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Es ist Ende Oktober, und Roar nutzt bei einer Tagung auf dem Lande die Gelegenheit und geht das erste Mal in seinem Leben joggen. Die Schuhe dazu hat er in einem Geschäft aus dem Korb gezogen und in der Eile nicht bemerkt, dass sie verschiedene Größen haben. Als Erstes läuft er sich eine schmerzende Blase. Unterwegs verläuft er sich und trifft auf eine ebenfalls joggende Frau, die sich auch verlaufen hat. Gemeinsam probieren sie die unterschiedlichsten Wege aus, ohne Erfolg. Helle Helle schildert in ihrem neusten Roman, wie aus einer einfachen Alltagssituation eine beklem mende Extremsituation wird, die zwei Fremde zu sammenführt.
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Seitenzahl: 161
Helle Helle
Wenn du magst
Roman
Aus dem Dänischenvon Flora Fink
DÖRLEMANN
Die Originalausgabe»Hvis det er« erschien 2014bei Samleren in Kopenhagen.eBook Ausgabe 2016Alle deutschsprachigen Rechte vorbehaltenCopyright © 2014 Samleren, KopenhagenCopyright © 2016 Dörlemann Verlag AG, ZürichSatz und eBook-Umsetzung: Dörlemann Satz, LemfördeISBN 978-3-03820-934-8www.doerlemann.com
Inhalt
1
Das bin nicht ich. Niemals stehe ich so hinter einem Baum im Wald. Die Blätter fallen herab. Es ist Ende Oktober, es sind die letzten Blätter.
Ich dachte, ich würde immer geradeaus laufen. Aber ich kam wieder und wieder an demselben Moorloch mit dem welken Farn vorbei. Ich lief nach links und nach links und einige Zeit später erneut, oder auch nach rechts, und dann noch einmal. Das konnte ich mir merken, das war vor der Blase.
Jetzt hängt die Sonne tiefer am Himmel, und ich bin nicht allein. Eine Frau steht auf dem Weg. Sie kramt in ihrer Hosentasche, sie trägt ein Stirnband. Die Trainingsjacke um die Hüften gebunden. Sie steckt sich etwas in den Mund, dann schaut sie in meine Richtung. Ihre Kaumuskeln bewegen sich auf und ab. Doch sie hat mich wohl nicht gesehen, denn jetzt gleitet der Blick weiter hinauf zu den Baumkronen, sie legt den Kopf ganz zurück. So bleibt sie stehen, vielleicht ist dort oben irgendetwas. Sie kann selbst in dieser Haltung kauen. Ich hebe den Kopf, um zu sehen, was da sein mag, aber da ist nur blauer Himmel über all den krummen Zweigen. Der Mond ist schon aufgegangen, reichlich früh.
Als ich den Kopf senke, hat sie sich wieder in Bewegung gesetzt. Die Trainingsjacke schwingt von Seite zu Seite.
Ich will es kurz machen, ich weiß nicht, wohin mit mir. Ich habe mich in diesem großen Wald verlaufen. Ich weiß nicht viel über Wälder, ich bin kein Naturbursche. Das haben die anderen auch vorgestern beim Kaffee gemeint. Aber hier bin ich nun unter den jütländischen Hünen, in sogenannten Laufschuhen.
Es gelingt mir, gewissermaßen in Gang zu kommen, um den Baum herum und zurück auf den Weg. Ich entscheide mich, in die entgegengesetzte Richtung zu laufen, also von ihr fort. Nach einiger Zeit teilt sich der Weg in drei Richtungen, ich bewege mich nach rechts, an einer größeren Lichtung und hinter einem Stück Kiefernwald vorbei. Hier ruhe ich mich kurz auf einem Feldstein aus. Sie taucht so plötzlich von links auf, dass mir ein jähes Schnaufen entfährt. Es zuckt in meiner Schulter. Wir nicken uns zu, sagen aber nichts, sie läuft auf dem Gras in der Mitte des Weges, zwischen den Reifenspuren. Deshalb habe ich sie nicht gehört. Das war nicht gut für meine Schulter, was da passiert ist. Verwende das Wort nicht nicht so oft.
Ich gehe jetzt in die Richtung, aus der wir beide gekommen sind, um ihr nicht wieder über den Weg zu laufen. Aber schon bei der Lichtung weiß ich nicht, wohin nun weiter. Ein Raubvogel schwebt hoch oben und zieht über den Baumwipfeln seine Kreise. Ich beschließe, die Lichtung zu überqueren, vielleicht ist ja auf der anderen Seite eine Öffnung, ich stapfe durch das Gras. Es ist hoch und unwegsam, aber ich komme voran. Die Lichtung ist ausgedehnter, als ich dachte. Ich bleibe auf halbem Weg bei einem vereinzelten Baum stehen, ich sehe mich um. Aber da gibt es nicht viel zu sehen. Aber, aber, aber. Ein Laufschuh schaut unter dem niedrigsten Ast hervor, er sitzt an ihrem Fuß.
2
Sie kommt aus Aars, sie arbeitet in einem Bekleidungsgeschäft, allerdings nur übergangsweise. Sie hat sich am frühen Nachmittag verlaufen. Wie ich wohl schon bemerkt hätte, haben wir hier keinen Mobilempfang. Sie gestikuliert reichlich, ihre Hände sind kurz und viereckig.
– Das ist schon ein bisschen scheiße, sagt sie.
Wir stehen noch immer mitten auf der Lichtung, wir sehen uns in verschiedene Richtungen um. Wir gehen nicht weiter darauf ein, dass sie in diesem Baum saß. Es wird langsam dunkel, das hohe Gras wogt in vielerlei Nuancen von Blassgelb. Eine schwach erkennbare Spur zeigt an, wo ich gegangen bin, aber ihre kann ich nicht sehen.
– Ich bin mit dem Rufbus gefahren. Also das letzte Stück hierher. Im Dezember ist es ein Jahr her, dass ich mit dem Laufen angefangen habe, sagt sie.
Wenn sie ja sagt, sagt sie jea. Ich betrachte ihr Stirnband, sie berührt es:
– Das ist von meinem Stiefsohn, er ist Pfadfinder.
Dann entsteht eine Pause im Gespräch. Sie hat offenbar einen Schnürsenkel zu straff gebunden, sie beugt sich nach vorne und lockert ihn. Sie trägt eine Art Gürtel um die Taille mit einer Wasserflasche an jeder Seite, sie kehrt in die Senkrechte zurück und löst eine der Flaschen, trinkt, wischt sich über den Mund.
– Willst du auch einen Schluck? Hier, trink einfach.
Sie hält sie mir entgegen, ich lehne dankend ab. Sie trinkt selbst noch einen kleinen Schluck, schiebt die Flasche dann wieder an ihren Platz zurück.
– Ich glaube, die Richtung ist am besten, sagt sie, den Arm nach dorthin ausgestreckt, wo Osten sein muss, jedenfalls geht die Sonne etwa gegenüberliegend unter.
Wir überqueren die Lichtung in der vorgeschlagenen Richtung. Unsere Schatten sind lang, meiner etwas länger als ihrer. Aber sie ist in der Mitte breiter, auch wegen der Wasserflaschen und mit der um sie schwingenden Trainingsjacke. Von ihr kommt ein rhythmisches Klicken, sicher irgendetwas am Reißverschluss. Dann stolpert sie beinahe über etwas im Gras, sie kreischt laut, was auch mich aufschreien lässt. Sie findet schnell das Gleichgewicht wieder, wir bleiben kurz stehen und verschnaufen.
– Schreck auch, haha, sagt sie, bevor wir weitergehen.
Auf der anderen Seite der Lichtung ist der Waldweg breit und mit Schotter bedeckt. Sie löst die Trainingsjacke von den Hüften und zieht sie an, der Reißverschluss macht Probleme. Ich nutze die Wartezeit, um meine Socke zurechtzurücken, ich ziehe und zerre, sie stößt eine Reihe rhythmischer Laute aus:
– Menno, menno.
Aber dann schafft sie es endlich mit der Jacke, und wir setzen uns wieder in Bewegung. Sie weist mit einem Nicken auf meinen Fuß:
– Hast du dir Blasen gelaufen? Dann ist es wohl fast besser, sie auszuziehen, sagt sie, und ich schüttele den Kopf, was wohl ihrer Aufmerksamkeit entgeht, denn sie fährt fort:
– Okay, vielleicht nicht direkt hier. Wer kommt überhaupt auf die Idee, so was auf einen Waldweg zu kippen?
Sollte es in Gebüsch und Gesträuch rascheln, sind wir nicht imstande, es zu hören. Unter unseren Füßen lärmt und rasselt der Schotter. Wir gehen beide recht wackelig, sie mit ihrem einen Arm halb zu mir herübergestreckt, sie hebt die Stimme:
– Das ist ja schlimmer als bei Jens Vejmand, so heiße ich auch fast mit Nachnamen, ein trauriger Straßenarbeiter, nur ohne Lied. Pass mit denen da auf.
Wir manövrieren um ein paar größere Steine herum, jetzt greift sie kurz nach meinem Ärmel, dann lässt sie los und bleibt für einen Augenblick stehen:
– Und wie heißt du?
– Roar.
– Roear?
– Ja, mit a, sage ich, und sie nickt ein paarmal.
– Das ist schon sehr speziell. Jea, sagt sie.
Dann gehen wir weiter.
3
Niemals gehe ich so mit einer Frau mit Stirnband in rasch zunehmender Dämmerung, ganz ohne Ziel und Zweck. In Schuhen aus der Stadt Arden, ich habe sie vorgestern gekauft. Sie lagen in einem Metallkorb vor dem Sport- und Parfümgeschäft, es gab nur dieses eine Paar. Leider zwei verschiedene Größen, das habe ich in der Eile nicht bemerkt. Die Verkäuferin kam mit einem Lappen hinaus auf den Gehsteig, sie wischte den Metallkorb ab. Ich folgte ihr in das Geschäft, die Schuhe in der Hand, sie waren zusammengeheftet, sie schnitt sie auseinander. In einem Fenster des Ladens stand ein Podest, darauf saß ein kleiner Hund, er sah mich lange an und wandte sich dann ab. Ich bezahlte mit Karte. Es dauerte lange, bis die Bezahlung erfolgt war, wir standen da und warteten. Die Verkäuferin faltete den Lappen zusammen, er war gelb. Ich hatte niemals zuvor jemanden einen Lappen falten sehen. Sie faltete ihn wie eine Tischdecke, strich ihn auch glatt. Ich ging von dort fort, die Schuhe in einer Tüte, ich ging durch die Straßen. Da hätte ein Bäcker sein sollen. Ich ging ins Bahnhofsgebäude, weil die Straße aufhörte. Ein paar junge Menschen mit Plastikflaschen schauten auf und rauchten dann weiter. Auf dem Bahnsteig kündigte die Anzeigetafel den nächsten Zug in vierzig Minuten an, das war der Zug Richtung Norden. Ich bewegte mich um das Gebäude herum, die Luft war nasskalt. Die Verkäuferin schlappte mit dem kleinen Hund den Gehsteig entlang, jetzt in einen Hundemantel gekleidet. Sie ließ ihn an etwas unter einer Bank schnüffeln, studierte währenddessen ihre Handfläche. Als ich mich näherte, hob sie den Blick und sah mich direkt an, ohne einen bestimmten Gesichtsausdruck. Ich setzte zu einem Gruß an. Aber noch bevor daraus etwas wurde, richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Handfläche.
Gegenüber dem Bahnhof war ein Immobilienmakler. Ich sah mir im Fenster Häuser an, ich las jede einzelne Beschreibung mit sämtlichen Beträgen und Finanzierungsvorschlägen. Ich war der letzte am Auto, die Sonne hatte auf dem Parkplatz eine glühend orangefarbene Spur hinterlassen.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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