Klimaneutral! - Lothar Abicht - E-Book

Klimaneutral! E-Book

Lothar Abicht

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Beschreibung

Die 5. Industrielle Revolution: Roadmap gegen den Klimakollaps Es ist unausweichlich: Der menschengemachte Klimawandel zerstört die Lebensbedingungen auf der Erde. Deswegen brauchen wir die 5. industrielle Revolution: Ihr Kern sind die Umstellung der Weltwirtschaft – und damit aller Technologien – auf Dekarbonisierung und die Reduzierung von klimaschädlichen Gasen. Angetrieben wird sie durch die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bremsen, aber auch durch den Kampf um die Vorherrschaft auf den Weltmärkten. Lothar Abicht und Carina Stöttner vom Business Think Tank Themis Foresight analysieren in ihrem Buch alle wesentlichen Technologiefelder hinsichtlich ihrer künftigen Entwicklungspotenziale und beschreiben in leicht verständlicher Form, was bis 2050 an Neu- und Weiterentwicklungen umgesetzt werden kann. Ein visionäres und gleichzeitig praxisnahes Buch über die Wirtschaft der Zukunft, das Hoffnung macht.

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Cover for EPUB

LOTHAR ABICHT CARINA STÖTTNER

KLIMANEUTRAL!

So gelingt der Umbau von Wirtschaft und Technologie. Klima-Innovation für eine sichere Zukunft

Campus Verlag

Frankfurt/New York

Über das Buch

Die 5. Industrielle Revolution: Roadmap gegen den KlimakollapsEs ist unausweichlich: Der menschengemachte Klimawandel zerstört die Lebensbedingungen auf der Erde. Deswegen brauchen wir die 5. industrielle Revolution: Ihr Kern sind die Umstellung der Weltwirtschaft – und damit aller Technologien – auf Dekarbonisierung und die Reduzierung von klimaschädlichen Gasen. Angetrieben wird sie durch die Notwendigkeit, den Klimawandel zu bremsen, aber auch durch den Kampf um die Vorherrschaft auf den Weltmärkten.Lothar Abicht und Carina Stöttner vom Business Think Tank Themis Foresight analysieren in ihrem Buch alle wesentlichen Technologiefelder hinsichtlich ihrer künftigen Entwicklungspotenziale und beschreiben in leicht verständlicher Form, was bis 2050 an Neu- und Weiterentwicklungen umgesetzt werden kann. Ein visionäres und gleichzeitig praxisnahes Buch über die Wirtschaft der Zukunft, das Hoffnung macht.

Vita

Prof. Dr. Lothar Abicht ist Unternehmer, Hochschullehrer, Forscher und Autor zahlreicher Artikel und Bücher sowie gefragter Speaker. Er ist Experte für Bildungsforschung, technologische Entwicklung und die Arbeits- und Lebenswelt von morgen. Zurzeit arbeitet er als Senior Associate bei Themis Foresight an einem Forschungsprojekt zur »Fünften industriellen Revolution«.

Carina Stöttner ist Mitgründerin und Geschäftsführerin bei Themis Foresight. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Soziologin berät mit ihrer Corporate Foresight europäische Unternehmen in Zukunftsfragen. Als Panel-Teilnehmerin bringt sie ihre Perspektive zu viel diskutierten Themen ein.

Für Simon Joscha, Samuel und alle Kinder, deren Zukunft davon abhängen wird, ob es der Menschheit gelingt, mit den von uns beschriebenen und vielen weiteren Maßnahmen den Ausstoß klimaschädlicher Gase zu stoppen und den Klimawandel aufzuhalten.

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Vita

Inhalt

Impressum

Inhalt

Die fünfte industrielle Revolution

1.

Zukunft Energieversorgung

Energie-Visionen

Ohne Energie geht nichts

Anteile Energieträger an Energieerzeugung und Energieverbrauch

Grünstrom als universelle Energieform

Kern der fünften industriellen Revolution

Umwandlungswirkungsgrad als Auswahlkriterium

Photovoltaik, wohin man schaut

Wirkungsgrad und seine Steigerung

Photovoltaik und Stromspeicher

Windkraftanlagen als Symbole der Energiewende

Bauformen von Windkraftanlagen

Atomenergie – stehen wir vor einer Trendumkehr?

Die vierte Generation von AKW

Fusionskraftwerke

Endlagerung des radioaktiven Mülls

Auf dem Weg in die komplett vernetzte Energiewirtschaft

Speicher für Elektroenergie

Lastmanagement

Smart Grid und Reservekraftwerke

Bioenergie – der große Irrtum wird bereinigt

Die Wasserstoffrevolution als zweiter zentraler Aspekt der Energiewende

Verwendung Wasserstoff

Arten von Wasserstoff nach der Herstellung

Wirkungsgrade der Wasserstoffherstellung und ihre Folgen

2.

Zukunft Transporttechnologien

Klimaneutrale Mobilität für alle

Was beeinflusst die Entwicklung von Verkehrstechnologien?

Im Individualverkehr dominiert das Elektroauto

Argumente für das E-Auto mit Akku

Technologische Entwicklungen beim E-Auto

Gütertransport mit LKW

Luftfahrt

Schiffstransport

Bahntransport

Ist der Umstieg auf das E-Auto wirklich klimafreundlicher? Die Umstellung im Transportsektor anhand eines Beispiels

3.

Zukunft chemische Produktion beziehungsweise Stoffwandlung

Produkte aus Luft und Abfall

Stoffwandlungs-Industrien

Ganzheitliche Lösungen für Unternehmen – Strategien für deren Umsetzung

Erneuerbarer Kohlenstoff – CO2 als Grundstoff für chemische Prozesse

Weitere erneuerbare Chemierohstoffe

Die biologische Revolution in der stoffwandelnden Industrie

Digitale Transformation in der stoffwandelnden Industrie

Kreislaufwirtschaft in stoffwandelnden Industrien

Fossile Energieträger in energieintensiven Prozessen ersetzen

Grüner Wasserstoff als Grundstoff für Stoffwandlungsprozesse – und Energielieferant

Ersatz für Produkte, deren Herstellungsverfahren nicht umgestellt werden können

4.

Zukunft Stoffformung – Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau als Treiber der technologischen Transformation

Ein (un-)lösbares Problem

Stoffformung als Bestandteil der fünften industriellen Revolution

Was leistet der Maschinen- und Anlagenbau für die Dekarbonisierung in anderen Branchen und Technologiefeldern?

Grundlegende Richtungen des technologischen Wandels im Maschinen- und Anlagenbau

Ersatz von fossilen Brennstoffen durch erneuerbare Energie

Präzisionsbearbeitung zur Senkung des Material- und Energieverbrauchs

Digitalisierung der Produktion

Materialeinsatz und CO2-Bilanz

Kreislaufwirtschaft

5.

Zukunft Bauen und Wohnen

Stadt der Zukunft

Bauen und Wohnen als Bestandteil(e) der fünften industriellen Revolution

Womit wir morgen bauen werden

Wie wir morgen bauen werden

Häuser der Zukunft – welche Häuser werden gebaut?

Sanierung von Bestandsbauten

Was wird mit den Bauabfällen?

Wie wir zukünftig heizen und kühlen werden

Welche Energiequellen werden wir verwenden?

Welche Technik werden wir zur Heizung und Kühlung verwenden?

6.

Zukunft Landwirtschaft und Ernährung

Im Kino

Landwirtschaft und Ernährung als Bestandteil(e) der fünften industriellen Revolution

Landwirtschaft und Umwelt

Gibt es eine Lösung?

Industrielle und ökologische Landwirtschaft im direkten Vergleich

Carbon Farming – CO2-Speicherung durch Humusaufbau

Smart Farming oder die Digitalisierung der Landwirtschaft

Klein oder groß – was ist die Zukunft?

Landwirtschaft im Haus – Vertical Farming

Wie werden wir uns zukünftig ernähren?

Pflanzen statt Fleisch

Lebensmittel aus dem Labor – zellbasierte Fleischproduktion

Insekten als Lebensmittel

Lebensmittel aus Mikroorganismen – zelluläre Landwirtschaft

Futter- und Lebensmittel aus der Luft

7.

Zukunft Informations- und Kommunikationstechnologien

Leben digital

Informationstechnologien auf dem Vormarsch

Entwicklung Rechenleistung und Ressourcenverbrauch

Grüner Strom und Abwärmenutzung für Rechenzentren

Strukturen der Datenverarbeitung anpassen

Grüne IT – das Problem mit dem Elektronikschrott

Grüne Software

Den Klimawandel bremsen und die Welt retten mit Informationstechnologie?

Künstliche Intelligenz und Quantencomputer als »Denkzeuge« der fünften industriellen Revolution

Beispiel: Entwicklung neuer Medikamente mit KI und Quantencomputern

8.

Zukunft Bergbau

Auf der Reise

Bergbau in Deutschland – früher und heute

Umweltwirkungen des Bergbaus

Rohstoffe für Deutschland und Europa – Vergangenheit und Gegenwart

Potenziale des Bergbaus in Europa und in Deutschland

Dekarbonisierung der Bergbauprozesse

Verbesserung der Energieeffizienz

Elektrifizierung der Bergwerke

Weiterentwicklung der Fördermethoden

Erschließung neuer Förderorte

Recycling von Metallen und seltenen Erden

Verbergen statt Fördern – Direct Air Capture (DAC)

Epilog – auf zu neuen Zukünften

Anmerkungen

Die fünfte industrielle Revolution

1.

Zukunft Energieversorgung

2.

Zukunft Transporttechnologien

3.

Zukunft chemische Produktion beziehungsweise Stoffwandlung

4.

Zukunft Stoffformung – Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau als Treiber der technologischen Transformation

5.

Zukunft Bauen und Wohnen

6.

Zukunft Landwirtschaft und Ernährung

7.

Zukunft Informations- und Kommunikationstechnologien

8.

Zukunft Bergbau

Epilog – auf zu neuen Zukünften

Die fünfte industrielle Revolution

2021 haben wir die Behauptung formuliert, dass der größte technologische Sprung der Menschheit nach vorn nicht mehr aus der Welt der Bits, sondern aus der Welt der Atome kommen wird. Auf den Punkt gebracht heißt das: »Wer die mit dem Klimawandel zusammenhängenden Probleme lösen kann, verändert die Welt.«1 Was wir in unserer Analyse nur schematisch umrissen hatten, wuchs zu einem Forschungsprojekt heran, das sich schrittweise der Frage annahm, welche Voraussetzungen heute schon existieren beziehungsweise realisierbar wären, um die Weltwirtschaft komplett auf klimaneutrale Produktion umzustellen. Und somit nicht nur langfristig unseren Planeten bewohnbar für die Menschheit zu halten, sondern auch den Wohlstand, den sich die Menschheit in Jahrtausenden erkämpft hat, zu verteidigen und auszuweiten.2

Das Bewusstsein, dass sich der Mensch im Industriezeitalter anfangs unwissentlich, später mit Ignoranz, Leichtfertigkeit und auch krimineller Energie selbst die Lebensgrundlage auf der Erde entzieht, hat sich in weiten Teilen der westlichen Welt durchgesetzt – sprich: dort, wo schädliche Produktionsweisen ihren Ausgang nahmen und von wo sie in alle Welt exportiert worden sind. Doch die Antworten auf diese Krise fallen unterschiedlich aus. Ein Teil der westeuropäischen Mittelklasse träumt von einem »Degrowth« oder einer Postwachstums-Ökonomie, in der die Menschheit in kleinen, lokalen Kommunen selbstversorgend Dienst an der Gemeinde verrichtet. Abgesehen davon, dass dies kein wirklich neuer Gedanke ist, ist der Versuch, Massenproduktion und damit Innovation und das Streben nach materieller Absicherung einzudämmen, in seinem Wesen reaktionär. Er läuft den Interessen der großen Mehrheit der Weltbevölkerung zuwider, die bisher nicht in den Genuss der Annehmlichkeiten kam, die seit den letzten fünf bis sieben Jahrzehnten in der westlichen Welt Standard sind. Andere Länder, insbesondere China, versuchen aktuell, den Ausbau des Konsums mit hohen Zuwachsraten bei den erneuerbaren Energien zu verbinden. Wir verneinen natürlich nicht die Existenz von Konsum- und Produktionsexzessen, die aus einer Vielzahl von Gründen zurückgefahren werden sollten. So nehmen Menschen in der EU durchschnittlich 50 bis 60 Prozent mehr Kalorien zu sich, als sie für ein gesundes Leben benötigten. 2017 besaß jeder Haushalt im Schnitt drei Telefone und anderthalb Flachbildschirm-Fernseher.3 Europäische Haushalte horten durchschnittlich 13 Elektrogeräte wie Smartphones, Haartrockner oder Laptops, die schon längst nicht mehr in Benutzung sind, viele davon jedoch noch funktionstüchtig.4

Die Antwort auf die Klimakrise liegt für das Gros der Menschheit nicht im Verzicht auf Güter und Annehmlichkeiten – so naheliegend eine solche Position angesichts der krassen Unterschiede bei Reichtum, Lebensstandard und ökologischem Fußabdruck auch sein mag. Schon deswegen nicht, weil die Umstellung unserer Lebensweise innerhalb weniger Jahrzehnte erfolgen muss. Sie liegt unserer Meinung nach darin, alles, was hergestellt wird, so zu produzieren, dass es keine schädlichen Auswirkungen auf das Klima, auf Biodiversität, auf Wasserkreisläufe und so weiter gibt. Insbesondere der Ausstoß klimaschädlicher Gase aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe muss schnell ein Ende haben. Dekarbonisierung aller Wirtschaftsbereiche ist die Herausforderung der Gegenwart und nahen Zukunft.

Ist das überhaupt möglich? Wir sind der Ansicht, dass es das ist – und wir sind nicht die Einzigen. Nicht nur in Deutschland diskutieren wir über die Energie- oder Verkehrswende, entwickeln und bauen Technologien, die uns dem großen Ziel einer Dekarbonisierung der Wirtschaft und damit einer Begrenzung des Klimawandels näherbringen. Das Gleiche passiert in vielen anderen Teilen der Welt – oft mit weit höherer Geschwindigkeit als in Deutschland. So will Kolumbien innerhalb von 15 Jahren die einheimische Nutzung und den Export fossiler Brennstoffe auf null herunterfahren.5 China und die USA, die größten Verursacher von Treibhausgasen, haben milliardenschwere Programme zur Umsetzung der grünen Transformation verabschiedet und richten ihre Aufmerksamkeit auf die weltweite Beherrschung der Märkte für grüne Technologien. Überhaupt ist der Wettbewerb um den Ausbau der grünen Technologien gleichbedeutend mit der Beherrschung der Zukunftsmärkte. Tausende weitere Beispiele zeigen, dass die Loslösung von den fossilen Energieträgern und Rohstoffen möglich ist. Fast schon ein glücklicher Zufall ist die mit ihrem Einsatz verbundene Chance, imperiale Ansprüche, die sich oft aus dem Vorhandensein von Rohstoffen in unterschiedlichen Weltregionen ableiten, innerhalb einer historisch kurzen Zeitspanne zu lösen.

Aber mit der Energiewende und der Verkehrswende ist es nicht getan. Die Transformation kann und muss sich tatsächlich in jeder Branche vollziehen. Noch erfolgt ihre Verbreitung angesichts der Beschleunigung des Klimawandels viel zu langsam, aber die Basis ist da. Wenn also die industrielle und technologische Basis unserer Gesellschaft eine derartig tiefgreifende Veränderung erfährt, die nicht nur alle Branchen, sondern auch alle Länder nach und nach erfasst, ist es unseres Erachtens auch an der Zeit, für diese Transformation einen ausreichend wirkmächtigen Begriff zu finden. Aus unserer Sicht handelt es sich um nicht mehr und nicht weniger als den Beginn der fünften industriellen Revolution mit dem Ziel Dekarbonisierung.

Je nach Quelle werden heute vier industrielle Revolutionen unterschieden. Die erste Etappe begann um 1800 und führte durch die Mechanisierung vieler Arbeitsprozesse zur Industrie 1.0. Mit der durch die Elektrifizierung mögliche Massenproduktion um 1900 kam der Übergang zur Industrie 2.0. Die Industrie 3.0 war geprägt durch Computertechnologien und startete in den 1970er Jahren. Heute bewegen wir uns im digitalen Zeitalter, verbunden mit der Industrie 4.0. Jede dieser Etappen hatte eine zentrale Leittechnologie, die fast alle Arbeits- und Lebensbereiche beeinflusste. Die Leittechnologien setzten sich »naturwüchsig« durch, indem sie Entwicklungssprünge der Produktivität, die Ausweitung des Produktangebotes und Erhöhungen der ökonomischen Effizienz ermöglichten, die im nationalen und internationalen Kontext nicht aufzuhalten waren. Umweltfolgen der Technologieanwendung spielten meist nur am Rande eine Rolle.

Und heute? Was sind die von uns definierten Merkmale der fünften industriellen Revolution? Die entscheidende Gemeinsamkeit mit den Vorläufern der ersten bis vierten Revolution ist ihre umfassende Wirkung in allen Technologiefeldern. Die Umsetzung erfolgt vorwiegend in der Welt der Geräte sowie Anlagen und damit der »stofflichen Teilchen« und nicht allein in der digitalen Welt, der Welt der Bits. Die charakteristische Veränderung der technologischen Basis erfolgt im Unterschied zu vorhergehenden technologischen Revolutionen nicht naturwüchsig, angetrieben von kurzfristigen ökonomischen Vorteilen. Sie ist vielmehr das Ergebnis des gezielten und politisch verankerten Handelns der Menschen, die ihre Lebensgrundlagen erhalten wollen. Antrieb für dieses Handeln ist zumindest aktuell die Vermeidung einer Katastrophe durch den Klimawandel, welche in der Unbewohnbarkeit unseres Planeten gipfelt. Hinzu kommt der Kampf um die Weltmärkte der Zukunft und die Möglichkeit, mit vielen der neuen Technologien auch wesentlich effizienter und kostengünstiger zu produzieren.

Die Umsetzung der fünften industriellen Revolution erfolgt branchen- und technologieübergreifend auf unterschiedlichen technologischen Wegen. Ihr gemeinsames Merkmal ist die dominierende Rolle grünen Stroms als Energiequelle für unterschiedlichste Zwecke. Damit verbunden ist das Ende aller fossilen Rohstoffe und der Verbrennungstechnologien. Die Ablösung fossiler Rohstoffe begrenzt sich dabei nicht auf die Energieerzeugung. Auch in der chemischen Produktion verlieren sie an Bedeutung. Und was nicht mehr gebraucht wird, muss auch nicht mehr durch den Bergbau gefördert werden.

Die fünfte industrielle Revolution verläuft mit unterschiedlicher Geschwindigkeit in allen Branchen und Technologiefeldern. Für eine Reihe von typischen Technologien aus dem Zeitalter der Nutzung fossiler Rohstoffe gibt es heute bereits vollständigen Ersatz. Das bekannteste Beispiel sind Systeme zur Umwandlung regenerierbarer Energie anstelle der Verbrennung von Gas, Kohle oder Öl zur Elektrizitätsgewinnung. Technologien werden strukturell weiterentwickelt, zum Beispiel durch Einsatz anderer Energiequellen. Die Stahlherstellung mit grünem Wasserstoff anstelle von Gas und Kokskohle ist hierfür typisch. Schwieriger ist es bei Technologien, für die derzeit noch kein adäquater Ersatz existiert und die vorerst nur punktuell verbessert werden können. Dazu gehört die Zementherstellung, bei der im Brennprozess CO2 freigesetzt wird. Vielversprechend sind noch am Anfang stehende neue Wirk- und Funktionsprinzipien, die beispielsweise der biologischen Transformation entstammen und die auch die Ernährung der Weltbevölkerung klimaneutral gestaltbar machen könnten.

In diesem Buch werden wir am Beispiel der wichtigsten Technologiefelder und Branchen demonstrieren, dass fast alle Technologien, die wir für eine klimaneutrale Umstellung der Wirtschaft benötigen, heute in ihrem Kern schon vorhanden sind. Manche haben dabei einen derartigen Reifegrad erreicht, dass wir ihren Einsatz heute schon als Selbstverständlichkeit wahrnehmen, andere stecken noch in den Kinderschuhen. Wir betrachten die zukünftige Energieversorgung, Stoffwandlung und Stoffformung, Mobilität, Landwirtschaft und Ernährung, Rechentechnologien, Bauen und Wohnen sowie Bergbau. Damit wollen wir Anregungen vermitteln, wie heute schon der Umstieg auf neue Produktionsverfahren gelingen kann.

Wir betrachten all diese wichtigen Technologiefelder, weil wir uns auf die von Horst Wolffgramm begründete »Allgemeine Techniklehre«6 beziehen. Nach Wolffgramm lassen sich alle technologischen Vorgänge oder Verfahren danach erfassen, was im Zentrum des Bearbeitungsprozesses steht. Unterschieden werden stoffliche Arbeitsgegenstände, die Bearbeitung von energetischen Arbeitsgegenständen und von Informationen als Inhalt und Produkt technologischer Prozesse (zum Beispiel Data Center). Auch für die Art der Veränderung werden mit den Kategorien Wandlung (Änderung der chemischen Struktur von Stoffen und der Energieart), Formung (Änderung der äußeren Form von Stoffen und von Energieparametern) sowie Transport leicht handhabbare Unterscheidungskriterien verwendet. Das alles ist hilfreich, um darzustellen, wie die fünfte industrielle Revolution systematisch verwirklicht werden kann. Unser Zeitrahmen reicht dabei bis 2050. Wir freuen uns, wenn Sie uns auf dieser Zeitreise über die verschiedensten Technologiefelder hinweg begleiten!

Dieses Buch soll eine Wissenssammlung von Chancen sein. Sie soll Unternehmer:innen (ob in Gründung, in vierter Familiengeneration oder im Vorstand eines börsennotierten Industrieriesen) als Denkanstoß, ja vielleicht sogar Leitfaden dienen, wie sie ihre Unternehmen so transformieren können, dass sie auch noch auf Jahrzehnte hinaus Werte schaffen können. Sie soll Politiker:innen helfen, sich Argumentationsketten zu entziehen, die aus vermeintlichen »Sachzwängen« heraus zu schädlichen Entscheidungen für Gesellschaft und Wirtschaft führen. Vielleicht löst sich sogar der eine oder die andere auf diese Weise von den Scheuklappen seiner oder ihrer eigenen politischen Ideologie. Vor allem aber: Das Buch soll Menschen in unserer Gesellschaft Lust machen, sich mit Wirkweisen der Natur zu beschäftigen, sie zur Anwendung zu bringen und sich zu immunisieren gegen Vorurteile, egal ob sie aus dem Lager von Technologiegegnern oder naiven Technologiegläubigen kommen. Was das Buch nicht vermag, ist die Zukunft vorherzusagen. Doch sie mitzugestalten ist Anspruch seiner Autor:innen!

Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir in diesem Buch – wo möglich – geschlechterneutrale Sprache; wo das nicht möglich ist, steht das generische Maskulinum. Die Personenbezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.

1. Zukunft Energieversorgung

Energie-Visionen

Lena ist Chief Climate Officer bei einem Stahlproduzenten. Sie war einst eine der treibenden Kräfte hinter der »Grüner Stahl«-Revolution. Mit einem eisernen Willen und einem unerschütterlichen Glauben an erneuerbare Energiequellen hatte sie die Transformation des Unternehmens vor 20 Jahren in Gang gesetzt. Sie hatte Partnerschaften mit Wasserstofflieferanten, Stromproduzenten und internationalen Verbündeten initiiert, um die grüne Energieversorgung zu sichern. Eine ihrer ersten längeren Dienstreisen führte sie damals nach Kolumbien, wo sie über die Lieferung von grünem Wasserstoff verhandelte. Heute ist der Großteil ihrer damaligen Vision Realität.

Auf dem Weg zum Klimakongress der deutschen Industrie gleitet ihr autonom fahrendes Elektro-Auto zwischen den Hallen durch die Produktionsstätte auf die Straße. Einst wurden hier fünf Windkraftwerke für Pilotprojekte installiert. Heute zeugen neben statischen Anlagen auch bunte Winddrachen mit Generatoren und zahlreiche Photovoltaik-Anlagen von ihrer kühnen Vision. Damals kaum vorstellbar, aber: Der Wirkungsgrad dieser sonnenbetriebenen Hochleistungsanlagen hat sich in der letzten Dekade fast verdoppelt! Sie lächelt. Rückblickend sieht es immer einfach aus. Zu Beginn der 2020er Jahre war das anders. Auf ihren Fahrten durch Bayern sah sie damals nur vereinzelt PV-Anlagen auf den Dächern von Einfamilienhäusern und Höfen. Heute sind photoelektrische Dachziegel und Brachflächen mit Photovoltaik-Anlagen in den meisten Regionen die Norm. In großen Städten, wie zum Beispiel ihrer Heimatstadt Berlin, prägen grüne Dächer das Stadtbild – aus Hitzeschutzgründen und zur besseren Isolierung haben sie das Rennen auf den Dächern gewonnen, auch wenn die Installation auf Bestandsgebäuden herausfordernd ist. Die Fassaden vieler Gebäude sind mit Solarmodulen bestückt – gefühlt jeder freie Zentimeter wird genutzt, um Energie zu erzeugen. Heute sind grüner Strom und grüner Wasserstoff die Eckpfeiler für alle.

Lena freut sich: In einer halben Stunde wird sie beim Kongress ankommen. Einige der dort vertretenen Unternehmen sind schon seit knapp 15 Jahren klimaneutral – nicht zuletzt dank dieser Treffen. Diese engagierte Gemeinschaft hat nicht nur Wissen ausgetauscht, sondern auch dazu beigetragen, die Idee der Sektorenkopplung zu verwirklichen und gemeinsame Initiativen zur Energieoptimierung anzugehen.

Ohne Energie geht nichts

Schon im Physikunterricht haben wir alle gelernt, dass Energie weder erzeugt werden kann noch im physikalischen Sinn verloren geht. Möglich ist lediglich die Umwandlung einer Energieart in die andere, wobei bei jeder Umwandlung Wärmeverluste entstehen. Vielleicht erinnern Sie sich noch an die Hauptsätze der Thermodynamik, die für jede Art von Energiebereitstellung und Energieanwendung gelten. Alle Prozesse des menschlichen Lebens verlaufen unter Einsatz von frei umwandelbarer Energie (Exergie), die während der Anwendung zu nicht mehr nutzbarer Energie (Anergie) umgewandelt wird. Fehlt die Energiezufuhr, wird es nicht nur ungemütlich, sondern alle Systeme – von Tieren über den Menschen bis hin zu jeder Art von Technik – zerfallen. Menschen sterben, Eisen rostet und Beton verwittert.

Diese universelle Bedeutung ständiger Zufuhr von umwandelbarer Energie ist es auch, welche die Energiewirtschaft heute und auch im Jahr 2050 prägt. Sie ist der Anker jeglicher Art industrieller Produktion. Unsere heutige Lebensweise wäre ohne sie nicht denkbar. Diese zentrale Rolle der Energiewirtschaft wird häufig so verstanden, dass die Dekarbonisierung und damit die fünfte industrielle Revolution in erster Linie eine Aufgabe der Energiewirtschaft sei. Besonders der Umbau der Stromversorgung wird dann als wichtigste Aufgabe für den Klimaschutz dargestellt. Das ist prinzipiell nicht falsch, reicht aber bei weitem nicht aus. Erneuerbare Energie anstelle von Kohle, Erdöl und Erdgas zur Stromerzeugung zu nutzen, ist ein erster wichtiger Schritt.

Drei miteinander verbundene Aufgaben verhelfen zum Umbau des Energiesystems:

Grüner Strom ist der Schlüssel für die Energiewende. Bis 2050 wird sich der Anteil von grünem Strom am Gesamtenergieverbrauch vervielfachen.

Hinzu kommen grüner Wasserstoff und seine Derivate, die überall da Energie liefern, wo Strom aus technologischen Gründen nicht optimal eingesetzt werden kann oder Wasserstoff einen zusätzlichen Nutzen bietet.

Funktionieren kann die Umstellung allerdings nur, wenn der Energieverbrauch insgesamt drastisch verringert wird, wofür neben Maßnahmen für effiziente Energieanwendung vor allem die Verluste bei der Umwandlung von Primärenergie in Endenergie sinken müssen.

Anteile Energieträger an Energieerzeugung und Energieverbrauch

Primärenergie ist Energie in ihrer ursprünglichen Form, zum Beispiel Sonnenlicht. Weitere Primärenergieträger sind Uran oder Erdgas. Die Primärenergiebilanz Deutschlands stellt sich im Jahr 2020 wie folgt dar: Von den fast 12.000 Petajoul (entspricht etwa 410 Millionen Tonnen Steinkohleeinheiten beziehungsweise 3.333,3 Terrawattstunden), die Deutschland 2020 verbraucht hat, entfallen fast 76 Prozent auf kohlenstoffhaltige Energieträger. Konkret verteilt sich das auf 26,4 Prozent Erdgas, 34,3 Prozent Mineralöl, 7,5 Prozent Steinkohle und 8 Prozent Braunkohle. Hinzu kommen 16,5 Prozent erneuerbare Energien und 5,9 Prozent Kernenergie sowie geringere Mengen aus Wasserkraft und Bioenergie.1 Rund 70 Prozent aller Primärenergieträger werden Stand Dezember 2022 importiert.2

Endenergie bezieht sich auf die Energieform, die von den Endverbrauchern genutzt wird, zum Beispiel in Form von Strom. Die Nutzenenergie ist das Ergebnis der Umwandlung von Endenergie in die gewünschte Form der Energie-Anwendung, zum Beispiel wird elektrische Endenergie für die Beleuchtung genutzt. Der Übergang von Primärenergie zu Nutzenenergie erfolgt in mehreren Schritten der Umwandlung, Übertragung und Nutzung und geht mit Verlusten einher.

Abbildung 1: Was ist Primär-, End- und Nutzenenergie?

Da bei jeder Verbrennung fossiler Brennstoffe CO2 freigesetzt wird, müssten ohne die Abtrennung und unterirdische Speicherung von CO2 bis 2050 alle kohlenstoffhaltigen Energieträger so weit wie irgendwie möglich ersetzt werden. Das lässt sich nur annähernd erreichen, wenn die Endenergie, die bei den Verbrauchern ankommt, ebenfalls strukturell völlig umgebaut wird. Als Endenergieträger dienten im Jahr 2017 29 Prozent Kraftstoffe, 8 Prozent Heizöl, 26 Prozent Gas und 20 Prozent Strom. Weitere Endenergieträger sind Fernwärme und sonstige Brennstoffe.3

Die Erreichung von Klimaneutralität bedeutet also nichts weniger, als die Verbrennung von Braunkohle, Steinkohle, Öl und Gas weitgehend einzustellen und auch auf aus Öl und Gas gewonnene Kraft- und Brennstoffe gänzlich zu verzichten. An die Stelle von fossilen Brennstoffen und Kernenergie treten regenerierbare Primärenergieträger wie Sonne und Wind, Erdwärme oder Wasserkraft – nicht nur für die Stromerzeugung, sondern auch für die Erzeugung von Wärme zu Heizzwecken oder den Antrieb von Fahrzeugen. Es muss also nicht nur die Stromerzeugung grün werden, sondern auch die bisher vorwiegend importierten Energieträger Steinkohle, Öl und Gas und die daraus erzeugten Produkte wie Benzin oder Diesel sollen ersetzt werden. Und das in einem Land, das aktuell 70 Prozent der Primärenergieträger importiert.

Mit der Umstellung auf regenerierbare Energie als Primärenergiequellen und Strom als Endenergie ist eine heute kaum vorstellbare Reduzierung des Verbrauchs an Primärenergie verbunden, die bis zu 50 Prozent des gesamten Primärenergiebedarfs erreichen kann. In erster Linie aufgrund der Verminderung von Verlusten bei der Energieumwandlung. Aus Kohle, Öl oder Gas Strom zu gewinnen bedeutet, etwa 60 Prozent der im Brennstoff enthaltenen chemischen Energie als Wärme zu verlieren. Bei der Verbrennung von Benzin oder Diesel in Otto- oder Dieselmotoren kann nur 40 Prozent und weniger der chemischen Energie des Brennstoffs als mechanische Energie für den Antrieb genutzt werden. Der Rest ist wieder Wärme. Ursache sind die thermodynamischen Grenzen des Wirkungsgrades von Verbrennungsprozessen, auf die wir noch eingehen.

Grünstrom als universelle Energieform

Im Jahr 2050 haben sich das System der Energieversorgung und die Energieanwendung vollkommen verändert. Kern des neuen Systems ist die radikale Umstellung auf Grünstrom als Endenergieform. Hinzu kommt grüner Wasserstoff, der aber letztlich auch aus grünem Strom gewonnen wird. Strom ist die Energieart, die sich mit den geringsten Anwendungsverlusten in alle anderen Energieformen umwandeln lässt. Wird Benzin oder Diesel für Antriebe verwendet, setzt der thermodynamische Wirkungsgrad Grenzen. Mehr als etwa 40 Prozent Wirkungsgrad sind kaum möglich. Das alles kann Strom besser. Aber Strom ist nicht nur universell einsetzbar und ohne jeden Anfall klimaschädlicher Gase umwandelbar. Er lässt sich auch zu 100 Prozent aus Umweltenergie gewinnen, die nicht nur umsonst ist, sondern auch bei der Umwandlung keine Umweltschäden erzeugt. Sonne und Wind sind Primärenergieträger, die praktisch unbegrenzt zur Verfügung stehen. Hinzu kommen die heute schon breit genutzte Wasserkraft und die oft noch als Exoten wahrgenommenen Umweltenergien Erdwärme und Gezeitenenergie.

Bis zum Jahr 2050 wird sich der Anteil von Strom als Endenergieträger in Deutschland von 20 auf 80 Prozent erhöhen. Das erfordert nicht nur eine massive Umstellung bei den Primärenergieträgern, sondern vor allem eine massive Ausdehnung der Stromproduktion. Diese wird sich von 2020 bis 2050 in etwa verdoppeln.4

Kern der fünften industriellen Revolution

Die Umstellungen der Stromerzeugung von kohlenstoffhaltigen Primärenergieträgern auf erneuerbare Energien, der drastische Ausbau der Stromerzeugung und die Nutzung von Strom als zentrale Endenergieform sind Kern der fünften industriellen Revolution.

Merksatz

In gewisser Weise könnte man in Anlehnung an den Kern der zweiten industriellen Revolution – umfassende Elektrifizierung – von einer zweiten Elektrifizierungswelle sprechen.

Diesmal ist sie viel umfassender, beruht auf erneuerbaren Energien und wird direkt mit der digitalen Transformation verschmolzen.

Wir werden zudem in den nächsten Jahrzehnten erleben, wie eine Technologie, die seit der ersten industriellen Revolution unser Leben prägt, schrittweise verschwindet. Wärmekraftmaschinen haben die letzten 200 Jahre fast genauso geprägt wie der Verbrauch von kohlenstoffhaltigen Energieträgern. Es begann mit den ersten Dampfmaschinen als Antriebe von Pumpen in Bergwerken, Spinn- und Webstühlen oder Dampflokomotiven. Dann kamen die Verbrennungsmotoren für Verkehrsträger aller Art vom PKW bis zum Flugzeug und schließlich Dampfturbinen in Kohle- und Atomkraftwerken oder Gasturbinen in Gasturbinenkraftwerken. Alle diese Systeme haben eines gemeinsam: Ihr Wirkungsgrad ist durch thermodynamische Gesetze begrenzt und liegt meist deutlich unter 50 Prozent.

Umwandlungswirkungsgrad als Auswahlkriterium

Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Energieformen und ihrer Anwendung wird als Kriterium für die Auswahl von Technologien enorm an Bedeutung gewinnen. Solange grüne Energie knapp ist – und bis 2050 wird sie knapp bleiben –, wird bei jeder Planung die Frage im Zentrum stehen, wie viel der kostbaren Energie ungenutzt verloren geht. Insbesondere wird zukünftig berücksichtigt werden müssen, dass Umwandlungsstufen mit hohen Verlusten vermieden werden. Wie oben dargestellt, sind demnach Verbrennungskraftmaschinen nicht mehr akzeptabel. Aber auch die Herstellung von Energieträgern wie der noch zu behandelnde grüne Wasserstoff und seine Derivate ist mit Verlusten verbunden. Ihr Einsatz ist daher vor allem sinnvoll, wo grüner Strom technologisch nur schwer eingesetzt werden kann.

Photovoltaik, wohin man schaut

Im Jahr 2020 hatte die Photovoltaik einen Anteil von knapp 9 Prozent an der Stromerzeugung Deutschlands. Im Jahr 2010 waren es noch 1,8 Prozent.5 Ihr Ausbau führt nicht nur zu einer Umgestaltung der Energieversorgung. Sie ändert auch gleichzeitig durch die großen überbauten Landschaftsflächen und Solarzellen auf Dächern und an Gebäudefassaden den Anblick unserer Städte und Dörfer. Um die 2050 benötigten Mengen an Elektroenergie zu erreichen, werden viele Tausend Quadratmeter an Photovoltaikanlagen verbaut, vor allem auf landwirtschaftlich nicht nutzbaren Brachflächen, Hausdächern und Hausfassaden. In Deutschland sind etwa 2.800 Quadratkilometer nutzbarer Dachfläche verfügbar, auf denen sich eine Leistung von 550 Gigawatt installieren lässt.6 Das ist die Leistung von knapp 390 mittleren Atomkraftwerken, wie dem Kernkraftwerk Emsland. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass eine PV-Anlage nur wenige Stunden am Tag Strom produzieren kann, ein Atomkraftwerk hingegen rund um die Uhr läuft. Bei einer Leistung von 550 Gigawatt und geschätzten 1.500 produktiven Stunden im Jahr könnten diese Dachflächen jedoch rein hypothetisch den heutigen jährlichen Nettostromverbrauch Deutschlands decken – Faktoren wie saisonale Unterschiede oder Spitzenlasten einmal außer Acht gelassen.

Die Bebauung der Dachflächen läuft schon heute auf hohen Touren. In Zukunft wird sich aber nicht nur das Tempo der Bebauung ändern, es kommen auch neue Systeme zum Einsatz. Mit den heute schon verfügbaren photoelektrischen Dachziegeln beispielsweise können Dächer gebaut werden, die sich nur wenig von den aktuellen Ziegeldächern unterscheiden und trotzdem Strom produzieren wie die bekannten Dachaufbauten. Allerdings gibt es auch Grenzen für die Solardächer. So werden gerade in Städten vermehrt Dachbegrünungen eingefordert, um die Folgen der immer heißeren Sommer für das Mikroklima etwas zu mildern.

Bis 2050 wird zudem schrittweise eine Ressource erschlossen, die noch viel interessanter ist. 2.200 Quadratkilometer Gebäudehüllen können theoretisch mit Photovoltaikanlagen bebaut werden, was die Installation einer elektrischen Leistung von etwa 450 Gigawatt ermöglicht.7 2050 ist es kein Problem mehr, die vorgehängten Fassaden so zu produzieren, dass sie sich nur noch wenig von konventionellen Bauten unterscheiden. Sie sind schon jetzt gerade einmal doppelt so teuer wie herkömmlich vorgehängte Fassaden. Mit der sogenannten bauwerkintegrierten Photovoltaik (BIPV) ändern sich auch die Tätigkeiten vieler Akteure in der Bauwirtschaft. Das beginnt bei Architekten und Planern, geht weiter zu den Dachdeckern, die Solarziegel nicht nur aufbauen, sondern auch verdrahten, und führt bis zu Arbeiten an der Bauwerksfassade. Außerdem können Autobahnen und Fernstraßen mit Solardächern überbaut werden.8

Bis 2050 ermöglicht die Verbindung von Landwirtschaft und Photovoltaik – die sogenannte Agrophotovoltaik – ohne Verlust landwirtschaftlicher Nutzflächen auch in Deutschland, Acker und Solarenergie optimal zu kombinieren. Dabei werden entweder Solarmodule horizontal mehrere Meter über der landwirtschaftlichen Fläche aufgebaut oder senkrecht installierte Module stehen in Reihen auf der Fläche. In beiden Fällen wachsen die Pflanzen im Schatten der Solarzellen, was vor allem in trockenen und heißen Regionen deutliche Ertragssteigerungen möglich macht.

Wirkungsgrad und seine Steigerung

Interessant für den Ausbau der Photovoltaik ist neben den Kosten auch der Wirkungsgrad der Solarzellen. Dieser liegt bei den besten monokristallinen Modulen zwischen 20 und 22 Prozent, während die billigeren polykristallinen Solarmodule etwa 15 bis 20 Prozent erreichen. Bis 2050 werden auf weniger günstigen Standorten verstärkt die besonders preiswerten sogenannten Dünnschichtmodule genutzt, die aber nur einen Wirkungsgrad zwischen 10 und 15 Prozent erreichen. Ihnen stehen Hochleistungsanlagen gegenüber, bei denen mehrere transparente Halbleiterschichten übereinanderliegen, die jeweils einen Anteil des Lichtspektrums in Strom verwandeln. Derartige Anlagen haben schon einen Wirkungsgrad von 40 Prozent, denkbar sind Wirkungsgrade bis 80 Prozent.9

Eine 2050 kaum noch thematisierte Frage ist, wie weit die Herstellung von Solarzellen Umweltschäden verursacht und wie viel Energie bei ihrer Herstellung verbraucht wird. In Deutschland dauert es 2020 ungefähr ein bis zwei Jahre, bis die zur Herstellung verbrauchte Energie von der Solarzelle produziert wird. Danach liefert die Anlage 20 bis 30 Jahre Strom. In Solarzellen stecken auch keine weltweit knappen oder besonders umweltschädlich gewonnenen Rohstoffe. Sie bestehen vorzugsweise aus Silizium, der aus Sand gewonnen wird, und Aluminium. Hinzu kommt etwas Silber.10 Außerdem besteht die Aussicht, dass neue Materialien die teure Herstellung von Silizium überflüssig machen können. An der Spitze der Hoffnungsträger stehen dabei Solarzellen auf Perowskit-Basis. Perowskit-Solarzellen können einfach und günstig industriell gedruckt werden. Sie sind hocheffizient, dünn, leicht und flexibel.11

Photovoltaik und Stromspeicher

Weitverbreitet sind 2050 billige Stromspeicher als Bestandteile von Solaranlagen. Der Preisrückgang hat mehrere Ursachen. Innerhalb der letzten zehn Jahre sind die Preise für Lithium-Ionen-Batterien um etwa 90 Prozent zurückgegangen.12