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Die Begegnung mit sterbenden Menschen löst häufig Hilf- und Sprachlosigkeit aus. Pflegende stehen vor der Frage "Was können wir noch tun?" - "Wie können wir einen Sterbenden auf seinem letzten Weg angemessen begleiten?" Die Autoren beantworten diese Frage, indem sie das Konzept der Basalen Stimulation auf die Begleitung Sterbender übertragen und ihre Anwendungsmöglichkeiten in der Palliatve Care und Hospizarbeit beschreiben. Sie dokumentieren die Unterschiede der Sterbebegleitung in Hospizen, Krankenhäusern und Altenheimen. Verständlich beschreiben sie, wie sich Erleben, Wahrnehmung und körperliche Funktionen von Menschen im Sterbeprozess verändern und was deren Symptome lindert. Sie zeigen auch, wie Pflegende durch Berühren und Begleiten die Befangenheit und Unsicherheit überwinden und Hände und Gesten sprechen lassen, wo die verbale Sprache verstummt. Die Autor*innen erweitern die sechste Auflage um das Thema "Basale Kommunikation mit Menschen mit Demenz am Lebensende" sowie den Expertenstandard zur Beziehungsgestaltung mit Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Sie ergänzen Fallbeispiele und Fragebögen zur Biografiearbeit und Sensobiografie und zeigen, wie die Basale Stimulation zur Schmerzlinderung eingesetzt werden kann. Die Anhänge werden um Schritt-für-Schritt-Anleitungen und konkrete Arbeitshilfen zur Basalen Stimulation sowie um Info-Schreiben an Angehörige sowie Literatur- und Linklisten erweitert. Die Autor*innen überarbeiten einzelne Grafiken und fügen neue Fotos zur Basalen Stimulation in der Praxis hinzu. "Wenn es gelingt, Menschen dabei zu unterstützen, sich auch in dieser entscheidenden letzten Lebensphase nicht zu verlieren, die Orientierung auf sich selbst zu behalten, die Sinne langsam ausklingen zu lassen und so die Lösung von dieser Welt zu bewältigen, so scheint uns dies wertvoll und wichtig." Andreas Fröhlich
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Seitenzahl: 326
Veröffentlichungsjahr: 2022
Stephan Kostrzewa
Marion Kutzner
Was wir noch tun können!
Basale Stimulation in der Sterbebegleitung
6., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage
Was wir noch tun können!
Stephan Kostrzewa, Marion Kutzner
Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Pflege:
André Fringer, Winterthur; Jürgen Osterbrink, Salzburg; Doris Schaeffer, Bielefeld; Christine Sowinski, Köln; Angelika Zegelin, Dortmund
Wissenschaftlicher Beirat Programmbereich Palliative Care:
Christoph Gerhard, Dinslaken; Markus Feuz, Zürich
Stephan Kostrzewa
Dr. rer. medic., Dipl. Sozialwissenschaftler, Altenpfleger, Organisationsberater und Projektbegleiter.
Wallstraße 4, DE-45468 Mühlheim an der Ruhr
E-Mail: [email protected]
Marion Kutzner
Pflegefachfrau, Lehrerin für Pflegeberufe, Kursleiterin für Basale Stimulation in der Pflege und für Palliative Care
Weseler Str. 102a, DE-46569 Hünxe
E-Mail: [email protected]
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Lektorat Pflege
z.Hd. Jürgen Georg
Länggass-Strasse 76
3012 Bern
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Tel. +41 31 300 45 00
www.hogrefe.ch
Lektorat: Jürgen Georg, Lena-Marie Wimmel, Fabienne Suter, Martina Kasper
Bearbeitung: Lena-Marie Wimmel
Herstellung: René Tschirren
Umschlagabbildung: Getty Images/fzant
Umschlag: Claude Borer, Riehen
Illustration/Fotos (Innenteil): Jürgen Georg, Schüpfen von „Höllentor“ (A. Rodin), Kunstmuseum, Zürich
Satz: Matthias Lenke, Weimar
Format: EPUB
6. vollst. überarb. u. erw. Auflage 2022
© 2022 Hogrefe Verlag, Bern
© 2002/2004/2007/2009/2013 Verlag Hans Huber, Hogrefe AG, Bern
(E-Book-ISBN_PDF 978-3-456-96203-0)
(E-Book-ISBN_EPUB 978-3-456-76203-6)
ISBN 978-3-456-86203-3
https://doi.org/10.1024/86203-000
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Wir möchten uns ausdrücklich bei den Mitarbeiter*innen des AWO Seniorenzentrums in Lünen Brambauer „An der alten Gärtnerei“ und deren Bewohnerin Frau Lieselotte Heiermann für die Mitwirkung bei der Erstellung geeigneter Fotos für diese Publikation bedanken. Insbesondere der Einrichtungsleitung Frau Karin Zielewski-Glietz, Frau Filiz Akpinar, Frau Romina Höricht und Herr Ramon Cosmai gebührt unser besonderer Dank.
Zudem durften wir uns einige Abbildungen aus der Publikation von Bienstein & Fröhlich: Basale Stimulation in der Pflege, 9. Aufl., Hogrefe, Bern, 2021, entlehnen, wofür wir uns ausdrücklich bedanken möchten. Andere Autoren, an die wir das gleiche Anliegen formulierten, waren nicht so generös und kollegial.
Zudem war der Ideenaustausch im Vorfeld dieser 6. Auflage mit Herrn Prof. Andreas Fröhlich für uns besonders fruchtbar und gedeihlich.
Danksagung
Vorwort
Geleitwort
Einleitung
1 Gesellschaftliche Bedingtheit des Umgangs mit Sterben und Tod
1.1 Gesellschaftlicher Umgang mit Sterben und Tod
1.2 Historischer Exkurs über die Situation und den Umgang mit Sterbenden
1.3 Der soziale Tod in der modernen Gesellschaft
1.4 Die gesellschaftliche Verdrängung des Todes
1.5 Orte des Sterbens
2 Begleitung Sterbender
2.1 Bedürfnisse Sterbender
2.2 Voraussetzung für eine Sterbebegleitung
2.3 Hilfe für Helfer
3 Wahrnehmung
3.1 Bereiche der Wahrnehmung
3.2 Wahrnehmungsstörungen
4 Wahrnehmungsveränderungen, Wahrnehmungsstörungen bei Sterbenden
4.1 Wahrnehmungsstörungen als Problem der Kommunikation mit Sterbenden
4.2 Basale Stimulation als Gestaltungselement interpersonaler Kommunikation
4.3 Verbale Kommunikation mit Sterbenden
4.4 Nonverbale Kommunikation mit Sterbenden
5 Basale Stimulation
6 Anwendungsbereiche der Basalen Stimulation in der Begleitung Sterbender
6.1 Somatische Stimulation
6.2 Taktil-haptische Stimulation
6.3 Vestibuläre Stimulation
6.4 Vibratorische Stimulation
6.5 Orale Stimulation
6.6 Auditive Stimulation
6.7 Visuelle Stimulation
6.8 Beispiele für die Implementierung der Basalen Stimulation in einen Tagesablauf
6.9 Wohlbefindensäußerungen als Maßstab
6.10 Basale Stimulation für das eigene Wohlbefinden
7 Basale Stimulation als Element der Hospizarbeit
7.1 Eine komplementäre Möglichkeit der Betreuung Sterbender
7.2 Voraussetzungen für Basale Stimulation im stationären Alltag
7.3 Komplikationen
7.4 Zusammenarbeit mit Angehörigen
7.5 Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeitern
7.6 Ein gerontologisches Hospizkonzept
8 Schlussbemerkung
Autorenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Sachwortverzeichnis
Vor genau 20 Jahren haben wir die 1. Auflage von „Was wir noch tun können!“ auf den Markt gebracht. Damals fühlten wir uns als Pioniere, in dem wir das Konzept der Basalen Stimulation in den Hospizbereich und in die Palliative Care überführt hatten. Damals war es noch provokant und sehr innovativ, wenn z. B. die spezielle Mundpflege bei Sterbenden mit Genussmitteln, wie Säften oder alkoholischen Getränken, durchgeführt wurde. Heute kann diese Maßnahme niemanden mehr schrecken oder irritieren, denn – ja, auch das Sterben und die letzte Lebensphase – kann mittlerweile lustvoll gestaltet werden. Wir glauben, so bilden wir uns zumindest ein, dass unser Ansatz ein klein wenig diese heutige Selbstverständlichkeit mitgeprägt hat.
Darüber hinaus war es uns aber auch damals schon wichtig, auf den kommunikativen Charakter von Berührung im Rahmen der Pflege und Betreuung Sterbender aufmerksam zu machen. Sicherlich waren wir hier nicht die Ersten, die diesen Zusammenhang aufgezeigt haben. Mittlerweile gehört es aber ebenfalls zum Standardrepertoire der Pflegeausbildung und der Qualifizierungen zur Palliativfachkraft und zum Hospizhelfer. Selbst in einigen Zusatzqualifizierungen in der Palliativmedizin wird der Ansatz der Basalen Stimulation vermittelt.
Waren Angehörige bzw. Zugehörige früher doch eher hilflos im Angesicht des Sterbens, so werden ihnen heute von Seiten professionell Pflegender einzelne Handlings aus dem Bereich der Basalen Stimulation vermittelt, damit die Hilflosigkeit und Handlungsunsicherheit minimiert werden kann und das früher gebremste Engagement nun über Basale Stimulation einen produktiven Weg erfährt.
Sicherlich hat der Innovationsschub der letzten Jahrzehnte in der Palliative Care diese Entwicklung mitbegünstigt. Palliative Care ist nämlich im Verständnis der breiten Bevölkerung angekommen, wobei mitunter auch die Corona-Pandemie diesem Verständnis zuträglich war, denn auch hier hat sich gezeigt, wenn nichts mehr zu machen ist (im kurativen Sinne), müssen wir nicht taten- und hilflos danebenstehen, denn Palliative Care zeigt deutlich auf: „Was wir noch tun können!“.
Hünxe und Mülheim an der Ruhr
Marion Kutzner und Stephan Kostrzewa
Wir werden immer älter und die Älteren werden immer mehr. Das haben wir uns immer gewünscht, daran haben viele intensiv gearbeitet – und viele können gute Jahre genießen, erstaunlich aktiv sein, Familie und Freunde unterstützen und deren Leben bereichern.
Aber die spezifischen Veränderungen des Alters betreffen auch immer mehr Menschen. Es sind die körperlichen Einschränkungen, die mentalen Leistungsverluste und damit auch verbunden die emotionalen Belastungen, die das Alter erheblich belasten können. Demenz ist zum „Schreckgespenst“ ganzer Generationen geworden. Die Vorstellung, Kontrolle zu verlieren, über sich selbst und das eigene Leben, die Angst, anderen zur Last zu fallen, abhängig zu sein, das trübt das Bild vom aktiven Leben bis ins hohe Alter heute in besonderer Weise.
Vielleicht weil wir uns daran gewöhnt haben, bis ins hohe Alter leistungsfähig, belastbar und aktiv zu sein? Die „jungen Alten“ als Selbstverständlichkeit, die die gesellschaftliche Norm schon verinnerlicht haben?
Menschen kommen aber, wie jedes Lebewesen, irgendwann ans Ende ihres Lebens. Oft zeichnet sich ihr Sterben schon ab, bevor es sich ereignet. Kürzere oder auch längere Zeit leben sie immer reduzierter, benötigen immer mehr und intensivere Hilfe.
Menschen brauchen in dieser schwierigen Zeit Begleitung – so wie wir Menschen immer Begleitung brauchen, wenn wir in neue Lebensregionen aufbrechen. Auch der Tod ist eine solche neue Region. Wir wissen zwar von ihm, doch kennen wir ihn nicht. Gibt es etwas danach oder verlöscht unser Leben einfach? Religionen bieten uns Bilder an, Weltanschauungen versuchen es zu erklären – aber letztlich weiß niemand, was ihn erwartet, wenn das Leben beendet ist.
Wie kann nun Begleitung in einer so existenziellen Lebensphase geleistet werden?
Vielleicht erreichen Worte schon längst nicht mehr diesen Menschen, vielleicht hat er sich schon ganz in sich selbst zurückgezogen, reagiert kaum mehr auf Ansprache, auf Ermunterung?
Am Anfang des Konzeptes Basale Stimulation stand die Arbeit mit sehr schwer beeinträchtigten Kindern, viele von ihnen Kinder mit begrenzter Lebenserwartung. Es war eines der wichtigsten Ziele, diesen Kindern ihr zeitlich beschränktes und behindertes Leben dennoch „lebenswert“ zu machen. Pflegerische und pädagogische Bemühungen gingen Hand in Hand, therapeutische Ergänzung kam hinzu. Basale Stimulation hat ihren Ursprung „an den Grenzregionen des Lebens“.
In der Arbeit mit gebrechlichen und kranken, sehr alten Menschen ist diese Grenzerfahrung wieder präsent.
Das Konzept Basale Stimulation bietet Haltung, Kompetenzen und auch Techniken an, mit denen man Menschen, die scheinbar nicht mehr kommunizieren, dennoch erreichen kann. So|12|lange ein Mensch lebt, ist er ja körperlich anwesend. Sein Körper kann berührt werden, seine Atmung kann unterstützt werden, vorsichtiges Bewegen einzelner Körperpartien ist möglich, Musik wird vielleicht doch gehört, ein tiefer Atemzug nimmt vielleicht auch Gerüche auf.
Wir können Zugangswege zu Menschen finden, wenn wir uns auf unsere eigenen basalen Fähigkeiten besinnen und basale Angebote machen. Wir können Kontakte herstellen, wir können unsere eigene ganz persönliche Anwesenheit vermitteln und so Begleitung anbieten.
Das hier vorliegende Buch zeigt, welche Möglichkeiten entwickelt wurden, um eine solche Begleitung zu gestalten. Professionelle und auch Angehörige stehen nicht hilflos da, wenn ein alter Mensch verwirrt, in sich zurückgezogen, isoliert alle Kontaktversuche scheinbar „abprallen“ lässt.
Es ist eine sehr persönliche Arbeit, die da zu leisten ist. Ohne menschlichen Einsatz, ohne die Bereitschaft, sich auf einen anderen Menschen einzulassen, geht es nicht. Begleitung ist mehr als Versorgung. Auch diese ist wichtig, leider oft genug nur mit Mühe zu realisieren.
Wir mussten in den vergangenen Jahren der weltweiten Pandemie erfahren, wie schnell sogar die medizinisch-pflegerische Versorgung an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit kommen kann. Wir mussten zusehen, wie eine Begleitung ganz erheblich erschwert, oft unmöglich gemacht wurde. Und wir haben erlebt, was es heißt, Menschen alleine, ohne Begleitung, sterben zu lassen.
Marion Kutzner und Stephan Kostrzewa haben die Neubearbeitung und Erweiterung ihres Buches in dieser schwierigen Zeit geleistet. Dafür muss man Ihnen dankbar sein. Es ist wichtig, dass erfahrene Pflegekräfte die eigene Arbeit immer wieder bedenken und weiterentwickeln. Aus dieser Erfahrung heraus können sie für jüngere Kolleginnen und Kollegen Hilfen anbieten, sie können Berufsanfänger*innen Mut machen, zeigen, dass auch in scheinbar aussichtslosen Situationen immer wieder Wege gefunden werden können.
Sie bringen ihre Haltung, ihre Kompetenzen und ihr technisches Können ein, um die Pflege insgesamt aufzuwerten. Pflege, auch das haben die vergangenen Jahre gezeigt, ist ein wesentlicher Bestandteil des großen humanen Projektes: ein würdiges Leben ermöglichen.
Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Fröhlich, Kaiserslautern
Den Tod und das Sterben zu thematisieren, scheint mittlerweile fast in Mode zu kommen. Aus verschiedenen Blickwinkeln wird das Phänomen betrachtet, gedreht, interpretiert, mit Attributen wie Tabu, Segregation oder Verdrängung versehen. Unterschiedliche Fachdisziplinen betrachten dieses Nichtfassbare, versuchen, es zu ergründen, und müssen doch immer wieder an der Unfassbarkeit des Todes scheitern.
Diese Arbeit versucht erst gar nicht, dem Tod ein wenig mehr Helligkeit zu verschaffen, denn bei diesem Versuch würden wir uns in den Bereich der Spekulation begeben und somit den Bereich der Erfahrbarkeit verlassen. Wir begnügen uns mit beobachtbaren, erfahrbaren und nachvollziehbaren Bereichen menschlichen Verhaltens in der Begleitung Sterbender. Es wäre ein Leichtes, einige Übungen (Handgriffe und Techniken) der Basalen Stimulation mit Sterbenden in Form einer Gebrauchsanleitung darzustellen, doch würden wir damit unserem Anspruch, die Begleitung und Pflege Sterbender als Verhalten in einer historisch gewachsenen Situation und als prozesshafte, ganzheitliche Beziehungsarbeit anzusehen, nicht gerecht werden. Leider erleben wir in der Praxis viel zu häufig, dass Anwendungen aus der Basalen Stimulation ohne vorhergehende Entwicklung von sogenannten Verstehenshypothesen (DNQP, 2018) planlos ausgeübt werden. Hierzu formulieren Mohr et al. (2019): „Das Praxishandeln soll nicht unüberlegt geschehen, sondern im Rückgriff auf fachliche Grundlagen und Erfahrungswerte. Durch sie erhält die Anwendung und gegebenenfalls die Anpassung basaler Techniken eine Begründung für die jeweilige Situation“ (S. 26).
Gerade dadurch, dass Basale Stimulation mit Sterbenden nicht einem blinden Aktionismus das Wort reden will, wollen wir die Vielschichtigkeit und Prozesshaftigkeit menschlichen Verhaltens in der Situation der Begleitung und Pflege Sterbender aufzeigen. Hierbei wenden wir uns primär an die eigentlichen Experten in Sachen Sterbebegleitung der modernen Gesellschaft, die in Pflegeeinrichtungen Tätigen.
Um es direkt am Anfang zu präzisieren, möchten wir darauf hinweisen, dass nach unserem Verständnis Basale Stimulation nicht ein bloßes „Sich-Verhalten“ darstellt, sondern eine Form der Kommunikation ist, die etwas bewirken möchte. Sie kann helfen, die Würde des Sterbenden zu achten, seine Persönlichkeit, seine Einzigartigkeit, seine Eigenarten und seine Verletzlichkeit zu erspüren, zu akzeptieren und zu respektieren. Das Erleben des Sterbens verunsichert häufig die berufliche Rolle von Helfern im Pflegebereich. Ein auf Heilungsaufgaben ausgerichtetes Medizinverständnis (hier muss sich die neue generalistische Ausbildung erst noch bewähren, wenn diese dezidiert die Palliative Care mit in das Curriculum mit aufnimmt) engt eine ganzheitliche Sichtweise der Sterbebegleitung vielfach ein. Dadurch rückt an Stelle einer empathieorientierten Sterbebegleitung |14|ein rollenspezifisches Verhalten des überlegenen, allwissenden Betreuers, der Krankheit bis zuletzt heilen möchte und den nahen Tod nicht akzeptieren kann.
Viele Pflegende tragen die Vorstellung in sich, immer Mut und Hoffnung machen zu müssen und dabei auch immer stark zu sein. Basale Stimulation kann uns (Pflegekräften und professionellen Betreuern und Begleitern) helfen, vom überlegenen, allwissenden Betreuer zum Begleiter des Sterbenden zu werden, indem wir der empathischen Begleitung mehr Bedeutung beimessen. Gerne nutzen wir in unseren Schulungen an dieser Stelle das Bild des Tanzens, denn wir behaupten, dass diejenigen, die sich beim Tanzen führen lassen können, auch gute Sterbebegleitung leisten können. Nicht wir Begleiter bestimmen nämlich, wie richtig gestorben wird, sondern die Sterbenden bestimmen den Tanzpartner, die Dauer des Tanzens und die Tanzart.
Praxisbeispiel
Noch gut können wir uns an einen Gast im Hospiz erinnern, der den ganzen Tag und die halbe Nacht die Sportkanäle im TV anschaute. Zu allen Sportarten hatte er seine ganz eigenen Kommentare und Ansichten. Er kannte sich sehr gut im Genre aus und hielt mit diesem Wissen auch nicht hinter dem Berg.
Wir Begleiter saßen oft Stunden an seinem Bett und lauschten seinen Erklärungen. Zugleich dachten wir aber auch, dass dieser Gast doch irgendwann einmal über das Sterben sprechen möchte. Hier achteten wir auf die kleinsten Anspielungen und Hinweise, auf die wir dann sofort reagieren würden – aber nichts.
Drei Tage vor seinem Tod bat er das gesamte Team an sein Bett. Er bedankte sich bei allen Mitarbeiter*innen dafür, dass er so viel Normalität leben durfte – so musste er nicht ständig an sein Sterben denken. Das waren also sein Antrieb, sein Motiv und sein Beweggrund.
Dieser Gast hat uns aufgezeigt, dass wir uns in der Sterbebegleitung an dem Weg zu orientieren haben, den der Sterbende uns weist.
Wie schon erwähnt, stellt Basale Stimulation in der Pflege Sterbender unter anderem eine besondere Art der nonverbalen Kommunikation dar. Deshalb werden wir uns besonders mit dem Gebiet der nonverbalen Kommunikation mit Sterbenden beschäftigen. Die Notwendigkeit wird von H.-Ch. Piper (1988) dahingehend unterstützt, dass er schreibt: „Auf diesem Gebiet fühlen wir uns in der Regel noch hilfloser als auf dem eines Gesprächs“ (S. 66). Um einen Menschen emotional zu begleiten, eignet sich die nonverbale Kommunikation besonders gut, was im Verlauf dieser Arbeit noch deutlicher werden wird.
Auch halten wir es nicht für ratsam, den Fokus unserer Betrachtung nur auf den sterbenden Menschen zu richten, denn mindestens genauso wichtig ist die Auseinandersetzung mit dem sozialen Umfeld (z. B. Angehörige, Zugehörige und Freunde) wie auch mit in die Pflegeinteraktion involvierten Personen. Gerade Angehörige und Freunde des Sterbenden erfahren, vorausgesetzt, die Basale Stimulation wird von dem Pflegenden nicht nur als reine Pflegetechnik verstanden, durch die Miteinbeziehung in einige Pflegehandlungen mehr Beachtung, und sie lernen hierdurch, mit ihrer eventuell vorhandenen Hilflosigkeit besser umzugehen.
Ein wesentlicher Teil dieser Arbeit soll und muss aber der sterbenden Person gewidmet sein, da diese den nahen Tod in sich trägt und repräsentiert. Das Sterben eines Menschen ist so individuell wie dessen Leben, weil doch der Sterbende ein „Noch-Lebender“ ist. Die ersten Probleme entstehen, wenn es darum geht, die Person des Sterbenden begrifflich zu fassen; d. h., wann beginnt für den Menschen das Sterben?
|15|Bis heute gibt es keine einheitliche Definition für das Sterben, sodass wir hierzu auf einen älteren Definitionsversuch des Soziologen Schmied in Anlehnung an Kastenbaum (Kastenbaum, 1977, zitiert nach Schmied, 1985, S. 13 – 14) zurückgreifen möchten. Schmied (1985) formuliert vier Definitionen über den Zeitpunkt, ab dem ein Mensch als Sterbender zu begreifen ist. Danach wird unterschieden:
Sterben beginnt, wenn die Fakten vom Arzt erkannt werden, wenn also der Kranke durch die Erkenntnis des Arztes zum Sterbenden definiert wird, ohne es selber zu wissen. Hier wird der Arzt als sogenannter Türsteher bezeichnet, der den Eintritt in die Rolle des Sterbenden regelt.
Der Mensch ist ein Sterbender, wenn über die tödliche Erkrankung mit den Angehörigen gesprochen wird und diese sich dem Erkrankten, als Sterbenden, gegenüber in bestimmter Form verhalten. Bei dieser Definition ist die soziale Komponente stärker ausgeprägt.
Wenn der Patient sich der Fakten bewusst wird oder sie akzeptiert, beginnt sein Sterben.
Sterben beginnt, wenn nichts mehr getan werden kann, um das Leben zu erhalten, wenn der Patient von der Medizin aufgegeben wird.
Sterben beginnt, wenn der Sterbende anfängt, sich zu verabschieden. – Diese plausible Definition nannte eine Schülerin in der Altenpflegeausbildung während eines Sterbeseminars. Anhand dieser Definition wird deutlich, dass Sterben dann beginnt, wenn der Sterbende sich seines nahen Todes bewusst wird, ihn akzeptiert und sich somit verabschieden kann.
Die oben beschriebenen Unterscheidungen machen den Definitionsprozess der beteiligten Personen, einschließlich des Sterbenden und die im weiteren Sinne gesellschaftliche Bedingtheit dieser Statusbestimmung deutlich. Auch dies soll Thema dieser Arbeit sein, denn Sterben findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern unterliegt ganz konkreten historischen Bedingungen. Daher ist es nötig, über den Umgang mit Sterben und Tod in der modernen Gesellschaft nachzudenken. An dieser Stelle findet dann auch eine kritische Reflexion über das gute Sterben in früheren Zeiten ihren Platz.
Im nächsten Schritt wird die besondere Situation, in der sich Sterbende und ihre Begleiter befinden, dargestellt und die Voraussetzungen beschrieben, die für eine Begleitung notwendig sind.
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit ist es nötig, den Begriff „Basale Stimulation“ zu erklären und das Konzept der Basalen Stimulation nach Andreas Fröhlich zu erläutern. Im Anschluss stellen wir die Übertragung des Konzeptes in die Pflegepraxis vor. Um diesen Übertrag rechtfertigen zu können, ist es notwendig, die Bereiche der Wahrnehmung, Wahrnehmungsveränderungen und Wahrnehmungsstörungen bei sterbenden Menschen zu beschreiben. Die Kenntnis über die Bereiche der Wahrnehmung ist für die Umsetzung der Basalen Stimulation in der Pflege von großer Bedeutung.
Besonderer Raum soll der verbalen und nonverbalen Kommunikation mit sterbenden Menschen und den Kommunikationsstörungen, die durch Wahrnehmungsstörungen auftreten können, eingeräumt werden. Gemäß unserer Profession schauen wir, unter welchen Bedingungen die Anwendung der Basalen Stimulation als besondere Form der Kommunikation mit Sterbenden im Rahmen einer Begleitung möglich ist.
Ausgehend vom Konzept der Basalen Stimulation legen wir dar, dass Basale Stimulation ein wesentlicher Teil der Hospizarbeit und der Palliative Care sein kann (Kostrzewa, 2019, 2021a). Gerade weil das Hospizkonzept das ausgereifteste zur Begleitung sterbender Menschen ist, geben wir seiner Genese und Umsetzung in dieser Arbeit einen besonders großen Raum. Auch soll mit einer Weiterentwicklung des Hospizkonzeptes für andere Einrichtungen im Gesundheitsbereich aufgezeigt werden, wie beste|16|hende Strukturen beschaffen sein müssen, um dort ein humanes Sterben möglich zu machen.
Erfahrungen anhand von Fallbeispielen, die wir, aber auch andere Mitarbeiter*innen mit der Basalen Stimulation bei Sterbenden in einem Hospiz gemacht haben, sollen den Lesern verdeutlichen, wie experimentell, innovativ und flexibel die Begleitung Sterbender gestaltet werden kann und muss.
Am Ende dieser Arbeit angelangt, sollte den Lesern deutlich werden, dass Basale Stimulation eine solide Antwort auf die Frage „Was können wir noch tun?“ (Kübler-Ross, 1988) geben kann.
In dieser Arbeit wird nach unserem Verständnis eine notwendige Synthese zwischen sozialwissenschaftlichen Betrachtungen und der eigentlichen Pflege eingegangen. Sie hat den Anspruch, auftretende Probleme bei der Begleitung Sterbender aufzuzeigen, zu erklären und Lösungsangebote vorzustellen. Dabei ist es uns immer wieder wichtig, deutlich zu machen, dass Kommunikationsprobleme vor Ort, in der jeweiligen Situation, ein Symptom dafür sind, dass die moderne Gesellschaft den Tod ausgeblendet und an Experten weitergereicht hat.
|17|
Wie einleitend erwähnt, findet der Umgang mit Sterbenden und Toten nicht in einem „luftleeren Raum“ statt, sondern ist immer in konkrete gesellschaftliche Bezüge eingebettet. Diese historisch gewachsene Situation soll im Folgenden näher beleuchtet werden.
Zwar ist der Tod ein biologisches Phänomen, doch durch das Wissen seiner unausweichlichen Existenz ist der Mensch bzw. sind die Menschen genötigt, sich gegenüber der Endlichkeit individuell wie auch kollektiv in einer bestimmten Form zu verhalten.
Dazu de Marchi (1988): „Es gibt den Tod, die Angst vor dem Tod und, beim Menschen, das Bewußtsein vom Tode. Eines Todes, dessen erschreckender Schatten im Körper und im Herzen des Menschen hundertfach vergrößert wird durch die besondere Errungenschaft der menschlichen Psyche: das Bewußtsein; die Fähigkeit oder genauer die Notwendigkeit, an die Zukunft zu denken und sich zu erinnern; schließlich das Bedürfnis nach affektivem Austausch mit den geliebten Personen, das bis hin zum Wunsch nach völliger Verschmelzung gehen kann“ (S. 16 – 17). De Marchi (1988) geht sogar so weit, zu behaupten, dass das Wissen um die Existenz des Todes ein wesentlicher Impuls für das Entstehen von Kultur war.
Für die Behauptung de Marchis (1988) spricht, dass zu unterschiedlichen Zeiten und in unterschiedlichen Gesellschaften das Verhalten zum Tod sehr unterschiedlich war und ist. Der kollektive Ausdruck von Trauer beim Tod eines Mitgliedes ist so verschieden wie die Ethnien untereinander (Abb. 1-1). „Auch das Erleben des Todes ist verschieden in verschiedenen Menschengruppen. Es ist ebenfalls gruppenspezifisch und daher veränderlich; mag es auch den Menschen jeder bestimmten Gesellschaft als natürlich und unwandelbar erscheinen, es ist erlernt“ (Elias, 1991, S. 12).
Abbildung 1-1: Friedhofskulptur (Eigendarstellung)
|20|Im Weiteren werden wir einen kurzen Exkurs in die Historie vornehmen, um den Umgang mit Sterbenden und Toten in der vormodernen Gesellschaft aufzuzeigen. Unter vormoderner Gesellschaft soll jenes Kollektiv verstanden werden, das durch landwirtschaftliche Produktion und Konsumtion und durch die Wohnform des Ganzen Hauses geprägt war. In einem zweiten Schritt werden wir dann die Thanatopraxis und die Stellung des Todes in der modernen Gesellschaft – repräsentiert durch die Industrienationen Westeuropas – darstellen.
Vielen populärwissenschaftlichen Arbeiten, die sich mit dem Tod und der Situation Sterbender auseinandersetzen, ist zu entnehmen, dass das Sterben in früheren Generationen eine andere Qualität hatte als jenes in der modernen Gesellschaft. Leider schwingt in dem Zusammenhang eine nostalgische Verklärung mit, die den Blick auf die eigentlichen Wesenszüge traditionellen Sterbens verstellt. Ein besonders ausgeprägtes Beispiel finden wir bei Kübler-Ross (1987), wenn sie von ihren Kindheitserinnerungen berichtet, in denen vom Sterben eines Bauern berichtet wird:
Ich erinnere mich an den Tod eines Bauern in meiner Kindheit. Er fiel vom Baum und wurde tödlich verletzt. Seine einzige Bitte, daheim sterben zu dürfen, erfüllte man sofort. Nacheinander rief er jede Tochter ans Bett, um ein paar Minuten mit ihr allein zu sprechen. Trotz großer Schmerzen ordnete er ruhig seine Angelegenheiten und verfügte über das Hab und Gut, das zu Lebzeiten seiner Witwe nicht aufgeteilt werden sollte; er bat jedes Kind, die Arbeiten und Pflichten auf sich zu nehmen, die er bis zu seinem Unfall selbst geleistet hatte. Seine Freunde wurden gebeten, ihn noch einmal zu besuchen, und obwohl ich damals noch klein war, nahm er mich und meine Geschwister von diesem Abschiedsbesuch nicht aus. Wir durften an den Vorbereitungen der Familie und an ihrer Trauer teilnehmen. Als der Bauer gestorben war, blieb er bis zur Beerdigung im Haus, das er selbst gebaut und sehr geliebt hatte, blieb unter Freunden und Nachbarn. (S. 11)
Hier formuliert sich scheinbar das wahre Ideal des selbstbestimmten, bewussten, würdevollen und integrierten Sterbens in der traditionellen Lebensform auf dem Lande.
Betrachtet man hingegen historische Materialien, wie es der Sozialgeschichtler Arthur E. Imhof (1991) anhand von Kirchenverzeichnissen, alten Sterbebüchern und alten Bildern getan hat, zeigt sich eine nüchterne Szenerie, die den traditionellen Umgang mit sterbenden Menschen realistischer abzubilden vermag.
Anschaulich beschreibt Imhof (1991) die Funktion der Sterbebüchlein des 15. Jahrhunderts. In einfachen und eindeutigen Abbildungen werden hier auf elf Seiten dem nicht-lesekundigen Betrachter die fünf Versuchungen Sterbender geschildert. Dem gläubigen Betrachter werden auf sechs darauffolgenden Seiten die Möglichkeiten der Anfechtung dieser Versuchungen beschrieben.
Aus der Existenz und der weiten Verbreitung dieser Sterbebüchlein mit dem Titel „Ars moriendi“ zieht Arthur E. Imhof (1991) folgenden Schluss: Da in früheren Zeiten breite Schichten der Bevölkerung an Infektionskrankheiten erkrankten, ist es nur schlüssig, dass bei wenig emotionalisierten Beziehungen, wie sie in der Lebensgemeinschaft des Ganzen Hauses üblich waren – denn dieses war ein reines Zweckbündnis –, sich die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft vom Sterbenden distanzierten, sofern es räumlich möglich war, da mit einer eigenen Infektion zu rechnen war.
Trotzdem war der Lebensabschnitt Sterben – wegen mangelnder Intimsphäre – öffentlicher, allgegenwärtig und in den ritualisierten Verhaltensweisen präsent (Abb. 1-2).
Der Tod wurde in der Vormoderne nicht als Schlusspunkt, als Ende allen Seins, angesehen, |21|sondern stellte einen Doppelpunkt dar, er war der Übergang in den Himmel oder in die Hölle. Dem Menschen in der vormodernen Gesellschaft wurde die Sinnstruktur seines Daseins in Bezug zum gesamten Kosmos von der Religion vermittelt (Nassehi & Weber, 1989). Der Religion als oberster Sinninstanz oblag es nun in der traditionellen Gesellschaft, den Sinn des Todes den Individuen nahezubringen und zu erklären. Auch wenn Condrau (1991) das Mittelalter als die Zeit bezeichnet, in der der Tod bewusst vorbereitet wurde und dieses dem Kranken und alten Menschen als christliche Aufgabe gestellt war, ist doch zu bedenken, dass von kirchlicher Seite her die Todesangst noch gesteigert wurde (Elias, 1991).
Abbildung 1-2: Friedhofskulptur (Eigendarstellung)
Die Rolle der Kirche war in der Sterbesituation sehr wichtig, nicht nur weil sie dem Sterbenden seine Endlichkeit erklären konnte, sondern auch weil sie Hilfe anzubieten hatte bei dem „Kampf des Teufels um die Seele des Sterbenden am Sterbebett“ (Condrau, 1991, S. 192).
Da der Sterbende dieser Situation alleine und isoliert ausgesetzt war und nach früherem Verständnis der Teufel dieses ausnutzen würde, um der Seele habhaft zu werden, musste es nun eine Möglichkeit geben, wie der allein sterbende Mensch diese existenzielle Bedrohung bestehen konnte.
Hier setzt nun die Funktion des „Ars moriendi“ ein; Trost aus einem „Bilderbuch“; erhobener Zeigefinger für verzweifelte Sterbende; streng ritualisiertes Verhalten unter normativem Zwang. Dazu Imhof (1991): „Man glaube zum Beispiel ja nicht, daß alle unsere Vorfahren oder auch nur eine Mehrzahl unter ihnen treu umsorgt und friedlich, umgeben von Dutzenden Angehörigen, Freunden und Verwandten ihre letzte Stunde erlebt hätten“ (S. 169).
Im täglichen Leben wurde dem Sterblichen an vielen Stellen das memento mori in Erinnerung gerufen. In jeder Messe wurde der Toten gedacht; Bilder des Gekreuzigten standen in den Kirchen, auf Friedhöfen und längs des Weges als Mahnung, an den Tod zu denken (Abb. 1-3). Diese Mahnung wurde vom Priester zusätzlich in die Worte gefasst: „Gedenke Mensch, daß du Staub bist und wieder zu Staub werden wirst“ (Ohler, 1993, S. 31). Oder wie Nassehi und Weber (1989) es formulieren: „Der Stachel des Todes scheint omnipräsent zu sein“ (S. 114). Dies nicht nur durch das memento mori, funktionalisiert durch die Kirche, sondern auch, weil der Tod in der traditionellen Gesellschaft größere Bevölkerungsgruppen betraf, da die Risiken, dem Tod in allen Lebensabschnitten zu begegnen, zahlreicher waren.
|22|Abbildung 1-3: Friedhofskulptur (Eigendarstellung)
Es kann gesagt werden, dass in der vormodernen Gesellschaft „das Leben kürzer, die Unkontrollierbarkeit der Gefahren größer, das Sterben oft schmerzhafter, die Schuldangst vor der Strafe nach dem Tod unverdeckter, aber die Mitbeteiligung anderer am Sterben des Einzelnen größer“ (Elias, 1991, S. 28) war, eben wegen der überwiegenden Form und Enge der Lebensgemeinschaft des Ganzen Hauses.
Anhand der Definitionen in der Einleitung der Arbeit, wann ein Mensch als Sterbender definiert werden kann, wurde in der zweiten Definition deutlich, dass die soziale Komponente bei der Situationsbenennung Sterbender evident ist.
Gerade der Begriff des sozialen Todes liefert einen Kritikpunkt am Umgang mit Sterbenden durch die moderne Gesellschaft, der im Weiteren genauer thematisiert werden soll.
Erstmals wurde der Begriff des sozialen Todes vom Goffman-Schüler David Sudnow gebraucht, der den Begriff allerdings sehr eng definiert: „Zumindest provisorisch kann man beim Tod drei Kategorien unterscheiden: den klinischen Tod, der vom Arzt anhand bestimmter Symptome konstatiert wird, den biologischen Tod, der sich durch das völlige Erlöschen des Zellmetabolismus definieren ließe, und den sozialen Tod, der sich […] durch den Zeitpunkt bestimmen lässt, von dem ab der – klinisch und biologisch noch lebende – Patient im Wesentlichen als Leiche behandelt wird“ (Sudnow, 1973, S. 98). Im Weiteren beschreibt Sudnow (1973) das Phänomen des sozialen Todes am Beispiel einer Krankenschwester eines amerikanischen Krankenhauses, die versucht, einer sterbenden Patientin kurz vor Eintritt des Todes schon die Augenlider zu schließen, denn sie versuche immer, „die Lider schon vor Eintritt des Todes zu schließen, solange das noch keine Schwierigkeiten macht“ (Sudnow, 1973, S. 116).
Von Sudnow (1973) wird der Begriff des sozialen Todes dahingehend konkretisiert, dass er feststellt: „Der soziale Tod tritt in dem Augenblick ein, in dem die sozial relevanten Attribute des Patienten für den Umgang mit ihm keine Rolle mehr spielen und er im Wesentlichen schon als tot betrachtet wird“ (S. 96).
Nur in diesen klar benennbaren Situationen und Handlungsmustern sieht Sudnow (1973) den sozialen Tod, obwohl ihm durchaus bewusst ist, dass der Begriff auch eine weitere Interpretation zulässt, die im Folgenden bei Wittkowski (1978) dargestellt werden soll und die für unseren Anspruch, Basale Stimulation ist nonverbale Kommunikation, relevant ist (Walper, 2012). Wittkowski (1978) fasst den Begriff wesentlich weiter als Sudnow (1973), wenn er schreibt:
Ein tatsächlich (noch) lebender Mensch ist sozial tot, wenn er mit anderen Menschen und besonders mit Bezugspersonen nicht (mehr) |23|kommuniziert und in Interaktion steht und wenn seine Bekannten, Freunde und Verwandten sich ihm gegenüber so verhalten, als existiere er nicht (mehr). (Wittkowski, 1978, S. 113)
Im Gegensatz zu Sudnow (1973) geht es Wittkowski (1978) nicht um die zeitliche Vorwegnahme einiger Handlungsmuster beim vermeintlichen Eintritt des Todes, sondern um die gesellschaftliche Produktion einer sozialen Leiche. Diese weitgefasste Definition umfasst eine viel größere Zeitspanne, in der ein lebender Mensch sozial tot ist. Hier, in der Wittkowski’schen Begriffsfassung, erhält das gesamte soziale Umfeld des Sterbenden eine aktive Definitionsleistung zugesprochen. Wodurch nun eine Situation, wie sie Wittkowski (1978) beschreibt, entstehen kann, soll im Weiteren erläutert werden.
Eine Erklärung für eine sozial vorstrukturierte Kommunikationslosigkeit und Isolierung des Sterbenden kann anhand des Interaktionsmodells von Glaser & Strauss (1995) verdeutlicht werden. Hier werden vier verschiedene Bewusstseinskontexte (engl.: awareness context) unterschieden, die erklären sollen, auf welchen Ebenen Sterbende, Angehörige und Fachpersonal behindert miteinander kommunizieren, aufgrund unterschiedlichen Wissens bezüglich der infausten Prognose (Glaser & Strauss, 1995):
Unkenntnis des bevorstehenden Todes: Der Sterbende wird vom Krankenhauspersonal wie auch von den Angehörigen nicht über den nahen Tod informiert.
Argwohn: Der Patient ahnt sein nahes Sterben, die ihn umgebenden Personen meiden jedoch eine klare Antwort.
Wechselseitige Täuschung: Der Sterbende und das Personal sind über die Situation im Bilde, vermeiden jedoch ein offenes Gespräch.
Offenheit: Alle in die Situation involvierten Personen sprechen über den nahen Tod.
Der Soziologe Klaus Feldmann (1990) bemerkt dazu:
Die Entwicklung in Krankenhäusern ist wohl von den ersten beiden Formen der Unkenntnis und des Argwohns immer stärker zur wechselseitigen Täuschung übergegangen. (S. 108)
An dieser Stelle muss der Befürchtung Ausdruck verliehen werden, dass, bevor der physische Tod dem Sterbenden begegnet, ihn im Krankenhaus und ähnlichen Einrichtungen zuvor der soziale Tod ereilt. Oder mit Ariès (1991) gesprochen:
Der Tod gehört nicht mehr dem […] Sterbenden, auch nicht der Familie, die von ihrer Unfähigkeit überzeugt worden ist. Er wird reguliert und organisiert von einer Bürokratie, die sich bei aller Kompetenz und menschenfreundlichen Absicht nicht daran hindern läßt, den Tod als ihre Angelegenheit zu betrachten, als eine Sache, die im Interesse der Allgemeinheit so wenig wie möglich stören soll. (S. 753)
Diese provozierende Behauptung soll in einem weiteren Schritt über die Behandlung der gesellschaftlichen Verdrängung des Todes in der modernen Gesellschaft erhärtet und begründet werden.
Wird der Begriff „Verdrängung“ benutzt, meint dieser Terminus in der Regel einen der Abwehrmechanismen aus der Psychoanalyse. „Abwehrmechanismen sind Methoden des ICH, den Ansprüchen des ES (hemmungsfreie Triebbefriedigung) entgegenzutreten, so daß keine Konflikte mit dem ÜBER-ICH und der Realität zustande kommen können“ (Arnold et al., 1987, S. 16).
Sprechen wir hingegen von gesellschaftlicher Verdrängung, so ist die Freud’sche Terminologie wenig dienlich. Zwar kann die Tatsache des Todes im jeweiligen Individuum Abwehrmechanismen auslösen, jedoch erklärt diese |24|Reaktion nicht die gesellschaftliche Ebene, die zur Ausblendung des Todes aus dem Bewusstsein der modernen Gesellschaft führt.
Wenn wir uns die vormoderne Lebensform des Ganzen Hauses noch einmal vor Augen halten, können wir sehen, dass der vormoderne, traditionelle Mensch in ein festes Gefüge von Regeln, Ritualen und Handlungsweisen eingebunden war. Die Einhaltung der Regeln wurde durch das enge Sozialgefüge kontrolliert.
Als oberste Instanz der Kontrolle dieser Einhaltung fungierte die Religion mit ihrer Institution Kirche. Ihr oblag es auch, dem vormodernen Menschen die Sinnhaftigkeit der Lebenszusammenhänge zu erklären und zu begründen. Hier gab es die Erklärung und Begründung für die profanen Dinge des Lebens, aber auch für die transzendenten Bezüge des Menschen (Berger & Luckmann, 1993). Für den Sinn des Todes wie auch des Lebens gab es nur eine Deutung. „In traditionellen Gesellschaften hatten symbolische Sinnwelten oberste Priorität, sie waren also in eine hierarchische Wissensdistribution gestuft und schlossen alle anderen Sinnwelten mit ein“ (Nassehi & Weber, 1989, S. 272).
War der vormoderne Mensch nun in eine vertikale Sinnschichtung integriert, die durch die oberste Instanz Kirche/Religion abgeschlossen war, gilt dieses für den modernen Menschen nicht mehr. Frei von Leibeigenschaft, frei in der Wahl des Wohnortes, frei in der Wahl des Lebensentwurfes und frei von Religion ist der moderne Mensch nun einer horizontalen Sinnanordnung angepasst, die in kein alle Lebensbereiche umfassendes, übergeordnetes Ganzes eingebettet ist, denn Religion an der Werkbank und auf dem Sportplatz macht keinen Sinn. Das bedeutet: Kein Teilsystem der modernen Gesellschaft, weder Religion noch Wirtschaft noch Politik noch Wissenschaft noch Familie etc., kann die symbolischen Sinnwelten ersetzen.
Nur: Welches Teilsystem der modernen Gesellschaft erklärt dem modernen Menschen nun sein Dasein und vor allem den Sinn seines Todes? Nach der Entzauberung der Welt hat die Religion an Autorität verloren. Ein freier Markt an Angeboten der Heilsbotschaften hat sich breit gemacht, sodass das moderne Individuum sich seinen eigenen Sinnzusammenhang selber konstruieren muss. Nur ergibt sich daraus noch lange keine zwischenmenschliche Kommunizierbarkeit des Todes und keine verbindlichen kollektiven Sinnangebote, die den meisten modernen Menschen das Unfassbare fassbar machen.
Da der moderne Mensch seine Funktionen in der modernen Gesellschaft als Rollenträger wahrnimmt und er als solcher austauschbar ist, bleibt das Kollektiv unberührt beim Tod des einzelnen Menschen. Institutionen, Organisationen und ganze Gesellschaften sind unabhängig von einzelnen Personen, sie werden weiter existieren, auch wenn einzelne Menschen versterben; das öffentliche Leben hält noch nicht einmal den Atem an. Nassehi & Weber (1989) bringen den gesellschaftlichen Verdrängungsbegriff auf den Punkt, wenn sie schreiben:
Die gesellschaftliche Verdrängung des Todes wird dadurch konstituiert, daß die Übermacht der funktionalen Teilsysteme der Gesellschaft eine öffentliche Sinngebung des Todes strukturell nicht zulassen kann, weil die gesellschaftliche Vernischung des Todes für die Selbstreproduktionsprozesse der Teilsysteme und ihrer Handlungsimperative funktional ist. (S. 274)
Die Motivation, sich täglich um sechs Uhr aus dem Bett zu quälen, um einen 8-Stunden-Tag im Büro zu verbringen, funktioniert über Belohnungsprozesse – z. B. Status, Geld und Besitz –, aber nicht über ein mögliches allgegenwärtiges memento mori.
War der Tod als Androhung, funktionalisiert durch die Kirche, in der vormodernen Gesellschaft notwendig zur Disziplinierung der Gesellschaftsmitglieder, so wäre ein memento mori in der modernen Gesellschaft kontraproduktiv, störend, demotivierend.
Durch zunehmende Differenzierung der Lebensbereiche, durch eine Pluralität der Lebensentwürfe und durch eine Entbindung von traditionellen Orientierungen ergibt sich für den Menschen der modernen Gesellschaft das Problem, dass zum einen wichtige Lebensereignisse in ausgelagerten Spezialeinrichtungen – z. B. Schule, Berufsstätten, Krankenhaus, Altenpflegeeinrichtungen etc. – verrichtet werden und zum anderen jeder Mensch die Freiheit, aber auch die Qual der Sinnbestimmung des eigenen Lebens, einschließlich der Auseinandersetzung mit der Endlichkeit, finden muss und kann.
Auch wenn die moderne Gesellschaft in ihrer Machbarkeitseuphorieden Blick auf Innovation, Wachstum und Potenz richtet, darf nicht vergessen werden, „daß jedes menschliche Gemeinwesen die strukturelle Endlichkeit des individuellen menschlichen Lebens in seine symbolischen Sinnstrukturen integrieren muß […]“ (Nassehi & Weber, 1989, S. 11) und dass die Bedingungen, unter denen gestorben wird, an dem gemessen werden müssen, was entsprechend den Ressourcen einer Gesellschaft möglich wäre.
Genau aus diesem Punkt ergibt sich das eigentliche Politikum des Phänomens Tod, denn die Moderne muss sich fragen lassen, ob das, was sie dem Sterbenden an Bedingungen zu bieten hat, das ist, was ihren faktischen Möglichkeiten entspricht. Oder anders gewendet:
Die Humanität einer Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit ihren Alten und Sterbenden umgeht.
In der Todesbescheinigung wird in Deutschland der Sterbeort registriert. Diese Angaben wurden früher nicht zentral ausgewertet, weshalb entsprechende Angaben dazu fehlten, ob Menschen in Deutschland im häuslichen Umfeld, im Krankenhaus, auf der Palliativstation, im Alten- oder Pflegeheim oder beispielsweise in einem Hospiz versterben. Aus diesem Grund haben Dasch et al. (2015) eine deskriptive Erfassung der Sterbeorte in den Jahren 2001 und 2011 anhand ausgewerteter Todesbescheinigungen in der Region Westfalen-Lippe durchgeführt. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die meisten Menschen in Deutschland in Institutionen versterben. Hierbei stellt das Krankenhaus mit über 50 % den häufigsten Sterbeort dar. Nur ca. 25 % der Sterbefälle ereignen sich im häuslichen Umfeld (Dasch et al., 2015).
„Die Anzahl Sterbender im Krankenhaus erreichte in den 1980er Jahren einen Höhepunkt und flacht bis heute mit einer Verlagerung des Sterbens in Alten- und Pflegeheime ab“ (Fischer et al., 2004, zitiert nach Thönnes, 2013, S. 18).
Gefragt nach dem „Wunschsterbeort“ antworten hingegen 80 – 90 % der befragten Bevölkerung, dass sie gerne zuhause versterben möchten (van Oorschot et al., 2004). Zudem werden aber auch immer häufiger Palliativstationen und Hospize zum eigentlichen Sterbeort. Allerdings machten „im Hospiz Verstorbene […] im Jahr 2011 weniger als 5 % aller Fälle aus“ (Dasch et al., 2015, S. 498).
Im Folgenden werden daher Organisationen der modernen Gesellschaft vorgestellt und betrachtet, die vornehmlich mit der Betreuung und Versorgung sterbender Menschen beschäftigt sind: das Krankenhaus und das Altenpflegeheim. Diese beiden Einrichtungen repräsentieren zusammen die Hauptsterbeorte der modernen Gesellschaft.
Da heute zumeist nicht mehr öffentlich gestorben wird, sondern im Verdeckten, möchten wir den Blick auf eine Einrichtung der modernen Gesellschaft richten, die exemplarisch ist für die Thanatopraxis der modernen Gesellschaft: das Krankenhaus. „Das moderne Krankenhaus, eine hochspezialisierte, technisierte, strukturell |26|komplexe und mit unterschiedlichsten Aufgaben betraute Organisation, ist in der modernen Gesellschaft mehr und mehr zum Ort des Sterbens geworden“ (Nassehi & Weber, 1989, S. 231).
Obwohl nun das Krankenhaus die