Warum der Mond so erschrocken guckt - Elisabeth Lucas - E-Book

Warum der Mond so erschrocken guckt E-Book

Elisabeth Lucas

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Beschreibung

Das Geheimnis hinter den Klängen einer Drehorgel, ein stummer Junge, der durch einen älteren Freund seine Stimme wiederfindet, oder die Erklärung, warum der Mond so erschrocken guckt. Elisabeth Lucas entführt uns in eine märchenhafte Welt voller Gefühle und Magie ... und lässt uns mit einem Zauber im Herzen zurück. Ein Sammlung von Kurzgeschichten mit wunderschönen Illustrationen der Kinderbuchautorin Cally Stronk.

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„Das Efeu rankt die Mauer hoch, als ob es sie umarmen möchte.“

Elisabeth Lucas

Inhalt

Eine besondere Freundschaft

Da Gianpaolo

Der Bäcker von Calcata

Warum der Mond so erschrocken guckt

Johanns Drehorgel

Eine große Liebe

Vom Fliegen ins Nimmerland

Die verlorene Wette

Die geliehene Stimme

Die geheimnisvolle Schreibmaschine

Die Suche nach dem Schatz am Ende des Regenbogens

Das Wunschband

Das magische Bild

Der Hässliche

Die Wunschperle

Der Schneekugelzauber

Eine besondere Freundschaft

Ich erzähle euch heute die Geschichte des alten Griesgrams, Herrn Klein, und seines zugelaufenen Streuners.

Herr Klein war fast zwei Meter groß. Seine Stirn war von Zornesfalten zerfurcht und sein Kopf war nur noch von ein paar Härchen bedeckt. Sein Bauch wölbte sich über seinen Hosengürtel. Aufgrund eines Autounfalls vor ein paar Jahren, hinkte er mit seinem linken Bein. Fast zehn Jahre lebte er nun in einem Häuschen am Rande einer kleinen Stadt mit nur 8000 Einwohnern. Das Häuschen hatte er von seinen Eltern geerbt.

Es gab ein Zimmer in dem Häuschen, in dem ein Schreibtisch stand. Die Schublade des Schreibtisches war verschlossen und das Zimmer betrat Herr Klein fast nie. Den Grund dafür erfahrt ihr später.

Sein Garten war alles andere als gepflegt. Überall wucherte das Unkraut und das Gras war fast schon einen Meter hoch. Und es kam auch schon mal vor, dass Herr Klein aus einer Laune heraus Blumen zertrampelte oder mit Nüssen nach Eichhörnchen warf, um sie aus seinem Garten zu vertreiben.

Seit zwei Jahren war Herr Klein Rentner. Er hatte fast vierzig Jahre als Busfahrer gearbeitet. Seine Arbeit hatte er gehasst, so wie er eigentlich alles hasste. Er mochte keine Sonnenstrahlen, und auch nicht den Sternenhimmel. Ihm gefielen weder Musik noch gutes Essen oder Spaziergänge in der Natur. Auch Weihnachten und Ostern verabscheute er. Diese Feste waren für ihn nur Geldverschwendung, so dass er sie nie feierte. Herr Klein hatte auch keine Freunde oder Familie, mit denen er diese hätte feiern können.

Der alte Griesgram war einsam. Doch diese Einsamkeit hatte er sich selbst ausgesucht. Er war schroff und unfreundlich zu jedem. So kam es auch schon mal vor, dass er seine Nachbarn beschimpfte oder den Postboten beleidigte. Das Einzige, was Herr Klein in seinem Garten tat, war, täglich seine Zeitung auf einer Gartenbank zu lesen – egal bei welchem Wetter: ob Sonnenschein, Regen oder Schnee. Oftmals fluchte er dabei über die Geschehnisse in der Welt.

Eines Tages im Sommer, als Herr Klein wieder einmal auf seiner Gartenbank saß, spürte er einen warmen Lufthauch an seinem rechten Hosenbein. Er blickte runter und entdeckte einen verstrubbelten Hund, der an seinem Hosenbein schnupperte. Es war ein kleiner Streuner, ungefähr so groß wie ein Pudel mit braunen Knopfaugen, die Herrn Klein liebevoll ansahen.

Der alte Griesgram schüttelte sein Bein und rief: „Hau ab!“ Der Hund wich zurück, kurze Zeit später schnupperte der Streuner jedoch erneut an Herrn Kleins Hosenbein.

Herr Klein schüttelte wieder sein Bein, um den Hund zu vertreiben. Doch es half nichts. Schließlich hob er ihn hoch, brachte ihn vor das Gartentor und schloss das Tor hinter ihm.

Herr Klein ging zurück zur Bank. Er konnte seinen Augen kaum trauen. Vor der Bank saß der Streuner mit einem Stöckchen in der Schnauze und wedelte mit seinem Schwanz. Er legte das Stöckchen vor Herrn Klein ab und bellte. Herr Klein überlegte einen Moment. Dann ging er zum Gartentor und warf das Stöckchen so weit er nur konnte. Der Streuner rannte dem Stöckchen hinterher. Herr Klein schloss schnell das Gartentor ab und ging zurück zur Gartenbank. Mittlerweile ging langsam die Sonne unter.

Als Herr Klein wieder zur Bank kam, saß der Hund erneut vor der Bank mit dem Stöckchen im Mund und wedelte mit seinem Schwanz. Herr Klein konnte es nicht fassen.

Er hatte nun endgültig genug. Er ging durch die Gartentür zurück in seinen Garten, dann zog er sich in sein Haus zurück und schloss ab.

Er war auf dem Weg in sein Bett, als er das Jaulen des Hundes hörte.

Der alte Griesgram legte sich schlafen. Er nahm das Kissen und bedeckte damit seine Ohren. Doch es half nichts. Er konnte das Jaulen des Hundes immer noch hören. Für ihn war es unmöglich, so einzuschlafen. Schließlich stand er auf und ging zur Gartentür und ließ den Streuner ins Haus.

Der lief in die Küche und beschnupperte die neue Umgebung. Müde setzte sich Herr Klein auf einen Stuhl. Der Hund sprang auf Herrn Kleins Schoß und rollte sich zusammen. In diesem Moment fühlte Herr Klein sich irgendwie überrumpelt. Er wusste nicht, was er machen sollte. Schließlich setzte er den Streuner auf den Boden. Der Hund wedelte mit seinem Schwanz und bellte.

Ob ihr es glaubt oder nicht: Plötzlich war Herr Klein dem Streuner gegenüber nicht mehr so abweisend. Er brachte ihm sogar eine Decke, die er auf den Boden legte. Der Hund legte sich hin und schlief sofort ein. Auch Herr Klein ging zurück in sein Schlafzimmer und legte sich ins Bett. Auch er schlief sofort ein.

In der Nacht spürte Herr Klein etwas Feuchtes und Warmes an seiner Wange.

Er öffnete die Augen. Neben ihm lag der Hund, der Herrn Kleins Wange liebevoll leckte.

Der Streuner blickte ihn mit seinen Knopfaugen treu ergeben an. Der alte Griesgram konnte seinem liebevollen Blick nicht entfliehen. Er spürte ein längst vergessenes Gefühl von Wärme.

Er ließ den Hund bei sich bleiben. Später in der Nacht stand Herr Klein auf und ging zur Schreibtischschublade und nahm ein Fotoalbum heraus. Dieses Album hatte er sich eigentlich nie wieder angucken wollen. Er hatte sogar nie wieder dieses Zimmer betreten wollen.

Der Streuner folgte ihm und setzte sich neben Herrn Klein, der sich auf einen Sessel gesetzt hatte. Herr Klein blätterte in dem Fotoalbum. Sein Blick fiel auf das alte Klassenfoto. Er zeigte auf einen Jungen.

„Das war ein ganz mieser Hund“, sagte Herr Klein. Der Streuner jaulte auf.

„Entschuldige“, sagte Herr Klein. „Das war eine miese Ratte!“

Wieder jaulte der Hund auf.

„Ach, du weißt schon, was ich meine!“, sagte Herr Klein.

„Das war jahrelang mein bester Freund, aber dann hat er angefangen, mich mit den anderen zu ärgern. Nur weil er dazugehören wollte. Das brach mir das Herz!“, erzählte Herr Klein und musste mit den Tränen kämpfen. So stark waren die Verletzungen immer noch.

Der Hund legte seinen Kopf auf den Schoß von Herrn Klein, um ihn zu trösten.

Herr Klein erzählte die ganze Nacht durch und der Streuner hörte ihm geduldig zu.

Als schließlich die Sonne aufging, nahm Herr Klein den Hund und setzte ihn vor das Gartentor. Er zögerte, doch dann schloss er das Tor wieder ab und ging zur Bank. Vor der Bank saß der Streuner und wedelte mit seinem Schwanz. Herr Klein lief zu dem Hund und streichelte ihm über sein Köpfchen.

Seit diesem Moment waren die beiden unzertrennlich. Jeden Morgen brachte ihm der Hund, den Herr Klein Waldemar taufte, die Zeitung. Er las, während Waldemar neben ihm saß. Oft machten die beiden lange Spaziergänge in der Natur. Herr Klein begann sogar Spaß daran zu finden. Waldemar war stets an seiner Seite. Abends saßen sie oft gemeinsam auf der Bank und schauten in den Sternenhimmel.

Da Gianpaolo

Gianpaolo war Mitte 50, Chefkoch und Besitzer einer kleinen Trattoria in einem Örtchen in der Nähe von Florenz. Gutes Essen bedeutete ihm alles. Sein Lokal war sehr beliebt, da jede seiner Speisen vorzüglich und für jedermann erschwinglich war.

Große Freude bereitete es ihm, wenn er sehen konnte, wie seine Gäste sein Essen genossen. Oftmals kam Gianpaolo auch zu seinen Besuchern an den Tisch und erkundigte sich nach ihrem Wohlbefinden, woraus sich meist ein netter Plausch ergab.

Den Lobgesang auf sein Essen genoss Gianpaolo in vollen Zügen. Gutes Essen war seine Mission auf dieser Welt.

Verheiratet war er nicht und er hatte auch keine Kinder. Oft war er abends im Lokal in der Küche und beobachtete die Gäste, wie sie sein Essen mit jedem Bissen genossen. Dabei wurde es ihm immer wieder aufs Neue warm ums Herz.

Eines Abends betrat eine Frau, so um die Mitte 40, sein Lokal. Sie setzte sich an einen kleinen Holztisch am Fenster. Gianpaolo bemerkte sie sofort, da sie auffallend elegant gekleidet war. In dieser Gegend war dies ungewöhnlich.

Gianpaolo konnte seine Blicke nicht von ihr lassen. Sie las die Speisekarte und bestellte eine Saltimbocca.

Als ihr Essen kam, aß sie, ohne auch nur ein einziges Mal die Miene zu verziehen. Dabei blickte sie immer wieder aus dem Fenster. Sie aß noch nicht einmal alles auf.

Gianpaolo konnte es nicht fassen. Nichts. Kein Lächeln. Kein Zeichen von Genuss. Dabei gehörte die Saltimbocca zu seinen Spezialitäten. Er war fassungslos. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass so etwas schon einmal in seinem Lokal vorgekommen war.

Die Unbekannte blickte noch eine Weile aus dem Fenster. Sie zahlte, stand auf und verließ das Lokal.

Sofort probierte Gianpaolo die übriggebliebene Saltimbocca. Sie war vorzüglich. Ratlos fing er an, die Küche aufzuräumen.

Drei Abende später kam sie erneut. Sie setzte sich wieder an den Tisch am Fenster. Sie las in der Karte, bestellte diesmal eine Minestrone und ein Glas Pinot Grigio.

Gianpaolo bereitete die Minestrone zu und probierte sie mehrfach. Sie war köstlich. Schließlich servierte er sie der Unbekannten. Voller Erwartung beobachtete Gianpaolo sie beim Essen.

Nichts. Keine Reaktion. Als würde sie Luft essen.

Sie aß, trank und blickte wieder minutenlang aus dem Fenster. Auch diesmal aß sie die Suppe nicht auf. Sie zahlte, stand auf und ging.

Gianpaolo wollte seinen Augen nicht trauen. Das gab es doch nicht! Wie konnte sie seine Köstlichkeiten verschmähen? Beinahe schon wütend blickte er ihr hinterher.

Ungefähr eine Woche später kam sie wieder. Sie setzte sich – wie sollte es auch anders sein – an den kleinen Holztisch am Fenster. Diesmal bestellte sie Gnocchi al Ragout.

Am liebsten hätte Gianpaolo das Ragout versalzen, um dieser Frau endlich eine Reaktion zu entlocken. Doch das ging natürlich nicht. Sein guter Ruf stand schließlich auf dem Spiel.

Er servierte der Unbekannten den Teller mit den Gnocchi und wie immer zeigte sie keinerlei Reaktion, während sie aß.

Wieder blickte sie minutenlang aus dem Fenster. Gianpaolo ließ sie nicht aus den Augen. Diesmal schaute er noch genauer hin. Wie traurig sie aussah. Gianpaolo konnte seine Blicke nicht mehr von ihr wenden. Alles geschah wie immer. Sie verspeiste das Essen ohne jeglichen Genuss, blickte aus dem Fenster, zahlte, stand auf und verließ das Lokal.