Wenn das die Lösung ist, will ich mein Problem zurück - Alexandra Potter - E-Book

Wenn das die Lösung ist, will ich mein Problem zurück E-Book

Alexandra Potter

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Beschreibung

Wenn das die Lösung ist, will ich mein Problem zurück | warmherziger und lustiger Frauenroman Der neue Roman von Bestseller-Autorin Alexandra Potter übers Älterwerden und Jungbleiben Ein Hoch auf die grandiose Mitte des Lebens! In dieser wunderbar witzigen Fortsetzung des Bestsellers »Je größer der Dachschaden, desto besser die Aussicht« dürfen unsere Lieblingsheldinnen Nell und Cricket wieder viel übers Leben lernen, Abenteuer erleben und Spaß haben – egal, wie alt sie sind! Eigentlich war gerade alles gut. Aber Nell wäre nicht Nell, wenn das Leben ihr nicht ganz schnell wieder ein paar Striche durch die Rechnung machen würde: Der Podcast-Sponsor springt ab, ihre Zeitungskolumne wird eingestellt und die Klamotten passen irgendwie auch nicht mehr. Nells Freunde haben sich derweil weiter optimiert, was am Pool oder auf dem Landsitz zugegebenermaßen auch einfacher ist als in einer winzigen Stadtwohnung. Immerhin darf Nell weiter Nachrufe schreiben. Und sie hat ihre exzentrische, über 80-jährige Freundin Cricket! Gemeinsam überstehen sie missglückte Heiratsanträge, einen Sarg-Selbermach-Kurs, ein schrecklich anstrengendes Selbstfindungs-Wochenende, einen sehr wütenden Angehörigen und jede Menge Katastrophen! Wer »Je größer der Dachschaden, desto besser die Aussicht« mochte, wird Alexandra Potters »Wenn das die Lösung ist, will ich mein Problem zurück« lieben. Alexandra Potter löst Begeisterung aus: »Die neue Bridget Jones für unsere Zeit« The Telegraph »Freuen Sie sich auf ein Buch, das Sie auf jeder Seite zum Lachen bringt, egal ob Sie 20, 40 oder 80 Jahre alt sind« Heat »Genial!« Emma Gannon »Lustig, aber vielschichtig, unbeschwert, aber überraschend tiefgründig - eine perfekte und inspirierende Lektüre für das neue Jahr« RED Das perfekte Geschenk für die beste Freundin, tolle Urlaubslektüre, originelle Unterhaltung, wunderschön erzählte Freundschaftsgeschichte. Alexandra Potter macht mit ihren Romanen Millionen Leserinnen glücklich. Geliebt wird sie für ihren warmen Humor, witzige Dialoge und Figuren, die einem schneller ans Herz wachsen, als man lesen kann. Ihr dritter Roman bei Piper ist die Fortsetzung des SPIEGEL-Bestsellers »Je größer der Dachschaden, desto besser die Aussicht«. Sie lebt mit ihrem Partner und einem bosnischen Findelhund in London.

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Aus dem Englischen von Dr. Karolin Viseneber

Für alle Nells dieser Welt

© Alexandra Potter, 2023

Titel der englischen Originalausgabe: » More Confessions of a Forty-Something F**k Up« bei Macmillan, ein Imprint von Pan Macmillan, Macmillan Publishers International Limited, London 2023

© Piper Verlag GmbH, München 2024

Konvertierung auf Grundlage eines CSS-Layouts von digital publishing competence (München) mit abavo vlow (Buchloe)

Covergestaltung: FAVORITBUERO, München

Covermotiv: MirageC/ Getty Images

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Inhalt

Inhaltsübersicht

Cover & Impressum

Zitate

Die Regeln des Lebens

Prolog

Juli

#daslebenwirdwiedernormal

Die zweite Jahreshälfte

1. Meine Hörerinnen und Hörer

2. Kein Badezimmer mehr teilen zu müssen

3. Mein iPhone

4. Date Night

Nichts zu beklatschen

WhatsApp-Gruppe: Freedom-Day-Treffen

Wiedervereint

Der Morgen danach

Der nächste Tag

August

#regelnsindzumbrechenda

Wohnungsanzeige

Aus der Reihe tanzen

Umswitchen leicht gemacht

(Wieder) Zusammenziehen

Alles selbst gemacht

Der Tag danach

Urlaub auf Balkonien

September

#schuledeslebens

Unsere Verlobungsparty

Ein Flirt mit der Wahrheit

Der Angst ins Auge sehen

Der Tschüss-und-auf-Wiedersehen-Club

Versteckspiel

Hochzeitsplanungskriege oder der Kampf um die Tabelle

Wettbewerb

Oktober

#etwasaltesetwasneues

Etwas Altes, etwas Neues

Ein etwas anderes Datum

Ein Kaffee

Ein Hauptdarsteller

Die Zeit zurückdrehen

Die Halloweendisco

WhatsApp-Sprachnachricht von Liza aus L. A.

November

#nichtwieimmärchen

Im Nein liegt die Kraft

WhatsApp-Gruppe: Annabels Wochenendretreat

Der Retreat

Die Braut und das Lagerfeuer

Nicht wie im Märchen

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm

Ein unerwartetes Etwas

Zwei Hochzeiten und ein Todesfall

Wochenendurlaub

Dezember

#weihnachts(w)ich(tel)

Auf dünnem Eis

Lieber Weihnachtsmann …

Das Kleid

Weihnachtsstimmung

Weihnachtsgeister

Der kürzeste Tag

Weihnachten

Zwei rosa Linien

Das Gespräch

Silvester

Januar

#imlalaland

Neues Jahr, neues …

Bereit für den Abflug

Einladung

Nichts zu deklarieren

Auf ins La La Land

Altern oder nicht altern, das ist hier die Frage

Geister der Vergangenheit

Vor dem Sonnenaufgang

Die Hochzeit meiner besten Freundin

Februar

#whatslovegottodowithit

Zurück ins Leben, zurück in die Realität

Mein Hochzeitstag

Valentinstag

Wer spielt das Blame Game mit?

WhatsApp-Chat mit Fiona

Kintsugi

Ein guter Rat

Timing

März

#entscheidungenüberentscheidungen

Alles unter Kontrolle

Co-Elternschaft

E-Mail

Einen Tag später

Geburtstagsüberraschung

Notfallanrufe

Die Ausstellung

Die Mutter aller Probleme

Schnelldurchlauf

Kolumne

Mittwochabend

April

#lebendkommthierniemandraus

Keine Knochenbrüche

Theo

Lebend kommt hier niemand raus

Erfolg

Ostern

Der nächste Schritt

e-m@il für Dich

Verfluchte Scheiße!

Unverhofft kommt oft

Max am Telefon

Mai

#ingutenwieinschlechtenzeiten

Die Nachwirkungen

Fruchtbarkeits-TÜV

Eine Beerdigung erster Klasse

Das Leben geht weiter

Ticktack, ticktack

Eins plus eins ergibt eins

Ein ganz besonderer Gast

Das Bekenntnis

Reden ist Gold

Juni

#dasbestekommterstnoch

WhatsApp von Tia, Lizas Frau

Glockenläuten

Ein Stein fällt

Danke für die Erinnerungen

Ein Moment der Wahrheit

Premiere

Später

Rezension

P S

WhatsApp-Gruppe: Sommertreffen

Sommerliebe

Epilog

Und zu guter Letzt, falls es jemanden interessiert …

Notizen an mich selbst, wenn ich im Internet surfe.

Danksagung

Buchnavigation

Inhaltsübersicht

Cover

Textanfang

Impressum

Keiner von uns möchte sein ganzes Leben in ruhigen Gewässern verbringen.

Jane Austen

Mit Gummihandschuhen und Entschlossenheit kann man jedes Problem lösen.[1]

Cricket

[1]Wenn es doch einmal nicht klappen sollte, hilft Tequila.

Die Regeln des Lebens

Es gibt keine Regeln.

Prolog

Hallo, mein Name ist Nell, und ich heiße euch herzlich willkommen zu neuen Folgen von: Auf der falschen Seite der 40 – Bekenntnisse einer Versagerin, dem Podcast für jede Frau, die sich fragt, wie zum Teufel sie eigentlich hier gelandet ist und warum das Leben überhaupt nicht so läuft, wie sie es sich immer ausgemalt hatte.

Mein Podcast richtet sich an alle, die beim Blick auf ihr Leben denken: Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt. An alle, die sich schon den einen oder anderen Fehltritt erlaubt oder irgendwie den Anschluss verpasst haben und immer noch verzweifelt ihr Leben analysieren, während um sie herum alle fleißig glutenfreie Brownies backen.

Aber eins möchte ich vorab klarstellen: Ich bin absolut keine Expertin. Ich bin weder Lifestyle-Guru noch Influencerin (was auch immer das ist), und ich will auch nichts verkaufen oder für irgendwelche Produkte werben. Ich bin auch nur jemand, der Probleme hat, sein eigenes chaotisches Leben in einer Flut aus perfekten Instagram-Welten wiederzufinden, und fühle mich dabei manchmal wie eine echte Versagerin. Es kommt noch schlimmer: wie eine Versagerin über vierzig. Jemand, den Lebensweisheiten eher erschöpfen als inspirieren. Jemand, der sich nicht ständig neue Ziele setzt oder sich immer weitere Herausforderungen sucht, schließlich ist das Leben selbst schon herausfordernd genug. Jemand, der sich nicht #gesegnet und #erfolgreichimleben fühlt, sondern meist eher fragt: #wastueichdagerade oder #kannmandasgoogeln?

Genau deshalb habe ich mit diesem Podcast angefangen: Ich möchte erzählen, wie es wirklich ist – zumindest für mich. Es geht darin um die täglichen Irrungen und Wirrungen, darum, wie es sich anfühlt, auf der falschen Seite der vierzig angekommen zu sein und feststellen zu müssen, dass das Leben nicht gerade wie geplant verläuft. Und darum, auch in den schlechtesten Momenten nicht aufzugeben und den Humor nicht zu verlieren. Darum, ehrlich und aufrichtig zu sein. Es geht um Freundschaften, Liebe und auch um Enttäuschungen. Um die großen Fragen und die fehlenden Antworten. Darum, neu anzufangen, wenn man doch eigentlich glaubte, schon angekommen zu sein.

In meinen neuen Podcast-Folgen werde ich außerdem mit anderen ganz gewöhnlichen Frauen sprechen, die alle unbemerkt ihr Leben leben, deswegen aber nicht weniger außergewöhnlich sind. In ehrlichen und herzerwärmenden Gesprächen teilen wir unsere lustigen und auch traurigen Momente mit euch. Wir möchten davon erzählen, wie es ist, sich unzulänglich, verwirrt, einsam und verängstigt zu fühlen, davon, Hoffnung und Freude an unerwarteten Orten zu entdecken, und davon, dass auch unendliche Vorräte an Duftkerzen von irgendwelchen Stars und zerdrückte Avocados nicht die Rettung sind.

Die Botschaft ist wichtig: Wenn man sich wie eine Versagerin fühlt, heißt das nicht, dass man wirklich unfähig ist, sondern nur, dass man das Gefühl vermittelt bekommt, es zu sein. Es geht um den Druck und die Angst, alle Anforderungen erfüllen und alle Ziele erreichen zu müssen … und darum, was passiert, wenn das nicht klappt. Egal ob mit zwanzig, vierzig oder achtzig, es passiert ganz schnell, dass man sich in manchen Bereichen und Phasen des Lebens wie ein Verlierer vorkommt, besonders, wenn alle um einen herum scheinbar auf der Gewinnerseite stehen.

Also wenn das irgendjemandem dort draußen auch nur ein bisschen bekannt vorkommt, dann hilft dieser Podcast hoffentlich dabei, sich weniger einsam zu fühlen.

Denn jetzt sind wir immerhin schon zu zweit. Und zusammen ist man weniger allein.

Juli

#daslebenwirdwiedernormal

Die zweite Jahreshälfte

Ich kann es nicht glauben.

Laut Google ist heute der 182. Tag des Jahres. Das bedeutet, ein halbes Jahr ist bereits rum. Jetzt schon! Also sollten wir schnell noch einmal zurückschauen und über all die guten Vorsätze und Ziele nachdenken, die wir nicht umgesetzt oder nicht erreicht haben. (Ich bin doch nicht die Einzige, der es so geht, oder?) Viel wichtiger ist jedoch, dass es nun schon achtzehn Monate her ist, seit ich Edward an Silvester zum ersten Mal geküsst und mich verliebt habe, nicht nur in ihn, sondern in mein gesamtes Leben – mein chaotisches, makelhaftes, perfekt unperfektes Leben. Und einen Augenblick lang hat es sich tatsächlich so angefühlt, als wäre alles gut.

Zumindest ungefähr zwei Sekunden lang.

Kann es eine bessere Lektion dafür geben, dass das Leben nie nach Plan verläuft – selbst wenn ich es gerade geschafft hatte, meines umzukrempeln, und alles so hoffnungsvoll aussah –, als eine globale Pandemie, die auf einen Schlag und quasi über Nacht alles verändert? Es war unwirklich und Angst einflößend zugleich. Wir haben als Gesellschaft geliebte Menschen verloren, unsere Familien und Freunde vermisst, haben unsere Kinder zu Hause unterrichtet, Bananenbrot gebacken und für Pflegekräfte applaudiert. Dabei haben wir nicht nur endlos scheinende Lockdowns und Zoom-Quizabende ertragen, sondern auch Social-Media-Kanäle, auf denen sich Hollywoodstars und andere Berühmtheiten gegenseitig beim Singen von Imagine oder beim Anleiern irgendwelcher #bleibzuhause-Challenges überboten. Als wäre zu Hause zu bleiben nicht schon Herausforderung genug.

Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, mangelte es plötzlich an Klopapier #stelldireinfachvoresgibtkeinklopapiermehr.

In achtzehn Monaten ist VIEL passiert. In meiner Welt hingegen ist viel nicht passiert. Das normale Leben wurde genauso eingestellt wie meine West-End-Aufführung von Montys Theaterstück, an dem ich so hart gearbeitet hatte. Und auch meine neue Kolumne wurde gestoppt. »Tut mir echt leid, Stevens, aber jetzt ist nicht die Zeit für eine neue Kolumne«, hatte mein Redakteur Sadiq mir missmutig am Telefon verkündet. »Ich brauche dich da, wo du bist: beim Nachrufeschreiben.« Auch ein ziemlich guter Werbevertrag für meinen Podcast löste sich in Wohlgefallen auf und mit ihm bitter benötigtes Einkommen.

Es fühlte sich auf verschiedenen Ebenen ziemlich genau wieder so an wie in jenem Moment, als ich, nachdem mein ganzes Leben auseinandergebrochen war, aus den USA zurück nach London gezogen war. Mein Sozialleben tendierte gen null, meine Eltern konnte ich auch nicht besuchen (auch wenn es dieses Mal nicht daran lag, dass sie mein Zimmer über Airbnb vermietet hatten), tja, und mein Liebesleben … Sagen wir es mal so, sich eine romantische Beziehung aufzubauen, wenn man sich von anderen Leuten fernhalten soll, ist nicht gerade einfach.

Und nein, das können Sie mir getrost glauben, alles kann man eben nicht über Zoom machen.

Trotz all dieser Rückschläge gibt es echt viel, wofür ich dankbar sein kann. Tatsächlich ist meine Dankbarkeitsliste in den letzten achtzehn Monaten länger und länger geworden. Wenn es hart auf hart kam, habe ich mir einfach die Punkte auf meiner Dankbarkeitsliste aufgezählt. Nicht nur die großen Sachen, bei denen es um Leben oder Tod geht, wie unser großartiges Gesundheitssystem NHS, gesund zu sein oder dass es meinen Liebsten gut geht. Sondern noch viel mehr, wie zum Beispiel:

1. Meine Hörerinnen und Hörer

Mit gerötetem Gesicht komme ich unter meiner Bettdecke hervor, die über dem Wäscheständer hängt, reiße das klapprige alte viktorianische Fenster auf und schnappe nach Luft. Das tut gut.

Es ist Freitagabend, und ich habe gerade die neuste Folge meines Podcasts unter meinem amateurhaften schalldichten Zelt aufgenommen, das ich in einer Ecke meines winzigen Wohnzimmers aufgebaut habe. Obwohl der Werbevertrag geplatzt ist, wird meine Hörerschaft immer größer. Ich bin wahnsinnig dankbar dafür, dass ich mehr Downloads denn je verzeichnen kann.

Als ich meinen Podcast vor einer ganzen Weile zum ersten Mal eingesprochen habe, machte ich mir wirklich Sorgen, dass es nur mir so gehen könnte, dass ich die Einzige wäre, die ihr Leben nicht auf die Reihe bekam. Aber es sieht ganz so aus, als gäbe es da draußen viele Menschen, die sich mit den Bekenntnissen einer Versagerin auf der falschen Seite der vierzig identifizieren können, gerade in diesen turbulenten Zeiten. Ich fühle mich auch heute noch oft als Versagerin. Das wird sich wohl niemals ändern. Auch während der Pandemie kam es mir so vor, als wäre ich der einzige Mensch auf dem Planeten, der weder eine neue Sprache lernte noch einen Roman schrieb oder zumindest dem Fernsehwettbewerb The Great British Bake Off mit Bananenbrot und Sauerteig Konkurrenz machte.

Aber jetzt mal im Ernst. Ich bin vollkommen ernst.

Ich bin tatsächlich jemand, der den Großteil der Zeit durchs Leben stolpert und es dabei erst erfindet. Je älter ich werde, desto weniger weiß ich. Mein Leben sieht immer noch nicht so aus, wie es aussehen sollte, zumindest, wenn man den gesellschaftlichen Vorstellungen folgt. Unverheiratet. Kinderlos. Kein Interesse an Yoga oder Töpferkursen. Nicht ein einziges beeindruckendes Bikinifoto auf irgendeinem Social-Media-Account. Noch immer stelle ich die großen Fragen und finde keine Antworten. Wenn mir etwas gut gelingt, zaudere ich umso mehr, hinterfrage mich und spüre, wie die bösen Teufelchen nach mir schnappen.

Als wir niemanden zu Hause empfangen durften, war DIE ANGST meine häufigste Besucherin. Verraten habe ich das niemandem, es hätte schließlich ein Verstoß gegen die Lockdownregeln sein können.

Andererseits, Hand aufs Herz: Wem ist es in den letzten achtzehn Monaten nicht manchmal so ergangen?

Während ich versuche, mich nicht zu weit aus dem Fenster im zweiten Stock zu lehnen, füllt sich meine Lunge mit Luft, die nach Geranien, Abgasen und thailändischem Essen von dem gerade erst wiedereröffneten Café gegenüber riecht. Der Sommer ist da, und die Kontaktbeschränkungen wurden gelockert, endlich kehrt alles wieder in den Normalzustand zurück.[2]

2. Kein Badezimmer mehr teilen zu müssen

Okay, also zurück zum Wesentlichen.

Ich wende mich vom Fenster ab und sehe auf die Uhr. Mist, ist es wirklich schon so spät? Ich muss mich ganz dringend fertig machen. Schnell gehe ich ins Badezimmer, ziehe mich aus und springe unter die Dusche. Dampf steigt auf. Ich liebe es, lange und heiß zu duschen. Je länger und heißer, desto besser. Und das ist nur einer der Gründe, warum ich lieber ein Badezimmer für mich allein habe.

Als ich zurück nach London zog, konnte ich mir dank der absurd hohen Mieten keine eigene Wohnung leisten, nicht einmal mit der finanziellen Hilfe meines Vaters, also suchte ich mir ein WG-Zimmer. So lernte ich Edward kennen, da er ebenjenes Zimmer vermietete. Ein eigenes Bad hatte ich dort allerdings nicht. Ein ständiges Streitthema. Immer wieder wurde ich ermahnt, nicht so lange zu duschen und nicht das ganze heiße Wasser zu verbrauchen. Einmal hätte ich ihn sogar fast umgebracht, da ich nach einem entspannenden Bad mit ätherischen Ölen vergessen hatte, die Wanne zu putzen – weshalb er beim Duschen ausgerutscht war.

Ganz zu schweigen von den Streitereien ums Klopapier.

Während ich mir die Haare schamponiere, läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Zum Glück haben wir nicht während der Klopapierknappheit zusammengelebt, als alle plötzlich die Panik bekamen, nichts mehr abzubekommen, und Hamsterkäufe das neue Normal waren, woraufhin die Supermärkte doch tatsächlich das Toilettenpapier rationieren mussten. Ich will mir ein Zusammenleben zu der Zeit gar nicht ausmalen. Wie ich Edward kenne, hätte er mich sicher zum Abputzen Zeitungspapier in kleine Vierecke schneiden lassen. Recycling ist schließlich seine Leidenschaft.

Ich spüle mir die Haare aus, bleibe noch ein paar Minuten stehen und genieße den heißen Wasserstrahl auf meiner Haut genau wie die Tatsache, dass mich niemand dafür rügt, wenn meine Haare in den Abfluss geraten.[3] Dann drehe ich die Dusche aus und greife nach meinem Handtuch. Ich reibe mich mit Bodylotion ein und schlüpfe in meine Klamotten. Baumwollkleid. Flip-Flops. Ein Hauch Lipgloss. Nach den vielen Monaten in Jogginghosen, die Haare zu einem wirren Knoten aufgedreht, bin ich doch etwas aus der Übung darin, mich für ein Date fertig zu machen.

Mit noch feuchten Haaren gehe ich ins Wohnzimmer und suche nach meinem Telefon. Ich genieße es nicht nur, ein eigenes Badezimmer zu haben. Nein, alles hier ist jetzt mein Eigen. Ich nehme ein Kissen hoch und suche darunter, dann schüttle ich es schnell wieder auf. Wer hätte gedacht, dass es so viel Freude macht, Kissen aufzuschütteln? Jedes Mal muss ich dabei wie verrückt grinsen. Ich nehme noch eins. Es sind eben nicht nur Dekokissen von IKEA, es sind meine Dekokissen von IKEA. Ich habe sie mir ausgesucht, genau wie das Sofa, auf dem ich sie so hübsch drapiere wie in einem dieser Hochglanzeinrichtungsmagazine.

Ist ja gut, ich gebe zu, dass ich kein großes, tolles Haus mit Schiebetüren zum Garten habe (oder überhaupt einen Garten) und auch nicht massenhaft Platz auf der Arbeitsfläche (aber wir wissen ja eh, dass da nur für die Fotos alles in die Schränke gestopft wurde und es dort normalerweise total chaotisch aussieht), sondern eine winzige, briefmarkengroße Wohnung – dennoch erfüllt es mich mit unglaublichem Stolz, sie mein Eigen nennen zu können.

Nach so vielen Jahren zur Miete mit geteilten Badezimmern, Übernachtungen bei Freundinnen, Zusammenziehen mit Partnern, Schlafcouchen ausklappen und mit Vermietern über Kautionen streiten (auch wenn ich zugeben muss, dass Edward da ganz wunderbar war) habe ich endlich meinen eigenen Ort. Er gehört nur mir allein. Na ja, mir und der Bank.

Und wie manche Männer es gerne betonen: Auf die Größe kommt es schließlich nicht an.

3. Mein iPhone

Nachdem ich minutenlang danach gesucht habe, finde ich es schließlich in meiner Jackentasche. Ich bin erleichtert. Ja, ja, ich weiß, es ist ganz schön materialistisch, dankbar für ein elektronisches Gerät zu sein, von dem alle wie besessen sind. Aber in Zeiten, in denen ich weder Familie noch Freunde treffen konnte, war es für mich ein Rettungsanker.

Ich habe mehrere ungelesene Nachrichten. Ich bin in einem WhatsApp-Gruppenchat mit meinen Freundinnen Fiona, Holly und Michelle. Wir versuchen, ein Treffen zu vereinbaren, um gemeinsam den sogenannten Freedom Day zu feiern, unglaublich, dass es über ein Jahr her ist, seitdem wir uns alle gesehen haben. Sie alle sind verheiratet und haben Kinder, und schon vor der Pandemie war es schwer genug, sie zusammenzubekommen, sei es wegen fehlender Babysitter, ungünstiger Mittagsschlafzeiten oder irgendwelcher Hobbys nach der Schule. Durch mein Telefon war ich zum Glück immer mit ihnen in Kontakt.

Ich schnappe mir meinen Schlüsselbund und eile nach draußen.

Manchmal hat es mich vielleicht ein bisschen zu sehr in Beschlag genommen.

»Wir sehen uns uns dann Sonntag um neun auf Zoom«, hatte mich meine Mutter kurz zuvor via FaceTime informiert. »Pünktlich um neun! Komm ja nicht zu spät. Dein Vater hat sich für diese Woche ein neues Thema ausgedacht. Wir müssen das Alter von Schauspielern in römischen Zahlen angeben.«

Ich war ziemlich genervt, zeigte es aber nicht. Meine Mutter hat immer noch nicht mitbekommen, dass sich niemand mehr für Quizabende auf Zoom trifft. Die Nation hatte erleichtert aufgeatmet, als endlich die Beschränkungen aufgehoben worden waren und alle wieder ihren Wohnzimmern und den wöchentlichen Abenden voller Trivialitäten mit den Verwandten entkommen konnten, die man normalerweise nur einmal im Jahr sieht, und zwar an Weihnachten. Bei mir hingegen tauchten Tante Verity, die meinen Dad fast um den Verstand bringt, und Onkel Fred, ein Cousin meiner Mum, der sich weigert, seine Zähne einzusetzen, jeden Sonntagabend in meinem Wohnzimmer auf.

»Meinst du nicht, wir sollten die Quizabende langsam einstellen?«

»Einstellen?« Mum hatte mich entgeistert angesehen.

»Tja, also, ich dachte nur, da langsam alles wieder öffnet …«

»Aber wir machen das doch jede Woche. Als Familie.«

Jetzt sah sie verletzt aus, und ich fühlte mich schuldig.

»Philip! Komm her und rede mit deiner Tochter. Sie sagt, sie hört auf …«

Oje. Mum hat das Leeres-Nest-Syndrom.

»Das habe ich ja gar nicht gesagt …«, setzte ich an, wurde aber vom Erscheinen des übergroßen Gesichts meines Dads auf dem Bildschirm unterbrochen.

»Hallo, Liebes.«

»Hi, Dad.«

Wir grinsten einander an. Wir wussten, was der jeweils andere dachte. Das mag ich an meinem Dad besonders, dass man mit ihm ein Gespräch führen kann, ohne ein Wort zu sagen.

»Gut siehst du aus.«

»Deine Mutter meint, ich müsse abnehmen«, grummelte er.

»Müssen wir das nicht alle?«, sagte ich voller Anteilnahme, während meine Hand instinktiv zu meiner Hüfte wanderte.

Dabei hatte ich wirklich gut begonnen. Im ersten Lockdown hatte ich Sport mit Joe Wicks in meinem Wohnzimmer gemacht, genau wie der Rest des Landes. Ich hatte mich inspiriert gefühlt. Entschlossen. Motiviert. Die Sonne schien, in meinen Social-Media-Feeds wimmelte es nur so vor berühmten Leuten, die Fitnessvideos, Tanzübungen und gesunde Mahlzeiten posteten. Und ich nahm ihr Angebot dankend an.

Gerade noch arbeitete ich mit Davina an meinem Trizeps, da tanzte ich schon zu Discomusik mit Sophie Ellis-Bextor. Und zu allem gab es Quinoa.

Aber nach und nach hatte sich das Neue abgenutzt. Der Lockdown war weitergegangen. Aus Sommer wurde Winter. Ich zerrte mir etwas. Verlor den Fokus. Ich war erschöpft, aber konnte nicht schlafen. Überfordert und ängstlich. So fing ich mit dem Wohlfühlessen an. Wohlgefühl wollte sich allerdings nicht einstellen. Während alle um mich herum ihr #besteslockdownleben lebten, lag ich auf dem Sofa, aß Cheese-Puffs und verlor mich in den vielen schrecklichen Nachrichten im Internet.

Von wegen von der Couch-Potato zum Marathon – bei mir reichte es von der Couch zum Küchenschrank und zurück.

Wodurch sich wohl auch erklären lässt, dass ich nicht wie meine Freundin Lisa in L. A. mit durchtrainierter Yogafigur in die neue Freiheit starte, sondern blinzelnd in die Sonne schaue, zwei Jahre älter, fünfzehn Pfund schwerer, in Jogginghosen, und mich frage, was zum Teufel ich hier eigentlich mache.

»Sie hat mir eine ihrer Diäten verordnet.«

»Das ist keine Diät!«, hörte ich Mum im Hintergrund rufen. »Sondern ein ausgewogener, überwiegend pflanzlicher Ernährungsplan.«

»Überwiegend pflanzlich.« Dad schüttelte angewidert den Kopf. »Jetzt mal ehrlich, was denkt sie sich dabei? Sehe ich etwa aus wie ein Veganer?«

Ich musste ein Lachen unterdrücken und nickte mitfühlend.

»Ich habe dir doch schon erklärt, dass jede Menge Superfoods darin stecken!« Mums haarsprayfixierte Föhnfrisur tauchte hinter Dad auf, dann gab es ein kurzes Gerangel um das iPad. »Wenn du mir nicht glaubst, frag doch Alexa!«

Während des Lockdowns hatten sich meine Eltern einen Amazon-Echo-Lautsprecher angeschafft, seitdem war Alexa zu einem neuen Familienmitglied geworden. Wenn ich mit meiner Mum telefonierte, unterbrach sie mich manchmal, um Alexa nach ihrer Meinung zu fragen oder sie um etwas zu bitten. Einmal bekam ich mit, wie mein Vater sie auf dem Weg zu seinem Garten fragte, ob er einen Mantel bräuchte.

»Hi, Carol, was kann ich für dich tun?«, fragte Alexa fröhlich.

»Halt Alexa da raus«, erwiderte Dad wütend.

Es sah ganz danach aus, als würde Alexa auch als Streitschlichterin verwendet.

»Ich mache mir doch nur Sorgen um deine Gesundheit, das ist alles. Nicht auszumalen, dass dir etwas passieren könnte, besonders nach …«

Vor einiger Zeit hätten wir Dad beinahe bei einem Autounfall verloren. Auch wenn nur selten darüber gesprochen wird, vergisst man so etwas natürlich nicht. Es verändert einen. Mum versagte die Stimme, und ich sah, wie Dads Gesicht sanfter wurde.

»Darum geht es dir also?« Er zog sie näher an sich heran und küsste sie liebevoll. »Dann esse ich selbstverständlich so viel Superfood, wie du möchtest, Liebling.«

Meine Eltern sind schon fast fünfzig Jahre miteinander verheiratet, und das Geheimnis einer dauerhaften Beziehung scheint darin zu liegen, tiefe Zuneigung und Irritation im selben Maße zu empfinden.

»Dann also bis um neun«, wandte Mum sich wieder an mich.

Widerstand war zwecklos. »Punkt neun.« Ich nickte, bereitete mich innerlich schon auf die nächste Frage vor.

»Wird Edward auch dabei sein?«

Mum stellte mir diese Frage jede Woche, und immer musste ich mir eine Entschuldigung einfallen lassen.

»Nein, er hat zu tun.«

»Schon wieder?«, missbilligend sah sie in die Kamera. »Er hat immer zu tun.«

»Er arbeitet.«

»Am Sonntag?«

O Gott, das war wirklich absurd. Ich musste ihr endlich reinen Wein einschenken.

Aber nicht jetzt.

»Sorry, ich höre dich nicht so gut …«

Auch das ist wunderbar an iPhones, man kann immer so tun, als wäre die Verbindung zu schlecht.

»Bist du noch da? Ich lege besser auf …«

Aber natürlich lässt sich Mum nicht von derart profanen Dingen wie einer schlechten Verbindung – ob nun tatsächlich schlecht oder nur vorgetäuscht, sei mal dahingestellt – davon abhalten, mir irgendeine Geschichte über eine mir unbekannte Person zu erzählen, die gestorben ist, weil sie sonntags gearbeitet hat. Glücklicherweise versteht Dad mich.

»Okay, Liebes. Bis bald.«

»Bis bald, Dad, bis bald, Mum.«

»Entschuldigung. Ich verstehe die Frage nicht«, war da eine elektronische Stimme zu hören.

»Bis bald, Alexa.«

4. Date Night

Der Abend ist herrlich, und es sind viele Leute unterwegs. Ich laufe vom Fluss aus an Straßencafés, Restaurantterrassen und Biergärten vorbei, in denen Menschen sitzen, die das Beste aus ihrer neu gewonnenen Freiheit machen. Es rührt mich, zu sehen, dass sich die Stadt wieder mit Leben füllt.

Nach ein paar Minuten komme ich oben auf dem Richmond Hill an, die Aussicht dort ist einfach großartig. Wirklich, man würde niemals denken, dass man sich noch in London befindet. Weiter unten säumen Wiesen und Bäume die Themse, die sich bis zum Horizont schlängelt. Irgendwo habe ich gelesen, dass es die einzige Aussicht Englands ist, die durch ein Gesetz geschützt wurde. Ein Glück, denn es ist mein absoluter Lieblingsplatz. Genau deshalb haben wir uns auch hier verabredet.

Vor mir erstreckt sich ein kiesbedeckter, breiter Weg mit Bänken, alle sind voll besetzt mit Menschen, die die spektakuläre Aussicht und die Getränke aus dem nahe gelegenen Pub genießen. Während ich an ihnen vorbeilaufe, halte ich nach ihm Ausschau. In mir regt sich Vorfreude, und ein bisschen nervös bin ich tatsächlich auch. Hier irgendwo muss er sein.

Da sehe ich ihn. Kurz bevor er mich entdeckt, aufgeregt aufspringt, mir das Gesicht ableckt und mir schlabbrige Küsse gibt.

»Artus! Hallo, alter Junge!«

Artus mag ein Hund sein, der Größe nach erinnert er jedoch eher an ein kleines Pony, und er schmeißt mich mit seiner stürmischen Begrüßung fast um.

»Da freut sich aber jemand, dich zu sehen.«

Während Artus weiter um mich herumspringt, sehe ich, wie Edward mir von der Bank aus zulächelt, seine dunklen Haare fallen ihm über die Brille. Er steht auf und küsst mich. »Und nicht nur er.«

»Hi«, sage ich, lächle glücklich zurück und küsse ihn. »Du riechst gut.«

»Das muss mein neues Bioduschgel sein: Zitrone und Ingwer.«

»Mmmh.« Ich nicke wohlwollend.

»Nicht ganz billig. Aber ich dachte, was soll’s, es ist ja immerhin Date Night.«

Edward wirkt vollkommen ernst, als er das sagt, und ich widerstehe dem Drang, ihn aufzuziehen. Er nimmt unsere Verabredungen sehr wichtig. Statt ihn zu necken, schlinge ich meine Arme um seine Hüfte, während er mich an sich zieht. Umarmungen werde ich nie wieder für selbstverständlich halten.

Diese Date Nights waren Edwards Idee. Als Paar, das nicht zusammenlebt, war es gar nicht so einfach, während der Lockdowns die Romantik aufrechtzuerhalten,[4] also verabredeten wir uns einmal die Woche, um aus unseren jeweiligen Wohnungen zu entkommen, die bequemen Klamotten abzulegen und uns zu einer Fahrradtour, einem Spaziergang am Fluss oder einem Picknick im Park zu treffen.

Nachdem die Regierung es erlaubt hatte, dass sich verschiedene Haushalte zur gegenseitigen Unterstützung zusammenschlossen, wurde es einfacher, weil ich mich so Edwards Haushalt anschließen konnte. Das hieß jedoch, dass den besseren Gründen gute weichen mussten: Mum war verärgert, weil ich nicht ihren Haushalt wählte, Fiona argumentierte, meine Patentochter wolle mich unbedingt sehen, wobei ich die leise Ahnung hatte, dass eher Fiona nach einer Babysitterin lechzte, seit ihre Nanny zurück nach Brasilien gegangen war. Meine Freundin Cricket brachte es dann auf den Punkt: Alleinstehende, kinderlose Frauen waren noch nie so gefragt.

»Wie wäre es mit einem Drink?«

»Habe ich dazu jemals Nein gesagt?« Ich lache, als wir einander loslassen, und werfe einen Blick über die Straße auf den Pub, vor dem sich eine lange Schlange gebildet hat. »Mist, hast du den Andrang gesehen?«

»Wie wäre es mit einem Gin Tonic?«

»Wirklich, Edward, sie stehen die halbe Straße runter. Es wird ewig dauern, bis wir etwas bekommen.«

Ich drehe mich zu ihm um, aber er scheint mir überhaupt nicht zuzuhören. Er hat sich wieder auf die Bank gesetzt und sucht nach etwas in seinem Rucksack. Enttäuschung steigt in mir auf. Edward hat diese schreckliche Angewohnheit, einfach abzuschalten. Wie mein defekter Wasserkocher.

»Nicht, wenn man selbst welchen dabeihat«, antwortet er und zaubert eine Flasche mit Gin und eine mit Tonic, zwei Gläser und eine Zitrone hervor.

Die Enttäuschung weicht einem warmen Gefühl der Liebe. Das, was ich bei Mum und Dad beobachtet habe, stimmt: Irritation und Zuneigung sind die Eckpfeiler jeder Beziehung.

»Wie kann es sein, dass du immer an alles denkst?«, frage ich und setze mich neben ihn auf die Bank.

»Allzeit bereit«, sagt er ernst und schneidet die Zitrone mit seinem Schweizer Taschenmesser in Scheiben.

»Hä?«

»Alte Pfadfinderweisheit«, erklärt er, und mir fällt auf, dass er sogar an Eis gedacht hat. Natürlich.

»Ich wurde schon bei den Wölflingen rausgeschmissen«, entgegne ich.

»Warum überrascht mich das nicht?«

»Schon am ersten Tag. Ich habe mir vor Aufregung in die Hose gemacht. Alle um mich herum haben angefangen zu schreien. Es war ein ganz schönes Chaos.«

Er lacht und füllt einen guten Schluck Gin in die Gläser. Dabei lässt er sich nie lumpen, und auch dafür liebe ich ihn.

»Worauf trinken wir?«, fragt er und setzt zu einem Trinkspruch an.

»Auf das Ende der Restriktionen, den Freedom Day?«, schlage ich vor. »Der ist schon in ein paar Wochen.«

»Nein, ich weiß, worauf wir trinken: auf uns«, sagt er und sieht mir in die Augen. »Und auf die Zukunft.«

Für den Bruchteil einer Sekunde muss ich daran denken, wie ich zurück nach London gezogen bin, als Single über vierzig und mit gebrochenem Herzen. Damals habe ich nicht daran geglaubt, so weit zu kommen. Mir wird ganz mulmig vor Angst. Ich möchte einfach nur, dass alles so bleibt, wie es gerade ist: ein Paar mit einem Hund, das auf einer Bank sitzt und den warmen Sommerabend genießt, die wunderbare Aussicht, einen starken Drink und das Zusammensein. Aber das Leben steht schon viel zu lange still. Wir müssen es wieder neu füllen.

»Auf uns und die Zukunft«, wiederhole ich lächelnd.

Zukunft ist schließlich immer gut, oder?

Noch mehr Dinge, für die ich dankbar bin:

Den wunderschönen Sonnenuntergang. Auch wenn ich froh darüber bin, dass der allgemeine Drang zur Perfektion während der Pandemie abgenommen hat, weil alle sich nun ungefiltert und authentisch auf ihren Social-Media-Accounts zeigen, vermisse ich doch die ganzen tollen Sonnenuntergangsbilder und natürlich auch mitzubekommen, was andere Leute zu Abend essen. Thermounterwäsche, die mich und meine über achtzigjährige Freundin Cricket diesen Winter vor dem Kältetod bewahrt hat, da wir uns schließlich nur draußen treffen konnten. Die Stummschalttaste (die mein Onkel Fred noch nicht gefunden hat – genau wie seine Zähne). Ja, ja, eigentlich ist er gar nicht mein richtiger Onkel, sondern mein Cousin zweiten Grades. Aber das ist einfach zu kompliziert, besonders, wenn es von Fred ohne Zähne im Mund gesagt wird. Kleidung mit Gummizug (siehe oben).Gin Tonic und Cheese-Puffs – aka Pandemie-Überlebenstraining mit Nell Stevens.Natur, weil sie uns gezeigt hat, dass das Leben weitergeht, als alles ziemlich beängstigend war. Dass das Sponsoring für meinen Podcast geplatzt ist, was mich mit heimlicher Erleichterung erfüllt hat. Sosehr ich das Geld auch hätte gebrauchen können, es fühlte sich einfach nicht richtig an, sich mit einer großen Kosmetikfirma zusammenzutun, die uns Frauen einreden möchte, dass es schrecklich ist, zu altern. Weil genau das stimmt, was Cricket sagt: Das einzige Mittel gegen das Altern ist der Tod. Die ganzen berühmten Leute, die während des Lockdowns Bikini-Selfies unter dem Hashtag #bleibtgesund gepostet haben. Wer fühlt sich da nicht direkt gesünder? Meinen Sinn für Humor.
[2]Aber was heißt heutzutage schon normal? Und noch viel wichtiger: Will irgendjemand wirklich dahin zurück? [3]Äh, hallo, hat Gott nicht genau dafür Rohrreiniger erfunden? [4]Wenn man allerdings die Trennungs- und Scheidungszahlen bedenkt, die durch das ständige Zusammensein massiv gestiegen sind, wäre es vielleicht noch schwerer gewesen, die Romantik am Leben zu halten, wenn wir zusammengewohnt hätten.

Nichts zu beklatschen

Am Sonntag stehe ich früh auf, um mich im Hyde Park mit Cricket zum Spazierengehen zu treffen. Wir laufen in unseren Turnschuhen hoch motiviert los, aber die Sonne scheint, und die Liegestühle sind einfach zu verlockend, sodass wir uns bereits nach kurzer Zeit in den gestreiften Baumwollliegen wiederfinden, die nackten Füße im Gras.

»Weißt du eigentlich, dass die ganze Sache mit den zehntausend Schritten pro Tag ein Marketingtrick war?«, fragt sie mich gerade, während ich mit geschlossenen Augen das Gesicht gen Himmel wende. »Damit sollte ein Schrittzähler namens Manpo-Kei verkauft werden, um aus der Welle des Erfolgs der Olympischen Spiele in Tokyo Kapital zu schlagen. Aus dem Japanischen übersetzt bedeutet Manpo-Kei zehntausend Schritte.«

»Echt? Cool, woran du dich alles erinnerst.«

»Ich und erinnern? Ha, ha, das waren die Sechzigerjahre«, sagt sie. »Niemand, der in den Sechzigern gelebt hat, erinnert sich an irgendetwas. Dafür haben wir doch Google.«

Ich öffne die Augen und sehe Cricket an. Sie schaut gerade auf ihr iPhone und trägt immer noch ihre Maske mit Leopardenmuster, die sie auf keinen Fall abnehmen will.

»Ist also sowieso alles Quatsch.«

»So ein Glück«, sage ich und grinse. »Von zehntausend Schritten täglich bin ich sehr weit entfernt, schließlich verbringe ich die meiste Zeit in meiner Wohnung.«

»Wenn man den Infos hier glauben darf, bekommt man tausend Schritte zusammen, wenn man die Stufen bei sich zu Hause zweiundvierzigmal hoch- und runterläuft«, liest sie vor.

»Dann müsste ich wohl einen neuen Teppich für die Stufen kaufen«, antworte ich. Cricket sieht von ihrem Telefon auf und lacht.

Es tut gut, Cricket wieder lachen zu sehen. Es war zwar für alle schwer in den letzten achtzehn Monaten, aber Cricket hat wegen ihres Alters und des damit verbundenen erhöhten Risikos besonders gelitten. Auch wenn man das von außen niemals gedacht hätte. »Ich und gefährdet?«, hatte sie wütend ausgerufen, als sie den Brief erhalten hatte, in dem sie dazu aufgefordert wurde, zu ihrem eigenen Schutz zu Hause zu bleiben. »Ich bin doch nicht besonders gefährdet! Was erlauben die sich?« Sie war empört und aufgebracht. Aber sie war eben auch über achtzig. Und auch wenn sie mit ihrem grauen Bobschnitt, den mit Pailletten verzierten Turnschuhen und ihrer Joie de vivre nicht besonders verletzlich oder alt auf mich wirkte, zeigten die Statistiken doch, dass sie zur Hochrisikogruppe gehörte.

Als Cricket und ich uns kennengelernt hatten, waren wir beide gerade ziemlich einsam und verloren gewesen. Sie war frisch verwitwet, und ich hatte mich von meinem Verlobten getrennt und war zurück nach London gezogen. Damals hatte ich sie für einen Nachruf interviewt, den ich über ihren Ehemann Monty Williamson schreiben sollte, der durch seine Theaterstücke berühmt geworden war. Wir beide mussten uns in unserem Leben neu einrichten, einem Leben, das wir kaum wiedererkannten, wodurch sich jedoch unsere ungewöhnliche Freundschaft entwickelte. Ihre Freundinnen waren an Krankheiten oder aufgrund ihres Alters gestorben, und Cricket vermisste sie fürchterlich; meine waren zwar nicht tot, aber sie hatten geheiratet und Kinder bekommen, und auch ich vermisste sie.

Wir begannen, uns regelmäßig zu treffen. Ich half ihr dabei, ein kostenloses Büchereiprojekt in ihrer Gegend auf die Beine zu stellen, ein Netzwerk zum nachbarschaftlichen Büchertausch, das über Mini-Büchereien funktionierte, die sie zu Ehren ihres verstorbenen Mannes Montys Mini-Büchereien taufte. Später gab sie mir den Auftrag, eins der Theaterstücke ihres Mannes zu vollenden. Wir fuhren sogar zusammen in den Urlaub nach Spanien, um Montys Asche zu verstreuen. Trotz des Altersunterschieds hatten wir viele Gemeinsamkeiten, und unsere Ausflüge gehörten zu meinen Wochenhighlights. Cricket hatte so eine unbändige Lust auf das Leben. Eigentlich hieß sie Catherine, aber als Kind hatte sie wegen ihrer zirpenden Stimme den Spitznamen Cricket bekommen, und der war hängen geblieben. Sie probierte gerne Neues aus und hielt sich selbst mit Kursen und Projekten beschäftigt, besuchte Galerien und Museen. Viel dieser Lebensfreude war allerdings für sie auch ein Weg, um mit ihrer Trauer fertigzuwerden.

»Man sollte immer etwas vorhaben, ein Termin pro Tag im Kalender ist Pflicht«, hatte sie mir einmal gesagt. »Damit man auch einen Grund hat, aufzustehen. Alltagsroutinen sind extrem wichtig.«

Aber dann wurden alle Termine abgesagt, und plötzlich war ihr Leben eine Abfolge leerer Kalenderseiten. Auf jeden terminlosen Tag folgten weitere terminlose Tage. Ohne ihre Routinen litt Cricket sehr. Viele Leute belächeln Routinen als irgendwie altmodisch und rümpfen die Nase darüber. Ihr Ruf als fade und vorhersehbar geht mit der Sehnsucht einher, Routinen abzuschütteln und ihnen zu entkommen. Aber Routinen sind auch wie Kleiderbügel. Wir hängen unsere Tage daran auf, sie geben uns eine Form. Ohne sie verliert das Leben an Struktur, und wenn man nicht aufpasst, bleibt nur ein Kleiderhaufen auf dem Boden übrig.

Vor der Pandemie hatte Cricket ihr großes Haus in Notting Hill gegen eine kleinere Wohnung ganz in der Nähe eingetauscht. Zuerst war sie darin sehr glücklich gewesen, aber durch das ständige Zu-Hause-Bleiben fiel ihr nun die Decke auf den Kopf. Wir sprachen regelmäßig miteinander, sie hatte ein Smartphone und wusste es auch zu benutzen. Aber natürlich konnte FaceTime nicht den menschlichen Kontakt ersetzen, und die Isolation forderte ihren Tribut.

»Ich werde nicht an diesem verfluchten Virus sterben, sondern an Einsamkeit«, beschwerte sie sich einmal bei mir.

Sie versuchte, positiv zu bleiben, aber es war hart, immer dieselben Wände anzustarren und nur den Fernseher als Gesellschaft zu haben. Sie vermisste Monty mehr denn je, während jede Woche neue schreckliche Nachrichten von ihren Altersgenossen aus den Pflegeheimen brachte. »Ich habe keine Angst vor dem Tod«, erzählte sie mir, nachdem sie schon wieder per Zoom an einer Beerdigung teilgenommen hatte, »aber ich möchte trotzdem nicht sterben, während ich mit einer Taschenlampe auf der Türschwelle stehe und klatsche.«

Als Weihnachten abgesagt wurde, verlor sie auffällig an Gewicht und hörte auf, den für sie so typischen roten Lippenstift zu tragen. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, Cricket als zerbrechlich zu bezeichnen – schließlich hatte sie diese unbändige Lebensenergie –, aber ihre Kraft begann sichtlich zu schwinden. Sie brauchte die Welt dort draußen wie die Luft zum Atmen und litt sehr unter dem Entzug.

Ich sah bei FaceTime, wie sie immer weniger wurde, und wusste, dass ich etwas unternehmen musste.

Also kauften wir Thermounterwäsche.

Die Menschen reden oft darüber, was ihnen alles das Leben gerettet hat; meist ist es etwas Spirituelles oder Bedeutsames, wie etwa dem Alkohol abzuschwören oder den Jakobsweg zu laufen. Im Fall von Cricket war es Thermounterwäsche von Marks & Spencer. Da bin ich mir sicher. Die Veränderung war erstaunlich.

»Meinst du, ich sollte TikTok beitreten?«, hatte sie mich kurze Zeit später gefragt, als wir gerade draußen an den entgegengesetzten Enden einer Gartenbank saßen, um uns an die Abstandsregeln zu halten.

Dank der Thermounterwäsche konnten wir uns jetzt auch im tiefsten Winter sehen. Orte für unsere Treffen zu finden, stellte sich allerdings als schwieriger heraus als gedacht. Wir beide wohnten in einer Wohnung, und keine von uns besaß einen Garten. Cricket hatte zwar einen kleinen Balkon, aber der war nur über die Wohnung zugänglich. Und während des Lockdowns waren auch Parkbänke keine Option, wenn man von fünfminütigen Verschnaufpausen während des Joggens einmal absah. Fünf Minuten sind schon für über Vierzigjährige nicht gerade lang und erst recht nicht für über Achtzigjährige.

Aber Cricket besaß den Schlüssel zu einem der privaten Gemeinschaftsgärten, für die Notting Hill bekannt ist. So konnten wir zusammensitzen und uns unterhalten, ohne Angst haben zu müssen, von der Polizei erwischt und verhaftet zu werden oder den Kältetod zu sterben.

»TikTok?«

»Ja, wenn es gut genug für eine gewisse Dame ist …«

Während Cricket sprach, setzte sie sich zurecht. Als junge Frau hatte sie mit einer berühmten englischen Schauspielerin, die mit dem Titel Dame ausgezeichnet worden war, zusammen am The-Old-Vic-Theater gearbeitet.

»Ist es das?«

»Ja, das habe ich in der Zeitung gelesen. Sie hat wohl zusammen mit ihrem Enkel auf TikTok Tänze gezeigt. Ein paar habe ich mir angeguckt, und sie ist wirklich gut. Wie zu erwarten war.«

»Wie zu erwarten war«, stimmte ich ihr zu.

Cricket verspürte immer noch eine, nennen wir es »gesunde Rivalität« ihr gegenüber.

»Du weißt ja, wie gerne ich tanze.«

Ich nickte und musste daran denken, wie ich mit ihr auf einem Achtzigerjahrekonzert gewesen war. Dort hatte sie sehr zu meiner Freude den ganzen Abend durchgetanzt, allerdings zum Unmut der mies gelaunten Frau hinter ihr. Wirklich schade, dass Cricket ganz aus Versehen ihren Wein auf sie geschüttet hatte.

»Na dann, warum nicht?«, ermutigte ich sie. Das sollte so enthusiastisch und ermutigend wie möglich klingen. Cricket hatte schließlich einmal zu mir gesagt: Mach dir keine Sorgen übers Älterwerden, dann schon lieber übers Langweiligwerden. Und langweilig war sie ganz sicher nicht. »Klingt nach einer guten Idee. Mit wem willst du tanzen?«

Sie warf mir einen Blick zu.

Vielleicht war es doch keine so gute Idee.

»Nein, niemals!« Ich schüttelte vehement den Kopf. »Ich und tanzen, das passt einfach nicht zusammen.«

»So ein Quatsch, meine Liebe. Du wärst sicher großartig.« Sie strahlte mich unter ihrem lila Filzhut an. »Das ist wie Zumba.«

»Ich dachte, du hasst Zumba?«

»Nein, das war Yoga auf dem Stuhl.«

»Und, was daran hat dir nicht gefallen?«

»Du hättest es mal sehen sollen.« Sie verdrehte die Augen. »Da waren nur alte Leute!«

Glücklicherweise hatten wir diesen Katzenjammerwinter, wie Cricket ihn nannte, nun hinter uns gelassen, genau wie unsere Thermounterwäsche. Es wurde endlich wärmer, die Abende länger, und mit weniger Einschränkungen hatten wir uns wieder regelmäßig im Park getroffen, um zusammen spazieren zu gehen oder einfach nur dazusitzen und Zeit miteinander zu verbringen, wie jetzt gerade.

»Wie wäre es, wenn wir uns nächstes Mal eine Ausstellung anschauen?«, schlage ich vor. »Museen und Galerien dürfen jetzt auch wieder öffnen.«

Ich hatte erwartet, Cricket wäre Feuer und Flamme, aber stattdessen zuckt sie nur mit den Schultern.

»Ja, mal sehen«, sagt sie gleichgültig.

»Es gibt doch sicher jede Menge Ausstellungen, die du nicht verpassen möchtest.«

»Hmmm.«

Ich sehe zu ihr hinüber, sie weicht meinem Blick bewusst aus, tut so, als wäre sie vollkommen fasziniert von einem Jogger, der sich gerade dehnt.

»Wir können endlich wieder unterwegs sein, nachdem wir so viel Zeit drinnen verbracht haben«, beharre ich.

»Ich bin … es ist nur …«, beginnt sie zögerlich. Dann atmet sie einmal tief durch und sagt selbstkritisch: »Ich komme mir albern dabei vor, es zuzugeben.«

»Was zuzugeben?«

Eine Pause entsteht.

»Dass ich Angst davor habe, wenn alles wieder normal wird«, platzt es aus ihr hervor. »So, jetzt ist es raus.«

Sie zuckt mit den Schultern und sieht mich schließlich an, schiebt sich die Sonnenbrille auf den Kopf, sodass wir uns direkt in die Augen sehen können. Ihre Augen über der Maske sind rot gerändert und feucht.

»Da ist überhaupt nichts Albernes dran«, sage ich ermutigend. »Es ist doch ganz natürlich, ängstlich zu sein.« Da fällt mir plötzlich Edwards und mein Toast auf die Zukunft wieder ein und wie ungewiss sich alles anfühlt.

»Na, ich bin schon ziemlich sauer«, sagt sie aufgebracht und zieht die Nase hoch. »Was würde Monty wohl denken?«

»Ich glaube, er würde es verstehen«, antworte ich ihr.

Sie lacht kurz auf. »Du kennst Monty nicht. Er wäre sicher sauer auf mich. Das Leben muss gelebt werden, würde er mir vermutlich sagen. Geh raus und amüsiere dich, meine Liebe. Pack den Stier bei den Hörnern. Darauf haben wir doch alle gewartet.«

»Nach Stieren wirst du im Hyde Park lange suchen müssen«, antworte ich und sehe, wie sich Lachfältchen um ihre Augen bilden. »Okay, ich glaube, jetzt lächelst du. Aber es ist echt schwer zu sagen.«

Endlich zieht sie sich die Maske ab, und darunter kommt ein Lächeln zum Vorschein.

»Nie hätte ich gedacht, dass ich mich daran gewöhnen könnte, diese furchtbaren Dinger zu tragen. Aber schau mich an, jetzt werde ich nervös, wenn ich keine Maske trage.«

»Das ist aber auch wirklich ein besonders schickes Exemplar«, gebe ich zu.

»Ich wollte ein Muster, das zu meinem Fahrradhelm passt«, sagt sie und wirkt dabei ziemlich zufrieden, dann seufzt sie. »Auch wenn ich schon echt lange nicht mehr Rad gefahren bin. Es sind viel zu viele Leute auf den Straßen.«

»Ein Schritt nach dem anderen«, sage ich mitfühlend.

Einen Augenblick guckt sie mich nachdenklich an. »Damals, als Monty mit seinen Stücken auf Tournee ging, habe ich ihn am Anfang immer fürchterlich vermisst, aber mit der Zeit gewöhnte ich mich daran, dass er nicht da war. Es wurde zum Normalzustand. Er war einfach nicht da. Wenn er dann zurückkam, war es fast wie ein Schock. Plötzlich war das Haus wieder angefüllt mit Musik, Zigarettenqualm und Chaos. Das Licht blieb an, die Türen wurden plötzlich aufgestoßen, und auf dem Küchentisch entdeckte ich wieder Rotweinringe …«

Sie unterbricht sich und lacht. »Entschuldige, das Bild, das ich von ihm vermittle, ist alles andere als schmeichelhaft, oder? Aber ich habe alle diese Dinge geliebt. Ich brauchte nur jedes Mal eine gewisse Zeit, um mich wieder daran zu gewöhnen. Wir waren dann oft wie Fremde füreinander, und zwar nicht auf die angenehme Art.«

Während ich Cricket zuhöre, scheint sie unendlich weit weg.

»Wir stritten uns, und ich wurde sauer. Mit jedem Fernbleiben wurde es schlimmer, so schlimm sogar, dass ich seine Rückkehr zu fürchten begann. Also gab Monty dem Ganzen einen Namen. Er nannte es unseren ›Wiedereintritt‹, wie wenn eine Raumfähre wieder in die Erdatmosphäre eintritt. Und schon allein dadurch, dass wir es benannten, war es weniger beängstigend …« Sie hält erneut inne, erinnert sich. »Wenn es schwierig war oder wir uns schwertaten, sagten wir einfach, ach, weißt du, so ist das eben, wir sind ja gerade im Wiedereintritt. Dann lachten wir darüber, und alles war in Ordnung.«

Sie lächelt beim Gedanken daran, und ihr Gesicht hellt sich auf.

»Sieht aus, als wäre das jetzt unser Wiedereintritt«, sage ich und lächle. »Der Wiedereintritt der ganzen Welt.«

»Ja.« Sie nickt, und ich merke ihr an, wie unwillig sie aus der Vergangenheit ins Hier und Jetzt zurückkehrt. »Sieht ganz so aus.«

Wofür ich dankbar bin:

Dass niemals jemand diese TikTok-Videos zu sehen bekommen hat, weil Cricket daran gescheitert ist, sie hochzuladen. Dabei wirkte Cricket darauf so natürlich, aber ich war einfach nur furchtbar – für eine Teilnahme an Let’s Dance wird es wohl nicht reichen. Dass ich Cricket unterstützen und ihr die Angst nehmen kann, zumindest ein bisschen.[5]Dass Monty dem Ganzen einen Namen gegeben hat, wodurch es weniger Furcht einflößend geworden ist. Der Wiedereintritt wird für uns alle unterschiedlich sein.
[5]Vergiss die Angst, etwas zu verpassen, jetzt ist die Angst auszugehen angesagt.

WhatsApp-Gruppe: Freedom-Day-Treffen

Fiona

Haben wir echt immer noch keinen Plan für den 19. Juli?

Holly

Was ist denn am 19. Juli?

Fiona

Freedom Day! Die Regierung hebt fast alle Einschränkungen auf.

Ich

Endlich!

Holly

Ich habe den Überblick verloren. Wie lange dauert es noch?

Michelle

Das hat Freddy immer gefragt, sobald wir ins Auto gestiegen sind. Jetzt ist es mein Mann. Er redet von nichts anderem mehr, als endlich wieder an der Bar zu stehen und ein Bier zu bestellen.

Ich

Ha, ha, auf Max ist Verlass.

Holly

Ich habe gerade in den Kalender geguckt. Der 19. Juli ist ein Montag. Wer feiert denn schon montags?

Ich

Die Clubs öffnen Sonntag um Mitternacht.

Fiona

Ein Club! Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal in einem Club war.

Holly

Ich werde NICHT clubben gehen.

Michelle

Um neun liege ich im Bett. Wer ist denn um Mitternacht noch wach?

Ich

Junge Leute 😊

Holly

Und Welpen. Coco ist jetzt ein halbes Jahr alt, aber wacht nachts immer noch auf. Olivia war als Baby nicht so anstrengend.

Fiona

Izzy und Lucas freuen sich schon sehr, sie kennenzulernen.

Ich

Kaum zu glauben, dass unser letztes Treffen schon ein Jahr her ist.

Ich erkenne euch sicher kaum wieder.

Holly

Ich erkenne mich selbst kaum ☹

Fiona

Okay, ich reserviere uns für nächsten Samstag einen Tisch zum Mittagessen im Pub.

So können wir alle die Kinder mitbringen.

Michelle

Ich dachte, es sollte ein Freedom Day sein?

Scherz 😀

Ich

Edward ist mit seinen Söhnen bei einem Cricketspiel.

Kann er später auf einen Drink dazukommen?

Fiona

Klar!

Michelle

Wenn es nach Max geht, wird das ein feuchtfröhliches Mittagessen.

Ich

Super. Freue mich auf euch xx

Wiedervereint

Am Samstag nach dem Freedom Day wache ich gut gelaunt auf. Nicht nur, weil sich ein weiterer schöner Tag ankündigt und die Sonne durch die Schlitze zwischen den Lamellen scheint. Oder weil nun endlich alle Einschränkungen aufgehoben wurden und das Leben, zumindest offiziell, wieder zur Normalität zurückkehren kann. Nein, heute werde ich endlich meine Freunde wiedersehen.

Ich kann es kaum erwarten! Auf dieses Treffen freue ich mich schon echt lange. Kaum zu glauben, dass wir alle die ganze Zeit über in derselben Stadt gelebt haben und unser letztes Treffen trotzdem schon ein Jahr her ist. Total verrückt. Aber in den letzten achtzehn Monaten hat sich die Zeit seltsam ausgedehnt, ist fast elastisch geworden, und es kommt mir gleichzeitig so vor, als wäre es gestern gewesen und eine Ewigkeit her, seit wir alle auf Michelles und Max’ winziger Terrasse gesessen und selbst gemachtes Curry gegessen, uns betrunken und zusammen Silvester gefeiert haben.

Der blaue Himmel, die Sonne und der Gedanke daran, bald meine Patenkinder umarmen zu können, stimmen mich noch positiver. Ich koche mir einen Kaffee und nehme ihn mit zurück ins Schlafzimmer, wo ich meinen Kleiderschrank durchsehe. Es ist ein einfaches Mittagessen im Pub, aber ich freue mich, endlich wieder einen Anlass zu haben, mich ein bisschen schick machen zu können. Zu lange hängen die Klamotten jetzt schon ungenutzt herum. Außerdem möchte ich mir auch ein wenig Mühe geben, da ich die anderen so lange nicht gesehen habe.

Eine Stunde später ist mein Kaffee eiskalt, und ich bin etwas weniger zuversichtlich. Nichts passt mir. Die Zeit der Spaghettiträger ist definitiv vorbei, denn diese geben nun den Blick auf zwei kleine, wabbelige Fleischtaschen unter meinen Achseln frei. Vielleicht kann ich sie irgendwie gegen den ganz bestimmt wiederkehrenden Trizeps eintauschen, der genauso wie meine Taille während des Lockdowns gestohlen worden ist. Und was die Shorts betrifft, bin ich mir nicht sicher, ob der Freedom Day auch für diese Beine gilt.

Aber ich kann auch nicht alles auf die Pandemie schieben. Wenn ich den Artikeln glauben darf, die mir momentan ständig in die Finger fallen, bin ich jetzt offiziell in der Perimenopause angekommen. Das klingt vielleicht nach einer hübschen karibischen Insel, auf der nur Französisch gesprochen wird und auf der sich all die Rockstars und Supermodels im Urlaub tummeln, einem Ort, an dem alle in Kaftane gehüllt herumlaufen und die Möbel aus Treibholz und Muscheln gefertigt wurden.

Nur leider ist die Perimenopause keine exklusive Urlaubsdestination, sondern die weniger exotische Realität, dass ich mich nun in einem Alter befinde, in dem meine Hormone verrücktspielen. In Kaftane gehüllt herumzulaufen, klingt da doch gleich viel lustiger, und wenn es so weitergeht, passt mir bald sowieso nichts anderes mehr.

Glücklicherweise finde ich dann doch noch ein Blümchenkleid hinten in meinem Schrank, das sowohl meiner Figur schmeichelt als auch bodenlang ist. Gott sei Dank gibt es Maxikleider! Und dieses hat sogar Flügelärmel. Das nennt man Win-win. Jetzt fehlen zur Dreifaltigkeit des Wunderbaren nur noch Taschen. Und was meine Haare betrifft: Nicht einmal der Föhn und jede Menge Stylingprodukte können übertünchen, dass ich ganz dringend einen neuen Haarschnitt und ein paar Strähnchen bräuchte, also entscheide ich mich für einen Sonnenhut. Cricket sagt schließlich immer, dass Hüte so etwas wie der vierte Notfalldienst sind, und wenn ich mich so im Spiegel anschaue, muss ich ihr tatsächlich recht geben.

»Hola! Qué gusto de verte!«

Fiona kommt mit weit ausgebreiteten Armen und einem fröhlichen Grinsen auf ihrem gebräunten Gesicht als Erste in den Biergarten.

»Seit wann sprichst du Spanisch?«, frage ich sie erstaunt.

»Ich habe es im Lockdown gelernt, als ich zwangsbeurlaubt war«, antwortet sie, setzt zu einer Umarmung an und hält dann plötzlich inne. »Umarmen wir uns?«

»Ich weiß nicht, was meinst du?« Ich halte ihr stattdessen meinen Ellbogen hin und versuche, nicht daran zu denken, wie viele Monate ich mich auf dem Sofa herumgefläzt habe, in denen ich auch Verbformen hätte pauken können.

Fiona streicht sich die perfekt sitzenden blonden Haare hinter die Ohren (selbst während einer Pandemie ist ihr Haar professionell geföhnt und gefärbt), sie denkt nach und zieht mich dann an sich.

»Oh, dame un abrazo!«

»Das deute ich mal als ein Ja«, sage ich lachend und drücke sie fest an mich. Auch wenn ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, was sie gerade gesagt hat, da mein Spanisch quasi nicht existent ist. Ganz im Gegensatz zu Fionas, das natürlich klingt. Ich nehme mir fest vor, später die Duolingo-App herunterzuladen.

»Ich freue mich so, dich zu sehen. Du siehst fantastisch aus.«

»Und du erst.«

»Tante Nell!«

Ich drehe mich um und entdecke Izzy, die wie ein Flipperball zwischen Tischen und Stühlen hindurchschießt. Seitdem ich sie zuletzt gesehen habe, ist sie ein Riesenstück gewachsen.

»Unglaublich, wie groß du geworden bist!« Ich grinse, nehme sie auf den Arm, auch wenn sie mittlerweile ganz schön schwer ist. »Und deine Milchzähne hast du auch fast alle verloren!«

Wenngleich ich Izzy und Fiona in den letzten achtzehn Monaten ein paarmal gesehen habe, kommt es mir so vor, als hätte jemand auf den Vorspulknopf gedrückt. Vorbei ist die Zeit der Feenflügel, und auch ihre blonden Locken sind verschwunden. Sie trägt jetzt einen Bob und eine ziemlich coole Jeanslatzhose.

»Ich bin siebeneinhalb«, sagt sie stolz und grinst mich an, damit ich ihre neuen Schneidezähne bewundern kann.

»Bald holst du mich ein«, erwidere ich, und sie kichert.

»Nein, du Quatschtante, du bist doch schon alt!«

Glücklicherweise werden wir von Fionas Mann David und ihrem Sohn Lucas unterbrochen. Lucas sieht jetzt noch mehr wie eine Miniaturversion seines Vaters aus, sie tragen dieselbe Brille und sind wie immer schweigsam. Nach ihnen kommen Holly und Adam mit ihrer Tochter Olivia und Coco, dem neuen Welpen aus der Tiernotrettung, an. Die Hundedame trägt eine längenverstellbare Leine, mit der sie sich überall verfängt und ein heilloses Durcheinander anrichtet.

Es ist chaotisch und laut, genau so, wie die Wiedervereinigung alter Freunde sein sollte. Auch wenn sich dieses Mal anstelle der gewohnten Wangenküsschen alle die Ellbogen oder Fäuste zum Gruß hinhalten und dabei kundtun, wie sehr sie sich freuen, einander wiederzusehen.

Und das sind wir tatsächlich: unendlich dankbar, nach so langer Zeit wieder die Möglichkeit zu haben, Familie, Freunde und alle geliebten Menschen zu sehen, als wäre es das erste Mal überhaupt. Und während wir die Tische verrücken, Getränke bestellen, scherzen, uns auf den neusten Stand bringen und uns gegenseitig necken, verhalten wir uns ganz schnell wieder so wie früher, als wären wir niemals getrennt gewesen. Und doch werden wir solche Treffen vermutlich nie wieder für selbstverständlich halten.

»Wo sind Max und Michelle? Kommen sie noch?«, fragt irgendwer nach ein paar Minuten.

»Max hat geschrieben, dass sie spät dran sind.«

»Mit den vieren haben sie sicher alle Hände voll zu tun …«

»Wartet, ist das nicht Max?«

Wir drehen uns alle um, als Max gerade hereinkommt. Zumindest sieht die Person ein wenig aus wie Max. Er ist unter all den verschiedenen Taschen, Rollern, Rucksäcken und Kindern allerdings schwer zu erkennen. Er erinnert mich ein bisschen an diese Ein-Mann-Bands, die jede Menge Instrumente um den Körper geschnallt haben. Anstatt mit einer Trommel auf dem Rücken und einer Mundharmonika um den Hals Gitarre zu spielen, trägt Max, der einen Schnuller zwischen die Zähne geklemmt hat, jedoch Tom in einer Kleinkindtrage, Lily und Rose halten sich an seinen Händen fest, und Freddy, der schon fast ein Teenager ist, trottet hinter ihm her.

Was sind dagegen schon ein paar an die Knie gebundene Zimbeln? Max wirkt, als würde er jeden Augenblick in die Knie gehen.

»Entschuldigt die Verspätung, Michelle muss noch eine Bestellung fertig machen, es tut ihr echt leid, aber sie kommt nach, sobald sie kann.«

»Ich habe mir ihren neuen Onlineshop angeguckt, er sieht großartig aus!«

»Ja, das Geschäft läuft gut. Seit Neustem hat sie auch Haushaltswaren und Textilien im Angebot.«

Max hatte kurz vor der Pandemie seinen Job verloren und so schnell auch nichts Neues in Aussicht gehabt. Also hatte Michelle ihre Nähmaschine ausgepackt und angefangen, Masken in allen Mustern und Farben zu produzieren. Der Bedarf war so groß, dass sie mit Bestellungen geradezu überschwemmt worden war, also hatte Max die Kinder übernommen. Was als Übergang geplant war, hatte sich verstetigt, da Michelle mit ihren Masken so erfolgreich gewesen war, dass sie sich ein eigenes Geschäft aufbauen konnte.

»Das ist echt der Hammer.«

Da Max bisher keinen neuen Job gefunden hatte, war er zum Hausmann geworden.

»Es ist echt gut, so kann ich mehr Zeit mit den Kindern verbringen«, sagt er gerade und nimmt einen Schluck von seinem Pint. Dann schüttet er auch den Rest hinunter.

»Kinderbetreuung macht durstig«, witzelt Adam.

»Und wie«, gibt Max zurück. Ich komme nicht umhin, zu denken, dass er ganz schön mitgenommen aussieht, während er sich Tom auf den Schoß setzt, Lilys iPad startet, Rose die Filzstifte zurechtlegt und Freddy erlaubt, Spiele auf seinem iPhone zu spielen. »Zurück im Büro, David?«, fragt er und guckt sehnsüchtig.

»Im Homeoffice«, antwortet David, und ich sehe Fiona wie so oft die Augen verdrehen, sie denkt wohl, dass niemand es mitbekommt, aber da täuscht sie sich. »Wir haben uns während des Lockdowns ein Büro in den Garten bauen lassen.«

»Wir haben noch nie so viel Zeit miteinander verbracht, besonders seitdem ich auch von zu Hause aus arbeite. Allerdings am Küchentisch.« Sie lacht gekünstelt. »Aber David vermisst seine Kollegen und kann es kaum erwarten, zurückzugehen, nicht wahr, mein Schatz?«

»Nein, eigentlich nicht«, erwidert David gut gelaunt.

»Tja, ich freue mich schon riesig darauf, wenn ich wieder zurück ins Museum kann«, sagt sie angestrengt.

»Mir gefällt die Veränderung«, fährt David fort. »Das Pendeln war echt mörderisch.«

Ich werfe Fiona einen Blick zu. Nicht nur das Pendeln, Fiona sieht aus, als könnte sie selbst zur Mörderin werden.

»Jetzt muss ich nur noch in den Garten spazieren und kann da ein wenig an der frischen Luft zoomen.«

»Por Díos«, murmelt Fiona und stürzt ihren Wein hinunter.

Wir bestellen die nächste Runde.

»Und wie läuft’s bei dir, Nell?«

Als neue Biergläser und eine Flasche Rosé gebracht werden, ziehen die Kinder zu dem kleinen Spielplatz am hinteren Ende des Biergartens um. Wie immer passt Freddy auf sie auf, der allerdings mit seinen zwölf Jahren mittlerweile nicht mehr durch Extra-iPhone-Zeit gelockt werden kann, sondern Bares verlangt.

»Was macht der Podcast?«, fragt Holly, während sie uns die Broschüre eines Maklers hinhält, in der ein wunderschönes Häuschen zu sehen ist, für das sie gerade ein Angebot abgegeben haben. In den letzten achtzehn Monaten haben Adam und sie entschieden, ihr Haus zu verkaufen und aufs Land zu ziehen. Ich gönne es ihnen, auch wenn es mich traurig macht. Ich werde sie wirklich vermissen. »Die Episode von letzter Woche hat mir echt gut gefallen.«

Seitdem meine Freunde wissen, dass ich die Person hinter dem zuvor anonymen Podcast bin, komme ich mir ein wenig wie Lady Whisteldown in Bridgerton vor. Das Geheimnis wurde gelüftet. Zum Glück sind meine Freunde begeistert davon.

»Danke. Es läuft echt gut«, sage ich und lächle. »Ich habe jede Menge neue Hörerinnen und Hörer.«

»Und was ist mit Edward?«

»Ach, der hört es sich nicht an«, sage ich und muss bei dem Gedanken lachen. »Edward ist in solchen Sachen ziemlich oldschool. Er hört überhaupt keine Podcasts und ist auch nicht auf Social Media unterwegs. Er regt sich immer darüber auf, dass die ganze Welt nur noch am Smartphone hängt, und droht sogar damit, sein altes Nokia wieder hervorzukramen.«

»Ganz ohne Social Media? Geht das überhaupt?«

»Er hat natürlich recht«, sagt Adam und nickt, guckt dabei jedoch nicht von seinem Telefon auf.

»Vielleicht will er ja auch nicht hören, wie Nell über ihn meckert«, frotzelt Max.

»Max!«, sagt Michelle keuchend, die plötzlich hinter seinem Rücken auftaucht und ihm einen Klaps gibt.

»Oh, hi, Babe.« Max grinst und reicht Tom an Michelle weiter, der sich freut, seine Mutter zu sehen. Allerdings nicht so doll wie Max, würde ich sagen, der nun beide Hände frei hat, um sich am Bier festzuhalten.

»Man merkt, dass du noch nie Nells Podcast gehört hast«, verteidigt Michelle mich. »Nell spricht nicht über Edward, sie erzählt darin aufrichtig und humorvoll über das Leben«, sie lächelt mich über den Tisch hinweg an, »und lädt andere Menschen in den Podcast ein, um ihre Geschichten zu erzählen.«

»Warum, bitte schön, glauben Männer eigentlich immer, dass wir nur über sie reden würden?« Fiona wirkt verärgert.

»Weil das so ist«, sagt Max, dieses Mal bekommt er von Michelle einen derart Angst einflößenden Blick zugeworfen, dass er angemessen zerknirscht wirkt.