Welt der Poesie -  - E-Book

Welt der Poesie E-Book

0,0

Beschreibung

Das Gedicht lebt. Es bringt Gefühle und Eindrücke auf kleinstem Raum zum Ausdruck und stiftet Gemeinschaft zwischen Schreibenden und Lesenden. Ob es neckisch mit Klang und Bedeutung der Worte spielt, um die ewigen Themen des Lebens ringt oder die Tiefen der Seele ergründet - immer lässt es den ganz individuellen Blick seines Schöpfers oder seiner Schöpferin auf die Welt aufblitzen und knüpft enge Bande über Zeit und Raum hinweg. Die Welt der Poesie erkundet die lyrischen Landschaften unserer Zeit. Vom scheinbar schlichten Haiku bis zum vielgliedrigen Gedichtzyklus, von der klassischen Form des Sonetts bis zum freien Spiel mit der Sprache präsentiert dieser Band die Werke zeitgenössischer Dichterinnen und Dichter. Hier wird die Schönheit der Natur besungen, in zarten Versen an geliebte Menschen erinnert, das Wunderbare im Alltag entdeckt und in humorvollen wie schmerzhaften Zeilen das Zeitgeschehen kommentiert. Ein Dokument der Kreativität und Vielseitigkeit heutiger Poesie.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 92

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT DES HERAUSGEBERS

CHRISTIAN BARSCH

HEXE KRET

ERNST BÜHLER

Lebensklang

Lebensabend

Johannisnacht

KLAUS BUTENSCHÖN

Aus meinem Zettel.Kasten

FRANK DELONIE

Bombenhagel

Der Literat

SONJA DWORZAK

Lyrischer Jahreskreis

CHRISTIAN ENGELKEN

Werkstattbericht

REGINA FRANZISKA FISCHER

Expressis Verbis

DIE LIEBE GOTTES WIRKT WUNDER

HAIKU

ERKENNTNISSE – TAGEBUCH

WERNER HAUKE

Bioprodukte

MARTINA HELLER

Zuhause

LENA JÖRK

Was bleibt

PETER KLEINE

Was bleibt?

RITA KOCHER

Seelen–Freund

Junge Liebe

Gartenkinder

Blick zurück

Aus der Mitte

HILDE MAI

Sagen und Träume von morgen und vieles mehr

JOANNA MASSELI

Auf dem Weg

GÜNTHER MELCHERT

Neunzehn Elfchen

Wessen Geistes Kind ist das Universum?

Gottes Kreativität

Eine Laune der Natur

Lauras trauriges Lied

Es werde Licht, bis es erlischt

Nachhall vom Urknall

Die Krux zwischen Stolz und morschem Holz

Ein Mädchen tief im Schneckenhaus

Gott von Afrika nach Europa – danach zum schönen Rheine und zurück bis zur Ukraine

EMILY MÜLLER

Entfremdung und unwirkliche Realität

MARIA QUINIUS

Zeitlupe

KLAUS J. ROTHBARTH

FARBEN.

FLUT.

CHRISTOPH SCHMASSMANN

Kaffeekranz

Lehrstunde

Nachtgedanken

ROSWITHA CHARLOTTE SCHWENK

Metabasis

SIGRID STEINKE

Vom Eichhörnchen

Der Krieg gegen die Ukraine

Die Völker als Spielball der Mächtigen

Die Ukraine und Russland

STEFFEN TEICHMANN

Winterlich

t 1

Winterliche 2

Wiesenstimmen 3

Hitze

Hitzliebwiese

Im Sommergarten

Wilde Wiese

Der Käfer Kunibert 5

WellenwasserLiebeslied

Liebesschmerzen

Zwiesprache

Wind

Spätsommer 1

Wiesenstille

Die Schnecke Anette 11

Hitze 2

Böse Nachbarn

Klassenkampf

Pandemischer Herbst

Sturm

Russisches Roulette

In memoriam N.R.

Was bleibt

Freunde der Natur

Herbert Hose

Mumuh die Kuh

Das Stuhlbein

Die Käsevollmondnacht

Die Maus

Märzwiese

Spätsommer 2

träumende Stille

Die Stille und ich

Herbstnieselnass

JASMIN TREYSSE

Einzig die Erinnerung

WOLFGANG A. WINDECKER

Fußballgott

INNA ZAGRAJEWSKI

Sehend werden

Autorenspiegel

Vorwort des Herausgebers

Begegnen wir dem Ausdruck „Poesie“, so denken wir vornehmlich an fantasievolle Darstellungen, mit denen unsere Lebenswirklichkeit literarisch oft wiedergegeben wird. Vornehmlich sind es Texte in Versen, wodurch sie sich äußerlich abheben von anderen Darstellungsarten. Hinzu kommen weitgehend akzeptierte Regeln für die Struktur in den einzelnen Versen. Dies alles lässt uns von einer Dichtkunst sprechen, die in den Sprachwissenschaften „Poetik“ genannt wird.

Vorzugsweise erfassen die Inhalte jener Gedichte die angenehmen Seiten unseres Daseins, nebenbei aber auch die Schönheiten der Natur, die uns nah oder fern umgeben. Die deutsche Klassik und auch die Romantik haben hierin die ersten Höhepunkte hervorgebracht, und dies mit einer Vorbildwirkung bis in die Jetztzeit. Die in den Gedichten beispielhaft geordnete Sprache war geeignet für ein zeitweiliges Bündnis mit musikalischen Formen. Kirchenlieder, Volkslieder und auch eine große Zahl Kunstlieder verdanken ihre Entstehung und weitere Entwicklung diesem innigen Bündnis.

Gesichertes Wissen ist freilich auch, dass zurückliegende Menschheitsepochen weit davon entfernt waren, durchgehend erfreulich zu sein. Bedrückende Ereignisse aller Art und mit ihnen verknüpfte Notzeiten kennzeichneten diese Epochen. Auch etliche Ereignisse der Gegenwart reihen sich hier ein und zwingen der Kunst immer wieder neue Themen und Darstellungsweisen auf.

Besonders zugespitzt zeigen sich diese Phänomene in Zeiten von Großkriegen wie dem gegenwärtigen zwischen Russland und der Ukraine. Man mag hier wohl fragen, wo die Dichtkunst gegenwärtig ihre Themen findet, die sie sich meistens im Sozialen erschlossen hatte. Denn inzwischen ertappen wir uns alle bei einem Vokabular, das viele Jahre zuvor nicht über unsere Lippen gekommen war. Wer redete bislang über Defensivwaffen, über Haubitzen, über bewaffnete Drohnen?

Doch wir halten mal an. Wir sollten uns nicht scheuen, uns die Poetik auch in rauen Zeiten dienstbar zu machen. Ihre Virtuosität, ihr Formenrepertoire, ihre Gelenkigkeit, ihre Routine und auch ihre Fähigkeit, entlegene Begriffe heranzuzitieren und mit ihnen zu überraschen, kann uns dabei helfen.

Hierbei wird jedermann wohl ein bekanntes Lied anführen können, dessen Melodie mit den Zeilen „Sag mir, wo die Blumen sind“ die Welt umrundet hat.

In seinem Windschatten lässt sich reimen:

Sagt uns, wo der Frieden ist!

Wo ist er geblieben?

Lange war er unter uns:

Wer hat ihn vertrieben?

Habt ihr ihn nicht mehr gemocht?

Ging er euch auf alle Nerven,

dass es euch nur noch gefiel,

ihn mit Steinen zu bewerfen?

Doch er sollte nicht verlieren,

Darum lasst uns täglich beten:

Großer Gott, gib diesen Leuten

einen eigenen Planeten.

Werner Hauke

Berlin 2022

CHRISTIAN BARSCH

HEXE KRET

67.

Vor hellen Häusern fröhliches Gequake

und über breiten Straßen bunte Wimpel;

dahinter aber rinnt üble Kloake,

und in den Wäldern wimmelts von Gerümpel.

(Obwohl die Wälder mächtig abmagern,

muß jeder seinen Müll wild ablagern.)

Der Fortlaufmann schluckt schnell. Ob zwecks Erheitrung?

So lange her ists, daß er nicht zum Spiel aß,

sondern aus Hunger? Ach! Magenerweitrung

kennzeichnet den notorischen Viel-Vielfraß.

Schlingt Un-Unmassen von Ia-Produkten

genußlos, unzerkaut durch Hydra-Schlünde –

nur Angewohnheit ist solch Riesenschluck, denn

in Wahrheit fehlen alle triftigen Gründe.

Der ganze Apparat verabscheut Stauung:

Gesteigerte Ration wünscht ohne Ende

noch schneller funktionierende Verdauung,

ergibt noch größre Mengen Exkremente.

(Und dieser Fortlauf-Exkremente-Berg

wird Vielheit einst begraben als ihr Werk.)

Vor hellen Häusern fröhliches Gequake

und über breiten Straßen bunte Wimpel;

dahinter aber rinnt üble Kloake

und in den Wäldern wimmelts von Gerümpel.

Armer Fortlaufmann!

Bist so böse dran,

daß vom Fresserwahn,

der nie gutgetan,

dich selbst Hexenbann

nicht mehr heilen kann.

Nein, du bist verhext

weil du schlau versteckst,

wenn groß in dir wächst,

daß du kochst und bäckst

und dabei nicht schmeckst,

was du schluckst und leckst.

(Der Zauberer Simsalabim

spricht traurig: „Ach, das ist zu schlimm.“)

68.

Farbenlichtgequält wechselt Hexe Kret endlich das Logis. (Wie der Wald ihr fehlt.)

(Halt, denn eine sah sie bei sich, sie sich bei ihr pflichttreu um: Venemedica.)

Kann noch nicht nach Haus; Fachbesuch bei der, dem und denen stehn leider bisher aus.

Zieht nun in die Vorstadt, wohnt still, privat: Bungalow; ihn ziert Astern-, Dahlienflor.

Daß sie Stadtgewühl herkömmlich, doch schnell finde, zaubert Sim ein Hexomobil.

(Nur des Nachts darf er aus dem Notquartier.) Hier sieht sie nicht rot, doch sie denkt noch mehr:

Unters Bett getan hat sie den, der Schreck für die Wirtsleut wär: treuen Skopaelan. ,

Stadt des Fortlaufs? Oh! Statt des Fortlaufs tat dir Bescheidenheit gut. Fortlauf macht roh. ‘

69.

Murmelspruch auf Zauberblatt und -strunk.

Durch die schattenschwere Dämmerung

sieht man glühwurmhaft Lichtpünktchen wackeln,

näherkommen – Viele sinds mit Fackeln.

Spruch und Blatt und Strunk drehn Töricht klug,

denn es wandert dankbar-still der Zug

abendfroh zu Ehren eines Großen,

der einst Welt ein Stück zum Licht gestoßen.

Gut und klug tut Spruch-Blatt-Strunks Bannbahn,

Hexe Kret auf freiem Skopaelan

überhuscht schweigende Fackelreise

wie die Fürstin aller Fledermäuse.

Als Versonnenheitsnachtkönigin

fährt sie dicht über den Köpfen hin,

da die Funkelschlange – ungegängelt

von Doktrin – vorbei am Turm sich schlängelt.

Dank sei Spruchblattstrunks Zusammenkunft.

Ihm, der heitre Schönheit und Vernunft

schenkte, schart man feiernd sich zusammen,

trägt gedenkend man die goldnen Flammen.

Besser wird es mit kranker Viel-Welt,

wenn sich spruchblattstrunkbrav Nacht erhellt:

Pflichtbewußt siegt über Teufelshohn

ernste, zukunftskluge Tradition.

Großmutter von ihrem Fensterplatz

aber sagt zum Kind den alten Satz:

„Immer, wenn du denkst, es geht nicht mehr,

kommt ... – diesmal ists gar ein Lichtleinheer.“

70. FUTUROLOGISCHES

Quid vesper ferat,

incertum est.

Livius

Sie paddeln hin, ausdrücklich sorglos,

in kleinem leichtgebautem Boot:

ein halbes Dutzend junge Männer

von allererstem Korn und Schrot.

Inmitten hoher Felsenwände

sprudelt das Wildwasser hell-schnell;

die sechs sind unbekümmert fröhlich,

vielleicht ein wenig krampfig, grell.

Unweit von ihnen stürzt der breite,

scharfe, immer gemiedne Fall;

er warnt durch fern tosendes Donnern –

sie überspielens mit Krawall.

Stolz paddeln sie auf muntren Wellen

mit „He“ und „Ho“ und mit „Hallo“;

zumindest einer von den sechsen

ist, wie es scheint, nicht wahrhaft froh.

Dem Großen, Alten, der von oben

das Buben-Wagestück beschaut

– sie nähern sich dem wilden Schaumsturz –,

es immer mehr zuinnerst graut.

Kurz vor dem Todesbogenschwung gibt

es links noch einen Seitenarm.

Sie kennen ihn. Bläst klares Fürchten

prahlendem Übermut Alarm?

Der Große, Alte klagt nicht, aber

betet wohl zu verschollnen Göttern.

Entgeht leichtsinnige Boot-Jugend

dem mitleidlos reißenden Wettern

lustirr johlenden Kataraktes?

Erwacht Vernunft vor drohendem Grab?

Groß-Alter bangt. Die Wasser strömen.

Wir brechen den Bericht hier ab.

HEXE KRET

– Vier vorangegangenen Stücken folgen vier weitere –

71.

Still ein gutes Glas zu leeren,

sitzen Sim und Konjunktiv

heut im Kleingasthaus „Weinlaube“.

(Überm Tor hängt eine Traube,

Tisch und Bank sind aus Faßdaube.)

Bunte Bilderscheiben färben

Nachmittagsseptembersonne,

kühle goldne Tropfen wärmen

Hirn und Herz, man kommt ins Schwärmen.

„Unsre Hex ist was Besondres“,

läßt sich Konjunktiv vernehmen,

„immer tüchtig und adrett.

Ja, das ist die Hexe Kret.“ –

„Nun“, gibt Sim recht, „sie ist eine

sicherlich bemerkenswerte,

seltene Person, die Base,

mehr wert als die ganze Blase.“ –

„Achtenswert per se“, versichert

intensiv der Doktor. „Prost!“ –

„Prost!“ – „Vom Hexenruch hat sie

nichts, nichts von Nymphomanie.“ –

„Eben Ausnahme, mein lieber

Konj’nktiv.“ – „Wahr, mein lieber Sim.

Der Beruf nur ist ... “ – „Gibt viele

namhafte im gleichen Stile.“ –

„Wahr, sehr wahr.“ (Septembersonne

läßt die Bilderscheiben leuchten.

Ist es Mailicht, das sie kost?

Hexenkraft, die golden glost?)

„Unsre Kret lebe – prost!“ – „Prost!“

72.

Madam Vielheit fühlt sich unwohl

(Ach? Nanu? Schon wieder?):

ziemlich mulmig Kopf und Körper

und wie Blei die Glieder.

Dr. Konjunktiv muß kommen,

Blutdruck, Puls und Fieber

überprüfen und dergleichen;

t#0228;t was andres lieber.

Lange währt die Untersuchung.

Die Madam besteht

auf Genauigkeit. Sein Urteil

(voll Sagazitat):

„Mäßigung der Bedürfnisse und

deren kluge Lenkung.

In-sich-Gehen, Selbstnase fassen,

Ausdehnungsbeschränkung.“ –

„Eine kuriose Dia-

gnose! Dankeschön“,

spottet Madam Vielheit, „bin ge-

heilt. Sie können gehn.“

73. SIE FLIEGT ÜBERS SCHORNSTEINMEER

Skopaelanend macht zu altgewohnter Stunde,

mitternächtlich, unsre Hexe ihre Runde.

Die dann-wann gewählte Inspektionsflugroute

lag, wenn man dem nachgeht, ihr von je im Blute.

Tausend Öfen werden mit Schlechtem gefeuert,

als sie durch im Schwarz ruhenden Luftmüll steuert.

Kummervoll denkt sie: ,Man zollt der Atmosphäre

nicht mehr die speziell ihr angemeßne Ehre.

Schön die Flüge über Berge, Wiesen, Wälder –

zwecks Sanierung weiten Luftreichs fehlen Gelder?

Für nicht wenig Interessen gibt es Essen,

die restspucken, was flammende Mäuler fressen.

Dünn- und dicke Steingetüme, die wie Nocken

auf phantastisch zackigen Dachscheiben hocken.

Blechbehelmt-drehbare, auch mit Tonrohrnasen

manche – alle blasen Qualm, Rußflocken, Wrasen.

Ganz zu schweigen von den Wolkenkratzerschloten,

die die Luft beschmieren mit giftigen Pfoten.

„Nein, es ist durch solche Unratnacht zu fliegen

selbst für ausgepichte Kehlen kein Vergnügen.

Das Konglomerat von ekligen Gerüchen

und von Qualmwust schamrötet selbst Hexenküchen.

Gut wär es, nicht mehr auf Änderung zu lauern,

sondern Fortlaufstadtschlundschlote zuzumauern.

Auf daß die, die Hexvolk gar schmutzdunstbeglücken,

jäh begreifend, hustend, daß die Kehlen knarrten,

Eignes konzentriert genössen und erstarrten.

Sie, die gut die Lüfte kennt,

ist in derlei kompetent.

Unter schlotbehaartem Stadt-des-Fortlaufs-Rücken