Warum gerade ich? - Robin Norwood - E-Book

Warum gerade ich? E-Book

Robin Norwood

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Beschreibung

Warum trifft das gerade mich? fragen wir. Warum sind meine Beziehungen zu anderen Menschen so schwierig? Warum bin ich in diese Familie hineingeboren? Warum habe ich Pech im Beruf? Warum bin ich krank? Es ergibt keinen Sinn. Robin Norwood hat mit ihrer Studie «Wenn Frauen zu sehr lieben» Millionen ihrer Leserinnen die Augen geöffnet. In diesem Buch, das für Männer und Frauen gleichermaßen geschrieben ist, geht sie Fragen nach, die tiefer und existentieller auf einen geistigen Bereich zielen. Mit einer Fülle erstaunlicher Beispiele zeigt sie, daß Unglück, Schmerz und Krankheit uns nicht zustoßen, sondern unsere Seele sich ein ganz bestimmtes Schicksal sucht.

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Seitenzahl: 301

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Robin Norwood

Warum gerade ich?

Ein Ratgeber für die schwierigsten Situationen des Lebens

Aus dem Englischen von Roswitha Enright

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Warum trifft das gerade mich? fragen wir. Warum sind meine Beziehungen zu anderen Menschen so schwierig? Warum bin ich in diese Familie hineingeboren? Warum habe ich Pech im Beruf? Warum bin ich krank? Es ergibt keinen Sinn.

Robin Norwood hat mit ihrer Studie «Wenn Frauen zu sehr lieben» Millionen ihrer Leserinnen die Augen geöffnet. In diesem Buch, das für Männer und Frauen gleichermaßen geschrieben ist, geht sie Fragen nach, die tiefer und existentieller auf einen geistigen Bereich zielen. Mit einer Fülle erstaunlicher Beispiele zeigt sie, daß Unglück, Schmerz und Krankheit uns nicht zustoßen, sondern unsere Seele sich ein ganz bestimmtes Schicksal sucht.

Über Robin Norwood

Robin Norwood, Jahrgang 1945, unterhält als staatlich anerkannte Ehe-, Familien- und Kindertherapeutin eine private Praxis in Santa Barbara, Kalifornien. Sie hat sich sowohl auf die Behandlung von neurotischen Beziehungsmustern als auch von Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Eßsucht und Depressionen spezialisiert. Sie lebt in Santa Barbara.

Inhaltsübersicht

Dieses Buch ist ...DankJedes Problem ist ...Einleitung1 Warum passiert mir das?Gesundung auch über das Körperliche hinausEine esoterische Sicht von der menschlichen ExistenzLeiden als Katalysator für VeränderungWas AIDS uns lehrtAIDS aus der Perspektive der PlanetenLeiden aus der Sicht der Seele2 Was will mir mein Körper damit sagen?Wie der Körper die Bewußtwerdung fördertDer Körper im Konflikt mit der PersönlichkeitUnehrlichkeit und DissonanzWas der Körper für die Seele tut3 Gibt es einen größeren Zusammenhang, den ich nicht erkenne?Ein Fall von sexueller SuchtDas Opfer, der Täter und seine VergangenheitDie Evolution des menschlichen BewußtseinsWie wir eine bestimmte Inkarnation wählenDer freie WilleMorphogenetische Resonanz und HeilungszyklenWie die Heilungszyklen funktionierenFalsche Götter und HeilungszyklenWie wir wichtige Lektionen «anziehen»Die Physik des KarmasKarma gleicht ausVerzeihen läßt gesunden4 Was für einen Sinn hat der Schmerz?Die EvolutionsspiraleWorunter leiden Sie?Wie Leiden die Entwicklung fördertCharakterschwächen durch Leiden überwindenDurch ein Trauma die Wahrheit entdeckenDas Geschenk des Leidens5 Warum habe ich solche Probleme mit meinen Beziehungen?Beziehungen und SchicksalDer wahre Sinn von menschlichen BeziehungenIllusionen – wie sie entstehen und wie sie abzubauen sindDer Prozeß der ErkenntnisWünschen und Sehnen im Dienst der Bewußtseins-EvolutionWarum suchen wir uns schwierige Eltern aus?Eine neue Definition von menschlichen Beziehungen6 Wie bin ich bloß zu diesen Verwandten gekommen?Der Trugschluß, allem vorbeugen zu könnenKein Wachstum ohne AnstrengungSucht als Weg zur TransformationLebensthemen, Kreisläufe und FamilienkarmaFamilienkarma über drei GenerationenWas wir für die Menschheit tun könnenGeteilte karmische Aufgaben7 Was ist mein Ziel, und wann werde ich es erreichen?Wir sind Botschafter der SeeleDie menschliche Entwicklung von der Geburt bis zum TodDie Entwicklung der Seele im Laufe vieler InkarnationenJunge Seelen und alte SeelenWie Bewußtsein durch Erfahrung erweitert wirdDas Karma, seine Aufarbeitung und der verwundete HeilerUnser innerer Plan des BewußtseinsÄußere Erscheinung und innere EntwicklungWo befinde ich mich auf meiner REISE?Der Sinn der Ungewißheit8 Wie kann ich mir selbst und anderen auf dem Weg zur Gesundung helfen?Unglück ist Angst vor VeränderungKatastrophale Veränderungen und GenesungGenesen auf mentaler EbeneWas bedeutet Gesunden?Richtlinien für die eigene GesundungRichtlinien, um anderen bei der Gesundung zu helfenGesundung und ErleuchtungNachwortWeiterführende Literatur

Dieses Buch ist allen meinen Lehrern in Dankbarkeit gewidmet

Dank

Den meisten Autoren geht es mit ihren Werken wie werdenden Müttern: Schwangerschaft und Geburt sind sehr viel einfacher, wenn wir uns auf zuverlässige Hilfe von außen verlassen können. Drei Frauen haben entscheidend Anteil am Zustandekommen von «Warum gerade ich?». Die Literaturagentin Susan Schulman glaubte an die Botschaft dieses Buches und fand in Carol Southern die ideale Lektorin, um die Aussagen ganz deutlich zu machen. Carol sorgte mit ihren außerordentlichen redaktionellen Fähigkeiten dafür, daß der Leser den Text als richtungsweisenden Führer verwenden kann und ihn nicht als verwirrendes Labyrinth empfinden muß. Robin Matthews verwandelte die vielen handgeschriebenen Seiten mit Fröhlichkeit und Können in ein sauber getipptes Manuskript und gab immer wieder anregende und ermutigende Kommentare.

Für eure unschätzbare «Geburtshilfe» danke ich euch von Herzen.

Jedes Problem ist eine Aufgabe, die dir von deiner Seele gestellt wird

Einleitung

Warum gerade ich? Warum gerade das? Warum gerade jetzt? Es gibt wohl niemanden, der nicht in schwierigen Zeiten eine Antwort auf diese Fragen gesucht hätte. Wir befragen unser Herz. Wir verzweifeln an unserem Leben. Wir machen Gott Vorwürfe. Wir beschweren uns bei jedem, der uns nur einigermaßen willig zuhört. Warum? Und die Antworten, die wir bekommen, sind vage, allgemein gehaltene Beruhigungsfloskeln, die unsere Frustration und unseren persönlichen Schmerz nicht nur nicht lindern können, sondern uns in ihrer Pauschalität und Unpersönlichkeit noch ärgerlich machen.

«Die Zeit heilt alle Wunden.»

«Du bist jetzt völlig fertig, aber du wirst schon darüber hinwegkommen.»

«Es ist der Wille Gottes, und es steht uns nicht zu, ihn zu hinterfragen.»

«Es ist Schicksal.»

«So etwas passiert einfach.»

 

Und wenn wir in unseren Problemen unterzugehen drohen, dann gibt es keinen grausameren Ratschlag als: «Denk nicht so viel daran. Dauerndes Grübeln macht das Ganze nur noch schlimmer.» Ähnliche Worte von Freunden, die unserem Kummer und Schmerz hilflos gegenüberstehen, sind wohl gut gemeint, lassen uns aber nur um so verzweifelter nach der Ursache für unser Unglück suchen. Wir schleppen uns mühsam von einem Tag zum anderen, bis wir schließlich feststellen, daß die Zeit wirklich viele Wunden heilt, Sorge und Leid aber tiefe, unauslöschliche Narben in unserem Herzen hinterlassen haben.

Die eigentlichen Fragen jedoch, die wir uns einst leise und verzweifelt immer wieder stellten oder in unserer Not laut hinausschrien, bleiben ohne Antwort. Mit der Zeit wird unser Leben wieder glücklicher, und die Antworten werden unwichtig, bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir uns erneut in Not befinden.

Warum gerade ich? Warum gerade das? Warum gerade jetzt? Diese Fragen habe ich als Therapeutin oft gehört, und ich fragte mich dann, warum ein bestimmtes Problem bei einem Patienten gerade an einem speziellen Zeitpunkt aufgetreten war. Mir selbst erging es in schwierigen Situationen wie meinen Klienten. Empfand ich ein Problem als besonders schwerwiegend, konnte ich mich wegen meiner vielschichtigen Gefühle nicht wirklich objektiv mit diesen wichtigen Fragen und ihren Implikationen beschäftigen. Und wenn es mir im Leben gutging, dann war ich viel zu zufrieden, als daß ich mich damit abgeben wollte.

Mein Leben schien wirklich besonders schön zu sein; ich hatte gerade mein erstes Buch «Wenn Frauen zu sehr lieben» veröffentlicht und war mit einem intelligenten, erfolgreichen Mann verheiratet, der mich in meiner Arbeit unterstützte. Ich hatte eine gutgehende Praxis als Psychotherapeutin, mein Buch war ein Bestseller, und ich war international als Expertin zum Thema Beziehungssucht bekannt. Jahrelang hatte ich schlechte Erfahrungen in meinen Liebesbeziehungen zu Männern gemacht und das immer als Versagen empfunden. Mit Hilfe eines spirituellen Programms war aus Schmerz weise Gelassenheit geworden, die mir das Leben rettete. Und nun konnte ich Frauen auf der ganzen Welt helfen, für sich das gleiche zu tun. Es war eine Zeit der Dankbarkeit darüber, daß ich meine Schwierigkeiten überwunden hatte, und des Stolzes auf das, was ich in der Welt leistete. Aber dieser glückliche Zustand sollte nicht von Dauer sein.

Im Herbst 1986 befand ich mich nach einem Vortrag auf dem Rückflug nach Kalifornien und unterhielt mich mit der neben mir sitzenden Frau. Plötzlich sah sie mich aufmerksam an.

«Wie alt sind Sie?» fragte sie mit einer merkwürdig veränderten Stimme.

«Ich werde im Juli 42», antwortete ich.

Sie nickte bedächtig und blickte mich weiterhin eindringlich an. «Ihr ganzes Leben wird sich im nächsten Jahr ändern», sagte sie schließlich ernst.

Ich lächelte. «Nein, da irren Sie sich. Die Änderung ist bereits eingetreten. Ich habe immer große Schwierigkeiten in meinem Leben gehabt, aber jetzt läuft alles ganz wunderbar.» Ich berichtete ihr begeistert, wie weit ich es in wenigen Jahren gebracht hatte. «Ich habe einen wirklich netten Mann, und zum ersten Mal in meinem Leben bin ich beruflich ausgesprochen erfolgreich. Mein Leben könnte nicht besser sein.»

«Das wird sich alles ändern», antwortete sie traurig. «Sie werden alles verlieren.» Und dann fügte sie noch hinzu: «Ich habe eine besondere Gabe, müssen Sie wissen. Ich kann Dinge voraussehen.»

In diesem Augenblick kam die Stewardeß mit unserem Essen, und für den Rest des Fluges sprachen wir nicht mehr über meine Zukunft. Aber sie sollte in allem Recht behalten.

Im folgenden April ließ ich mich von meinem Mann scheiden, arbeitete nicht mehr als Therapeutin und war ernsthaft krank, auch wenn mir das zu dem Zeitpunkt noch nicht bewußt war.

Ich hatte die Scheidung gewollt, und als einzigen Grund konnte ich damals angeben, daß unsere Ehe mir zu unehrlich zu sein schien. Ich ertappte mich dauernd dabei, daß ich so tat, als sei ich der glückliche Mensch, der ich meiner Meinung nach zu sein hatte. Jeder Tag, an dem ich diese Komödie mitmachte, war ein verlogener Tag, und ich konnte das schließlich nicht mehr aushalten. Wenn ich aber aus diesem Leben ausbrach, würde ich dann nicht meine vielen Leserinnen enttäuschen, die glaubten, daß ich von meiner Beziehungssucht geheilt war und endlich ein glückliches Leben mit einem netten Mann führte? Es kam mir wie ein Verrat an diesen Frauen vor.

Ich gab meinen Beruf auf. Jahrelang hatte ich meine Arbeit geliebt, aber jetzt konnte ich keine Begeisterung mehr dafür aufbringen. Ich wußte, daß ich auch hier nicht mehr ehrlich war. Meine Sicht der Wirklichkeit begann sich radikal zu ändern. Es gab tiefere Wahrheiten, die ich jetzt ergründen wollte, Wahrheiten, die weit jenseits von praktischer Psychotherapie lagen.

Sterben, ja, vermutlich war auch das irgendwann und irgendwie mein Wunsch gewesen. Monatelang hatte mein Körper gegen eine grippale Infektion angekämpft, die zwar nicht schmerzhaft war, mich aber sehr schwächte. Einen Arztbesuch hielt ich von daher für überflüssig. Obgleich ich mich manchmal kaum durch das Zimmer schleppen konnte, wollte ich mir offensichtlich nicht eingestehen, wie krank ich wirklich war. Vielleicht hoffte ich im Unterbewußtsein, daß meine enttäuschten Leser mir vergeben könnten, wenn ich tot sei.

Nachdem ich mein zweites Buch, das letzte zum Thema Beziehungssucht, beendet hatte, glaubte ich, für meine Leser nicht mehr tun zu können. Ich hatte zu der Zeit so starke Schmerzen, daß ich mich in ein Krankenhaus einweisen ließ. In meinem Umfeld gab es niemanden, der mich trösten konnte.

Meine beste Freundin hatte ich nahezu aus den Augen verloren, und auch meine Kinder lebten nicht mehr in meiner Nähe.

Daher verheimlichte ich meinen schlimmen Zustand. Ich hatte keine Angst vorm Sterben, sondern war nur sehr erschöpft, zu erschöpft, um weiterzumachen. Ich war allein, und ich wollte nicht mehr leben.

Als man mich am nächsten Morgen in den Operationssaal schob, versuchte ich mich auf die Menschen zu konzentrieren, gegen die ich noch Groll empfand. In diesen letzten Minuten bemühte ich mich sehr, auch ihnen endlich zu verzeihen, erkannte aber, daß ich nicht aufrichtig war. Ich fühlte mich zu schwach und zu erschöpft, um mir selbst etwas vorzumachen. Kurz bevor das Betäubungsmittel wirkte, empfand ich nur eine tiefe Enttäuschung über mich selbst und mein Leben.

Diese Enttäuschung brach mit größerer Wucht über mich herein, als ich nach der Operation aus der Narkose erwachte. Mein erster Gedanke war: «O nein! Ich bin immer noch da. Was soll ich nur die nächsten 42 Jahre tun?» Und als mir später der Anästhesist fröhlich erzählte, daß die Operationsschwestern, die alle mein Buch kannten, während der Operation für mich gebetet hatten, konnte ich nur denken: «Warum kümmern die sich nicht um ihre eigenen Angelegenheiten?» Mir war, als ob mein Leben zu Ende war. Warum hatte ich es denn dann nicht verlassen dürfen?

Am schwersten war das Gefühl der Einsamkeit zu ertragen. Um von meiner Beziehungssucht loszukommen, hatte ich mich während der vergangenen sieben Jahre nach einem Programm gerichtet, das ähnlich wie das der Anonymen Alkoholiker aufgebaut ist. Und immer wieder hatte ich dabei den Zuspruch und die Führung einer Höheren Macht gespürt. Doch diese Verbindung schien unterbrochen. Hilflos war ich einem quälenden Drang nach Aufrichtigkeit ausgeliefert, der mich schon seit längerem an meiner Identität zweifeln ließ. Ich fühlte mich wie ein Spielball des Schicksals, gleichermaßen verlassen wie betrogen, und wußte noch nicht, daß Gott ein ewiges Rätsel bleibt. Denn je mehr wir uns ihm zu nähern versuchen, desto weiter entfernt er sich von uns. Und wir werden dadurch immer weiter angespornt, ihm zu folgen.

Nachdem ich mich von meiner Krankheit erholt hatte, machte ich eine Zeit der Isolation und Reflexion durch, die sieben Jahre dauerte. Anfangs versuchte ich verzweifelt, meinem Leben Inhalt und Sinn zu geben. Aber sämtliche Pläne, die großangelegten wie die bescheidenen, liefen ins Leere. Die Tage schleppten sich zähflüssig und ereignislos dahin. Nichts geschah. Und ich war schuld daran.

Das einzige, was mich in dieser Zeit interessierte, waren Bücher über Astrologie, Handlesekunst, Kartenlegen und Wunderheilen, über esoterische Themen, mit denen ich mich früher nie beschäftigt hatte. Zwar war ich schon immer von der Reinkarnation überzeugt gewesen, doch nun wollte ich die entsprechenden spirituellen Konzepte wirklich verstehen. Mein Haus füllte sich mit Büchern über die menschliche Aura, die verschiedenen Schichten des menschlichen Energiefeldes, die subtilen Wesenheiten, die den physischen Körper durchdringen, die Chakren oder Energiewirbel, die diese feinstofflichen Wesenheiten erhalten, Gedankenwelten, Wunderheiler, den Prozeß des Sterbens und anderes mehr.

Ich versenkte mich in die grundlegend esoterischen Werke der Theosophin Alice Bailey, die von den frühen zwanziger bis in die fünfziger Jahre hinein einem tibetanischen Meister als Amanuensis, als Gehilfin und Medium, diente. Das erste Buch, «Eine Abhandlung über kosmisches Feuer» (1982, Verlag Lucis Genf) entdeckte ich in der Religionsabteilung der öffentlichen Bücherei. Obgleich ich es nahezu unverständlich fand, spürte ich doch ein tiefes Vertrauen in diesen Meister der Weisheit, der einfach der Tibetaner genannt wurde, und begann mich intensiv mit den mehr als zwanzig Bänden zu beschäftigen, die er Bailey diktiert hatte. Meine Tage waren nicht länger leer, sondern völlig ausgefüllt von diesen Werken.

In dieser Zeit hatte ich mehr denn je das Bedürfnis, mich von äußeren Einflüssen abzuschirmen. Alleinsein wurde so wichtig für mich wie die Luft zum Atmen. Schon seit zehn Jahren lebte ich ohne Fernsehen. Nun wollte ich auch von Radio, Zeitungen und Zeitschriften nichts mehr wissen, um mich so gut wie möglich vor den Verzerrungen und falschen Auffassungen zu schützen, die unsere sogenannte Realität wiedergeben. Ich vermied eisern alles, was mich ablenken könnte, Männer, Partys, gesellschaftliche Zusammenkünfte, Alkohol, Kaffee und Süßigkeiten.

Meine beiden erwachsenen Kinder zeigten Verständnis für mich und Interesse an den Themen, die mich so faszinierten. Und nach und nach begegnete ich auch ein paar Frauen, die auf einer ähnlichen Suche waren. Wir waren wie Flüchtlinge aus einem fernen Land, die eine gemeinsame Sprache und eine neue Lebenssicht entdeckten, und aus diesen Verbindungen entstanden einige tiefe Freundschaften.

Manche, mit denen ich über diese Jahre der Isolation und Reflexion spreche, reagieren fast neidisch, weil sie sich eine solche Zeit als friedliches Idyll der Besinnung vorstellen. Doch für mich bedeutete sie geradezu eine tägliche Folter. Ich war allein, vollkommen isoliert und hielt mich von sämtlichen Ablenkungen unserer modernen Zeit fern, weil ich einfach nicht anders konnte. Zusammensein mit Freunden, künstlerische und leibliche Genüsse konnten mir überhaupt nichts mehr geben. Der «Kater», der unweigerlich darauf folgte, war mir unerträglich geworden. Und doch war ich besonders in den ersten Jahren ruhelos, unglücklich und wollte unbedingt endlich mein Ziel, sofern ich eins hatte, und den Sinn meines Lebens, falls es so etwas gab, erkennen. Zuerst war mir überhaupt nicht klar, daß ich endlich die Zeit, die innere Distanz, die Vorurteilslosigkeit und die Motivation hatte, Beschaffenheit, zeitliche Zusammenhänge und den Sinn von Leiden zu untersuchen. Doch tatsächlich war ich nun in der Lage, mich mit dem zu befassen, was ich schließlich als das WARUM hinter dem «warum» bezeichnete.

Heute weiß ich, daß mein Interesse an der Esoterik unmittelbar mit meiner Arbeit auf dem Gebiet des Suchtverhaltens zusammenhängt. Viele Jahre lang hatte ich mich gründlich mit Beziehungssucht und ihrer Heilung beschäftigt und die Ursache der Sucht auf ungesunde Beziehungsmuster zurückführen können, die gewöhnlich als Kind in einer funktionsgestörten Familie erlernt werden. Diese Muster nimmt das Kind dann in das Erwachsenendasein mit hinüber und wendet es unbewußt bei späteren Partnern an. Dafür sucht es ganz instinktiv Partner, mit denen es seine Kindheitsdramen immer wieder durchspielen kann.

Doch nun wollte ich ergründen, warum diese Frauen (und Männer) überhaupt in funktionsgestörte Familien hineingeboren werden. Warum kommt das eine Baby in einer optimalen, gesunden Umgebung zur Welt, und ein anderes ist von Anfang an traumatischen Einflüssen ausgesetzt? Warum ist das, was das Leben des einzelnen entscheidend prägt wie zum Beispiel die Qualität von Eltern, ihr sozialer Stand, aber auch persönliche Gesundheit und Intelligenz so ungleich verteilt? Sind wir willkürliche Opfer eines unberechenbaren Universums? Oder fügt sich unser individuelles Schicksal in irgendeinen übergeordneten Plan sinnvoll ein? Und falls uns ein Schicksal bestimmt ist, wie können wir rechtzeitig erahnen, wo es hinführt, um dieses Wissen in unser Leben einbauen zu können?

Und schließlich begann ich mich ernsthaft damit zu beschäftigen, was ich schon immer für das Wichtigste an der Psychologie gehalten hatte: die Lehre (-logie) von der Seele (Psyche). Ich verstand allmählich, daß jeder von uns mit einem spezifischen «Energiepotential» geboren wird, das in den Linien der Handfläche abzulesen ist und sich im Horoskop ausdrückt, eine grundlegende Energiestruktur, die für bestimmte Begegnungen und Erfahrungen zu bestimmten Zeiten unseres Lebens verantwortlich ist.

Ich war von dieser Vorstellung fasziniert und wandte mich an Menschen mit übernatürlichen Fähigkeiten und an Wunderheiler, mit deren Hilfe ich die subtilen Energien empfinden und anzuwenden lernte. Ich erprobte zusammen mit anderen Interessierten, wie unsere Energiefelder sich gegenseitig beeinflussen konnten, um verschiedene Heilungen möglich zu machen. Gemeinsam mit Menschen, die sich wie ich niemals für medial begabt gehalten hatten, gelang mir Erstaunliches, was wiederum zu Erkenntnissen führte, die mich in meinem Verstehen immer weiter voranbrachten.

Als meine Sicht der Welt diese tiefgreifende paradigmatische Veränderung erfuhr, ergaben allmählich auch die vielen unterschiedlichen Erfahrungen meines Lebens nicht nur Muster, sondern nahmen auch eine besondere Bedeutung an. Ich betrachtete mich und meine Mitmenschen nicht mehr als Passanten auf einer endlosen, unbekannten Straße, die mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet und auf der sich dann nacheinander die Lebensereignisse abspielen, schöne und traurige, ersehnte und gefürchtete. Statt dessen wurde mir langsam bewußt, daß in jedem individuellen Leben eine große Anzahl von Themen behandelt und weiterentwickelt werden. Zu dieser Erkenntnis gelangte ich über objektive Beobachtungen und subjektive Erfahrungen. Ich hatte so oft mit Menschen gearbeitet, die sich verloren und einsam fühlten, hatte selbst über lange Perioden meines Lebens so empfunden, und jetzt hatte ich plötzlich eine «Landkarte» gefunden, die nicht nur die mich umgebenden Bereiche darstellte, sondern gleichzeitig wie mit einem dicken roten Pfeil aufzeigte, wo ich mich gerade befand. Ich erkannte meinen Platz und meinen Lebenssinn im Universum, verstand, daß meine Fehler, Versagen und Frustrationen notwendig waren, ja, sah sie sogar als Geschenk. Dieses tiefe Begreifen des allumfassenden Plans und meines Platzes darin verschaffte mir, was ich in den langen Jahren als Psychologin mit dem Ziel, «das Problem zu lösen», nicht hatte erreichen können. Es gab mich mir selbst zurück. Und es ließ mich den Sinn des Leidens erkennen.

 

In diesem Buch habe ich für Sie zusammengestellt, was ich in jahrelangem intensivem Studium, Reflektieren und unter sorgfältiger Beachtung der subtilen Energien in bezug auf «das Geschenk» des Leidens erfahren habe. Daß Sie gerade jetzt dieses Buch zur Hand genommen haben, mag bedeuten, daß Sie gerade dabei sind, die gleiche paradigmatische Veränderung durchzumachen wie ich seinerzeit. Wie Kolumbus, der immer mehr Beweise dafür erhielt, daß die Erde nicht flach, sondern rund war, machen Sie vielleicht auch gerade Erfahrungen und haben Erkenntnisse, die eine ebenso einschneidende Revision Ihrer Weltsicht zur Folge haben können. Ihr sich entwickelndes Verständnis von neuen Dimensionen erfordert vielleicht eine neue Art von «Landkarte», die diese veränderte Perspektive berücksichtigt.

Viele der folgenden Berichte von Männern und Frauen über die verschiedensten Probleme schließen absichtlich übersinnliche Erlebnisse und Wahrnehmungen ein. Einerseits ist die gesellschaftliche Akzeptanz heute größer, andererseits haben auch immer mehr Menschen den Mut, von ihren eigenen Erlebnissen mit dem Übersinnlichen zu sprechen, wenn sie sich gegenüber den subtileren Dimensionen der Realität öffnen. Mir ist es zumindest so ergangen. Wem übersinnliche Vorkommnisse vertraut sind, der wird beim Lesen nicht überrascht sein. Wer damit noch nicht in Berührung gekommen ist, wird hoffentlich die notwendige Toleranz aufbringen. Es ist gut möglich, daß Sie darüber die subtileren Dimensionen selbst kennenlernen können, denn mit dem Eintreten in das New Age-Zeitalter vergrößert jeder von uns seine Fähigkeiten der Wahrnehmung. Und wer diese Dimensionen und übersinnlichen Ereignisse akzeptiert, kann vielleicht auch das ihm bis dahin Unerklärliche und Ungerechte begreifen lernen.

Manche der hier vorgestellten Gedankengänge sind Ihnen wahrscheinlich fremd. Haben Sie bitte Geduld mit sich und Ihren Verständnismöglichkeiten. Vielleicht hilft es Ihnen, das Buch nach einiger Zeit ein zweites Mal zu lesen, und vielleicht wird Ihnen dann vieles eher einleuchten. Dieses Buch kann Ihrem ganzen Leben eine neue Orientierung geben, indem es Ihre Einstellungen und Wahrnehmungsweisen verändert. Verwenden Sie es wie einen Reiseführer, mit dessen Hilfe Sie Ihren Platz und Ihren einmaligen Lebenssinn finden und schätzenlernen. Es enthält auch Ihre ganz persönliche Orientierungskarte, die Ihnen immer wieder unmißverständlich zeigt, wo Sie sich gerade befinden.

Möglicherweise jedoch fragen Sie sich, wie eine umfassendere Sichtweise Ihnen bei den Problemen helfen könnte, die Sie gerade jetzt dieses Buch zur Hand nehmen ließen. Warum müssen Sie erst Ihre gesamte Weitsicht verändern, wenn Sie Hilfe und Trost bei ganz bestimmten Schwierigkeiten suchen? Die Antwort ist ganz einfach. Erst vor diesem neuen Hintergrund können Sie Ihre Schmerzen und Ihre seelischen Wunden verstehen und heilen.

Das wahre Überwinden jeder Krise geschieht in einzelnen Schritten. Wer in tiefen Schwierigkeiten steckt, tröstet sich mit Geschichten anderer, die ähnliches durchgemacht haben, und fühlt sich dann in seinem Elend nicht mehr so allein. Diese Reaktion auf die Krise ist ganz normal. Auch in meinen Fallbeispielen finden Sie nicht nur Ihnen bekannte Umstände, sondern auch vertraute Reaktionen darauf.

Nach einer akuten emotionalen Krise folgt das Bedürfnis zu verstehen, was das Durchlittene wohl mit dem Gewebe des eigenen Lebens zu tun haben mag. Wer an den großen Meisterweber glaubt, fragt sich, ob des Meisters Hand einfach ausgerutscht ist, ob einige Fäden seines Lebens unwiederbringlich verlorengegangen sind, so daß der Teppich seines Daseins nun für immer fehlerhaft bleiben muß. Oder hat das Gewebe durch die unerwarteten Ereignisse, durch dieses neue Muster, sogar an Qualität und Schönheit gewonnen? Es ist niemals das Ereignis selbst, das letztendlich eine positive oder negative Wirkung auf den Betroffenen hat, sondern die Weise, in der er es interpretiert und mit ihm umgeht. Dieses Buch kann Ihnen helfen, Ihre größten Schwierigkeiten in einem neuen Licht zu sehen, so daß das Gute, das aus ihnen erwächst und Ihnen vielleicht bisher noch verborgen war, jetzt für Sie sichtbar wird.

Führen die durchlittenen Schwierigkeiten dann noch zu einer Hilfsbereitschaft anderen gegenüber, dann werden Leiden und Bemühungen erhöht und erhalten Sinn und Würde über die eigene Person hinaus, haben sich also im umfassenden Sinne gelohnt. Dieses Buch kann Ihnen auch dabei helfen, das esoterische Prinzip des Opfers zu verstehen, das Sie bisher unbewußt in einer wichtigen Dimension Ihres Lebens angewandt haben. Das Prinzip des Opfers läßt andere durch Ihr Leiden einen besseren Weg finden, wodurch auch Sie genesen. Spirituelle Entwicklung und spirituelles Gesunden sind grundsätzlich identisch. Durch sein Leiden und Gesunden trägt jeder einzelne zur Erleuchtung der Menschheit bei. Von dieser Perspektive aus betrachtet führt persönliches Leiden zu einem tieferen Verständnis für die wahre Bedeutung und den Sinn des individuellen Daseins: Die individuelle Gesundung des einzelnen ist eng mit der Heilung des gesamten Planeten verbunden.

Was muß der einzelne für diese Heilung tun? In erster Linie muß er bereit sein, sich einer Sichtweise der Realität zu öffnen, die die subjektiven und bisher wissenschaftlich nicht nachweisbaren Wahrheiten des Herzens und der Seele einschließt. Heilung geschieht durch eine Veränderung des Bewußtseins, eine Veränderung des Herzens, und setzt voraus, daß er anderen und sich selbst vergibt, nicht mehr mit dem Leben und mit Gott hadert. Heilung ist für den möglich, der sein Leben nicht mehr nach seinen Vorstellungen erzwingen will, sondern es statt dessen einfach so akzeptiert und schließlich sogar schätzt, wie es ist.

Nur wer sich der Einstellung öffnet, daß Not und Leiden ein Weg zur Heilung sind, den wird auch in Zeiten der Verzweiflung die Zuversicht nicht verlassen. Vertrauen Sie nicht nur darauf, daß Ihr Schmerz vorübergehen wird, sondern gehen Sie davon aus, daß Ihr Leiden Bedeutung, Sinn und Würde besitzt. Und weil ich in Ihre Heilung, in meine Heilung und in die Heilung der gesamten Menschheit Vertrauen setze, will ich Ihnen hier ein paar mögliche Antworten auf jene unmöglichen Fragen geben: Warum gerade ich? Warum gerade das? Warum gerade jetzt?

1 Warum passiert mir das?

Joanna lag verkrampft auf dem Behandlungstisch der Chiropraktikerin und starrte auf das Mobile, das sich langsam der leichten Brise drehte, die durch das geöffnete Fenster drang. Ich hatte erfahren, daß die junge Frau, die auf Krücken in die Praxis gehumpelt war, sich Sorgen machte, weil ihr verstauchter Knöchel nicht abschwellen wollte. Ich saß jetzt zu ihren Füßen und hatte die Mittelfinger beider Hände sanft an beide Seiten des blau angelaufenen Gelenks gelegt.

Ich assistierte der Chiropraktikerin im Austausch dafür, daß sie mein Knie behandelte, nachdem die traditionelle Medizin versagt hatte. Meine Bekannte war in der Gegend für ihre außergewöhnlichen Heilerfolge bekannt und verwandte außer Chiropraktik noch andere Methoden: energetische Behandlung, Edelsteintherapie und Visualisierungen. Ich hatte so die Möglichkeit, mehr über nichttraditionelle Heilmethoden zu lernen. Die Chiropraktikerin hatte mich angewiesen, Joanna energetisch zu behandeln.

Sie hatte mit einem Filzstift Joannas Knöchel und Fuß paarweise mit Punkten auf beiden Seiten markiert. Ich sollte jetzt mit beiden Mittelfingern auf beiden Seiten jeweils den Puls fühlen und so lange den Finger darauf halten, bis beide Pulsfrequenzen in Rhythmus und Stärke übereinstimmten. Mit dieser Methode lassen sich Muskelkrämpfe lockern, aber auch Staus von Blut und Gewebewasser lösen und Inflammationen nach Verletzungen zum Abklingen bringen. Manchmal schlagen beide Pulse schnell synchron, manchmal erst nach längerer Zeit. Wie schnell die Synchronisierung hergestellt ist, hängt meist mit dem psychischen Zustand des Patienten zusammen, wie Joannas Fall deutlich macht. Die Pulse schlugen auch nach längerer Zeit immer noch nicht synchron. So begann ich, mich mit ihr über ihre Verletzung zu unterhalten.

«Wie ist das denn passiert?»

Sie schüttelte den Kopf und seufzte. «Oh, es war so dämlich! Ich hatte Tennisschuhe an und ging durch die Küche. Mein Fuß schien einfach am Boden festzukleben, während mein übriger Körper sich weiter vorwärtsbewegte. Und nun werde ich noch acht weitere Wochen lang nur mit Krücken gehen können.» Sie schwieg und fuhr dann fort: «Ich kann überhaupt nichts machen.»

«Ja, es ist schlimm, wenn man plötzlich an seinen normalen Aktivitäten gehindert wird», sagte ich und mußte daran denken, wie mich meine Knieverletzung gelehrt hatte, alles langsamer anzugehen. Die Pulsschläge unter beiden Fingern kamen immer noch unkoordiniert.

«Was würden Sie denn jetzt gerade tun, wenn das nicht geschehen wäre?» fragte ich.

«Ach, normalerweise nichts besonderes. Es paßt nur im Moment überhaupt nicht.» Wieder stockte ihre Stimme.

«Ist es denn jetzt besonders ungünstig?»

Joanna schwieg. Dann hob sie die Hand, um ein paar Tränen fortzuwischen. «Ja, es ist die schlimmste Zeit, die ich mir vorstellen kann.»

Ich wartete ab, gab ihr ein Papiertaschentuch und übte weiterhin einen ganz leichten Druck auf beide Seiten ihres Knöchels aus. Nach einer Weile sagte Joanna leise: «Meine Mutter ist unheilbar krebskrank. Sie wollte gern zu Hause sterben. Sie und ich hatten gehofft, daß wir es mit Hilfe eines Pflegedienstes schaffen könnten, und jetzt das …»

Ich legte die Finger auf ein anderes Punktpaar und fragte: «Gibt es sonst noch jemanden, der helfen könnte?»

«Mein Vater lebt natürlich auch im Haus, aber sie haben sich nie besonders gut verstanden.»

«Streiten sie sich?» fragte ich direkt. Joanna zögerte nur einen Augenblick.

«Nein, eigentlich nicht. Sie führen eher eine dieser altmodischen Ehen. Der Mann geht aus dem Haus und verdient das Geld, während die Frau alles tut, damit er sich zu Hause wohl fühlt. Und er merkt es nicht einmal. Ich glaube, meine Mutter hatte es schließlich so satt, daß alles immer selbstverständlich war, was sie tat, daß ihr Gefühl für ihn abstarb. Es ist, als ob beide in verschiedenen Welten leben und nie miteinander in Berührung kommen, weder körperlich noch emotional.»

Wieder bewegte ich die Finger. «Und was macht er jetzt, wo sie so krank ist?»

Joanna schwieg lange. Dann sagte sie beinahe zögernd. «Er hilft. Ich meine, er sorgt richtig für sie, fragt sie dauernd, was sie braucht und was er für sie tun kann, und versucht, es ihr so angenehm wie möglich zu machen.»

«Und wie reagiert Ihre Mutter darauf?»

«Es dauerte ganz lange, bis sie ihn um etwas bitten konnte. Wissen Sie, meine Eltern gehörten zu den Paaren, die nie direkt miteinander sprechen. Er sagte: ‹Sag deiner Mutter …›, und sie sagte: ‹Sag deinem Vater …›, obgleich der andere im Zimmer war. Es war ganz schrecklich.» Aber Joannas Stimme klang jetzt ruhiger. «Als meine Mutter erfuhr, daß sie Krebs hat, sprach sie ihn zum ersten Mal wieder direkt an. Es war im Krankenhaus, und ich stand direkt daneben. Sie sah ihm gerade in die Augen und sagte: ‹Ray, ich muß sterben›. Er begann zu weinen und bat: ‹Laß mich dir helfen.› Aber sie sagte: ‹Nein, Joanna wird für mich sorgen.› Und das habe ich auch getan, und jetzt …», sie wies auf ihren geschwollenen Knöchel und weinte wieder, «und jetzt kann ich es nicht mehr.»

«Nein», sagte ich, «aber Ihr Vater kann es. Vielleicht ist das ein entscheidender Faktor. Schauen Sie mal», ich berührte das Mobile, das sich über ihrem Kopf drehte, «stellen Sie sich vor, daß dieses Mobile Ihre Familie repräsentiert. Jedes Familienmitglied nimmt eine bestimmte Position ein und hält so das Ganze im Gleichgewicht. Die Krankheit Ihrer Mutter ist wie ein Windstoß, der alles durcheinandergebracht hat.» Ich blies kräftig auf das Mobile, das daraufhin durcheinanderwirbelte und sich dann langsam wieder einpendelte. «Und doch wäre das Gleichgewicht in der Familie bestehengeblieben, wenn nicht …» Ich entfernte eine der Figuren aus dem Mobile, das sich daraufhin schräg stellte, um den Verlust des Gewichtes zu kompensieren. «… so etwas in Ihrer Familie geschehen wäre. Ihre Verletzung entfernte Sie aus Ihrer normalen Position zwischen den Eltern und zwang diese beiden Dickköpfe dazu, sich miteinander auseinanderzusetzen. Vielleicht war das ein Segen.»

Das Mobile hatte sich in seiner neuen Schräglage eingependelt und hing nahezu still. Joanna seufzte tief und sagte: «Ich glaube, ich war all die Jahre von der Schuld meines Vaters überzeugt und habe eigentlich immer mehr auf der Seite meiner Mutter gestanden. Aber dann habe ich gesehen, wie sie ihn eigentlich dafür bestrafte, als er ihr helfen wollte, erst im Krankenhaus und dann zu Hause. An allem, was er tat, hatte sie etwas auszusetzen. Aber zu meiner Überraschung gab er einfach nicht auf, und schließlich wurde sie weich. Wenn ich jetzt hingehe, werden wir beide von meinem Vater bedient. Er macht Witze und bringt meine Mutter sogar zum Lachen. Und wenn ich mit ihm allein bin, sagt er: ‹Ich liebe deine Mutter wirklich, ich habe sie immer geliebt.› Und ich sage dann: ‹Sag es ihr.› Und er darauf: ‹Ich versuche es ja.›»

Während unseres Gesprächs hatten sich die Pulsschläge einander angeglichen, und die Schwellung war sichtbar zurückgegangen. Energien und Kreislauf hatten sich wieder gekräftigt, aber Joanna schien das kaum zu merken.

«Ich muß also kein schlechtes Gewissen haben, daß ich nichts für sie tun kann? Wissen Sie, eigentlich wußte ich immer, daß es besser ist, wenn Vater alles für sie tut, und ich nur hin und wieder reinschaue. Aber ich hatte immer so ein schlechtes Gewissen.»

«Sie waren es gewöhnt, eine ganz bestimmte Rolle in dieser Familie zu spielen, und es fiel Ihnen schwer, sie aufzugeben. Nur so etwas wie Ihre Verletzung konnte Sie dazu zwingen, sich nicht mehr einzumischen.» Wir lächelten beide, als ich Joanna ihre Krücken reichte.

Wenn Joanna nicht schließlich ihre über viele Jahre eingenommene Rolle der Vermittlerin zwischen den Eltern begriffen hätte, wäre ihr wahrscheinlich die Auflösung der entsetzlichen Schuldgefühle gegenüber ihrer Mutter nicht gelungen. Sie konnte gesund werden, als sie die Beziehung ihrer Eltern zueinander besser verstand und erkannte, daß sie in ihrer Rolle als Stütze und Trösterin der Mutter den Eltern die Fortsetzung ihres stillen Krieges erst ermöglicht hatte. Als die Eltern sich wieder ausgesöhnt hatten, fühlte sich auch Joanna nicht mehr allein für das Glück der Mutter verantwortlich. Was sie sonst möglicherweise noch lange nach dem Tod ihrer Mutter gequält hätte.

Auch ihr Vater machte eine Heilung durch. Ich vermute, daß Joannas Mutter vor dem Ausbruch der Krankheit ihren Mann täglich wegen irgendeiner uralten Untreue gestraft hatte. Im Laufe der Jahre war ihr Verhaltensmuster völlig starr, unflexibel und ausweglos geworden. Erst als Joanna wegen ihrer Verletzung der kranken Mutter nicht mehr helfen konnte und die Mutter sah, wie sehr sich ihr Mann bemühte, ihr zu helfen und ihr seine Liebe zu zeigen, konnte sie schließlich seine Fürsorge akzeptieren. Auf diese Weise erfuhr nicht nur Joannas Vater eine seelische Heilung, sondern es bestand endlich die Möglichkeit einer positiven Beziehung zwischen beiden.

Als Joanna zwei Monate später zur Abschlußuntersuchung in der Praxis erschien, nahm sie mich einen Augenblick zur Seite, um mir mitzuteilen, daß ihre Mutter vor zwei Wochen zu Hause gestorben war.

«Es war wirklich wunderbar. Wir waren alle um ihr Bett versammelt, auch mein Mann und meine Söhne. Aber zum Ende hin wollte sie nur mit Vater allein sein. Können Sie sich das vorstellen? Sie wollte mit dem Mann allein sein, mit dem sie all die langen Jahre kein Wort gewechselt hatte! Wir warteten im Wohnzimmer, bis Vater schließlich aus ihrem Zimmer trat. Er sagte: ‹Sie ist von uns gegangen. Aber sie wußte am Ende, daß ich sie liebte.›»

Joanna weinte jetzt und konnte nicht mehr sprechen. Sie drückte mir nur die Hand, wandte sich um und ging schnell aus der Tür.

Gesundung auch über das Körperliche hinaus

Was bedeutet Gesundung? Die rein körperliche Heilung eines erkrankten Menschen. Könnte es nicht auch so sein, daß nicht nur Joanna und ihr Vater einen Heilungsprozeß durchgemacht haben, sondern auch die schwerkranke Mutter? Könnte man die Frau, die ihrem Mann verziehen und ihr Herz der Liebe geöffnet hatte, nicht auch als geheilt bezeichnen, obgleich sie körperlich starb? Im Verlauf dieses Buches werden Sie verstehen lernen, wie unser gesamtes Sein, das körperliche und das nichtkörperliche, durch jede positive Veränderung des Bewußtseins beeinflußt wird. Es handelt sich hier um die esoterische Sicht der menschlichen Evolution. Betrachtet man den Fall von Joannas Mutter aus dieser Perspektive, dann ist ein weitaus umfassenderes Verständnis ihres Todes möglich. Joanna schien dazu intuitiv in der Lage zu sein. Für sie war die Gesundung, die ihre Mutter auf Grund ihrer wiedererfahrenen Liebe erlebt hatte, von größerer Bedeutung als der körperliche Tod, sosehr sie auch darunter litt. Die Transformation der Sterbenden hatte auch eine Bewußtseinserweiterung bei ihrem Mann und ihrer Tochter bewirkt.

Aus esoterischer Sicht lassen sich viele Schwierigkeiten im Leben als Möglichkeiten für die Art der tiefen Gesundung erkennen, die in dem obigen Beispiel geschildert wurde. Vielleicht sollte ich zu diesem Zeitpunkt deutlich machen, daß es eine radikal andere Definition von Gesundung gibt, bei der es um subtilere und gleichzeitig grundlegendere und wichtigere Aspekte geht als um das rein Körperliche. Diese neue Definition beruht auf sechs Grundsätzen:

 

Eine tiefgreifende Gesundung geht immer mit einer Wandlung des Herzens und mit einer Erweiterung des Bewußtseins konform.

Die Heilung von einer körperlichen Schwäche oder einer Krankheit bedeutet nicht notwendigerweise, daß eine wirkliche Gesundung stattgefunden hat.

Eine anhaltende körperliche Schwäche oder Krankheit bedeutet nicht notwendigerweise, daß eine wirkliche Gesundung nicht stattgefunden hat, selbst wenn der Mensch letzten Endes stirbt.