Was man einmal anfängt - Werner Reichel - E-Book

Was man einmal anfängt E-Book

Werner Reichel

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Beschreibung

Menschen im Alltag, ihre Gedanken, Erinnerungen und inneren Konflikte oder ihr Gefangensein in ungelösten Lebenszwängen bilden in einigen Erzählungen den Mittelpunkt. An anderer Stelle stehen Mutproben oder führen Fehleinschätzungen eigener Fähigkeiten zu neuen Erkenntnissen. Erfahrungsreich stellt sich ein dramatisches Geschehen am Bahnübergang dar, das zum verbindenden Ereignis zweier ehemaliger Kriegskameraden wird. Andernorts verfehlen Männer den schmalen Grat zwischen Recht und Unrecht. Überirdisch zeigt sich einem kleinen Jungen ein Himmelsereignis. Andere Kinder erleben den Dorf- und Schulalltag mit den Lebensrealitäten der fünfziger Jahre. Leicht, heiter und plattdeutsch begegnen wir einem gesundheitsbewussten Läufer oder einem ganz eiligen Zeitgenossen. Heiter kommen auch die weihnachtlichen sowie andere Geschichten mit ihren menschlich-typischen Irrungen und Verwirrungen daher. Abgerundet werden die 19 Erzählungen durch 20 Illustrationen des Autors.

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Obwohl die meisten Erzählungen auf einem oder mehreren wahren Elementen – etwa Ereignissen, Orten, Gebäuden, Gegenständen sowie Eigenheiten oder Erinnerungen bestimmter Personen – beruhen, sind sie allesamt dennoch ein Werk der Fiktion. Ähnlichkeiten sowie Übereinstimmungen mit Namen lebender oder verstorbener Personen sind nicht beabsichtigt und rein zufällig, ebenso mögliche Übereinstimmungen mit Namen fiktiver Figuren oder Titel anderer Werke (Zitate ausgenommen).

Inhalt

Wie eine Handvoll Murmeln

Was man einmal anfängt …

Bolo

Ein Hauch von gestern

Das Brett

Ein wirklich schöner Tag

Nur ein Schluck Wasser

Nebel

Der nette Harald K.

Grenzgänger

Mutprobe

Nicht für die Schule lernen wir …

Frühlingsgewitter

Es weihnachtet sehr

Der Weihnachtseinkauf

Dat Spoorbook

Keen Tiet, keen Tiet oder wat’n Malöör

Wat den een sien Uul … oder de niege Tiet

Lopen in de Morgenstünn

Wie eine Handvoll Murmeln

Verträumt stand er in der halb geöffneten Dielentür zum Hof und staunte mit offenem Mund in den aprilfeuchten Nachmittagshimmel, in den die Sonne einen farbenprächtigen Regenbogen gemalt hatte. Die Hände in den Taschen seiner zu großen Hose, die fast bis auf die Knie reichte, waren angestrengt zu Fäusten geballt, so als wollten sie etwas festhalten. Eine ganze Zeitlang schien es, als sei überhaupt kein Leben in ihm, so bewegungslos stand er da. Er hörte weder das Zwitschern der Vögel aus dem Garten und dem nahen Wald noch das Blöken der Schafe aus dem Stall und auch nicht die anderen vertrauten Geräusche aus dem Haus.

Seine Gedanken türmten sich himmelwärts empor zu dem farbigen Gebilde, das halbkreisförmig irgendwo entsprang, hinter den mehr als haushohen Kiefern mit dem undurchdringlichen Nadeldach, das von Weitem aussah wie eine grüne Berg- und Tallandschaft. Der Bogen spannte sich weit über den blauschwarzen Himmel, um auf der anderen Seite, unendlich weit hinten und doch, so schien es, greifbar nah, im regensatten, schwarzen Acker zu verschwinden, als wollte er der wintermüden Erde die Farben zurückgeben, welche die kalte Zeit genommen hatte.

Als hätten die Farben auch nun den Grund seiner Seele erreicht, erwachte der kleine Junge mit der zu großen schwarzen Hose aus seiner Bewegungslosigkeit und setzte langsam und dann immer schneller werdend einen Fuß vor den anderen, um zur Quelle der wunderschönen Farben zu laufen, die noch viel schöner waren als die glasierten Tonmurmeln in seiner Hosentasche.

Er hatte die schützende riesige Kastanie vor dem Haus – unter deren mächtigem, ausladendem Astwerk, an dem sich schon grüne Blättchen hervorwagten, nur wenige Tropfen des Aprilschauers den Boden berührten – verlassen und seine Füße, die in grünen, grobgestrickten Strümpfen und hohen, zu großen Schnürschuhen mit glatter Ledersohle und aufgenagelten Eisenplättchen steckten, rutschten über frühlingsgrünes Gras dem Acker entgegen, in den sich, so schien es, der Regenbogen hineingebohrt hatte.

Und während er dahinrannte, selbstvergessen, wunschbeseelt, kamen ihm Gedanken an die schönen, teuren Glasmurmeln, die er sich schon immer gewünscht hatte, deren Schönheit aber nun verblasste unter dem Leuchten der Farben des Regenbogens. Die glasierten Tonmurmeln in seiner Hosentasche, die ähnlich grüne, rote, blaue und violette Farben hatten, wurden so unglaublich wertvoll, so unersetzlich, dass es ihn mit wohltuender Befriedigung erfüllte, als er vor Anstrengung, schnell atmend, die ersten Ackerschollen erklomm. Schon hatten seine zu großen braunen Schuhe die Farbe des schwarzen Ackers angenommen und die Erde gab die Füße kaum noch frei.

Direkt hinter einem großen, hölzernen Leitungsmast, nur ein paar Steinwürfe entfernt, so nah und doch fast unerreichbar, senkte sich der wie zartleuchtendes Glas aussehende Bogen auf die Erde, die ihm dafür ihre feuchte Wärme entgegenschickte.

Der Junge in den braunen Schuhen bremste seinen stolpernden Lauf, hielt einen Moment inne. Ihm schien es, als stünde nun auch der Regenbogen still, der während des Laufens, so sah es aus, vor seinen Augen auf- und abgetanzt war, als wollte er seinen Lauf noch beschleunigen. Nun aber, so als wartete der Regenbogen auf ihn, leuchtete er noch kräftiger zur Erde herunter, als hätte er nie etwas anderes getan.

Mit glühendem Gesicht und klopfendem Herzen übersprang der Junge zwei Ackerfurchen gleichzeitig, und der Regenbogen – das Ziel seiner Wünsche, den er in Gedanken hinter dem hölzernen Leitungsmast schon berührte, seine Farben bewunderte, das zarte Grün, das sanfte Rosaviolett, das leichte Zartblau – war nur noch ein paar Herzschläge ohne ihn. Denn sicher war, dass der Regenbogen auf ihn gewartet hatte.

Endlich hatte er ihn erreicht, den hölzernen Stamm, gewaltig hoch und stark war er, direkt vor ihm, wie der Wächter zu dem geheimnisvollen Tor, durch das er in dieser Sekunde eintreten wollte, in die Welt der unermesslichen Schätze, die noch nie jemand zuvor gesehen hatte, in der alle Edelsteine der Welt verblassten, wo die Freude einer einzigen Sekunde mehr war als das Lachen eines ganzen Tages und wo die Farben aus der Erde wuchsen zu einem Teppich, der so schwebend weich war wie die Pusteblumen im Sommerwind.

Noch im Laufen stützte sich der Junge mit seiner kleinen Hand gegen den hölzernen Stamm, als wollte er ihn wegschieben, ihn, der wie ein Wächter den Weg zu dem Tor versperrte, hinter dem der Regenbogen auf ihn wartete. Dann aber bremste er jäh seine stolpernden Beine und unsicher stand er auf der glitschigen Erde, die zu dicken Klumpen unter seinen Sohlen angewachsen war.

Mit großen Augen stand er da, schaute zu dem Regenbogen, der sich noch immer vom Himmel auf die schwarze Erde senkte und so aussah, als wollte er in die Erde hineinwachsen, aber wieder so unendlich weit weg; und auf einmal wusste er nicht mehr, warum er dem Regenbogen nachgelaufen war. Durch den Tränenschleier in seinen Augen sah er plötzlich wieder die Vögel, vernahm das Zwitschern und das entfernte Blöken der Schafe. Zunächst noch von ganz weit, dann aber immer deutlicher, schließlich spürte er auch die nasse Ackererde an seinen Beinen.

Ein paar dicke Wolken schoben sich verdunkelnd über den Rand der Sonne und fest schloss sich seine kleine Hand um die bunten, abgenutzten Tonmurmeln in seiner Hosentasche …

Was man einmal anfängt …

Der stumpfe, blecherne Ton der Schrankenglocke zerriss die Stille des nahenden Abends und kündigte wie jeden Tag um diese Zeit den Güterzug an, der dann mit lautem Rollen und Dröhnen die Wände des kleinen Bahnwärterhäuschens zum Beben brachte. Die rot-weiße Schranke mit den rostigen Stellen wippte noch ein paarmal kurz auf und nieder, brachte den darunter hängenden Kettenvorhang noch kurz zum ausschwingenden Klirren und Klingen und sperrte dann endgültig die holperige, staubige und mit Teerflicken ausgebesserte Straße ab.

Fast alle, die hier tagaus, tagein den Bahnübergang passierten, kannte der Schrankenwärter und nicht selten öffnete er die schon heruntergelassene Schranke, um den einen oder anderen vor der Durchfahrt des Zuges rasch noch durchzulassen. Manchmal dachte er dabei an die Dienstvorschrift und seine oberste Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Bahnübergang sicher befahren werden konnte. Gleichzeitig erschrak er bei der Vorstellung, was passieren würde, wenn plötzlich doch ein Zug käme und die Schranke noch geöffnet wäre.

Dann aber schob er den Gedanken beiseite wie so oft und er war sicher, es würde nichts passieren; denn nach vielen Jahren Dienst auf diesem Posten kannte er jede Minute des Fahrplans in- und auswendig. Er hatte sogar manchmal das Gefühl, als sei jeder Zug, jedes Geräusch am Schienenstrang ein Teil von ihm geworden.

So war es eine Art Selbstverständlichkeit, jene hüben und drüben gefällig und bereitwillig noch durchzulassen. Außerdem bot sich, während er nach draußen kommen musste, um die Kurbel zu betätigen, die Gelegenheit zu einem kleinen Schwätzchen, das etwas Abwechselung in seinen alltäglichen Dienst brachte.

Ja, eintönig empfand er immer häufiger seinen Dienst, ohne dass er wusste, warum er es dachte. Seine Hand löste sich langsam vom glänzenden Metallgriff, blankpoliert vom unzähligen Öffnen und Schließen. Wie oft habe ich die Kurbel in den Jahren wohl bewegt, überlegte er und schaute etwas versunken auf den Griff der Kurbel, der sich in seiner Hand erwärmt hatte und der in der untergehenden Abendsonne goldfarben aufblitzte. Gleichzeitig aber erschrak er über seine Gedanken, die in der letzten Zeit immer häufiger auftauchten.

Besonders der, dass er seinen Dienst zunehmend eintöniger fand, beschäftigte ihn zusehends. Wie kann ich es eintönig finden, dachte er, sich innerlich ungehalten zurechtweisend, und er war froh, dass in diesen Momenten mit lautem Getöse der erwartete Güterzug heranrollte und seine Gedanken abrupt beendeten. Er trat noch zwei Schritte an den Schienenstrang heran, hob die rot-weiße Fahne, während der Zug mit der rauchenden, schwarzen Lokomotive nur noch wenige Armlängen entfernt an ihm vorbeirollte.

Sekundenlang war er von riesigen Dampf- und Rauchschwaden eingehüllt, die sich schwer und feucht auf seinen Atem legten, und er spürte das Zittern des Erdbodens und das Stampfen der Lokomotive, das rhythmische Klackklack-Klackklack der schweren Räder, und nichts war beruhigender zu wissen, als dass die Schranke geschlossen war. Er fand es noch immer ein wenig aufregend, so dazustehen und den Zug ganz nah an sich vorbeifahren zu lassen.

Meistens rief er noch etwas hinauf zum Lokführer, obwohl er wusste, dass er ihn nicht hören konnte. Der Luftzug und Lärm des Zuges rissen jeden Ton von den Lippen und verschluckten ihn unwiederbringlich. In Gedanken hatte er die Wagen des schwerbeladenen Zuges mitgezählt.

Es waren sechsunddreißig oder siebenunddreißig, ähnlich wie die Güterzüge gestern, vorgestern oder letzte Woche, letztes Jahr … Und häufig kam Koks für die Hüttenwerke, die damit das Erz zu Eisen und Stahl schmolzen für die Industrie, die daraus neue Güter fertigte, Autos, Waschmaschinen, Kühlschränke, Panzer für’s Militär, Schienen für die Bahn und …

Der Schrankenwärter öffnete die Augen, die er für ein paar Sekunden geschlossen hatte. Der Zug hatte den Bahnübergang längst passiert und verlor sich weit hinter der Signalanlage in einer langgezogenen Kurve, wohin er den Zug nicht mehr mit den Augen verfolgen konnte. Nur das Geräusch des Rollens und Rasselns war noch eine Weile zu vernehmen, verebbte dann zu einem leisen Raunen, um dann endgültig zu verstummen. Eine Zeitlang stand der Schrankenwärter reglos da, den Kopf seitlich etwas geneigt und lauschte dem längst verschwundenen Zug nach.

Ein kurzes Hupen schreckte ihn aus seinen Gedanken auf, in die er beim Vorbeifahren des Zuges versunken war. Ein Traktor mit vollbeladenem Hänger wartete vor der geschlossenen Schranke. »He, du willst mich wohl nicht durchlassen!« Die ärgerliche Stimme gehörte zu dem Mann auf dem Traktor und brachte ihn in die Gegenwart zurück, die ihm manchmal entglitt, wenn er wie kurz zuvor ins Grübeln verfiel.

Dann drehte er die Kurbel, die die Schranke in Bewegung versetzte, rief ein paar belanglose Worte zu dem Mann auf dem Traktor, der mit einem knirschenden Ruck den Gang einlegte und das heubeladene, rumpelnde Gefährt, das nach Trockenheit und Geborgenheit roch, über den Bahnübergang lenkte, nicht ohne die Hand noch einmal grüßend an die Mütze zu legen.

Der Schrankenwärter kannte den Bauern von der anderen Seite, dessen Gehöft vom Fenster des Bahnwärterhäuschens gut zu sehen war. Er kannte auch die kleinen, deftigen, gegenseitigen scherzhaften Wortplänkeleien, die ihm aber in der letzten Zeit nicht mehr so leicht von den Lippen kamen.

Auch die Leute im Dorfkrug, die er manchmal vor Dienstbeginn sah, wenn er sich noch ein Getränk oder eine Rolle Pfefferminzdrops holte, erschienen ihm häufiger nicht mehr so vertraut, irgendwie fremder als sonst.

In der Ecke saß fast immer der in die Jahre gekommene Brinkholt – an der Wand über ihm ein hölzernes Propellerblatt eines Sportflugzeugs, das er schon lange nicht mehr fliegen durfte – und vertrank, seit Jahren vor sich hinweinend, Haus und Hof. Wenn er den Schrankenwärter sah, begrüßte er ihn immer mit denselben Worten: »Hest du de Schranken to?«, worauf der immer antwortete: »Jo, heff ick!« »Denn man to, denn man to«, sagte dann Brinkholt und leerte dann mit noch mehr Tränen in den Augen sein Schnapsglas …

Mit etwas schleppenden Schritten ging er zurück in den spärlich eingerichteten Raum des Bahnwärterhäuschens, stellte die Signalfahne wieder an ihren Platz, und sein Blick glitt unbewusst über die anderen Gegenstände, die zu seinem Dienst gehörten. An der Wand an einem Lederriemen das Signalhorn, daneben die Batterieleuchte mit roten und grünen Gläsern, darunter auf dem Boden stehende Signallampen, die er bei Dienstbeginn angezündet hatte.

Dann glitten seine Finger wie verloren über die abgeschabte Oberfläche des Schreibtisches und eine Zeitlang hatte er das Gefühl einer beklemmenden Leere. Erst als sein Blick sekundenlang auf dem aufgeschlagenen Zugmeldebuch und Fahrplan zur Ruhe kamen, kehrte seine gewohnte Betriebsamkeit zurück.

Er spürte ein siedendheißes Gefühl des Erschreckens, das ihn im tiefsten Innern erschütterte. Es war eine Kleinigkeit, eigentlich nur ein Häkchen auf dem Fahrplan mit den Zugnummern, die diese Erschütterung auslöste. Dieses Häkchen fehlte. Der aufgeschraubte Füllhalter lag in exakter Bereitschaft, aber seine Hand, die ihn führen sollte … Er konnte es sich nicht erklären, warum er den letzten Zug, der gerade erst durchgefahren war, nicht vorschriftsmäßig nach der Durchsage des Fahrdienstleiters abgehakt hatte.

Eigentlich ist es doch egal, dachte er, niemand sieht, ob der Zug nach der Durchsage oder erst später abgehakt wurde. Er holte das Versäumte nach und trug die Durchfahrtszeit ein. Dann starrte er immer wieder auf das kleine Häkchen, das nicht anders aussah als die anderen, die er bei den anderen Zügen eingetragen hatte.

Er musste plötzlich daran denken, dass er auch das Läutesignal, welches den Güterzug angekündigt hatte, nicht bewusst gehört hatte. Nach der Ankündigung des Zuges war er gedankenversunken und routinemäßig mit der Fahne vor die Tür getreten und hatte die Schranke geschlossen. Er lehnte sich auf seinem Holzstuhl zurück, atmete ein paarmal tief und versuchte die bohrenden Gedanken über seine Unachtsamkeit und seine Grübelei herunterzuschlucken.

Schon häufiger hatte er sich in letzter Zeit beim Grübeln ertappt, viel öfter als früher, aber dass er etwas in seiner Dienstausübung vergessen konnte, das beunruhigte ihn zutiefst. Vielleicht sollte ich mich krankmelden, dachte er, aber gleichzeitig kam er sich lächerlich vor, was hätte er für einen Grund angeben können? Krank weil man grübelt oder nachdenklich ist? Niemand würde es hören wollen und niemand würde es verstehen.

Energisch legte er den Füllhalter, den er noch immer in der Hand hielt, neben das aufgeschlagene Streckenbuch und blickte zum nicht weit entfernten Teich hinüber, auf dem abendliche Nebelschwaden allmählich die spiegelnde Wasserfläche einhüllten. Eine frühherbstliche Abenddämmerung, die, wie er empfand, immer eine wohltuende Ruhe verströmte, der er sich in der Vergangenheit nur gerne für Minuten hingab. Eine Ruhe, die ihn in der letzten Zeit immer seltener erreichte.

Er hatte plötzlich das Gefühl, in dem kleinen Raum, der ihm enger vorkam als sonst, zu ersticken. Er öffnete das Seitenfenster neben der Wanduhr, die seinen Dienst bestimmte, und blickte auf den schnurgeraden Schienenweg, der weit hinten nach einer langgezogenen Kurve im Tunnel verschwand. Er atmete die abendliche Luft tief ein und hielt den Atem ein paar Sekunden an.

Mehr als ein Dutzend Jahre sind eine lange Zeit, dachte er, und er, so sehr er sich anstrengte, konnte sich nicht wirklich vorstellen, wo die Zeit geblieben war. Manchmal, so schien es ihm, waren es erst wenige Tage, seit er den Dienst als Schrankenwärter angetreten hatte. Aber immer häufiger hatte er das Gefühl, als seien schon Ewigkeiten vergangen und dass das Leben ohne ihn vorbeigezogen war und dass da niemand war, dem er hätte die Schuld dafür geben können. Er selbst hatte sich die Arbeit als Schrankenwärter ausgesucht, obwohl er heute nicht mehr genau wusste, warum.

Gleich nach dem Krieg hatte er sich für den Schrankendienst beworben. Schon lange vorher arbeitete er bei der Bahn in der Gleisbaukolonne. Harte Arbeit für einen Jungen, dessen Bart noch nicht einmal richtig spross. Aber wer fragte schon danach, damals.

Der Vater war einige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg an den Folgen einer Verletzung gestorben und seine Mutter hatte Mühe, seine drei Geschwister und ihn durchzubringen. Uhrmacher oder Feinmechaniker wäre er gerne geworden oder vielleicht auch weiter zu einer höheren Schule gegangen.

Aber wer fragte schon danach? Beim Gleisbau in der Rotte wurde man nicht schlecht bezahlt und außerdem konnte man sich hocharbeiten. So hieß es dann auch: Bewähr dich ganz unten, dann kommst du von alleine hoch. Ihm war es egal, ob er aufstieg oder nicht. Kreuzlahm war er häufig, krummgeschuftet vom Schwellenschleppen und Schotterkratzen.

Später wurde es mehr und mehr zur Gewohnheit. Der Körper hatte sich an die schwere Arbeit gewöhnt und der Geist beschränkte sich auf ein Weniges an Nahrung. Als dann der Krieg begann, meldete er sich als Freiwilliger und er genoss das bisschen Bewunderung seiner Kollegen. Er ahnte noch nicht, dass er den Krieg bald verfluchen würde.

Warum hatte er sich überhaupt freiwillig gemeldet? Immer wieder stellte er sich in der Zeit und später diese Frage. Je mehr er darüber nachdachte, umso weniger fand er eine befriedigende Antwort darauf. Mut war es sicher nicht, denn er rechnete sich nie zu den Mutigsten. Irgendwie war es wohl nur die Pflicht, der man sich nicht entziehen durfte. Und viel später, die Zeit als Soldat kam ihm wie ein schlimmer Albtraum vor, wünschte er sich, dass er das alles niemals hätte erleben müssen. Er hatte nie viel darüber gesprochen, auch mit Hanna nicht, seiner Frau, die er ein Jahr vor Kriegsende im Urlaub heiratete.

Sie kannten sich bereits aus der Schulzeit und irgendwie wussten beide, dass sie zusammenbleiben würden – später. Er hatte früher auch nie mit ihr darüber gesprochen, dass er sich häufig wie ein Feigling vorkam und auch dass er gerne etwas anderes gemacht hätte. Aber der Posten als Schrankenwärter bot sich ganz einfach an.

Beim Gleisbau war er nie unangenehm aufgefallen, im Gegenteil. Er arbeitete stets fleißig, war geschickt und anstellig. So hatte man keine Bedenken ihn für die Ausbildung zu nehmen. Zur Rotte zurück, nein, das wollte er nicht. Er wollte Abstand und Abgeschiedenheit eines einsamen Schrankenpostens, den er nach der Schulung zum Schrankenwärter dann bekam.

Und er war froh, nicht so viel reden zu müssen die ersten Jahre. Aber die Einsamkeit und das Alleinsein auf einem Schrankenposten ließen viel Zeit für eine Gedankenwelt zwischen den Zügen und wenn alle anderen Arbeiten erledigt waren. Nicht selten legten sich dann die Bilder und Erinnerungen der Kriegstage wie dunkle Schatten auf seine Seele und wollten nicht weichen. Die Sekunden tropften dann, wie er empfand, wie Wachs zu einer unendlichen Masse, aus der er sich nur mühsam befreien konnte.

Wie aus dem Schutt und den Trümmern, die ihn zu ersticken drohten, nachdem aus den brummenden Schatten am Frühlingshimmel die zerstörerische Last auf den Bahnhof niederging und alles zerbersten ließ. Waggons, Gebäude, Menschen – und Gleise, die sich wie verbogene Leitern anklagend gen Himmel wölbten. Als er zu sich kam, befand er sich noch immer neben dem Gleisbett, die Arme schützend um den Kopf gelegt und versuchte Angst und Entsetzen nicht herauszuschreien.

Damals schwor er sich, nie wieder eine Uniform anzuziehen, die ihm immer verhasster wurde, je länger er sie tragen musste. Manchmal wünschte er sich, mit jemandem über alles Erlebte sprechen zu können, aber niemand sprach über so etwas. So schwieg auch er und verbarg die Erinnerung so gut es ging hinter einem Verhau von Alltäglichkeiten und den sich ständig wiederholenden Tätigkeiten seines Dienstes in seinem Schrankenwärterhäuschen, das er wie eine kleine Fluchtburg empfand, besonders abends, wenn das Leben ringsherum einschlief.

Viel gab es nicht zu tun, zwölf Stunden lang, besonders in der Nacht nicht, aber er fand immer Tätigkeiten, um die Zeit zu nutzen, Arbeiten, die zu seinem Dienst gehörten, die ihn auch von seinen Gedanken ablenkten oder anderes.

Mal putzte er die Scheiben seines Häuschens, ölte und fettete das Räderwerk der Schrankenanlage oder polierte die Gläser der Handlaterne, mit der er die wichtigen Lichtzeichen an den Lokführer signalisierte. Wehe der Lokführer sah das Signal der Lampe nicht, weil etwa die Lampe verschmutzt war, nicht funktionierte oder er gar vergessen hatte, mit der Lampe vor die Tür zu treten und sie hochzuhalten, was dann bedeuten würde, Schrankenwärter nicht auf Posten. Der Lokführer könnte den Zug schlimmstenfalls zum Stehen bringen.

Die Dämmerung war inzwischen hereingebrochen und allmählich schlief das Schnattern und Flattern auf dem nahen Teich ein. Beim nächsten Zug werde ich die Lampe nehmen müssen, dachte der Schrankenwärter und er wendete seinen Blick vom Teich zurück zum Platz, wo die Signallampe stand. Und mit einer vorher nie gekannten Gleichgültigkeit bemerkte er den kleinen Fleck auf dem Glas der Laterne.

Ich werde es sagen, dass ich diese Arbeit nicht mehr machen will, nicht mehr machen kann. Aber wie soll ich es sagen? Der Gedanke war unangenehm, ließ sich aber nicht mehr verdrängen, wie so häufig. Was man anfängt, das führt man auch zu Ende, würde seine Mutter wieder sagen, lebte sie noch. Aber wo ist das Ende?

Er suchte nach der Antwort, und was er in diesen Sekunden spürte, war das Bedürfnis zu sagen, ich habe keine Lust mehr, fühle mich leer, ausgebrannt, ungelebt. Einsamer Tagdienst, einsamer Nachtdienst, Woche um Woche, fünfzehn Jahre. Güterzüge, Personenzüge, Schnellzüge, die Schranken auf und ab, die Fahne, Laterne, Eintragungen, warten und – grübeln.

Ich werde es ihr sagen – morgen, gleich nach dem Nachtdienst. Ich werde endlich den Mut aufbringen und ich werde ihr auch sagen, dass ich ihren Morgenrock nicht mehr ertragen kann und ihre ungepflegten Haare. Und ich werde ihr sagen, dass ich es nicht mehr ertrage, dass wir nie mehr miteinander reden können, so wie früher.

Und mit einem Male dachte er daran, wie grau sie geworden war. Vielleicht sollte ich ihr mal wieder ein paar Blumen mitbringen, wie früher, vielleicht würden ihre Augen dann wieder etwas strahlen, denn auch sie waren stumpf geworden, stumpf und glanzlos wie die Haare.

Entfremdet hatten sie sich, zunächst unmerklich, stetig, endgültig und in der Gewissheit, dass sich daran nichts ändern würde, blieben sie zusammen, obwohl sie kaum noch miteinander sprachen. Manchmal, wenn er erneut keinen Schlaf gefunden hatte, sich die Bilder der Vergangenheit nicht abschütteln ließen und sich beim Frühstück oder Abendbrot ihre Blicke sich kurz berührten, versuchte er ein paar Worte herauszubringen.

Sie hatte dann meistens abgewinkt und indem sie in der Tasse rührte oder zum Herd ging, meistens mit der Bemerkung, dass er die alten Geschichten ruhen lassen sollte, dann fühlte er die unendliche Einsamkeit und Leere, die ihn begleitete, wenn er seinen Dienst antrat.

In diesen Momenten wünschte er sich die Zeit zurück, wenn er manchmal vom Dienst zurückkam und sie zusammen vor dem warmen Ofen saßen, den sie mit den wenigen Kohlen beheizt hatten, die er, in altes Zeitungspapier gepackt, heimlich mitgenommen hatte, abgezweigt von der zugeteilten Menge für den alten Ofen im Schrankenposten. Er vermisste diese nie wieder so erlebte Zweisamkeit dieser Zeit, in der Kohle mehr war als nur die Glut, die man damit entfachte.

Kohle brachte viele in gemeinsamer Not zusammen, und die »schwarzen Diamanten«, die es nur auf den Waggons gab, beherrschten das Denken und Fühlen aller.

Schnell musste es gehen, und wenn die Abstände zwischen dem rhythmischen Klackklack, Klackklack immer länger wurden, das Geräusch der Waggonräder zu einer mahlenden, schleifenden Langsamkeit wurden, lösten sich aus den Schatten der Dämmerung und des Bahndamms meistens die Ersten, die aufsprangen, wühlten sich in die schwarze Masse und warfen ab. Unten neben dem Bahndamm der Tross der Karren, Säcke, Taschen. Manche verloren beim Auf- oder Abspringen eine Hand, ein Bein oder das Leben.

Manchmal war auch die Bahnpolizei zum Schrankenposten gekommen, um vielleicht herauszubekommen, wer daran beteiligt gewesen war. Er müsse doch etwas gehört oder gesehen haben, wer dabei gewesen war, so der eine Polizist.

Was sollte er sagen? Jeder klaute Kohle, der Polizist wusste es und er wusste auch, dass er log, als er sagte, er wüsste nichts …

Er bemerkte, dass er noch immer auf die Laterne starrte und zwischen dem Auf und Ab seiner Gedanken horchte er auf das Pochen seiner Schläfen, das so laut war wie die Worte, die er so oft in sich hörte und die, so sehr er sich bemühte, sie zu überhören, in ihm nachhallten. Was man anfängt, das führt man auch zu Ende, zu Ende, zu Ende …

Erst das klackende Springen des Minutenzeigers der Uhr unterbrach seine Gedanken. Bis zur Durchfahrt des Schnellzuges waren es noch fast fünfzig Minuten und in Kürze würden zwei Güterzüge durchfahren. Die Ankündigung der Züge nahm er über Fernsprecher mit gewohnter Aufmerksamkeit entgegen. Er hakte sie auf dem Fahrplan ab, nahm die Signallaterne und trat, nachdem er die Schranke heruntergelassen hatte, wenige Schritte vor den Eingang und gab, als der Zug herandröhnte, vorschriftsmäßig das Lichtzeichen für den Lokführer.

Erst eine Weile später beim Gegenzug fiel ihm auf, dass er nicht wie üblich aus einer Gewohnheit heraus die Wagen gezählt hatte. Er bemerkte es, ohne dass ihm einfiel, warum er das Zählen vergessen hatte. Der Schrankenwärter stellte die Signallampe auf ihren Platz. Er würde sie bald erneut brauchen für den Schnellzug.

Er setzte sich auf seinen abgeschabten Stuhl, den er ein Stück vom Schreibtisch abgerückt hatte, und blickte eine ganze Weile auf die graue Wand neben der Uhr, ohne dass es ihm bewusst war. Eine geraume Zeit saß er fast regungslos, dann schweifte sein Blick auf den alten Ofen, dem man die Jahre und die vergangene Hitze ansah. Er betrachtete die abgeschlagenen Stellen an der darauf stehenden, roten Emaillekanne, die sich in der Dämmerung schwärzlich abhoben. Wie Wundmale, dachte der Schrankenwärter, wie Verletzungen, die nicht mehr heilen …

Das Schrillen des schwarzen Telefons ließ ihn zusammenfahren. Er schluckte einige Male, bevor er den Hörer abnahm und sich meldete: »Posten!«

Die Stimme des Fahrdienstleiters klang wie immer dienstlich, blechern: »Zug F1 voraussichtlich ab …!«

Der Schrankenwärter legte den Hörer auf und hakte den Zug auf dem Fahrplan ab. Verspätung, dachte er, Verspätung wegen der Gleisbauarbeiten, wahrscheinlich an der Weiche, und im selben Moment fielen ihm die schadhaften Stellen am Bahnübergang ein.

Und er dachte an die Gleisbauarbeiten, die er selbst einige Jahre erlebt hatte. Schnell musste es meistens gehen, denn der Zugverkehr durfte nicht lahmgelegt werden. Nur eingespielte Leute arbeiteten bei dringenden Reparaturarbeiten zusammen. Während die einen die Schrauben am alten Schienenstück lösten, schleppten die anderen bereits mit Schienenzangen die neue Schiene heran. Auf Kommando »Hebt an!« wurde die Schiene wie eine lange Schlange aus der Verankerung gehoben, während die anderen die neue Schiene an die alte Stelle setzten. »Achtung …!« Die Kommandos waren ihm damals wie beim Militär vorgekommen, ohne dass es ihn weiter berührte.

Inzwischen hatte er die Signallampe wieder von ihrem Platz genommen und ging mit bedächtigen Schritten nach draußen. Sechs Schritte waren es zur Winde und während er, in einer Hand die Lampe haltend, die Schranke herunterließ, kam ihm fast gleichgültig auch der Gedanke, dass er auch in den ganzen Jahren hätte die Schritte zählen können. Sechs Schritte hin, sechs zurück, etliche Male am Tag, meistens sechs Tage die Woche, vierundzwanzig Tage im Monat – im Jahr unendlich viele Schritte, in zehn Jahren, im ganzen Leben … Er schaute auf den inzwischen beleuchteten Bahnübergang mit den blanken, im Licht glänzenden Schienen, die sich weiter hinten in der einhüllenden Dämmerung verloren.

Auf der anderen Seite des Bahnübergangs, unweit des Teiches näherte sich ein Licht, mal heller, mal dunkler. Hinnerk, dachte der Schrankenwärter, und heute fiel ihm auf, dass er immer kam, wenn die Schranke geschlossen war. Seltsam, kam es ihm in den Sinn. Es wiederholt sich alles, die Schritte, die Stunden, die Tage – und Hinnerk, er kommt immer, wenn die Schranke geschlossen ist. Schon seit Jahren schob Hinnerk sein altes, klapperiges Fahrrad, an dem ein ebenso klapperiger, zweiräderiger, gummibereifter Anhänger hing, zusammengebastelt aus alten Rädern eines Fahrrades und zusammengesuchten Brettern. Kaum jemand, der ihn mal ohne dieses Gespann, das so manchen Sack Kohle in der schlechten Zeit transportiert hatte, gesehen hätte.

Seit vielen Jahren kannten sie sich. In der Schulzeit heckten sie so manchen Streich aus. Ihre Wege trennten sich dann später, als Hinnerk in die Lehre ging. Jahre später trafen sie sich wieder, irgendwo im Krieg in Frankreich, wo Hinnerk dann sein Knie einbüßte. Sein Bein war steif geblieben, und das Fahrrad konnte er nur mit dem gesunden Bein und einem dafür gebauten Tretlager fahren. Weil es ihm oft zu anstrengend war, so zu fahren, schob er das Rad meistens.

Immer wenn er ihn kommen sah, hatte der Schrankenwärter dann bereitwillig die Schranke geöffnet. Rasch humpelnd hatte Hinnerk dann das Gespann auf die andere Seite geschoben, um dort ein wenig zu verweilen. Sie wechselten meistens belanglose Worte. Über den Krieg hatten beide auch früher nie gesprochen. Manchmal hätte er sich gewünscht, ein wenig darüber zu reden, aber da Hinnerk nie erkennen ließ, dass er das auch wollte, verblieb es. Im gegenseitigen Schweigen hatten sie es immer bei Belanglosem belassen.

Während seines Verweilens am Bahnwärterhäuschen wurschtelten seine tabakgefärbten Finger wie bei einem sich wiederholenden Ritual jedes Mal aus widerspenstigem, billigem Grobschnitt ein fingerdickes Etwas, das er dann gekonnt in den Mundwinkel hing und anzündete. »Fast wie Machorka, nur nicht so gut«, sagte er jedes Mal und der beißende Qualm des Krautes trieb ihm immer die Tränen in die Augen. Der Schrankenwärter dachte dann stets an die teuren Eckstein-Zigaretten, die auf dem blechernen Reklameschild neben der Tür des Dorfkrugs zu sehen waren und die sich Hinnerk nicht leisten konnte. »Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein«, sangen manchmal die Kinder, wenn sie Verstecken spielten.

Nach dem Aufrauchen zog Hinnerk jedes Mal, auch ein Ritual, einen kleinen Flachmann aus der Tasche. »Willst du auch?«, fragte er dann immer, nach Fusel riechend, obwohl er wusste, dass er erneut alleine trinken würde. Und immer war er die Ruhe selbst.

Heute aber war er anders als sonst, aufgeregter. Er kam wieder vom Angeln. »So groß ist er«, rief er. Offenbar hatte er etwas gefangen. »Ich hab ihn«, rief er schon von Weitem. »So groß ist er«, rief er noch einmal und deutete etwas an. »Mach schon auf, damit du ihn dir ansehen kannst!«

Der Schrankenwärter zögerte ein wenig und dachte an den Schnellzug, der bald kommen musste, gab aber im selben Moment dem aufkommenden Zweifel, den er sonst nicht verspürte, keinen Raum und öffnete die Schranke gerade so viel, dass Hinnerk eben mit seinem Gefährt darunter durchschlüpfen konnte. »Beeil dich, der Zug kommt gleich«, rief er noch hinüber, und im selben Moment, in dem er das letzte Wort hinüberrief ertönte das Läutewerk, schrill, durchdringend. In wenigen Minuten würde der Schnellzug den Bahnübergang passieren.