des Landes zu suchen.

Ein Umstand, dem es zum großen Teile zuzuschreiben war, dass der hohe Adel ein so tyrannisches Wesen treiben durfte und dass seine niederen Klassen in so arge Bedrängnis geraten waren, lag in den Folgen, die die Eroberung des Herzogs von der Normandie mit sich brachte. In vier Geschlechtern hatte sich weder das feindliche Blut der Normannen und der Angelsachsen vermischen, noch hatten sich durch gleiche Sprache, gleiche Ziele und Interessen zwei feindliche Stämme miteinander verschmelzen können, denn auf der einen Seite machte sich stets der Stolz und der Dünkel des Siegers geltend, und auf der anderen hatten die Folgen der Niederlage denn doch zu tiefe Wunden geschlagen.

Nach der Schlacht von Hastings hatte der normannische Adel die Gewalt völlig in Händen, und er machte nicht eben milden Gebrauch davon. Das Geschlecht der sächsischen Fürsten und Edelherren war entweder völlig vernichtet oder seines Erbteils beraubt worden, bis auf wenige aus der zweiten oder noch niedrigeren Klasse, die im Lande ihrer Väter noch als Herren auf eigenem Grund und Boden saßen. Lange hatte der König seine Gewalt dahin zu nutzen versucht, jenen Teil der Bevölkerung, der erwiesenermaßen stets einen tief eingewurzelten Hass gegen den Sieger und Unterdrücker hegt, in seiner Macht zu schmälern. Alle Herrscher normannischen Geblüts bekundeten unstreitig stets die offenste Vorliebe für ihre normannischen Untertanen. Jagdgesetze und andere Paragraphen, von denen der freie duldsame Geist der sächsischen Verfassung nichts wusste, waren dem Nacken der unterjochten Bewohner aufgebürdet worden, um die Fesseln der Feudalherrschaft noch schwerer zu gestalten. Am Hofe selbst und in den Schlössern der hohen Herren, wo man dem Luxus und der Pracht des Hofes gleichzukommen strebte, war nur die normannisch-französische Sprache im Gebrauch und in der gleichen Sprache wurden auf den Gerichten die Klagen und die Urteile abgefasst. Mit einem Wort: französisch war die Sprache der vornehmen Welt, der Ritterschaft und der Herren vom Gericht, während das ausdrucksvolle und mannhaftere Angelsächsisch nur noch bei den Bauern und Knechten in Gebrauch war, die einer anderen Sprache nicht mächtig waren. Und da nun die Grundbesitzer mit den Bauersleuten Gemeinschaft unterhalten mussten, so bildete sich allmählich aus diesem Verkehr eine besondere Mundart, eine Mischung aus Französisch und Angelsächsisch, in der sie sich untereinander verständigten. Dieser aus Zwang entstandene Dialekt hat dann die englische Sprache gezeitigt, in der sich die Sprache der Sieger mit der der Besiegten aufs glücklichste verquickt hat und die dann im Laufe der Zeit aus Übertragungen aus den Sprachen des klassischen Altertums und aus der Literatur der südlichen Völker Europas in hohem Maße bereichert worden ist. – Der Verfasser glaubte den Leser über diesen Zustand der Dinge unterrichten zu müssen, damit er stets dessen eingedenk sein soll, dass eine Nationalverschiedenheit zwischen den Sachsen und den Siegern und die nie geschwundene Erinnerung an das, was sie gewesen und was jene aus ihnen gemacht hatten, bis in die Regierung Eduards des Dritten stets wach geblieben ist. Die Wunden, die der Gegner geschlagen hatte und die er, sobald sie im Vernarben waren, stets wieder aufriss, ließen eine scharfe Scheidung zwischen den Abkömmlingen der siegreichen Normannen und den Nachkommen der unterdrückten Sachsen immer merklich erkennen.

Auf einer der satten Wiesen des anfangs erwähnten Waldes lag heller Sonnenschein. Hunderte von breiten, kurzstämmigen Eichen, die vielleicht schon die römischen Legionen in prachtvollem Aufzug vorüberziehen sahen, beschatteten mit ihren weitausladenden knorrigen Zweigen den dichten grünen Teppich des lieblichen Rasens. An manchen Stellen standen Buchen, Pappeln und andere Baumarten in so dichtem Gemisch dazwischen, dass die Strahlen der sinkenden Sonne kaum hindurchdringen konnten. An anderen Stellen bot sich ein weiter, herrlicher Durchblick, in die das Auge so gern hineinspäht, während die Phantasie in ihren Gründen noch Bilder der Waldeinsamkeit erwartet. Die Purpurstrahlen der untergehenden Sonne verbreiteten hier einen milden fahlen Schein, der da und dort auf den Zweigen und Stämmen lag, und auch auf dem Rasen malten sich stellenweise Flächen von Licht, die den Weg der Sonne bezeichneten. Ein weiter Kreis in der Mitte des Grasplatzes schien vor Zeiten dem Götzendienst der Druiden geweiht gewesen zu sein; denn oben auf einem Hügel, der so regelmäßig erschien, als ob er von Menschenhänden errichtet worden sei, waren die Überreste eines großen Kreises aus roten, unbehauenen Steinen zu sehen. Sieben von ihnen waren hochgestellt, die anderen lagen flach umher und waren durcheinandergeworfen, vielleicht von einem zum Christentum bekehrten Eiferer. Andere wieder lagen dicht an ihrem alten Fleck, andere auf dem Abhang des Hügels. Nur ein großer, umfänglicher Block war ganz heruntergeglitten und hatte den Lauf eines kleinen Baches versperrt, der sich sanft um den Fuß des Hügels herumschlängelte und nun in leisem Murmeln über dieses Hemmnis hinwegrann.

Zwei menschliche Gestalten waren in dieser Landschaft zu sehen und Tracht und Erscheinung kennzeichnete sie in ihrer Wildheit und Rauheit als Waldbewohner des Westens von Yorkshire. Der Ältere von beiden sah ernst, wild und düster aus. Seine mehr als einfache Kleidung bestand aus einer knappen Ärmeljacke aus gegerbtem Tierfell, an der sich das ursprünglich nicht abgeschorene Haar mit der Zeit so sehr abgeschabt hatte, dass sich aus dem, was noch daran war, schwer hätte sagen lassen, von welchem Tiere der Pelz stammte. Dieser Überkittel ging vom Hals bis zum Knie und bedeckte also den ganzen Leib, und das einzige Loch, das er hatte, war gerade groß genug, dass der Kopf hindurchgesteckt werden konnte. Er musste mithin wie ein Hemd beim Anziehen über Kopf und Schultern gestreift werden. Sandalen mit schweinsledernen Riemen schützten die Füße, eine Rolle von dünnem Leder war als Gamasche um die Beine geschlungen worden und ließ, wie es bei den schottischen Hochländern Brauch war, das Knie nackt. Damit die Jacke praller sitzen sollte, war sie in der Mitte durch einen breiten Ledergürtel mit metallener Schnalle zusammengehalten. An diesem Gurt hing an der einen Seite eine Art Tasche, an der anderen ein zum Blasen gerichtetes Widderhorn mit Mundstück. Ferner steckte darin ein langes, breites Messer mit scharf zugespitzter zweischneidiger Klinge und einem Griff aus Hirschhorn. Derartige Messer wurden in dieser Gegend hergestellt und hießen schon damals Sheffieldmesser. Der Mann hatte zur Kopfbedeckung nichts weiter als sein starkes zusammengerafftes und geflochtenes Haar, das im Scheine der Sonne wie dunkelrot erschien und stark gegen den die Wangen bedeckenden Bart abstach, der die Farbe des Bernsteins hatte. Ein sehr seltsames Stück seines Anzuges muss noch genannt werden, nämlich ein metallener Ring, der wie ein Hundehalsband aussah, aber keine Öffnung hatte und sich fest um den Hals schloss, ohne dass der Mann dadurch am Atmen behindert worden wäre. Auf diesem merkwürdigen Halsschmuck, der nur mit der Feile zu lösen gewesen wäre, stand in angelsächsischen Buchstaben die folgende Inschrift: Gurth, Beowulfs Sohn, ist durch Geburt Leibeigener Cedrics von Rotherwood.

Neben diesem Schweinehirten, denn dies war Gurths Amt, saß auf einem Trümmerstein der Druidenstätte ein Mann, der zehn Jahre jünger zu sein schien und dessen Tracht im Schnitt der seines Gefährten ähnlich, jedoch aus besserem Stoff gefertigt war und phantastischer aussah. Sein Wams war früher von hellem Purpur gewesen und unbeholfene Verzierungen in verschiedenen Farben waren grotesk darauf gemalt worden. Der Mantel, der ihm nur bis zur Hälfte des Leibes reichte und aus karmesinrotem Tuch mit hellgelber Einfassung bestand, war schon stark abgetragen, und da er um beide Schultern geworfen und um den Leib geschlungen werden konnte, so war er im Vergleich zu seiner Kürze unverhältnismäßig weit und gab daher ein recht seltsames Kleidungsstück ab. Der Mann trug schmale, silberne Armbänder und um den Hals ein Band von dem gleichen Metall mit der Inschrift: Wamba, Sohn des Ohnewitz, ist Leibeigener Cedrics von Rotherwood. Er trug Sandalen wie sein Gefährte, aber statt der Lederrollen hatte er richtige Gamaschen, von denen die eine rot, die andere gelb war. Seine Mütze war mit einer Menge Schellen besetzt wie man sie den Falken anhängt. Die klingelten, wenn er den Kopf bewegte, und da er nicht einen Augenblick stillsaß, so klirrte und klimperte es unaufhörlich. Um die Spitze der Mütze lief ein breites Band von steifem Leder, das oben ausgezackt war und wie eine kleine Krone aussah. Aus ihr hing eine Art Beutel hervor, der auf die Schulter herabbaumelte und sich fast wie eine alte Nachtmütze oder wie ein Husarenkäppi ausnahm. Auch daran hingen Glöckchen.

Dieser ganze Aufputz und der halbpfiffige, halbirre Ausdruck seines Gesichts kennzeichneten ihn hinlänglich als einen jener Hausnarren, die sich die Reichen zum Zeitvertreib halten, um besser über die langweiligen Stunden hinwegzukommen, die ihnen in ihren vier Pfählen nicht erspart bleiben. Wie sein Gefährte trug auch er eine Art Tasche am Gurt, aber er hatte weder Horn noch Messer, wahrscheinlich weil es für gefährlich erachtet wurde, dem Menschenschlag, zu dem er gehörte, scharfe Instrumente in die Hand zu geben. Dagegen führte er ein hölzernes Schwert wie Kasperle auf dem Theater. Wie das Äußere der beiden Männer einen scharfausgeprägten Gegensatz erkennen ließ, so auch ihr Blick und ihr Wesen. Der Hirt und Leibeigene hatte ein trübes und düsteres Gebaren. Das Auge war mit dem Ausdruck tiefer Verzweiflung zu Boden gesenkt und schien gänzliche Apathie zu bekunden, nur ab und zu flammte es in seinem roten Auge auf und deutete darauf hin, dass sich unter seinem dumpfen Kleinmut die Empfindung, geknechtet zu sein, und das Verlangen, sich dagegen aufzubäumen, schlummernd regten. Wambas Miene dagegen verriet die bei Menschen seines Schlages in der Regel vorhandene Neugier, eine quecksilberne Hast und die größte Zufriedenheit mit seiner Lage und seiner Kleidung. Beide unterhielten sich angelsächsisch, eine Sprache, die, wie schon erwähnt, ausschließlich bei den niederen Klassen in Gebrauch war.

„Hol der heilige Withold die verflixten Schweine!“ brummte der Hirt, nachdem er aus Leibeskräften ins Horn geblasen hatte, um die verstreute Herde zusammenzubringen, die seinem Rufe zwar in ebenso melodischer Weise antwortete, aber doch von seinem leckeren und reichen Mahle aus Eicheln und Bucheckern nicht wegzubringen war. Auch hatten sie nicht die geringste Lust, das schlammige Ufer des Flusses zu verlassen, wo sich mehrere recht gemächlich im Moraste wälzten und das Horn blasen ließen, was es blasen mochte.

„Hol sie der heilige Withold und mich selbst!“, sagte Gurth. „Wenn der Wolf mit zwei Beinen nicht noch ‘n paar vor der Nacht wegmaust, will ich keine ehrliche Kreatur sein. – Hierher! Packan! Hierher!“ schrie er seinem zottigen Hunde zu, einem wolfsähnlichen Tiere, halb Bullenbeißer, halb Windspiel, der eifrig hin und her hetzte, um die widerspenstigen Grunzer seinem Herrn sammeln zu helfen. Entweder aber verstand er die Hornsignale seines Herrn nicht und wusste auch noch nicht, was ihm zu tun oblag, oder er handelte aus vorsätzlicher Böswilligkeit so, denn er trieb die Schweine nur noch mehr auseinander und machte daher das Übel nur noch ärger.

„Mag der Deibel dem Viech die Zähne ausreißen!“ schimpfte Gurth. „Wamba, wenn du ‘n braver Kerl bist, so komm und hilf mir! Lauf um den Hügel rum, dass du ihnen in ‘n Rücken kommst. Wenn du ihnen die Witterung abkriegst, kannst du sie wie harmlose Lämmerkens vor dir hertreiben.“

„Weiß der Kuckuck!“ sagte Wamba, ohne sich vom Flecke zu rühren, „ich habe meine Beine gefragt, wie sie drüber denken, und die meinen nun mal, dass ich meine Kleider nicht durch diese Pfützen treiben dürfe, wenn ich mich nicht geradezu versündigen will an meiner hohen Person und meiner fürstlichen Garderobe. Derowegen rat ich dir, Gurth, ruf den Packan weg und überlasse die Herde ihrem Schicksal. Ob sie nun rumziehenden Soldaten oder Räubern oder langweiligen Pilgern in die Hände fällt, es kommt doch alles auf eins raus. Eh nämlich der Tag anbricht, werden die Schweine zu deiner Freude in Normannen verwandelt sein.“

„Die Schweine in Normannen?“ fragte Gurth. „Erklär mir das, Wamba, denn mein Schädel ist zu blöde und mein Gemüt zu bedrückt, als dass ich lustig genug wäre, um Rätsel zu knacken.“

„Wie nennst du das grunzende Viehzeug, das sich auf vier Beinen rumtreibt?“ fragte Wamba.

„Schweine, Narr, Schweine,“ sagte der Hirt, „das weiß jeder Narr.“

„Und Schwein ist ‘n gut sächsisch Wort,“ sagte der Hausnarr. „Aber wie nennst du die Sau, wenn sie ausgeweidet, abgesengt und aufgehängt ist wie ‘n Hochverräter?“

„Porc!“ versetzte der Hirt.

„Freut mich, dass auch das jeder Narr weiß,“ antwortete Wamba. „Und Porc ist gut normannisch-französisch. Wenn das Viech lebt und von nem sächsischen Leibeignen gehütet wird, dann hats seinen sächsischen Namen, aber es wird ‘n Normanne und heißt Porc, wenn es in ‘n stattliches Schloss gebracht und den edlen Herren zum Mahle aufgetischt wird. Was sagst du dazu, Freund Gurth?“

„Das hat Hand und Fuß, Freund Wamba, wenns auch der Schädel eines Narren ausgeheckt hat.“

„Noch mehr kann ich dir sagen,“ fuhr Wamba im gleichen Tone fort. „Da ist der ehrliche Aldermann Ochs, der behält auch seinen sächsischen Namen, solang er von Knechten und Leibeigenen bewacht wird, aber sobald er vor die hochgeehrten Kinnladen kommt, die allein auf Erden dazu da sind, ihn aufzuessen, dann wird er sogleich ‘n stolzer, eleganter Franzose und nennt sich Boeuf. Und das gute Bürschchen Kalb wird auf diese Weise Monsieur de vaux. Solang es unter Aufsicht ist, bleibts ein Sachse, und sobalds eine Sache des Genusses wird, ist ‘n Normanne draus geworden.“

„Beim heiligen Dunstan!“ entgegnete Gurth. „Was du da sagst, ist leider alles wahr. Nicht viel mehr ist uns gelassen, als die Luft, die wir atmen, und auch die scheinen sie uns nur ungern zu gönnen und nur deshalb zu lassen, damit wir die Lasten tragen können, die sie unserm Buckel aufgebürdet haben. Das Leckerste und das Fetteste ist für ihre Tafel, und das Hübscheste für ihr Bett, die Tüchtigsten müssen als Soldaten unter die fremde Herrschaft, in fernen Landen bleichen ihre Knochen und nur wenig bleiben übrig, die die Macht hätten und willens wären, die unglücklichen Sachsen zu beschützen. Gott segne unsern Herrn Cedric! der hat gehandelt wie ‘n Mann, der in die Bresche springen will; aber Reginald Front-de-Boeuf durchzieht selbst das Land, und wir werden ja sehen, wie wenig alle Sorge und Mühe Cedrics helfen wird. – Hierher, hierher!“ rief er, wieder die Stimme erhebend. „Hallo, hallo! wacker, Packan! Nu hast du sie alle beisammen und treibst sie weiter vor dir her!“

„Gurth,“ sagte der Narr, „du hältst mich für ‘n ganz dummen Kerl, sonst tätest du nicht so leichthin deinen Kopf zwischen meine Zähne stecken. Ich brauchte Reginald Front- de-Boeuf oder Philipp von Malvoisin nur ein Wort zu sagen, dass du verräterische Pläne gegen die Normannen geäußert hättest, und du bist deiner Würde als Schweinehirt entsetzt und wirst bald an einem dieser Bäume hängen zum abschreckenden Exempel für alle, die über hohe Herren übles Gerede führen.“

„Du Hund du!“ knurrte Gurth. „Du wirst mich doch nicht verraten, nachdem du mich erst dazu verleitet hast, so zu reden?“

„Dich verraten!“ antwortete der Narr. „Gott bewahre! Das wär nur was für einen gescheiten Menschen, ein Narr weiß nicht, wie er das anzufangen hätte. Doch still! wer ist das?“ setzte er hinzu, indem er auf die Hufschläge von Pferden hörte, die deutlich zu vernehmen waren.

„Mir einerlei,“ erwiderte Gurth, der jetzt seine Herde, von seinem Hunde unterstützt, durch einen Baumgang vor sich hertrieb, in dem es schon dunkel geworden war.

„Ich will aber die Reiter sehen,“ sagte Wamba, „am Ende sind sie aus dem Feenlande und bringen Botschaft von Oberon.“

„Hol dich der Henker!“ rief der Schweinehirt. „Wie kannst du nur solch Unsinn schwatzen, wo wenig Meilen von hier ‘n fürchterliches Unwetter mit Blitz und Donner niederprasselt. Hör nur, wie der Donner rollt! Nie sah ich bei nem Sommerregen so dicke Tropfen schnurgerade runterfallen. Hier ist zwar noch alles still, aber schon rauschen die alten Eichen vorm Sturm, und in ihren Ästen stöhnts und knackts. Beiß du den Furchtlosen raus, wenn du Lust hast, aber hör diesmal auf mich und lasse uns heimgehen, ehs Gewitter losbricht. Das wird ne entsetzliche Nacht!“

Wamba entzog sich dieser Mahnung nicht und folgte seinem Gefährten, der einen Stock vom Rasen aufgehoben hatte, nun wacker durch die Lichtung fürbass schritt und die ganze Herde, die einen höchst unmelodischen Lärm machte, mit Hilfe seines Hundes vor sich hertrieb.

Zweites Kapitel.

Allen Aufforderungen und Scheltworten seines Gefährten zum Trotz, konnte Wamba nicht umhin, alle Augenblicke auf der Straße stehen zu bleiben, weil das Pferdegetrappel immer näherkam. Bald riss er von einem Haselstrauch ein paar halbreife Haselnüsse ab, bald sah er einem Bauernmädchen nach, das seinen Weg kreuzte. Die beiden wurden daher bald von den Pferden und Reitern eingeholt.

Es waren zehn an der Zahl. Die zwei, die vorweg ritten, schienen hervorragende Personen zu sein, während die anderen wohl das Gefolge bildeten. Es war nicht schwierig, Charakter und Beruf des einen von diesen beiden Männern zu erkennen. Er war ohne Zweifel ein Geistlicher von hohem Range. Er trug die Gewandung eines Zisterziensermönches, nur aus feinerem Stoff, als es die Ordensregel erlaubt. Kutte und Kappe waren aus bestem Flamänder Tuch und fielen in weiten geschmackvollen Falten um seine hübsche, obwohl etwas beleibte Gestalt. Wie in dieser seiner Art, sich zu kleiden, keinerlei Verschmähung weltlichen Glanzes lag, so zeigte auch sein Gesicht keinen Zug der Selbstverleugnung. Seine Physiognomie hätte man anheimelnd nennen können, wenn nicht ein epikureisches Blinzeln, das unter dem gesenkten Lide schlummerte, den versteckten Wollüstling verraten hätte. Außerdem hatte er sich in seinem Amt und dank seinen Verhältnissen eine strenge Herrschaft über seine Züge zu eigen gemacht, und er konnte nach Belieben zu jeder Zeit eine feierliche Miene aufsetzen, obgleich der natürliche Ausdruck seines Gesichtes gutgelaunte, gemütliche Gleichgültigkeit und Duldsamkeit war. Den Ordensbestimmungen und den Edikten der Päpste und Konzilien entgegen, waren die Ärmel seines Talars mit kostbarem Pelz besetzt und gefüttert, den Mantel hielt am Halse ein prachtvolles Schloss fest, und seine ganze Ordenstracht war verfeinert und ausgeschmückt. Dieser würdige Diener der Kirche ritt auf einem wohlgenährten Maultier, dessen Zaumzeug schön und reich verziert war; der Zaum selber war nach damaligem Brauch mit silbernen Glöckchen besetzt. Er saß nicht mit der Unbeholfenheit eines Klosterbruders, sondern mit der Haltung eines geübten Reiters im Sattel. Allerdings schien er den gutmütigen und gutzugerittenen Maulesel auch nur auf der Landstraße zu benutzen. Ein Laienbruder seines Gefolges führte für andere Gelegenheiten einen schönen spanischen Hengst bei sich, wie sie damals nur mit großen Schwierigkeiten und Gefahren für Personen von Rang und Reichtum von Händlern nach England gebracht wurden. Sattel und Schabracke dieses prächtigen Zelters waren mit einem langen Teppich bedeckt, der bis auf die Erde herabhing und mit Bischofskronen, Kreuzen und anderen kirchlichen Zeichen reich bestickt war. Ein anderer Laienbruder führte ein Saumtier, das wahrscheinlich das Gepäck trug, und zwei Mönche von demselben Orden, doch von niedrigerer Klasse, ritten hinter ihm drein, miteinander scherzend und lachend, und bekümmerten sich nicht im Mindesten um die anderen Mitglieder des Reiterzuges.

Der Gefährte des Prälaten war ein Mann von mehr als vierzig Jahren, schlank und hager, aber dabei stark und muskulös und von athletischem Wuchs. Langjährige Strapazen und unausgesetzte Bewegung hatten ihm alle Zartheit genommen, und er schien nur noch aus Knochen, Adern und Sehnen zu bestehen. Auf dem Kopfe trug er eine scharlachene, mit Pelz verbrämte Mütze, die sein Gesicht ganz frei ließ. Der Ausdruck dieses Gesichts war dazu angetan, zwar nicht Furcht, doch Achtung einzuflößen. Erhabene, von Natur stolze und gewaltige Züge waren von der Sonne der Tropen fast bis zur Farbe eines Negers gebräunt worden und schienen nach dem vorübergebrausten Sturm wilder Leidenschaften im Zustande der Ruhe zu schlummern. Doch die stark hervortretenden Stirnadern und das heftige und ungestüme Zucken der Oberlippe mit ihrem starken, dunkeln Stutzbart, das sich bei der geringsten Erregung bemerkbar machte, ließen vermuten, dass ein Sturm nur zu leicht zu erwecken war. Die kühnen, durchdringenden Augen des Mannes verrieten bei jedem Blick die Geschichte überstandener Mühseligkeiten und Gefahren und schienen zum Widerstand herauszufordern, ganz als hätte der Mann sein Vergnügen daran, den Mut zu üben und was er wollte, mit eisernem Willen durchzusetzen. Eine tiefe Narbe an der Stirn erhöhte noch das ernste Gepräge seines Antlitzes, wozu auch der ein wenig beeinträchtigte Ausdruck des einen Auges beitrug, das bei Entstehung jener Narbe gleichfalls ein wenig beschädigt worden war, nun zwar völlig gesund, aber einen schiefen Blick behalten hatte.

Das obere Gewand dieses Mannes war dem seines Gefährten ähnlich: es war ein langer Klostermantel, aber an der scharlachroten Farbe war zu erkennen, dass der Träger zu keinem der vier rechtmäßigen Mönchsorden gehörte. Die rechte Achselseite des Mantels trug ein aufgeheftetes Kreuz von ungewöhnlicher Gestalt. Das Oberkleid verhüllte etwas, was auf den ersten Anblick nicht zu ihm zu passen schien: ein Panzerhemd mit Ärmeln und Handschuhen, das auf sinnreiche Weise so gearbeitet und gewebt war, dass es den Bewegungen des Körpers so schmiegsam folgte, wie jene auf dem Webstuhl aus weicherem Stoff gefertigten Hemden. Auch die obere Seite seiner Schenkel, soweit sie der Mantel sehen ließ, war mit Metallplatten bedeckt. Dünne künstlich zusammengefügte Stahlschienen schützten Knie und Füße. Ein Strumpf aus Metallschuppen reichte vom Knöchel bis zum Knie und vervollkommnete die Rüstung des Reiters. Die einzige Verteidigungswaffe, die er hatte, war ein langer, zweischneidiger Dolch, den er im Gürtel trug. Er ritt kein Maultier wie sein Gefährte, sondern einen handfesten Klepper, um sein edles Streitross zu schonen, das ihm ein bis an die Zähne bewaffneter Knappe nachführte. Dieser trug vor dem Kopfe eine Schutzplatte, an der ein kleiner Stachel saß. An der einen Seite seines Sattels hing eine kurze, reich damaszierte Streitaxt, an der anderen Seite des Reiters Helm mit Sturmhaube und ein langes Schwert mit zwei Griffen, wie es die Ritter zur damaligen Zeit zu tragen pflegten. Ein zweiter Knappe trug die emporgerichtete Lanze seines Herrn, an deren Spitze ein schmaler Wimpel flatterte, auf den ein ebensolches Kreuz wie auf dem Mantel gestickt war. Dieser Knappe trug auch seines Herrn kleinen, dreieckigen Schild, der oben so breit war, dass er die ganze Brust schützte und nach unten spitz zulief. Hinter diesen Waffenträgern kamen zwei Diener, die an der dunkeln Gesichtsfarbe, an den weißen Turbanen und an ihren Gewändern als Söhne des fernen Morgenlandes kenntlich waren.

Der ganze Aufzug dieses Kriegers machte einen wilden, fremdländischen Eindruck. Seine Knappen waren prunkend gekleidet, und seine orientalischen Diener trugen silberne Halsbänder und silberne Spangen an den schwarzbraunen Armen und Beinen, die vom Ellbogen ab und vom Schenkel bis zum Knöchel nackt waren. In Seide und Stickerei prangte ihre Tracht und legte beredtes Zeugnis ab für ihres Herrn Reichtum und Ansehen, gleichzeitig in auffallendem Gegensatz stehend zu der kriegerischen Einfachheit seines eigenen Anzuges. Die Orientalen waren mit krummen Säbeln bewaffnet, deren Griffe und Scheiden mit funkelndem Golde ausgelegt waren, und hatten türkische Dolche von noch prachtvollerer Ausführung. Am Sattelknauf hatte jeder ein Bündel Pfeile oder Wurfspieße, die etwa vier Fuß lang waren und scharfe Stahlspitzen hatten. Ebenso exotisch wie die Reiter sahen die Pferde dieser Diener aus: es waren sarazenische Rosse von arabischer Abstammung. Die zarten, schlanken Glieder, die dünnen Mähnen und schmalen Hufe und der leicht tänzelnde Gang standen in starkem Gegensatze zu den starkknochigen, schweren Pferden, deren Rasse in Flandern und der Normandie gezüchtet wurde, um die Ritter der damaligen Zeit in ihrer vollen Panzerausrüstung tragen zu können.

Diese seltsame Kavalkade zog nicht allein Wambas Aufmerksamkeit auf sich, sondern auch die seines schwerfälligeren Genossen. In dem Mönche erkannte er sogleich den Prior der Abtei Jorlvaux, der in der ganzen Gegend wohlbekannt war als ein Liebhaber der Jagd, der Tafelfreuden und – sofern das Gerede ihm nicht unrecht tat – noch anderer weltlicher Vergnügungen, die mit den Ordensgelübden noch weniger im Einklang standen. Über das Tun und Treiben der Geistlichkeit dachte aber die damalige Zeit so frei und locker, dass Prior Aymer trotz allem sich in der Umgegend seiner Abtei eines guten Rufes erfreute. Dank seiner Jovialität und weil er niemals irgendwelche Schwierigkeiten oder Umstände machte, wenn es galt, für alle möglichen Sünden Absolution zu erteilen, war er beim hohen Adel und vornehmen Bürgertum sehr beliebt. Da er aus vornehmem Normannenhause stammte, so war er mit manchem unter ihnen verwandt. Die Damen vor allem fällten kein allzu strenges Urteil über das Betragen eines Mannes, der ein offenkundiger Bewunderer ihres Geschlechts war und über manches Mittelchen verfügte, die Langeweile zu verscheuchen, die sich so leicht in den Hallen der alten Adelsschlösser einnistete. An den Freuden einer Jagd nahm der Prior mit wahrhaftem Eifer teil, und er stand im Rufe, die besten dressierten Falken und die flinksten Windhunde in den Provinzen des ganzen Nordens zu haben. Mit den alten Herren gab er sich anderen Lustbarkeiten hin, die er, wenn es darauf ankam, mit großer Feierlichkeit zu begleiten verstand.

Er tat viele barmherzige Werke, die eine Menge Sünden auch in anderem Sinne, als es die Schrift meint, zudeckten. Bei dieser Freigebigkeit kam es ihm zu statten, dass die Einkünfte seines Klosters zum größten Teil zu seiner freien Verfügung standen; so ließ er vieles den Bauern zukommen und half den Unterdrückten. Wenn der Prior Aymer zur Jagd ritt, wenn er lange zechte und schmauste, wenn er im morgendlichen Zwielicht von einem Schäferstündchen im Dunkeln zurückkam und durch das geheime Pförtchen der Abtei schlich, so zuckten die Leute die Achseln und dachten: manche seiner Brüder trieben es ja nicht anders und machten dabei nicht einmal ihre Fehltritte durch Wohltaten wieder gut. Prior Aymer war auch den sächsischen Leibeigenen bekannt, sie grüßten ihn ehrfurchtsvoll und erhielten zum Gegengruß sein Benedicite mes fils!

Verwundert über den absonderlichen Reiterzug, vermochten sie kaum Antwort zu geben auf die Frage des Priors von Jorlvaux, ob in der Nähe eine Herberge zu finden sei, so groß war ihr Erstaunen über die halb mönchische, halb kriegerische Erscheinung des bräunlichen Fremdlings und die seltsame Tracht seines orientalischen Gefolges.

„Ich frage euch, meine Kinder,“ wiederholte der Prior seine Frage, diesmal in der Lingua Franca, jenem Mischdialekt, in dem sich die Normannen und Sachsen untereinander verständigten, „ist hier in der Nähe irgendein wackerer Mann, der um Gotteswillen und aus Ergebenheit zu der Kirche, unserer Alma Mater, zweien ihrer demütigsten Diener mitsamt ihrem Gefolge für eine Nacht Obdach und Speise gewähren könnte?“

„Zwei der demütigsten Diener der Allmutter Kirche!“ brummte Wamba vor sich hin, aber obwohl er nur ein Narr war, hütete er sich doch, es laut zu sagen. „Da möchte ich doch gar erst mal ihre höheren Diener zu sehen bekommen!“ Nachdem er bei sich selbst die Betrachtung über die Worte des Priors angestellt hatte, sah er auf und beantwortete die an ihn gerichtete Frage: „Sofern die verehrten Väter eine reiche Tafel und ein weiches Bett lieben, so liegt ein paar Meilen von hier das Priorat Brinxworth, wo die ehrwürdigen Herren ihrem Stande entsprechend die ehrenvollste Aufnahme finden werden. Sofern es ihnen aber nicht darauf ankommt, einen Abend auch mal in geringerer Üppigkeit hinzubringen, so brauchen sie nur dort die Lichtung hinabzureiten. Da geht es nach der Einsiedelei Copmanhurst, wo ein gottesfürchtiger Anachoret haust, der gern sein Dach und seine Andacht in dieser Nacht mit ihnen teilen wird.“

Auf beide Vorschläge hatte der Prior nur ein Kopfschütteln. „Guter Freund,“ sagte er, „das Schellengeklingel hat dir den Verstand verwirrt, sonst müsstest du wissen: Clericus clericum non decimat, das heißt, wir Geistliche nehmen nicht gern unter uns die Gastfreundschaft in Anspruch, sondern wir lassen uns lieber von Laien bewirten und geben ihnen dadurch zugleich eine Gelegenheit, Gott zu dienen, indem sie seine treuen Diener ehren und laben.“

„Wahrhaftig,“ entgegnete Wamba, „obwohl ich nur ein Esel bin, so hab ich doch wie Euer Hochwürden Maultier die Ehre, Schellen zu tragen. Aber doch ist es mir nicht ganz begreiflich, weshalb die Wohltätigkeit gegen die Kirche und ihre Diener nicht wie andere Wohltätigkeiten bei sich selbst den Anfang machen sollte.“

„Halts Maul, dreister Lümmel,“ unterbrach der bewaffnete Reiter mit rauer, mächtiger Stimme Wambas Geschwätz, „sag uns den Weg zu – wie heißt doch gleich Euer Franklin, Prior Aymer?“

„Cedric,“ antwortete der Prior, „Cedric, der Sachse. Sag mir, guter Freund, sind wir nicht mehr weit von seinem Hause und wo führt der Weg dahin?“

„Der Weg ist schwer zu finden,“ sagte Gurth, jetzt zum ersten mal den Mund öffnend, „auch geht Cedrics Hausstand früh zur Ruhe.“

„Verschone mich mit solchem Gerede, Kerl,“ sagte der berittene Kriegsmann, „sie sind leicht wieder auf die Beine zu bringen, dass sie Reisende wie wir aufnehmen, denn wir haben keine Lust, um Gastfreundschaft zu betteln, wo wir befehlen können.“

„Ich weiß nicht,“ sagte Gurth finster, „ob ich den Weg zum Hause meines Herrn solchen Leuten zeigen darf, die das Obdach, um das sonst jedermann als eine Gunst bittet, als ihr Recht betrachten.“

„Keinen Widerspruch, Sklave!“ rief der Krieger, gab seinem Pferde die Sporen und ließ es eine halbe Wendung über den Pfad hinüber machen. Gleichzeitig schwang er die Reitgerte, um den Bauern für seine Frechheit zu züchtigen.

Gurth schleuderte ihm einen wilden rachsüchtigen Blick zu und legte mit stolzer, doch zaudernder Gebärde die Faust an den Griff seines Messers. Prior Aymer aber lenkte rasch sein Maultier zwischen seinen Gefährten und den Schweinehirten und beugte so der drohenden Gefahr vor, dass es zu Gewalttätigkeiten käme.

„Bei der heiligen Maria, Bruder Brian,“ rief er, „Ihr müsst nicht denken, Ihr wäret hier in Palästina und gebötet über Heiden, Türken oder ungläubige Sarazenen! Wir Inselbewohner nehmen nicht gern Schläge hin, außer denen, die die heilige Kirche erteilt, die die züchtiget, die sie liebt. – Sage mir, guter Freund,“ wandte er sich an Wamba, indem er ihm eine kleine Silbermünze in die Hand drückte, „wo geht der Weg zu Cedric, dem Sachsen? Gewiss weißt du’s, und es wäre deine Pflicht, Wanderern den Weg zu weisen, selbst wenn sie nicht von so heiligem Stande wären wie wir.“

„Wahrhaftig, ehrwürdiger Vater,“ antwortete Wamba, „Euer hochwürdiger Gefährte hat mir mit seinem Sarazenengrimm einen solchen Schreck eingejagt, dass ich selber gar nicht mehr weiß, wo es nach Hause geht.“

„Schweig,“ sagte der Abt, „wenn du willst, kannst du uns den Weg zeigen. Dieser hochwürdige Bruder hat sein Lebelang mit den Sarazenen um das heilige Grab gekämpft, er ist vom Orden der Tempelherren, von dem du gewiss schon gehört hast, er ist halb Mönch, halb Soldat.“

„Na denn,“ beschied ihn Wamba, „Euer Hochwürden muss auf diesem Pfad weiterreiten. Dann kommt Ihr an ein verfallenes Kreuz, das kaum einen Fuß hoch über den Boden wegsieht. Dann biegt Ihr nach links ein, denn an dem verfallenen Kreuz treffen vier Wege zusammen. Und dann glaub ich bestimmt, dass Euer Hochwürden unter Dach und Fach sein wird, eh’s Wetter losbricht.“

Der Abt dankte für den guten Bescheid, und die Kavalkade ritt, die Pferde anspornend, ihres Weges. Man merkte es ihnen an, dass sie es eilig hatten, in die Herberge zu kommen. Und als die Hufschläge ihrer Pferde verklungen waren, sagte Gurth zu seinem Gefährten:

„Wenn sie sich nach deiner klugen Weisung richten, werden sie schwerlich vor Einbruch der Nacht nach Rotherwood kommen.“

„Freilich,“ schmunzelte der Narr, „aber wenn sie Glück haben, kommen sie vielleicht nach Sheffield, und da passen sie ja hin. Ich bin kein solcher Pfuscher im edlen Weidwerk, dass ich dem Hunde zeige, wo das Wild liegt, wenn ich nicht will, dass er es jagen soll.“

„Da hast du recht,“ meinte Gurth, „es wär nicht gut, wenn Aymer die Lady Rowena zu sehen bekäme, und noch schlimmer wär’s, wenn Cedric mit diesem kriegerischen Mönch in Streit geriete, und das könnte doch sehr leicht geschehen, aber wir wollen, wie es guten Dienern ziemt, Augen und Ohren auf und das Maul zu haben.“

Die Reiter, die bald die Leibeigenen weit hinter sich gelassen hatten, unterhielten sich jetzt wieder in der normannisch- französischen Sprache.

„Jedes Land hat seine eigenen Sitten,“ sagte Prior Aymer, „und wenn ich Euch jetzt den Burschen hätte prügeln lassen, so hätten wir erstens keinen Bescheid bekommen, wo es nach Cedrics Hause geht, und zweitens hätte dann Cedric Rechenschaft von Euch verlangt. Denkt daran, ich habe Euch gleich gesagt, dieser reiche Franklin ist stolz, wild, reizbar und misstrauisch. Er behauptet die Vorrechte seines Stammes mit solcher Kühnheit und ist so stolz darauf, unmittelbar von Hereward, einem berühmten Kämpfer der Heptarchie abzustammen, dass er allgemein Cedric der Sachse heißt. Für ihn ist es eine Freude, ein Mann dieses Volkes zu sein, während andere ihre Abkunft gern verleugnen, weil sie befürchten, einen Teil des Vae Victis oder die Lasten der Besiegten tragen zu müssen.“

„Prior Aymer,“ sagte der Templer, „Ihr seid ein galanter Herr und im Studium weiblicher Schönheit wohl erfahren, aber diese vielgerühmte Rowena muss ich mir sehr schön vorstellen, wenn mich ihr Anblick für die Selbstverleugnung und Geduld entschädigen soll, die ich aufwenden muss, um einen so rebellischen Flegel, wie Ihr mir ihren Vater Cedric beschreibt, um den Bart zu gehen.“

„Ihr Vater ist Cedric nicht,“ erwiderte der Prior, „er ist nur ein entfernter Verwandter von ihr, sie ist von noch höherer Herkunft als er selbst. Er hat sie in Pflege genommen und hat sie lieb wie sein eigen Kind. Über ihre Schönheit werdet Ihr bald selbst urteilen, und wenn Euch ihre zarte weiße Haut und der majestätisch sanfte Ausdruck ihrer blauen Augen nicht alle schwarzhaarigen Mädchen Palästinas und alle Huris aus dem Paradiese Mahomets vergessen machen, so will ich ein Heide sein und kein echter Priester.“

„Wenn Eure berühmte Schönheit,“ versetzte der Templer, „auf der Wage gewogen und zu leicht befunden wird, so wisst Ihr ja, worum wir gewettet haben.“

„Meine goldene Halskette gegen zehn Flaschen Chioswein,“ war des Priors Antwort. „Gewinnt nur die Wette und tragt meine Kette! Doch hört auf meinen Rat, Bruder, und gewöhnt Eure Zunge mehr an Höflichkeit als es bisher im Herrschen über gefangene Ungläubige und morgenländische Leibeigene Eure Gepflogenheit war. Wenn sich Cedric der Sachse beleidigt fühlt, und dazu gehört nicht viel, so wird er sich wenig um Eure Ritterschaft oder um mein hohes Amt oder um die Heiligkeit von beiden scheren und kriegt es wohl fertig, uns beide an die Luft zu setzen und bei den Lerchen zur Herberge zu schicken, und wäre es auch schon Mitternacht. Auch seid vorsichtig, wenn Ihr nach Lady Rowena schaut, denn er hat mit misstrauischer Sorge Acht auf sie. Wenn er den mindesten Verdacht schöpft, so sind wir verloren. Es geht das Gerücht, er habe seinen eigenen Sohn aus seiner Familie verbannt, weil er die Augen mit Liebesglut zu ihrer Schönheit erhoben habe. – Doch hier ist das verfallene Kreuz, von dem der Narr sprach. Die Nacht ist so finster, dass man nicht sehen kann, welcher Weg einzuschlagen ist. Ich glaube, er sagte, wir müssen uns links halten.“

„Nein, rechts, wenn ich mich recht erinnere,“ sagte Brian. 20

Jeder verteidigte nun hartnäckig seine Meinung. Die Diener wurden gerufen, aber sie waren nicht nahe genug gewesen, als dass sie Wambas Bescheid hätten hören können.

Endlich erkannte Brian etwas, das ihm in der Dunkelheit bisher entgangen war.

„Hugo!“ rief er, „am Fuße des Kreuzes liegt einer und schläft, oder es ist vielleicht ein Toter. Gib ihm einen Stoß mit der Lanze!“

Als dies geschehen war, erhob sich die Gestalt und rief auf gut französisch: „Wer du auch sein magst, es ist unhöflich, mich in meinen Gedanken zu stören.“

„Wir wollen von dir nur wissen, wo es nach Rotherwood geht, zu Cedric dem Sachsen.“

„Da will ich selber hin,“ antwortete der Fremde, „und wenn ich ein Pferd hätte, so wollte ich Euch schon führen, der Weg ist schwer zu finden, aber ich kenne ihn genau.“

„Lohn und Dank harren dein, mein Freund, wenn du uns sicher zu Cedric bringst,“ sagte der Prior.

Er rief seinen Diener und bestieg sein eigenes Ross, das bisher geführt worden war, während er seinen Maulesel dem Fremden überließ.

Ihr Führer schlug einen anderen Weg ein als Wamba ihnen genannt hatte, der sie ja nur hatte irreführen wollen. Der Pfad führte tiefer in den Wald hinein und über manchen Bach, der, von Sumpf umgeben, schwer zu passieren war, aber der Fremde fand stets die sichersten Stellen und hatte die anderen binnen kurzem auf eine breite Allee gebracht. Auf ein großes niedriges und unregelmäßiges Gebäude zeigend, rief er: „Dies ist Rotherwood, das Haus Cedrics des Sachsen!“

Der Prior Aymer, den dieser Ruf aus Angst und Unruhe befreite, wandte sich jetzt zum ersten Mal an den Wegweiser mit der Frage, wer und woher er sei.

„Ein Pilgrim, der eben aus dem heiligen Lande zurückgekehrt ist,“ war die Antwort.

„Ihr hättet dort bleiben sollen und um das heilige Grab kämpfen,“ sagte der Templer.

„Freilich, hochwürdiger Herr,“ entgegnete der Pilger, dem der Anblick eines Tempelherrn nichts Neues zu sein schien, „wenn aber Männer, die durch Eid verpflichtet sind, die heilige Stadt zu erobern, so fern vom Schauplatz ihrer Pflichten herumreisen, wie kann es Euch da Wunder nehmen, dass ein so friedlicher Landmann wie ich nicht seinem Vorsatz treu geblieben ist?“

Der Templer wollte eine zornige Antwort geben, der Prior aber unterbrach ihn, indem er sein Erstaunen äußerte, dass sich der Führer nach so langer Abwesenheit noch so gut im Walde zurechtfände.

„Ich bin in dieser Gegend geboren,“ antwortete der Pilger.

Jetzt standen sie vor Cedrics Hause, einem niedrigen, unregelmäßigen Bau, der, mehrere Umzäunungen und Abteilungen eingerechnet, einen ziemlich großen Raum bedeckte. Obwohl man an der Form erkennen konnte, dass es einem reichen Manne gehörte, so war es doch grundverschieden von jenen hohen, vieltürmigen, schlossartigen Gebäuden, deren Stil in ganz England der herrschende geworden ist. Rotherwood war nicht ohne Befestigung, die in dieser unruhigen Zeit kein Gebäude entbehren konnte, wenn es nicht Gefahr laufen wollte, über Nacht in Brand gesetzt oder geplündert zu werden. Das ganze Haus umschloss ein tiefer Graben, der sein Wasser aus dem nächsten Strome erhielt. Er war durch doppelte Palisaden verstärkt, deren Pfahlwerk der angrenzende Wald geliefert hatte. Vom Westen her führte eine Zugbrücke herein, deren Zugang noch besonders durch vorspringende Wälle gesichert war. Vor diesem Eingang stieß jetzt der Templer laut ins Horn, denn der Regen, der längst loszubrechen gedroht hatte, fiel nun endlich in Strömen.

Drittes Kapitel.

In einer Halle, deren geringe Höhe mit ihrer Länge und Breite gar kein rechtes Verhältnis hatte, stand ein langer, eichener Tisch, der aus roh behauenen Planken des nahen Waldes gefertigt und kaum ein wenig abgehobelt worden war. Auf dieser Tafel wurde bei Cedric dem Sachsen das Abendessen aufgetragen. Das Dach der Halle bestand aus Bohlen und Strohbelag. An jedem Ende war eine große 22 Feuerstätte, da die Kamine aber sehr primitiv waren, so ging fast ebenso viel Rauch in das Gemach wie zum Schornstein hinaus. Von dem fortwährenden Qualm waren die Balken der Decke mit einem schwarzen Firniss von Ruß bedeckt. Die Wände waren mit Waffen und Jagdgerät behängt, und an jeder Ecke führten Flügeltüren in andere Teile dieses umfangreichen Gebäudes. Was sonst im Hause zu sehen war, entsprach gleichfalls der rohen Einfachheit der Sachsenzeit, an der Cedric festzuhalten entschlossen war. Der Vorsaal war aus Erde und Lehm, die miteinander vermengt und festgestampft waren nach Art von Scheunentennen. Etwa ein Viertel des Gemaches lag um eine Stufe höher, und dieser Teil, der sogenannte Baldachin, war für die Mitglieder der Familie und für vornehme Gäste bestimmt.

Quer über diesen Raum hinweg stand ein Tisch mit einer scharlachenen Decke; von seiner Mitte ging der längere und niedrigere Tisch aus, an dem in der Tiefe der Halle die Dienerschaft und die anderen geringeren Leute speisten. Auf der erhöhten Fläche standen massige Stühle von geschnitztem Eichenholz, und über Stühle und Tafel hin war ein Thronhimmel von Linnen gespannt, der die Plätze der Vornehmen ein wenig vor Wetter und Regen schützte, die oft durch das schadhafte Dach drangen. Und soweit der Thronhimmel reichte, waren die Wände dieses höher gelegenen Teiles der Halle mit Tapeten und Vorhängen bekleidet, und die Diele bedeckte ein Teppich. Plumpe Versuche der Web- und Stickkunst, in grellen, fast schreienden Farben ausgeführt, bildeten ihren Zierrat. Über der niederen Tafel lag die kahle Decke, die mit Gips beworfenen Wände waren nackt, und der raue Boden hatte keinen Teppich. Auch war keine Decke über den Tisch gebreitet, und an Stelle der Stühle standen lange Bänke. Die beiden Mittelsitze der oberen Tafel waren ein wenig höher als die übrigen. Das waren die Plätze des Herrn und der Frau vom Hause, und neben beiden Sesseln stand auch zum äußeren Zeichen ihrer höheren Würde eine Fußbank von seltsamer, mit Elfenbein ausgelegter Schnitzerei.

Auf dem einen dieser Sessel saß jetzt Cedric der Sachse. Aus seinen Zügen sprach große Biederkeit, aber auch eine23 heftige, zornige Gemütsart. Er war nicht über Mittelgröße, aber breit in den Schultern und langarmig und stark gebaut, und man sah es ihm an, dass er an die Strapazen von Krieg und Jagd gewöhnt war. Er hatte ein breites Gesicht, große, blaue Augen, einen offenen, geradsinnigen Ausdruck, prächtige Zähne und einen hübsch geformten Schädel und war von jener Art froher Laune, die man oft im Verein mit einem vorschnellen, jähzornigen Gemüt antrifft. Sein Auge blitzte Stolz und Eifersucht, denn bisher war seines ganzen Lebens Arbeit darauf gerichtet gewesen, seine Rechte gegen beständige Angriffe zu verteidigen. Sein langes, gelbes Haar war in der Mitte gescheitelt und von jeder Seite auf die Schulter herabgekämmt; es war noch kaum merklich mit Grau vermischt, obgleich Cedric der Sachse schon nahe den Sechzigern war. Er trug einen grasgrünen Leibrock, der an Hals und Ärmelaufschlägen mit Pelzwerk besetzt war. Dieser Kittel hing offen über einem engeren Rock von scharlachener Farbe, der den Leib fest umschloss. Beinkleider von derselben Farbe reichten nur bis an die Knie herab, die sie ganz frei ließen. An den Füßen trug er Sandalen, die vorn goldene Hefteln hatten. Seinen Leib umschlang ein mit Knöpfen reich besetzter Gürtel, in dem ein kurzes, nicht gebogenes, zweischneidiges Schwert fast senkrecht steckte. An Schmucksachen trug er ein goldenes Halsband und goldene Armbänder. Ein scharlachroter Mantel mit Pelzbesatz hing hinter seinem Sessel, und wenn er ausging, vervollständigte eine reich gestickte Mütze aus dem gleichen Stoff den Anzug des reichen Grundbesitzers. An der Lehne seines Stuhles stand ein Wurfspieß mit scharfer stählerner Spitze, den er je nach Bedarf als Spazierstock oder als Waffe gebrauchte. Mehrere Diener, in deren Tracht manche Abstufung von der reichen Kleidung ihres Herrn bis zur einfachen Gewandung Gurths des Schweinehirten zu erkennen war, standen seiner Befehle gewärtig. Ferner waren ein paar große, gefleckte Windspiele da, wie man sie zur Hatz auf Hirsch und Wolf braucht, dann ein paar Hunde von plumper, knochiger Art mit dickem Nacken und langen Ohren, und endlich noch ein paar kleine Dachshunde.

Cedric war eben nicht in gemütlicher Stimmung. Lady Rowena, die grade von einer Abendmesse zurückkam, wechselte ihre durchnässten Kleider. Noch war keine Nachricht gebracht worden, ob Gurth und seine Herde gut heimgekommen seien, und doch hätten sie schon längst da sein müssen. So wenig sicher war alle Habe, dass ihr Ausbleiben auf den Überfall einer Räuberbande, von denen es im Walde wimmelte, oder auf eine Gewalttat eines benachbarten Barons zurückgeführt werden konnte, der im Bewusstsein seiner Übermacht fremdes Eigentum nicht achtete. Hierin lag Grund genug zu ernster Besorgnis, außerdem aber verlangte es den sächsischen Thane nach seinem Liebling Wamba, dessen Späße ihm, wie sie auch ausfallen mochten, das Abendmahl und die darauffolgenden tüchtigen Becherzüge tagtäglich würzten.

„Warum weilt Gurth solange im Felde?“ fragte er. „Ich fürchte, wir werden Schlimmes von der Herde hören. Mir ahnt schon – sie haben mir mein Eigentum weggetrieben und meinen treuen Sklaven ermordet. Und Wamba – wo ist Wamba? Sagte man mir nicht, er sei mit Gurth gegangen?“

Der Mundschenk Oswald, der ihm ab und zu einen silbernen Becher voll Wein reichte, bejahte die Frage.

„Immer besser! So haben sie ihn auch mit weggeschleppt, und der sächsische Narr soll nun den normannischen Herren dienen. Wir sind ja freilich allesamt nichts weiter als Narren, dass wir ihnen dienen, und sie könnten nicht mit mehr Recht unser spotten, wenn wir mit der Hälfte unseres Verstandes zur Welt gekommen wären. Aber ich will Rache nehmen,“ rief er, indem er zornig von seinem Sitze aufsprang und seinen Speer ergriff. „Ich will Rache nehmen! Vor den hohen Rat will ich mit meiner Klage treten – ich habe Freunde und Anhang. Ich will den Normann zum Zweikampf in die Schranken rufen, Mann gegen Mann! Mag er nur kommen in Stahlpanzer und Schuppenketten und allem, was dem Feigen Mut verleiht. – Wohl mögen sie mich für alt halten, aber sie sollen sehen! Ob ich auch alt und kinderlos bin, noch fließt das Blut Herewards in den Adern Cedrics. – O, Wilfried, Wilfried!“ fügte er in sanfterem Tone hinzu.

„Hättest du deine unkluge Leidenschaft zügeln können, so stände jetzt dein Vater in seinem Alter nicht da wie die einsame Eiche, die ihre zerzausten Zweige schutzlos dem vollen Sturme preisgeben muss.“

Diese Betrachtung schien ihn aus seiner Aufregung in Schwermütigkeit zu versenken, er stellte den Speer hin, setzte sich, schlug den Blick zur Erde und schien ganz in trübsinnige Gedanken vertieft. Aber aus dieser Grübelei schreckte ihn der Klang eines Zornes auf, den alle Hunde in der Halle und noch einige dreißig in den anderen Teilen des Geweses mit lautem Gebell erwiderten.

„Ans Tor, ihr Burschen!“ rief der Sachse, als der Lärm soweit gestillt war, dass man wieder seine eigene Stimme verstehen konnte. – „Seht zu, was für Kunde uns dieses Horn bringt. Ich denke, Überfall und Räuberei auf meinem Grund und Boden!“

Nach einer kleinen Weile kam ein Aufseher zurück und meldete, der Prior Aymer von Jorlvaux und der Komtur des tapferen und ehrwürdigen Ordens der Tempelherren, der edle Ritter Brian de Bois-Guilbert nebst einem kleinen Gefolge bäten für diese Nacht um gastliche Herberge. Sie seien unterwegs zu einem Turnier, das in zwei Tagen unweit Ashby de la Zouche stattfinden soll.

„Aymer, Prior Aymer?“ murmelte Cedric. „Brian de Bois-Guilbert? beides Normannen! Doch einerlei! Die Gastfreundschaft von Rotherwood muss hochgehalten werden – da sie es einmal vorgezogen haben hier Rast zu machen, so sind sie willkommen, willkommener freilich wäre es mir, sie zögen vorüber. Geh, Hundebert!“ sagte er zu dem Hausverwalter, „nimm sechs von den Dienern mit und geleite die Fremden herein. Sieh nach den Pferden und Maultieren und sorge dafür, dass es dem Gefolge an nichts fehlt. Gib frische Kleider, wenn sie danach verlangen, und Feuer, Waschwasser, Wein und Bier! Sag auch den Köchen Bescheid, dass sie mehr Essen machen! Und den Fremden selber bestelle, Cedric würde sie gern selbst willkommen heißen, aber er habe ein Gelübde getan, sich keine drei Schritte von seinem Thronhimmel zu entfernen, sofern nicht ein Gast kommt, der aus sächsischem Königsblute stammt. Der Prior Aymer?“ wiederholte er, sich zu seinem Mundschenk wendend, „man sagt, dieser Priester sei ein lustiger und freisinniger Mann, dem Becher und Hifthorn lieber seien als Betglöcklein und Meßbuch. Den lern ich gern kennen. Wie aber hieß der Templer?“

„Brian de Bois-Guilbert.“

„Bois-Guilbert,“ sagte Cedric vor sich hin wie einer, der viel mit Untergebenen zusammen ist und daher mehr mit sich selbst als mit anderen spricht. „Bois-Guilbert. – Der Name hat guten und schlimmen Klang weit und breit. Er soll an Tapferkeit keinem seines Ordens nachstehen, soll aber auch die gewöhnlichen Fehler seinesgleichen haben: Stolz und Hochmut, Grausamkeit und Wollust. Er soll weder Furcht vor der Welt noch Ehrfurcht vorm Himmel haben, wie die wenigen Krieger sagen, die aus Palästina wiedergekommen sind. Oswald, zapf ab vom ältesten Weine und gib vom besten Met, vom schäumendsten Cyder und füll die größten Trinkhörner! Templer und Äbte sind Freunde von gutem Tropfen und vollem Maß. Und du, Elgitha, sage deiner Herrin, wir erwarten sie heute Abend nicht in der Halle, wenn sie selbst nicht den besonderen Wunsch hat zu kommen.“

„Den Wunsch wird sie freilich wohl haben, denn sie hört gar zu gern etwas Neues aus Palästina,“ beeilte sich Elgitha zu antworten. Cedric warf der vorlauten Zofe einen grimmigen Blick zu, aber Rowena und alles, was ihr angehörte, war vor seinem Zorne sicher.

„Palästina!“ wiederholte der Sachse, als das Mädchen gegangen war. „Palästina! Wie manches Ohr lauscht den Berichten, die übertreibende Kreuzfahrer oder lügnerische Pilger aus diesem unglücklichen Lande mit heimbringen. – Auch ich möchte forschen, fragen, klopfenden Herzens den Märchen lauschen, mit denen uns pfiffige Wanderer die Gastfreundschaft abschwatzen. Doch nein! Der Sohn, der mir den Gehorsam verweigert hat, ist fürder nicht mein Sohn, und ich will mich ebensowenig um sein Schicksal bekümmern wie um das des Verworfensten unter all den Millionen, die das Kreuz auf der Schulter trugen und sich in Ausschweifung und Blutschuld stürzten unter dem Deckmantel, den Willen Gottes zu tun.“

Er kniff die Brauen finster zusammen und sah ein Weilchen zu Boden, und als er die Augen wieder aufschlug, waren die Flügeltüren in der Tiefe der Halle geöffnet, der Hausverwalter mit seinem weissen Stabe trat herein, vier Diener mit Fackeln folgten ihm, und hinterdrein schritten die Gäste dieses Abends.

Viertes Kapitel.

Prior Aymer hatte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, sein Reitkostüm abzulegen und in einem Anzug aus feinerem Stoffe zu erscheinen, über dem er einen Chorrock mit prachtvoller Stickerei trug. Außer dem großen Siegelring, an dem sein Rang als Geistlicher zu erkennen war, hatte er, im Widerspruch zu den Ordensregeln, noch viele kostbare Ringe an den Fingern. Seine Sandalen waren aus feinstem Leder, und den Bart hatte er so zierlich gestutzt, als es sich nur irgend mit den Vorschriften vertrug. Die Tonsur wurde von einer scharlachroten Mütze verdeckt. Auch der Tempelherr erschien in anderem Kleide. Seine Erscheinung, weniger mit Schmuck überladen als sein Gefährte, machte einen gebieterischen Eindruck. Statt seines Panzerkleides trug er ein Untergewand aus purpurner Seide mit Pelz verbrämt, über den ein langes Oberkleid von fleckenloser Weiße in weiten Falten herabfiel. Das achteckige, aus schwarzem Samt geschnittene Kreuz seines Ordens war auf die Mantelachsel genäht. Er trug nicht mehr die hohe Scharlachmütze, seine Stirn war nur noch beschattet von seinem vollen, krausen, rabenschwarzen Haar, das ihn bei seinem ungewöhnlich dunkeln Teint gut kleidete. Sein Gang und seine Haltung wirkten majestätisch, nur ein auffallender Ausdruck des Hochmutes, wie er einem Manne von unbeschränktem Ansehen leicht zur zweiten Natur wird, beeinträchtigte ein wenig die imposante Wirkung. Hinter diesen beiden hohen Herren kamen die Diener, und in bescheidener Entfernung der Wegweiser, an dem nur das eine auffiel, dass seine Tracht von dem gebräuchlichen Habit der Pilger abwich. Ein groberMantel umschloß den ganzen Körper. Derbe Sandalen waren mit Riemen an seine nackten Füße gebunden. Ein breiter Hut, der an der Krempe mit Muscheln besetzt war, und ein langer, eisenbeschlagener Stab vervollständigten die Ausstattung des Pilgers. Bescheiden schritt er hinter den anderen drein, und als er sah, dass an der niedrigen Tafel kaum Platz für Cedrics Dienerschaft war, zog er sich auf einen Sitz neben einem der breiten Kamine zurück und schien hier seine Kleider trocknen und so lange warten zu wollen, bis am Tisch ein Platz frei oder ihm der Haushofmeister Speise und Trank an seinen Platz bringen würde.

Cedric erhob sich und empfing seine Gäste mit aller Würde der Gastlichkeit. Er kam von seiner Thronerhöhung herab und ging ihnen drei Schritte entgegen, ihrer Ankunft harrend.

„Hochwürdiger Prior,“ sagte er, „es tut mir leid, dass mich ein Gelübde bindet, auf der Diele meiner Väter irgendwem weiter entgegen zu gehen, seien es auch so hohe Gäste wie Ihr und der tapfere Ritter des heiligen Tempels. Aber mein Haushofmeister hat Euch den Grund mitgeteilt, warum ich so unhöflich erscheinen muss. Ich muss Euch gleichfalls ersuchen, es mir nicht zu verübeln, wenn ich mich meiner Muttersprache bediene und Euch bitte, mir auch in ihr zu antworten. Doch wenn Ihr ihrer nicht mächtig seid, so verstehe ich vom Normannischen genug, dass ich Euern Worten folgen kann.“

„Gelübde,“ sagte der Abt, „müssen gehalten werden, würdiger Franklin, oder lasst mich lieber sagen würdiger Thane, obschon dieser Titel jetzt veraltet ist. Gelübde sind Bande, die uns an den Himmel knüpfen. Was die Sprache betrifft, so will ich mich gern in der unterhalten, die meine Großmutter gesprochen hat.“

Nach diesen versöhnlich gemeinten Worten des Priors sagte sein Gefährte in kurzem nachdrücklichen Tone:

„Ich spreche stets Französisch, die Sprache Richards und seiner Edeln, doch verstehe ich auch Englisch genug, um mich mit den Eingeborenen unterhalten zu können.“

Cedric warf ihm einen raschen unruhigen Blick zu, aber er gedachte seiner Pflichten als Wirt und unterdrückte jedeweitere Äußerung seines Unwillens. Er winkte seinen Gästen, zwei Sitze neben ihm einzunehmen, die nur ein wenig niedriger waren als der seine. Dann gab er das Zeichen, das Abendessen aufzutragen. Während die Befehle des Herrn ausgeführt wurden, gewahrte Cedric den Schweinehirten Gurth, der eben mit Wamba hereintrat.

„Warum habt Ihr so lange draußen herumgebummelt?“ rief ihnen der Sachse zu. „Ist deine Herde in Sicherheit oder ist sie Räubern zur Beute gefallen?“

„Sie ist in Sicherheit,“ antwortete Gurth.

„In Sicherheit, Spitzbube!“ schalt Cedric. „Hab ich nicht hier zwei Stunden lang in Angst geschwebt und auf Rache gegen meine Nachbarn gesonnen wegen eines Unrechtes, das sie mir nun gar nicht zugefügt haben? Prügel und Kerker sind dir sicher, wenn du mirs noch einmal so treibst.“

Gurth, der seines Herrn Jähzorn kannte, wagte nicht, sich zu entschuldigen. Das Abendessen, das jetzt aufgetragen wurde, machte dem Wirt alle Ehre. Mannigfaltig zubereitetes Schweinefleisch stand am unteren Ende der Tafel, Geflügel-, Hasen-, Bock- und Hirschbraten, verschiedene Fische, große Kuchen und eingemachte Früchte. Die Herrschaft hatte silberne Becher, auf der Gesindetafel standen große Trinkhörner. Als eben die Mahlzeit beginnen sollte, hob der Haushofmeister den Stab und rief laut:

„Platz für Lady Rowena!“

Am oberen Ende der Halle ging eine Seitentür auf und Rowena trat, von vier Zofen begleitet, herein. Cedric war nicht angenehm überrascht, dass sein Mündel an diesem Abend doch kam, er erhob sich aber sofort und ging ihr rasch entgegen, um sie ehrfurchtsvoll zu dem für die Herrin des Hauses bestimmten erhöhten Platz zu seiner Rechten zu geleiten. Nun standen alle auf, sie zu begrüßen, die Lady erwiderte diese Höflichkeit mit einer stummen Verbeugung und schritt voller Anmut zu ihrem Platz am Tische, aber noch ehe sie ihn erreicht hatte, flüsterte der Templer dem Prior zu:

„Ich werde beim Turnier kein goldenes Halsband von Euch tragen, Ihr habt den Chioswein gewonnen.“

„Hab’ ichs Euch nicht gleich gesagt?“ versetzte der Abt, “doch mäßigt Euch in Euerm Entzücken, der Franklin hat Euch im Auge.“

Rowena war von hoher Gestalt. Sie hatte eine außerordentlich feine und zarte Haut, aber bei ihrer edlen Haltung und dem erhabenen Ausdruck ihres Angesichts fehlte der inhaltlose Zug, der oft vollendeten Schönheiten eigen ist. Ihre Augen waren blau und klar und schienen ebensogut flammen wie schmachten, befehlen wie bitten zu können. Ihr reiches Haar spielte zwischen braun und blond und war in phantastischer und zugleich geschmackvoller Art in zahllose Locken gekräuselt, wobei die Natur durch Kunst unterstützt worden zu sein schien. Diese Locken waren mit Edelsteinen geschmückt, eine goldene Kette mit einer Reliquie von gleichem Metall zierte ihren Nacken, an den bloßen Armen trug sie Armbänder. Ihr Anzug bestand aus Unterkleid und Mieder von blasser, seegrüner Seide, darüber trug sie ein langes, weites Gewand, das fast bis auf den Boden reichte. Das Kleid war aus reinster Wolle und von karmoisinroter Farbe. Ein seidener golddurchwirkter Schleier konnte entweder über Busen und Gesicht gezogen oder um die Schultern geschlungen werden. Als Rowena sah, dass die Augen des Templers voll Feuer auf sie geheftet waren, zog sie würdevoll den Schleier über ihr Gesicht, wie um anzudeuten, dass ihr ein so kecker Blick unangenehm sei.

„Herr Templer,“ sagte Cedric, der diese Gebärde sah und ihre Ursache erkannte, „die Wangen unserer Jungfrauen im Sachsenland sind zu wenig an die Sonne gewöhnt, als dass sie den dreisten Blick eines Kreuzfahrers ertragen könnten.“

„War ich beleidigend, so bitte ich um Verzeihung, das heißt, ich bitte Lady Rowena um Verzeihung,“ erwiderte der Templer, „denn weiter geh ich in der Demut nicht.“

„Spart Euch die Artigkeiten, Herr Ritter,“ sagte Rowena, ohne den Schleier wieder zu lüften, „oder erlaubt mir vielmehr, sie so hoch anzurechnen, dass ich Euch um Nachrichten aus Palästina ersuche, die englischen Ohren lieber sind als alle Komplimente, die Euch französische Galanterie gelehrt haben mag.“

„Da habe ich wenig Nennenswertes zu erzählen, Mylady,“ antwortete Sir Brian de Bois-Guilbert, „außer dass sich die Nachricht von dem Waffenstillstand mit Saladin bestätigt hat.“

In diesem Augenblick wurde das Gespräch unterbrochen, denn der Türhüter trat herein und meldete, es sei ein Fremder vorm Tor, der um Unterkunft bitte.

„Wer es auch sein mag,“ sagte Cedric, „lasse ihn herein. Solch eine Nacht, wo das Wetter fessellos wütet, treibt selbst wilde Tiere dazu, bei den zahmen Schutz zu suchen und zu ihrem Todfeinde, dem Menschen, zu flüchten, ehe sie im Sturme zugrunde gehen. Sieh danach, Oswald, dass es ihm an nichts fehle.“

Der Haushofmeister ging hinaus, um dafür Sorge zu tragen, dass seines Herrn Weisungen befolgt würden.

Oswald kam wieder und flüsterte seinem Herrn ins Ohr: „Es ist ein Jude, der sich Isaak von York nennt. Darf ich ihn hereinführen?“

„Gib dein Amt an Gurth ab,“ sagte Wamba mit seiner gewohnten Keckheit. „Der Schweinehirt paßt besser zum Zeremonienmeister für Juden.“

„Heilige Maria!“ rief der Abt. „Soll ein ungläubiger Jude in unsere Gemeinschaft?“

„Ein Hund von einem Juden soll einem Verteidiger des heiligen Grabes nahe kommen?“ setzte der Templer hinzu.

„Meiner Treu!“ meinte Wamba, „mir scheint, die Templer lieben mehr das Gold der Juden als ihren Umgang.“