Wenn das Virus länger bleibt - Lothar Abicht - E-Book

Wenn das Virus länger bleibt E-Book

Lothar Abicht

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Beschreibung

Seit Anfang des Jahres 2020 hält die Corona-Pandemie die Welt in Atem. Gab es zu Beginn der Pandemie die Hoffnung, die Krise werde nach wenigen Monaten ihr Ende finden, spricht aktuell viel dafür, dass wir noch länger mit ihr leben müssen. Dem Aspekt einer länger dauernden Pandemie in allen seinen Facetten widmet sich das Buch des bekannten Zukunftsforschers Lothar Abicht. Dabei spannt er einen weiten inhaltlichen Bogen. Dieser reicht von der medizinischen und virologischen Dimension der Pandemie, über die mit der Pandemie zu beobachtenden Veränderungen von Wertesystemen und die Auswirkungen auf Bildung, Wirtschaft, Unternehmen und Arbeitsmarkt; ebenso wird die Rolle des Staates und sein Handeln analysiert. Als habilitierter Wissenschaftler grenzt sich Abicht klar von allen Formen von Fake News und Verschwörungstheorien einschließlich ihrer Vertreter ab. Das Buch ist ein wissenschaftlich fundiertes und kurzweilig zu lesendes Werk über die nähere Zukunft, das noch dazu einen konzentrierten Überblick über die aktuelle Diskussion zur Pandemie vermittelt. Es bietet allen, die im Gewirr der Meinungen zur Pandemie Orientierung suchen, Hilfestellung bei der Formulierung einer eigenen Position und der Ableitung von persönlichen Schlussfolgerungen. Mit diesem Anspruch eignet es sich für Leserinnen und Leser aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten und vermittelt Familien ebenso viele Anregungen wie Führungskräften aus der Wirtschaft, Politikern, Lehrkräften, Senioren oder jungen Menschen am Anfang ihrer Berufslaufbahn.

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Hinweis:

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird die männliche Schreibweise verwendet. Soweit nicht ausdrücklich hervorgehoben, gilt sie für alle Geschlechter

Inhaltsverzeichnis

Mehr als eine Einführung

Mein Anliegen

Die Gegenwart im neuen Kleid

Die Zukunft ist näher, als Sie denken?

Worauf ich aufbaue

Woran ich glaube

Fragilität 2.0

Was diese Krise von anderen unterscheidet?

Stehen wir am Anfang einer neuen Weltordnung?

Neue Entwicklungsphase an Stelle einer neuen Weltordnung?

Wenn das Virus länger bleibt – eine neue Phase der westlichen Zivilisation?

Die internationale Perspektive

Die fragile Gesellschaft

Fragilität in der Corona-Pandemie

Die medizinische Dimension der Pandemie

Merkmale des Virus Sars-CoV-2 und der von ihm ausgelösten Krankheit COVID-19

Prozess der Verbreitung

Kennwerte zur Charakteristik der Pandemie

Gefährlichkeit des Virus

Mutation des Virus

Gesundheitliche Auswirkungen von Covid-19 für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen

Übertragung des Virus

Technische Möglichkeiten und Methoden zur Bekämpfung des Coronavirus

Masken bzw. Mund-Nase-Bedeckungen

UV-Licht (Ultraviolettes Licht)

Chemische Desinfektion von Oberflächen und Händen

Lüften und Luftdesinfektion

Warn-App

Medizinische und soziale Möglichkeiten zur Bekämpfung des Virus

Testen

Das Konzept der Herdenimmunität durch (ungebremste) Ansteckung

Schutz vulnerabler Gruppen

Impfen

Wie alles zusammenhängt

Vorgehensweisen zur Bekämpfung der Pandemie

Die nahe Zukunft

Ein Rückblick - Entwicklung der letzten Jahrzehnte

Kurzfristige Wirkungen der Corona-Pandemie

Die nächsten Jahre – Szenario und Strategie bei erfolgreicher Impfung

Strategievarianten beim Umgang mit der Pandemie

Ein systemischer Strategieansatz auf der Mikroebene

Erste Überlegungen zu Auswirkungen nach Regionen und Wirtschaftszweigen

Die nächsten Jahre – Szenario und Strategie, wenn die Impfung verweigert wird oder nicht ausreichend wirkt

Corona-Pandemie – der Kampf um die Wahrheit

Eine skurrile Situation

Regelkreis zur politischen Eindämmung der Pandemie

Alternative Wahrheiten und Verschwörungstheorien

Mechanismen der Entstehung von Verschwörungstheorien und Merkmale ihrer Vertreter

Verbreitung von Verschwörungstheorien und Fake News

Die Rolle der Wissenschaft im Kampf um die Wahrheit

Wem können wir im Kampf um die Wahrheit vertrauen?

Veränderung der Werte

Veränderung von Werten bei zeitnahem Ende der Pandemie

Wertewandel bei länger andauernder Pandemie

Von der Corona-Pandemie in die Bildungskatastrophe?

Der Streit um Lernen und Bildung ist ein Dauerthema

Einflüsse von Lernprozessen auf die Verbreitung des Virus und Reaktionen in der Allgemeinbildung

Verweigerung und Stückwerk – Reaktionen der (Bildungs-) Bürokratie auf die Pandemie

Aktuelle Ergebnisse und mögliche Reaktionsmuster

Reaktionsmuster bei länger anhaltender Pandemie in den Bereichen des Bildungssystems

Kindertagesstätten

Grundschulen

Sekundarstufe

Berufsausbildung

Hochschulen und Universitäten

Erwachsenenbildung - einschließlich beruflicher Weiterbildung

Wirtschaftsentwicklung im Zeichen der Pandemie

Weltwirtschaft

Entwicklung in Deutschland

Entwicklung ausgewählter Branchen und Wirtschaftsbereiche

Banken und Finanzwirtschaft

Automobilbau und Individualverkehr

Bauen/Wohnen/Immobilien

Pharmaindustrie

Gesundheitswesen

Chemieindustrie

Maschinen- und Anlagenbau

Logistik/Transport

Handwerk

Freizeit und Tourismus

Informations- und Kommunikationstechnologien

Bildung und Lernen

Coronakrise und Arbeitsmarktentwicklung

Die gefühlte Arbeitsmarktkrise

Arbeitsmarkt im Vergleich – vor, während und nach der Coronakrise

Vor der Krise

Arbeitsmarkt in der Coronakrise

Arbeitsmarkt nach der Coronakrise oder bei längerer Dauer der Krise

Die Corona-Pandemie und die Gestaltung der Arbeit

Digitalisierung von Arbeitsfunktionen

Remote Work

Epilog

Quellenangaben

I. Mehr als eine Einführung

Mein Anliegen

Kaum ein Ereignis, kaum eine Entwicklung hat in den letzten 70 Jahren so tief in das Leben von Millionen bzw. Milliarden von Menschen eingegriffen, wie die Corona-Pandemie. Sucht man nach ähnlich tiefgreifenden Einschnitten auf der globalen und der nationalen Ebene, muss man schon 75 Jahre, an das Ende des 2. Weltkrieges zurückgehen, um ähnliche Verwerfungen zu finden. Diese Verwerfungen betreffen die Gegenwart und die Zukunft. In der Gegenwart können wir sie alle jeden Tag direkt oder über die Medien beobachten. Sie sind systemischer und globaler Natur und betreffen fast jeden Aspekt unseres Lebens. Der Einfluss der Corona-Pandemie hört aber auf absehbare Zeit nicht auf. Wenn sich die Gegenwart neu formiert, wird das Folgen für die Zukunft von Leben und Arbeiten in Deutschland, Europa und der Welt haben. Nicht nur, weil die Ausgangsbedingungen sich ändern. Das wäre noch ganz gut zu kompensieren. Viel schwerwiegender sind die Veränderungen in den Gesetzmäßigkeiten, nach denen sich die Zukunft herausbildet. Die Zukunft nimmt einen anderen Verlauf, als ich selbst noch vor einem Jahr vor der Pandemie angenommen und vermutet habe.

Veränderungen der Zukunft nachzuspüren ist Anliegen dieses Buches, welches sich ganz bewusst als Produkt der Zukunftsforschung versteht. Nicht mit dem Blick in die berühmte Glaskugel, deren Inneres durch die Pandemie noch viel rauchiger geworden ist. Vielmehr ist es mein Anliegen, aus den tausenden von Einzelerscheinungen in Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und auch auf der Ebene des einzelnen Menschen ein einigermaßen konsistentes Gesamtbild zu entwickeln. Ich werde dabei soweit wie möglich quellenbasiert vorgehen und dennoch muss schon zu Beginn gesagt werden: Das entstehende Bild wird an vielen Stellen nicht eindeutig sein. Ursache dafür sind nicht nur die stark divergierenden Bilder und Interpretationen, die heute über die aktuelle Situation im Umlauf sind. Auch die Art und Weise der Verknüpfung verschiedener Entwicklungsstränge lässt Interpretationsspielräume zu, die nicht einfach ignoriert werden können.

Was ich dennoch anstrebe, ist ein Bild der Zukunft, welches Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Politik, Verwaltung und Unternehmen genauso hilft sich auszurichten, wie jedem Normalbürger, der nach Orientierung sucht. Weder im Sinne einer blumigen Zukunftsvision, welche die Sorgen vertreibt, noch als Dystopie, nach deren Kenntnisnahme jeder Zukunftsoptimismus verschwindet. Es geht, das soll nochmals hervorgehoben werden, um Wahrscheinlichkeiten in allen Teilen der Gesellschaft. Der Blickwinkel geht dabei bewusst nur fünf Jahre in die Zukunft. Für Zukunftsforscher, die normalerweise eher 20 oder 30 Jahre vorausschauen, ist das ein ungewöhnlich geringer Vorhaltewinkel. Die Ursachen für diese Begrenzung sind relativ naheliegend. In vielen Gesprächen mit Vertretern aus Unternehmen und der Zivilgesellschaft wurde immer wieder verdeutlicht, dass ganz aktuell ein hoher Unterstützungsbedarf für Entscheidungen besteht. Die Corona-Pandemie verändert jetzt die Spielregeln und nicht irgendwann, sondern jetzt müssen als Reaktion darauf auch Entscheidungen und Orientierungen neu ausgerichtet werden. Da hilft ein Blick in die nahe Zukunft mehr als die langfristige Orientierung.

Bei diesem Blick in die Zukunft will ich einen wenig beliebten und oft ausgeblendeten Gesichtspunkt besonders intensiv betrachten. Es ist die Frage, wie wir leben, lieben und arbeiten werden, wenn das Virus länger bleibt. Diese Betrachtungsweise hatte leider von Beginn der Pandemie an ihre Berechtigung, auch wenn unser aller Wünsche und Hoffnungen natürlich genau in die entgegengesetzte Richtung weisen. Mit den Anfang 2021 massenhaft auftretenden Mutationen des Virus bekommt sie eine zusätzliche Bestätigung.

Die Gegenwart im neuen Kleid

Was sind das für Verwerfungen und wieso sollen sie mehr Menschen treffen als die Ölkrise in den 1970er, der Zerfall des „Eisernen Vorhangs“ einschließlich Ende des sozialistischen Weltsystems oder die Flüchtlingskrise vor wenigen Jahren? Ganz zu schweigen von diversen Kriegen in diesem Zeitraum vom Korea- über den Vietnamkrieg und dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien bis zu den militärischen Auseinandersetzungen auf der arabischen Halbinsel, die bekanntlich abertausende Tote gekostet haben und noch kosten.

Die Antwort auf diese spannende Frage ist einfach und kompliziert zugleich. Natürlich kann man die Auswirkungen der Pandemie auf lokaler Ebene nicht mit den Flächenbombardements im Vietnamkrieg oder der völligen Zerstörung großer Regionen Syriens vergleichen. Hungerkatastrophen in Afrika hatten die faktische Vernichtung von tausenden Menschenleben innerhalb von Monaten zur Folge, und im Osten Deutschlands, wie dem gesamten ehemaligen Ostblock, änderte sich nach 1990 in positiver und negativer Hinsicht mehr, als die einen erhoffen und die anderen befürchten konnten.

Und trotzdem hat die Corona-Pandemie etwas Einzigartiges, was uns den Begriff der Globalisierung neu buchstabieren lässt. Sie trifft buchstäblich die ganze Welt, alle Erdteile, politischen Systeme, Nationalitäten oder Altersgruppen. Möglicherweise ist sie damit ein Vorläufer kommender globaler Herausforderungen, wie sie vom Klimawandel ausgehen könnten, aber darauf werde ich noch eingehen.

Die Intensität der Betroffenheit weist dabei große Unterschiede auf, die auch von der Art und Weise abhängen, wie die jeweiligen Nationen damit umgehen, was natürlich auch von den wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen und Möglichkeiten abhängt. Grob skizziert lassen sich folgende Formen der Betroffenheit unterscheiden:

An der Spitze der Betroffenheit steht natürlich der Tod mit bzw. durch die Infektion. Nach Angaben der WHO sind bis Februar 2021 rund 2,4 Millionen Menschen an den Folgen der Infektion gestorben bzw. sie waren zum Todeszeitpunkt infiziert. An dieser Stelle gehen die Streitereien bzw. vorsichtig gesagt unterschiedlichen Interpretationen der Zahlen schon los, die auch dieses Buch durchziehen werden. Schließlich ist es für die Meinungsbildung in der Gesellschaft ein großer Unterschied, ob man mit oder durch das Virus stirbt. Für die Toten selbst ist die Todesursache eigentlich nachrangig, abgesehen von der Tatsache, dass der Tod durch eine Lungenkrankheit, als die Covid-19 trotz des systemischen Wirkens immer noch angesehen wird, besonders qualvoll verlaufen kann. Der Streit geht weiter, wenn die einen argumentieren, dass vor allem Hochbetagte und Menschen mit Vorerkrankungen sterben, während die anderen auf Forschungsergebnisse verweisen, nach denen auch die Hochbetagten eine ganze Anzahl von Lebensjahren verlieren, die sie ohne die Infektion noch vor sich gehabt hätten.

Dann kommen noch Vertreter einer weiteren Betrachtungsweise hinzu, die betonen, dass durch die insbesondere in der ersten Pandemiewelle erfolgende vorbeugende Konzentration auf die Pandemie die Behandlung anderer Krankheiten zurückging und dann die Toten gegeneinander aufrechnen. Wobei die Konzentration auf die Pandemie nur eine Ursache für zusätzliche Tote ist. Die zweite Ursache entsteht durch die in verschiedenen Ländern wie Spanien, Italien oder USA tatsächlich beobachteten Überlastungen der Kliniken, insbesondere der Intensivstationen mit schwerkranken Corona-Patienten, die Kapazitäten binden und die Behandlung anderer Krankheiten mit der üblichen Aufmerksamkeit einschränken. Ganz vergessen wird dabei die Auswirkung der Pandemie auf das gesundheitliche Verhalten vieler Menschen, die verschiebbare Behandlungen hinausgezögert haben aus der Angst, sich im Krankenhaus oder beim Arzt anzustecken.

Eng verbunden mit dieser Diskussion ist die Frage, wie gefährlich die Infektion wirklich ist. Unterschiedliche Zahlen werden herangezogen, um den Anteil der Toten an den Infizierten zu beziffern und über die Langzeitwirkungen gibt es bestenfalls erste begründete Vermutungen.

Nicht weniger kontrovers werden die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen diskutiert. Sie zu thematisieren ist aber nur vor dem Hintergrund der weltweit praktizierten Reaktionen auf die Pandemie möglich. Weil weltweit bis kurz vor Ende des Jahres 2020 weder Impfungen noch effektive Behandlungsmethoden verfügbar waren, griffen alle Länder auf eine Methode zurück, die auch schon zu Zeiten von Paracelsus vor 500 Jahren bekannt war. Die Infektion mit dem Virus wird bekanntlich von Mensch zu Mensch weitergegeben. Darin gleicht sie der Grippe und unterscheidet sie sich z.B. von der durch Bakterien verursachten Pest. Diese wird über Zwischenwirte wie Flöhe verbreitet, die wiederum auf Nagetieren wie Ratten siedeln. Aber auch in diesem Fall ist die Basis das Zusammenleben der Menschen auf vergleichsweise engen Raum.

Wenn die direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch erfolgt, ist das Mittel der Wahl zur Unterbrechung der Infektionsketten die Trennung der Menschen, auch bekannt als soziale Isolation. Genau dieses Mittel wurde und wird weltweit überall da praktiziert, wo der ernsthafte Wille da ist, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Da Menschen in ihrem Kern soziale Wesen sind, die den Kontakt mit anderen Menschen so nötig brauchen wie das tägliche Brot, war und ist das nicht so einfach. Die Versuche, eine solche Isolation zu praktizieren sind älter als die Medizin von Paracelsus. Das berühmte Decamerone von Giovanni Boccaccio, eine Perle der erotischen Literatur, beschreibt, wie im 14. Jahrhundert junge Adlige aus Florenz vor dem schwarzen Tod, der Pest flüchteten und sich auf dem Land isolierten. Edgar Allan Poe hat die Vorgehensweise der sozialen Isolation in seiner grandiosen Erzählung „Die Maske des Roten Todes“ Mitte des 19. Jahrhunderts beschrieben, wobei die Handlung ebenfalls im Mittelalter angesiedelt ist. In beiden Fällen ist die Isolation der verzweifelte Versuch, einer durch die Pandemie verursachten Auflösung der Gesellschaft zu entkommen.

Es mutet skurril an, wenn wir in unserer hochentwickelten Gesellschaft mit allen Möglichkeiten der modernen Medizin und der Informationstechnologien weltweit auf ein Vorgehen zurückgreifen, welches schon in archaischen Zeiten praktiziert wurde. Da ist es ein schwacher Trost, wenn wir heute (noch) nicht gegen den Zerfall der Gesellschaft, sondern gegen eine Überlastung des Gesundheitssystems kämpfen, wie man es zeitweise in New York und anderen Teilen der USA, Norditalien, Teilen Spaniens, Frankreich, Großbritannien und vielen anderen Ländern entweder direkt beobachten konnte oder zumindest befürchten musste.

Über den zur Eingrenzung der Pandemie notwendigen Entscheidungen schweben dabei zwei mögliche Entwicklungsrichtungen, die allen in Verantwortung befindlichen Personen bekannt sein sollten.

Die extremste Horrorvorstellung ist eine ungebremste Ausbreitung des Virus, die einer exponentiellen Kurve folgt. Der sonst schwer verständliche Begriff einer exponentiellen Funktion hat sich in der Corona Pandemie weitgehend herumgesprochen. „Exponentiell“ bedeutet vereinfacht gesagt, dass jeder Infizierte mehr als eine weitere Person ansteckt. Sind das z.B. zwei, so verdoppelt sich die Anzahl der Infizierten in Abhängigkeit von der Inkubationszeit. Bei kleinen Zahlen ist das kein Problem. Sind aber schon Tausende infiziert, führt die stetige Verdopplung schnell dazu, dass große Teile der Bevölkerung infiziert werden. Beispielsweise verdoppelt sich die nach 18 Verdopplungen (Start bei 1) erreichte Zahl von 262.144 Personen auf 524.288 und im nächsten Schritt auf 1.048.576 Menschen, die gleichzeitig infiziert sind. Beträgt dann die Sterblichkeit etwa ein Prozent (das RKI nennt für Deutschland rund 3 Prozent), so sind das immerhin 10.000 Menschen aus einem Verdopplungsschritt. Die Zahl der ernsthaft Erkrankten, die intensiv medizinisch betreut werden müssen, ist um ein Vielfaches höher. Folge ist eine extreme Belastung des Gesundheitssystems bis hin zum Zusammenbruch. Dazu kommen unklare mögliche Langfristfolgen für Millionen Menschen.

Zugegeben ein simples Modell, dem entgegengehalten wird, es kommt nicht nur auf die Anzahl der Infizierten, sondern auf die tatsächlich Erkrankten und Toten an und deren Zahl entwickelt sich viel langsamer. Wer dennoch nach Beispielen für solche explosionsartig zunehmenden Zahlen sucht, findet sie z.B. in Israel oder Tschechien jeweils in der zweiten Welle der Pandemie. Beide Länder hatten die Pandemie zunächst gut im Griff, dann begannen plötzlich die Zahlen zu explodieren. Anfang 2021 sind es in Deutschland nach dem Abklingen der zweiten Welle vor allem Mutationen des Virus wie die aus Großbritannien kommende Corona-Variante B.1.1.7, die Ängste auslösen. Sie ist etwa 1,5mal ansteckender als das bisher verbreitete Virus und könnte ohne ausreichende Gegenmaßnahmen einen noch viel schnelleren und stärkeren Anstieg der Inzidenz verursachen als bisher beobachtet.

Die zweite Entwicklungsrichtung, die eigentlich erfreulich wäre, aber gerade politisch Verantwortliche umtreibt, ist das so genannte Präventionsparadoxon. Es wurde von dem britischen Epidemiologen Geoffrey Rose am Beispiel der koronaren Herzkrankheiten beschrieben und stellt ein grundlegendes Dilemma der bevölkerungs- und risikogruppenbezogenen Prävention und Krankheitsvorsorge dar. Übertragen auf die Pandemie bedeutet es, wenn vorbeugende Maßnahmen greifen, gibt es keine Belege zu ihrer Wirksamkeit. Denn die ohne diese Maßnahmen befürchteten Folgen bleiben ja aus. Das macht es meist schwer, im Nachhinein zu beweisen, dass die Einschnitte nötig und wirksam waren und weckt Zweifel an deren Notwendigkeit. Die Entwicklung in Deutschland im Frühjahr und Sommer 2020 ist hierfür symptomatisch.

Aber kommen wir zurück zu den wirtschaftlichen Folgen. Diese sind zum einen unmittelbare Folge der Isolationsstrategie, der in seiner extremen Form als Lockdown bzw. Ausgangssperre praktiziert wurde und wird. Menschen dürfen ihre Wohnung nur mit zwingenden Gründen verlassen, die in manchen Ländern mit entsprechenden Papieren belegt werden müssen. Kindereinrichtungen werden geschlossen, das öffentliche Leben heruntergefahren. Berufliche Arbeit wird soweit möglich ins Homeoffice verlegt und der Küchentisch ersetzt die Schulbank. Viele Unternehmen stellen zumindest zeitweilig ihre Arbeit ganz ein oder arbeiten nur auf kleiner Flamme. Die Folgen sind in vielen Teilen der Welt ein sprunghaftes Ansteigen der Arbeitslosigkeit, verbunden mit Hunger und Verelendung. In Ländern wie Deutschland hat der Staat durch Kurzarbeit und die direkte Unterstützung von Unternehmen die Auswirkungen massiv gemildert. Trotzdem sind ganze Branchen wie körpernahe Dienstleistungen, Hotellerie und Gaststätten sowie bestimmte Gruppen wie Soloselbständige stark betroffen. Auch die Arbeitslosigkeit steigt an, wenn auch verhalten. Das alles wird weltweit und natürlich auch in Deutschland den tatsächlichen und möglichen medizinischen Folgen entgegengehalten und je nachdem, ob die Gefahren und Folgen einer exponentiellen Entwicklung oder die Auswirkungen des Präventionsparadoxon beobachtbar sind, entwickelt sich die öffentliche Diskussion.

Es wird ein Gegensatz zwischen Gesundheitsschutz und Wirtschaftsentwicklung konstruiert, der auf den ersten Blick absolut nachvollziehbar ist. Die Politik beschließt als äußerstes Mittel einen Lockdown, eine Menge Unternehmen wie Restaurants und Hotels sowie ihre Zulieferer schließen und die Wirtschaft fährt runter. „Schuld an allem ist die Politik“, die (angeblich) unverhältnismäßig hart reagiert und den Untergang der Wirtschaft in Kauf nimmt, um (vermeintliche) Todesopfer durch die Pandemie zu vermeiden. Was diese Argumentation völlig vernachlässigt, ist die wirtschaftliche Wirkung, welche eine ungebremste Ausdehnung der Pandemie hätte. Aus vielen Beispielen in Vergangenheit und Gegenwart lässt sich aufzeigen, dass als Reaktion auf solche unbestimmten Gefahren eine Art Angstsparen einsetzt, welche den Konsum bremst. Die Auslandsnachfrage bricht ohnehin zusammen, da sich andere Länder nicht darum kümmern, was wir in Deutschland von der Pandemie halten und harte Maßnahmen auf den Weg bringen, welche dort die Nachfrage drosseln oder unsere Möglichkeiten, dort Geld auszugeben, einfach dadurch auf null reduzieren, weil sie uns nicht mehr ins Land lassen. Vor allem aber würde auch die Produktion massiv gedrosselt, da massenhafte Krankschreibungen nicht gerade gut sind für die Sicherung der betrieblichen Abläufe und internationale Zulieferketten kollabieren.

Egal wodurch sie verursacht werden - es bleibt nicht bei den Veränderungen der gesamtwirtschaftlichen Dimension. Fast jede einzelne Branche ist von den Veränderungen betroffen. Wie immer gibt es dabei Gewinner und Verlierer, wobei die Verlierer wesentlich sichtbarer sind als die Gewinner. Jeder sieht geschlossene Einzelhandelsgeschäfte, Kinos, Hotels, Reiseagenturen, Theater usw. und fast jeder kann sich vorstellen, dass an ihnen viele weitere Arbeitsplätze hängen. Weit weniger sichtbar ist, in welchem Maße die Industrie nach einer tiefen Delle wieder Tritt gefasst hat, wie Teile der Baubranche boomen oder auch die Landwirtschaft fast unbeirrt ihren Weg geht. Ganz zu schweigen von der öffentlichen Verwaltung oder den Einrichtungen der Daseinsvorsorge wie die Wasser- oder Stromversorgung, die kontinuierlich für das Funktionieren der Gesellschaft essenzielle Leistungen erbrachten.

Wo es zu massiven Einbrüchen und Veränderungen kommt, wirkt nicht selten die Pandemie als Brandbeschleuniger, der wie in der Autoindustrie ohnehin bevorstehende Transformationsprozesse nochmals vorantreibt. Im positiven Sinne wirkt die Pandemie auch als Transformationsbeschleuniger – gut zu beobachten bei dem Entwicklungsschub von Digitalisierung und neuen Arbeitsformen.

Wirtschaftliche Entwicklungen und soziale Folgen einschließlich der Veränderung sozialer Strukturen lassen sich nicht trennen. Das gilt auch in der Corona-Pandemie. Wie so oft im Leben trifft es die ärmeren Gesellschaftsschichten stärker als die Mittel- und Oberschicht. Selbst der bekannte Ausspruch „Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer!“ lässt sich an vielen Stellen nachweisen. Aber auch die Position der Mittelschicht verändert sich, wenn Erwerbsmodelle von gut situierten Mittelstandbürgern ins Wanken kommen oder über Jahrzehnte eingeübte Konsumtionsmuster, z.B. beim Reisen, plötzlich einfach nicht mehr möglich sind. In der Bildung verstärkt der Lockdown bereits vorhandene Ungleichgewichte weiter und die Spaltung der Gesellschaft schreitet voran.

Eine verstärkte Spaltung der Gesellschaft können wir aktuell auch in der Politik beobachten. Was 2015 mit dem Auseinanderdriften gesellschaftlicher Schichten durch die ungesteuerte Zuwanderung von über einer Million Flüchtlingen einen enormen Beschleunigungsschub erhielt, setzt sich in der Corona-Pandemie fort. Befürworter und Gegner staatlicher Einschränkungen stehen sich fast unversöhnlich gegenüber. Auch hier spielt der Gegensatz zwischen der Vorstellung einer exponentiellen Ausbreitung und dem Präventionsparadoxon eine meinungsbildende Rolle. Die Auseinandersetzung gipfelt in der Frage, ob die Pandemie einschließlich der ungebremsten Verbreitung des Virus mit allen ihren Folgen oder die politisch verordneten Einschränkungen des Lebens das größere Übel sind. Auch über die Frage der Einschränkung von Grundrechten wird gestritten, wobei vor allem Artikel 1 (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Artikel 2 (Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) gegeneinander in Stellung gebracht werden.

Noch steht die Masse der Bevölkerung in Deutschland, das zeigen zumindest Befragungen, hinter der Politik der Eindämmung des Virus mit allen negativen Folgen. Aber der Ton zwischen beiden Gruppen wird rauer und unversöhnlicher. Und wie bei der Flüchtlingskrise nutzen rechte politische Gruppierungen die Möglichkeit, sich als Sprecher einer angeblich schweigenden Mehrheit zu positionieren, wenn sie gegen die staatlich verfügten Begrenzungen zu Felde ziehen.

Die Zukunft ist näher, als Sie denken?

Die oben genannten Entwicklungen bilden die Folie, auf deren Basis ich versuche, Zukunftsszenarien zu entwickeln. Dabei beschränke ich nicht nur den Zeithorizont. Ich beschränke mich auch inhaltlich auf die Entwicklungen, welche in starkem Maße durch die Pandemie beeinflusst werden und sich dadurch von bisherigen Zukunftsbildern unterscheiden. Mit anderen Worten: Ich verzichte bewusst auf eine detaillierte Betrachtung der „Krise hinter der Krise“.

Denn eigentlich sind nicht die Corona-Pandemie, sondern Klimawandel und Zerstörung der Umwelt die zentrale Frage. Dazu wurden reichlich Bücher geschrieben – bewirkt haben sie wenig. Inhalt dieses Buches müsste es eigentlich sein, wie wir die aktuelle Wirtschaftskrise für einen nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft und unseres Lebens nutzen können. Ich werde das nicht aussparen, aber auch nicht ins Zentrum stellen. Anstelle dessen setze ich eine Stufe tiefer an und konzentriere mich auf die Folgen der Pandemie und die Möglichkeiten ihrer Bewältigung. Ich suche nach Antworten auf die Frage, wie die Gesellschaft in wenigen Jahren aussieht und wie wir als einzelne Menschen und als Gesellschaft die nächsten Jahre der Krise und die Zeit danach möglichst unbeschadet durchleben und die Krise zur Chance machen können. Da ich keine klare Antwort liefern kann, ob wir die Pandemie in absehbarer Zeit tatsächlich beenden oder ob sie noch länger andauert, werde ich soweit wie möglich immer beide Perspektiven berücksichtigen. Beenden bedeutet dabei nicht automatisch ein völliges Verschwinden des Virus, sondern seine Zurückdrängung auf ein Maß, mit dem die Gesellschaft gut leben kann.

Worauf ich aufbaue

Zukunftsprognosen auf aktuellen Ereignissen und Positionen aufzubauen und quellenbasiert zu arbeiten impliziert automatisch die Frage, welche Quellen ich bevorzugt nutze. Es gäbe da ja viele Möglichkeiten - von meinen persönlichen Überzeugungen über die von der WHO als Infodemie bezeichnete wahre Schwemme von Informationen im Internet bis hin zu Einzelmeinungen von prominenten Persönlichkeiten und zu wissenschaftlichen Studien und Verlautbarungen wissenschaftlicher Institutionen.

Ich will gar nicht lange spekulieren, sondern dazu klar Stellung beziehen. Wo immer es geht, orientiere ich mich an wissenschaftlichen Positionen, die mit Studien belegt sind oder an von namhaften wissenschaftlichen Institutionen autorisierten wissenschaftlichen Stellungnahmen. Ein hohes Vertrauenspotential habe ich insbesondere zu offiziellen Verlautbarungen der großen, international anerkannten Wissenschaftsinstitutionen mit den nationalen Akademien der Wissenschaft an der Spitze. In Deutschland ist das die Akademie der Naturforscher Leopoldina mit 1.600 Spitzenwissenschaftlern aus aller Welt, darunter aktuell mehr als 30 Nobelpreisträger. Zwei der Nobelpreise des Jahres 2020 gingen an Mitglieder der Leopoldina. Bei Verlautbarungen mit diesem Stempel unterscheide ich klar zwischen der Einzelmeinung eines Mitgliedes und offiziellen Statements der Organisation. An offiziellen Statements arbeiten viele Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten gemeinsam, von denen jeder seine wissenschaftliche Reputation verlieren würde, wenn er Unsinn zulässt. Gleiches gilt für Verlautbarungen von Universitäten und renommierten Forschungsinstituten.

Warum setze ich diese Priorität? Haben Wissenschaftler denn nicht oft genug bewiesen, dass sie sich auch irren können oder sogar bewusst einseitige Meinungen in die Welt setzen. Sind Wissenschaftler bessere Menschen mit höheren moralischen Ansprüchen? Keineswegs! Was mich zu dieser Position bringt, ist das interne Qualitätssicherungssystem der Wissenschaft. Die Weltgemeinde der Forscher geht unbarmherzig mit den Verbreitern bewusst falscher wissenschaftlicher Ergebnisse um. Je höher die Position, je größer die Fallhöhe. Das steht nicht im Widerspruch zu dem permanenten wissenschaftlichen Meinungsstreit. Der gehört zur Wissenschaft genau wie das Bemühen, die bestehenden Erkenntnisse zu hinterfragen, um sie dann anschließend zu bestätigen und zu erweitern (Theorien werden vertieft und ausgebaut) oder grundsätzlich in Frage zu stellen und durch neue Theorien zu ersetzen.

Zwei Fragen sind für die Bewertung der Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Informationen besonders wichtig: Äußert sich da jemand von der Institution oder für die Institution. Die zweite Frage ist, ob die jeweilige Person in ihrem Fachgebiet und in ihrer Institution auch anerkannt wird. So habe ich Beispiele gefunden, wo Wissenschaftler mit klingenden Titeln Bücher zur Coronakrise verfasst haben, von denen sich beim genaueren Hinschauen sowohl ihre Universität als auch die Gilde der Fachkollegen ganz offiziell distanzieren. Verschwörungstheoretiker werden jetzt vielleicht sagen, die Institutionen haben sich dem Mainstream und politischen Druck gebeugt. Aber so funktioniert gute Wissenschaft nicht. Dafür ist der Heißhunger nach neuen bahnbrechenden Erkenntnissen viel zu groß. Wer solche vorweisen kann, hat die Chance, relativ schnell in den wissenschaftlichen Olymp aufzusteigen. Wer dagegen nur bestehende Theorien bestätigt, bleibt oftmals unter dem Radar der wissenschaftlichen Gemeinschaft.

Vorsichtig gehe ich auch mit Einzelmeinungen von Experten um, die keine ausgewiesene Expertise zum jeweiligen Fachgebiet haben. Das trifft auch auf Verbandsfunktionäre bis hin zu Präsidenten von Ärztekammern und Wirtschaftsvertretern oder Arbeitnehmervertreter zu. In letzter Konsequenz sind sie Interessenvertreter ihrer Organisation und im Zweifelsfall gezwungen, die Meinung ihrer Organisation zu vertreten. Auch akademische Titel spielen dabei keine Rolle. Bei den einzelnen Personen steht immer die Frage, haben sie wirklich spezifische Expertise oder vertreten sie ihre eigene Meinung bzw. die der jeweiligen Organisation. Beides ist legitim und schwer unterscheidbar, macht aber einen riesigen Unterschied. Bei Fachexperten steht die Frage, ob sie von konkreten Forschungsergebnissen berichten oder sich allgemein äußern. Noch eine weitere Quelle soll an dieser Stelle genannt werden. Es sind nachprüfbare Berichte über reale Entwicklungen und Objekte, wie sie z.B. in der Pharmakologie genauso auffindbar sind wie in der Informationstechnologie. Ich meine damit schlicht und einfach Produkte wie Impfstoffe, Medikamente, Maschinen oder Gerätschaften der Informationstechnologie.

Trotz dieser Orientierung an wissenschaftlichen Grundsätzen schreibe ich kein Fachbuch oder gar eine wissenschaftliche Abhandlung. Das würde ganz andere Vorgehensweisen erfordern.

Woran ich glaube

Kritische Leser werden jetzt vielleicht fragen: Hast du denn gar keine eigene Meinung, keine Überzeugungen und Ziele, wenn du dich so an die Quellen klammerst? Doch ich habe sie, aber sie spielen nur eine begrenzte Rolle.

Das ist ein Buch über die Zukunft und da hilft es den Lesern wenig, wenn ich alles daransetze, meine eigenen Überzeugungen zu beweisen und in die Zukunft zu übertragen. Was ich an Stelle dessen anstrebe, ist die Entwicklung wahrscheinlicher Zukunftsbilder und die müssen keineswegs mit dem übereinstimmen, was ich für wünschenswert halte.

Was sind Grundpositionen des Buches? Diese sind absolut elementar und fast schon trivial. Ich will mich mit ihrer Nennung ganz bewusst von denen abgrenzen, die an dieser Stelle nicht mitgehen:

Einige Grundannahmen des Buches

Das Virus existiert! Es ist keine Erfindung der Medien, der Politik oder sonstiger Akteure.

Das Virus ist kein Ergebnis von geheimen Eliten mit einem Hang zur Weltbeherrschung, der Pharmaindustrie oder sonstiger Dunkelmänner, sondern ein natürliches Produkt der Evolution.

Die vom Virus ausgehende Erkrankung Covid-19 ist eine ernsthafte Bedrohung der Gesundheit von Millionen Menschen, wobei große Unterschiede der gesundheitlichen Folgen in Abhängigkeit von Gesundheitszustand, Alter und sozialer Situation auftreten.

Das Virus ist neu und die Wissenschaft muss erst schrittweise Erkenntnisse zusammentragen, um ihn zu verstehen und erfolgreich zu bekämpfen.

Das Virus wird nicht von allein verschwinden, sondern wird noch über Jahre hinweg Einfluss auf unser Leben haben.

Alles Maßnahmen zur Bekämpfung des Virus sollten in der Zusammenschau von medizinischen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen geplant und umgesetzt werden.

Es muss alles darangesetzt werden, die Bevölkerung bei der Umsetzung einer Strategie soweit wie möglich mitzunehmen. Das schließt nicht aus, auch gegen die vorzugehen, die sich einer demokratisch legitimierten Strategie entziehen.

Das Virus ist ein global auftretendes Problem. Unabgestimmte nationale Strategien können ihn in einer globalen Welt nicht besiegen bzw. führen zur internationalen Isolation des jeweiligen Landes mit bisher nur schwer einschätzbaren Folgen.

II. Fragilität 2.0

Was diese Krise von anderen unterscheidet?

Krisen sind in der Geschichte der Menschheit leider nichts Neues. Meist denken wir bei diesem Wort zunächst an die Finanzkrise 2008 oder an die Weltwirtschaftskrise in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit ihren katastrophalen Folgen. In beiden Fällen führte unverantwortliches politisches und wirtschaftliches Handeln die Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs. In der Weltwirtschaftskrise der zwanziger Jahre wurde dieser Rand dann auch überschritten und das System kollabierte. So schlimm die Folgen waren, die eigentlichen Krisen der letzten hundert Jahre und auch vorher waren die großen Kriege bis hin zu den Weltkriegen. Sie zerstörten nicht nur die Wirtschaft wie die Weltwirtschaftskrise. Sie kosteten auch Millionen Menschen das Leben und zerstörten die Infrastruktur von Fabriken und Anlagen über Häuser, Straßen und Eisenbahnen bis hin zu Krankenhäusern und Schulen. Seuchen und Epidemien gab es gewissermaßen obendrauf, so dass die Menschen nicht nur an den unmittelbaren Kriegsfolgen und Versorgungsmängeln, sondern auch an Krankheiten massenhaft starben.

Verglichen mit solchen Einschnitten in der Menschheitsgeschichte wirken die Corona-Pandemie und die vor ihr ablaufenden Pandemien auf den ersten Blick etwas weniger bedrohlich. Sie zerstören keine Industrieanlagen oder Wohnhäuser wie ein Krieg und im Vergleich mit weltweiten militärischen Auseinandersetzungen hält sich auch die Anzahl der Toten bisher in Grenzen. Es gibt auch die begründete Hoffnung, durch Impfungen in Kombination mit Hygienemaßnahmen den auslösenden Virus zurückzudrängen oder gar auszumerzen. Bei Pocken, einer tückischen Krankheit, ist das in der Geschichte der Menschheit bereits gelungen und auch bei der Kinderlähmung ist man auf einem guten Weg. Sucht man nach Vergleichen für die Corona Pandemie, so wird heute oft die Spanischen Grippe von 1918/19 genannt. Sie hat nach unterschiedlichen Angaben 20 bis 40 Millionen Menschen getötet. Menschen, die an der Spanischen Grippe erkrankt waren, starben meistens an akutem Lungenversagen. Therapien wie invasive Beatmung gab es damals nicht, Mittel zur Kreislaufstärkung gehörten zu den wenigen Behandlungsmöglichkeiten, die allerdings kaum halfen. Die Übertragung erfolgte über Tröpfchen in der Luft, die Verbreitung erfolgte mit hoher Geschwindigkeit und bei ihrem Ausbruch war die Krankheit völlig unbekannt. Vor allem aber, eingedämmt wurde die Verbreitung durch Isolierungs- und Quarantänemaßnahmen. Isolierung und umfangreiche Quarantänemaßnahmen bewiesen ihre Wirksamkeit, wie historische Untersuchungen zeigen.1 Allerdings war das die Zeit zum Ende des 1. Weltkrieges mit Hunger und Elend, was die Vergleichbarkeit zu Covid-19 einschränkt. Am ehesten vergleichbar ist Covid-19 mit dem SARS-Ausbruch von 2009, weil es sich um ein ähnliches Virus handelt.2

Was jede der Pandemien von primär wirtschaftlichen Krisen und Kriegen unterscheidet, ist die Verursachung durch ein nicht vorhergesehenes Naturereignis. Die Menschen haben auf das Naturereignis reagiert und standen vor der Wahl, zuzuschauen und abzuwarten oder Gegenmaßnahmen einzuleiten. Gegenmaßnahmen, die naturgemäß auch negative Folgen mit sich bringen. Und dabei abzuwägen, ob der Nutzen der Gegenmaßnahmen durch Begrenzung der gesundheitlichen Folgen größer ist als die negativen Begleiterscheinungen. Diese finden sich vor allem auf der wirtschaftlichen Ebene, entstehen aber auch im psycho-sozialen und politischen Bereich. Da kann es schnell geschehen, dass die Aufforderung zum Schutz anderer eine Maske zu tragen, als nicht akzeptable Zumutung angesehen gesehen wird, deren Umsetzung Artikel 1 des Grundgesetzes verletzen würde.

Stehen wir am Anfang einer neuen Weltordnung?

Diese Frage wird seit Beginn der Pandemie heiß diskutiert. Es ist die Rede von einer neuen Weltordnung, die sich herausbilden würde. Wie diese Ordnung aussieht, darüber existieren viele unterschiedliche Vorstellungen. Immerhin, das Zukunftsbild einer neuen Weltordnung wird von Krisenromantiker, Verschwörungstheoretikern und Untergangsphilosophen gleichermaßen beschworen. Nur eben mit unterschiedlichen Inhalten.

Krisenromantiker hoffen darauf, dass durch die Pandemie eine Art Erweckungserlebnis durch die Menschheit geht. In dessen Folge werden wir endlich aufwachen und den verhängnisvollen Kurs der Zerstörung unseres Planeten stoppen, den wir nach den Worten von Papst Franziskus nicht länger wie eine Orange ausquetschen dürfen.3 Verschwörungstheoretiker suchen emsig nach Beweisen, dass der „Tiefe Staat“, die Bilderberger oder andere geheime Mächte und Personen auf dem Weg sind, endgültig die vollständige Macht auf der Erde zu übernehmen. Untergangspropheten sehen die Corona-krise als ein Aufbegehren der Erde gegen die Machenschaften der Menschen, welches je nach Interpretation einen letzten Warnschuss darstellt oder schon die Endzeit einläutet. Ökonomen prophezeien wie schon mehrmals davor den Zusammenbruch des Weltfinanzsystems und bieten ihre Dienste an, dass mühsam ersparte Geld vor dem Untergang zu retten. Politiker reden von einer neuen Weltordnung, in der sich die Balance zwischen den Staaten grundlegend verschiebt. Die Facetten der neuen Weltordnung ließen sich fast beliebig weiter ausschmücken. Es ist halt für jeden etwas dabei.

Was dabei vergessen wird, wir bewegen uns nicht hin zu einer neuen Ordnung, sondern eher in Richtung der Auflösung der alten Ordnung. Zumindest im globalen politischen Maßstab nimmt die Welt keineswegs Kurs auf eine neue Wirklichkeit, in der eine gewisse berechenbare Ordnung herrscht. Denn die Idee einer Weltordnung ist nicht identisch mit einer Ausdehnung des Machtkampfes zwischen Ländern und politischen Systemen, der nach einer kurzen Verschnaufpause am Ende des Kalten Krieges mit neuer Dynamik eingesetzt hat. Eine "Weltordnung" ergibt sich per Definition, wenn alle Nationen ein gemeinsames Rechtssystem akzeptieren, das den globalen Frieden sichern soll. Ziel einer solchen regelbasierten Weltordnung wäre der Machtausgleich, die Findung von Kompromissen. Genau dieser regelbasierte Machtausgleich wird in der Zeit der „Dealmaker“, die ohne jegliche Hemmungen international bindende Verträge brechen bzw. ignorieren, zunehmend schwierig.4 An seine Stelle tritt der fast ungebremste Verdrängungswettbewerb zwischen den Großmächten und ein hemmungsloser Nationalismus, der in immer mehr Ländern zur Staatsdoktrin wird. Das ist allerdings keineswegs neu. Als letzte verbliebene Großmacht hat die USA nach dem Zerfall der Sowjetunion im Jahr 1991 alles getan, einzige Großmacht zu bleiben. Genützt hat es wenig. Im Gegenteil, mit China hat ein Land den Anspruch auf Führerschaft in der globalen Welt angemeldet, welches nicht nur über eine Jahrtausende alte Kultur verfügt, sondern in unglaublicher Geschwindigkeit den technologischen, militärischen und wirtschaftlichen Vorsprung des Westens aufholt. Doch China wird trotz Seidenstraße, Aufrüstung und Weltraumprogramm nicht einfach die Rolle der USA als einziger Hegemon übernehmen (können). Das wird noch nicht einmal in Asien möglich sein, wo aufstrebende Nationen wie Indien, das China auf absehbare Zeit bei der Bevölkerungszahl überholen wird, den Aufstieg des „Reiches der Mitte“ argwöhnisch beobachten.

Im 21. Jahrhundert wird es vermutlich keinen absoluten Hegemon geben, der solche öffentlichen Güter wie die Sicherheit der Schifffahrtswege oder den Kampf gegen den Terrorismus bereitstellt. An seine Stelle tritt möglicherweise der ungebremste Nationalismus, der die Bemühungen um ein regelbasiertes Miteinander nicht nur unterläuft, sondern sogar bekämpft.

Die Ausdehnung der „Weltunordnung“ hat viele Gesichter. An der Spitze steht im schlimmsten Fall die Auflösung der Rolle multinationaler Organisationen, die als einzige in der Lage sind, bei solchen existenziellen Herausforderungen wie die aktuelle Pandemie, den Klimawandel oder das Artensterben eine weltweite Kraftanstrengung zu initiieren und zu koordinieren. Es ist erst wenige Monate her, dass die US-Administration unter Trump alles unternahm, um das System der internationalen Zusammenarbeit zu zerstören. Erinnert sei an die Störung der Arbeit der WHO durch Austritt der USA unter Trump ausgerechnet in dem Moment, als sie am nötigsten gebraucht wurde und wird. Ähnliches gilt auch für die Störaktionen gegen die Arbeit des Weltklimarates IPCC und der Austritt der USA aus dem Pariser Abkommen in einer Zeit, in der der Klimawandel immer mehr an Fahrt aufnimmt. Oder denken wir an die Aufkündigung von Wirtschaftsabkommen oder Abrüstungsvereinbarungen. Die Schwächung der Rolle der UNO und die Infragestellung der WTO mit ihren Mechanismen zur Streitbeilegung bei wirtschaftlichen Fragen gehen in die gleiche Richtung. Vieles davon ist schon jetzt nach dem Regierungswechsel in den USA repariert worden. Wir sollten uns aber darüber bewusst sein, dass das Wahlergebnis in den USA äußerst knapp war und eine weitere Periode der Präsidentschaft von Trump vermutlich das System der internationalen Kooperation endgültig zerstört hätte. Es bleibt die Angst, dass Verträge nur so lange gelten, wie sie den eigenen Interessen dienen.

Die Coronakrise spielt in diesem Prozess der Auflösung einer bestehenden Ordnung die Rolle des Brandbeschleunigers. Während die USA unter der Last der Pandemie mit tausenden Toten und Millionen Arbeitslosen ächzen und Europa ähnlich wie in der Flüchtlingskrise verzweifelt einen gemeinsamen Kurs sucht, inszeniert sich China als das Land, welches die Krise dank effektiver Maßnahmen ohne Rücksicht auf demokratische Standards besiegt und als fast einziges Land weltweit die alten Produktionszahlen und das alte rekordverdächtige Wirtschaftswachstum erreichen wird bzw. teilweise schon wieder erreicht hat. China könnte wieder die Konjunkturlokomotive der Welt werden, so die Hoffnung vieler Länder. Und dieses trotz der heimlichen Angst vor dem schier übermächtigen Wirtschaftsgiganten, der auf bisher unvorstellbare Weise die Macht einer kommunistischen Partei mit urkapitalistischen Wirtschaftsmethoden verbindet.

Sieht die neue Weltunordnung so aus, dass die Giganten China und USA Jahrzehnte im Dauerstreit um die weltweite Führerschaft ringen und dabei durch eigentlich völlig sinnlose Rüstungsprojekte die Ressourcen „verpulvern“, die an anderer Stelle dringend für das Überleben dringend gebraucht werden? Werden die globalen Umweltprobleme mit dem Klimawandel an der Spitze schon deswegen nicht gelöst, weil im Kampf um die globale Macht „Kollateralschäden“ lächelnd in Kauf genommen werden. Werden sich wie in der Zeit des Kalten Krieges zwei Machtblöcke waffenstarrend gegenüberstehen? Auf der einen Seite die USA mit ihren Verbündeten, wobei alles andere als klar ist, wer dazugehört. Auf der anderen Seite stehen die alten Konkurrenten und ehemaligen Feinde China und Russland, zusammengeschweißt durch die Blockadepolitik des Westens. Sie sind nur die Speerspitze der sich mit hoher Geschwindigkeit entwickelnden Länder Asiens. Zwischen ihnen das um eine gemeinsame Position ringende zerrissene Europa und eine Mauer der Sprachlosigkeit, welche sogar die selbst im Kalten Krieg geltende Regel Pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten) im Zeichen von alternativen Wahrheiten, bedingungslosen Nationalismus und Dealmakern außer Kraft setzt.

Neue Entwicklungsphase an Stelle einer neuen Weltordnung?

In diesem Wettbewerb, der schon begonnen hat, werden die Überwindung der Coronakrise und ähnlicher Flächenbrände eine herausragende Rolle spielen. Denn wie man es auch dreht und wendet: Eine zu Teilen kranke und angstvoll auf den nächsten Tag starrende Bevölkerung kann weder vernünftig produzieren noch konsumieren. Wer große Teile seiner Kraft als Staat auf die Stabilisierung des Gemeinwesens und die medizinische Behandlung der Bevölkerung konzentrieren muss, hat schlechte Karten im globalen Wettbewerb.

In diese Richtung argumentieren auch 60 prominente Schweizer Ökonomen unterschiedlicher Spezialgebiete in einem offenen Brief im November 2020. Darin stellen sie unter Bezug auf die internationale Forschung fest, dass es ein weitverbreitetes und tiefgreifendes Missverständnis hinsichtlich der ökonomischen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie gibt. Oftmals werden Kosten eines Lockdowns in die Argumentation eingebracht, die einen Zielkonflikt zwischen Wirtschaft und Gesundheit voraussetzen. Das ist, so betonen sie, falsch. Es gib keinen Zielkonflikt. Denn in einer Situation mit starker Ausbreitung des Virus (wie in der Schweiz im November 2020) und relativ milden Maßnahmen führen, wie ich oben schon erläutert habe, die Gesundheitsrisiken und wirtschaftlichen Ängste zu Vorsorge- bis hin zu Panikreaktionen, die ein geregeltes Wirtschaftsleben ebenfalls unmöglich machen. Lieferketten werden ebenso durchbrochen wie bei einem Lockdown, der Fortbestand von Unternehmen wird gefährdet, und Arbeitsplätze drohen verlorenzugehen.5 Vor allem aber sinkt das Konsumklima bei einer von Angst um das eigene Leben, die Gesundheit der Familie und den Arbeitsplatz von Morgen geprägten Situation immer weiter ab. Angstsparen ist in der Krise eher angesagt als großzügiger Konsum. Hinzu kommen massenhafte Ausfälle von Arbeitskräften, die nicht nur ganze Unternehmen stilllegen, sondern auch Militäranlagen in ihrer Funktionsfähigkeit bedrohen können, wie das bei amerikanischen Kriegsschiffen schon zu beobachten war.

Im Wettbewerb stehende Länder haben vor allen dann schlechte Karten, wenn die Pandemie über Jahre zum Dauerzustand wird, der zyklisch auf und abschwillt. Staaten, die es tatsächlich schaffen, mit einer einmaligen Kraftanstrengung das Virus zu bannen und neue Ausbrüche durch lokale Maßnahmen unter Kontrolle zu halten, sind da klar im Vorteil. Man mag den Angaben aus China und anderen Ländern misstrauen oder nicht, aber die Unterschiede im Oktober 2020 sind gigantisch. Für das Riesenreich China mit 1,44 Milliarden Einwohnern nennt das STATISTA-Portal6 chinaweit Mitte Februar 2021 (nachfolgend Länderangaben ebenfalls auf dieses Datum bezogen) insgesamt etwa 100.000 Erkrankungen. Die Zahl der Todesopfer bis zu diesem Tag belief sich auf etwa 5.000 Fälle. In Südkorea (52,48 Millionen Einwohner), das ebenfalls von Beginn an entschieden Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus durchgesetzt hat, wurden nach der gleichen Quelle 83.000 Fälle bestätigt. Japan (125,7 Millionen Einwohner) weist bei stark steigender Tendenz etwa 413.000 Infizierte auf. Dem gegenüber gibt es in den USA bei 331 Millionen Einwohnern rund 27.400.000 Infizierte und über 475.000 Tote. Spanien meldete bei knapp 47 Millionen Einwohnern rund 3.042.000 Infizierte und etwa 64.300 Tote und Italien mit 60 Millionen Einwohnern 2.700.000 Infizierte und 92.730 Tote. Deutschland weist im Februar 2021 2.330.000 Infektionen und rund 65.000 Tote auf. Ich werd auf die verschiedenen Komponenten der Infektion im nächsten Kapitel noch eingehen, aber eines sollte jetzt schon deutlich werden: Die Fähigkeiten von Gesellschaften und Ländern zur Eingrenzung einer Pandemie unterscheiden sich dramatisch. Da, wo politische Strukturen und gesellschaftliche Traditionen eine effiziente Durchsetzung der Isolationsstrategie ermöglichen, werden die Fallzahlen der Infizierten und damit auch die der Toten stark eingegrenzt. Südostasien, ohnehin von vielen Auguren als das neue wirtschaftliche Zentrum der Welt gehandelt, scheint da einen fast uneinholbaren Vorsprung aufzuweisen. Wirtschaftliche Auswirkungen werden zeitlich begrenzt und ermöglichen nach einer Phase relativ tiefer Einschnitte ein zügiges Durchstarten.

Natürlich geht das, wie in China zu beobachten, auf Kosten der Freiheit und der bürgerlichen Grundrechte. Diese für uns in Deutschland schwer zu akzeptierenden Einschränkungen führen während des Wütens der Pandemie für einige Länder zu Entwicklungsvorteilen, die sich mittelfristig und langfristig in Wettbewerbsvorteilen niederschlagen werden.

Als Zukunftsforscher muss ich eingestehen, dass die Pandemie die weltweiten Gleichgewichte verschiebt. Nicht nur in Richtung China. Zu den Gewinnern werden auch andere asiatische Länder gehören, welche die Pandemie schon jetzt im Griff haben. Je länger die Pandemie andauert, je stärker werden die Verschiebungen sein. Bei weltweiter Betrachtung muss man von einem Fortdauern der Pandemie in den nächsten Jahren ausgehen. Das gefällt mir nicht, scheint aber sehr wahrscheinlich. In Deutschland und Europa geht das hoffentlich schneller, aber sicher ist das nicht.