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Zwischen Mensch und Hund gibt es immer wieder Missverständnisse, weil die Signale, die der jeweils andere sendet, nicht gesehen, nicht verstanden oder falsch interpretiert werden. Anne Krüger-Degener zeigt, wie Kommunikation gelingt. Praxisnah und mit vielen Beispielen erklärt sie typisches Hundeverhalten und wie man nach der HarmonieLogie®-Methode Beobachtung, Körpersprache und Einfühlungsvermögen einsetzt, um Hunde lesen und lenken zu können. Dadurch wächst das gegenseitige Vertrauen, die Hunde sind jederzeit ansprechbar und folgen ihrem Menschen gern.
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Seitenzahl: 309
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Liebe Anne,
wie machst Du das nur? Kind, Mann, Hof, Unterricht, Lämmergeburten, Webinare, Hunde, Pferde, Enten, Turniere, Shows usw. Und schon wieder hast Du ein Buch geschrieben! Da Du niemals stillstehst und nicht nur Dich selbst, sondern auch Deine Methode, die HarmoniLogie, immer weiter entwickelst, ist es nicht verwunderlich, dass all Deine neuen Erkenntnisse in einem neuen Werk veröffentlicht werden wollen.
Die Welt hat sich durch die vergangenen Monate sehr verändert, und das Leben hat uns einmal mehr aufgefordert, uns zu bewegen. Jeder von uns hat noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise seine eigenen Grenzen zu spüren bekommen. In diesen Zeiten ist eine, wie ich finde, sehr lebenswichtige Tugend wieder einmal besonders zum Tragen gekommen: Mut. Was bedeutet es aber, mutig zu sein? Mutig zu sein heißt, den Weg in das Unbekannte zu wagen. Und das warst Du in meinen Augen. Du hast begonnen, Dein Wissen in digitaler Form weiterzugeben. Und auch dieses neue Buch ist mit den Filmen über die KOSMOS Plus App ein Schritt in eine neue Richtung, die das Lernen extrem vereinfacht.
Seit fast 13 Jahren bilde ich jetzt meine Hunde mit Dir zusammen nach Deiner Methode aus. Inzwischen führe ich vier Labradore und einen Dackel. Als wir begannen, hätte ich mir niemals vorstellen können, jemals mehr als zwei Hunde auf einmal zu besitzen. Waren mir bis dahin zwei schon fast zu viel, könnte ich mir heute leicht noch einen sechsten und siebten Hund vorstellen. Warum dieser Sinneswandel? Weil mein Zusammenleben mit den Hunden dank der guten Kommunikation so einfach geworden ist, dass ich ohne Probleme überall mit meinen Hunden hingehen kann, ohne jemals die Kontrolle zu verlieren. Die Hunde orientieren sich an mir, und wir arbeiten im Team miteinander. Kein lautes Wort, alles ist stets freundlich und ruhig. So ist es reinster Genuss, mit so vielen Hunden gleichzeitig unterwegs zu sein, denn die Hunde achten auf mich und nicht ich auf sie. Diese Art des Miteinanders lernt man bei Dir und Deiner Methode, der HarmoniLogie. Und ich kann sagen, es ist jeden Tag aufs Neue ein Geschenk für mich, dass ich das erlernen durfte. Und jedes Mal, wenn wir zusammenarbeiten, gibt es wieder ein kleines Detail, was Du mit deinem scharfen Auge entdeckst und mir mit auf den Weg gibst, um noch feiner im Dialog mit meinen vierbeinigen Freunden zu werden. Dafür haben sich jede einzelne der 290 Autofahrten gelohnt.
Ich möchte mich an dieser Stelle von Herzen bei Dir bedanken, für Dein Wissen das Du immer mit uns teilst, Deine Geduld, wenn es mal etwas länger dauert, und Deine Rastlosigkeit, die Dinge immer wieder zu hinterfragen und damit weiter zu entwickeln. Es macht einfach riesig Spaß mit Dir, Hunde zu echten Partnern fürs Leben zu machen. Danke!
Herzlich
Deine Alexandra
© Anna Auerbach/privat
Alexandra Jahr mit ihren vier Labrador Retrievern Purdey, Joy, Sunny und Ginger.
© Anna Auerbach/Kosmos
Ein Freund ist jemand, der alles von dir weiß, und der dich trotzdem liebt.
(Elbert Hubbard)
Treffender kann man es auch für einen Hund, der einem ein Gefährte ist, nicht formulieren.
Vertrauen ist wie eine Pflanze. Es ist beweglich, lebendig, verletzlich. Man kann es ebenso zum Wachsen bringen, wie man es vernichten kann. Es hat eine eigene Dynamik, fast eine Seele. Vertrauen ist das größte Gut einer Beziehung, egal, wie viele Beine und Herzen diese Beziehung hat.
Die Glaubwürdigkeit ist der Nährboden für das Vertrauen. Diese erarbeiten wir uns durch die Fähigkeit, Beschlüsse zu fassen, durch konsequentes, freundliches Handeln, besonders aber durch die Eindeutigkeit unserer Sprache und unserer Kommunikationswege.
Widmen wir uns den beiden Systemen in unserem Körper, dem Bindungssystem und dem Bedrohungssystem. Rein neurobiologisch ist ausschließlich das Bindungssystem in der Lage, das Bedrohungssystem zu beruhigen. Diese Tatsache allein sollte uns Ansporn sein, einen großen Teil der Erziehung und Schulung unseres Hundes dem Bindungssystem zu widmen. Nein, wir sollten nicht das Bedrohungssystem zum Schweigen bringen oder jede Form von Bedrohung vermeiden, damit es unserem Schützling gut geht. Wir müssen unseren Hund stabil, belastbar, kritikfähig und ausdauernd machen, damit er gesund durchs Leben gehen kann.
Komfortzonentraining, soziale Fellpflege, Kuscheln, also geistiger und körperlicher Kontakt und Spielrituale, Verbindlichkeit, Glaubwürdigkeit, glaubhafte Energie und ganz besonders eine eindeutige Sprache. Ein Informationsfluss, der keine Zweifel, kein Missverstehen, keine Doppeldeutigkeiten aufkommen lässt. Gemeinsame Freude macht gemeinsames Glück, gemeinsame Erfolge formen gemeinsamen Stolz. Sich auf den anderen verlassen können und sicher sein, dass dieses Vertrauen nicht verletzt wird, das ist der Wunsch, der auf beiden Seiten, ob Fell, ob Haut, eine treibende Kraft ist und Bindung erzeugt.
© Anna Auerbach/Kosmos
Bindungstraining ist elementar in der HarmoniLogie®.
© Anna Auerbach/Kosmos
Je stärker die Bindung und das Vertrauen sind, umso intensiver ist die Beziehung.
Was zerstört das Vertrauen und erzeugt Misstrauen, was erstickt das Bindungssystem und bläht das Bedrohungssystem auf? Das Verstehen, der reibungslose Dialog machen die Beziehungen groß, und das Missverstehen ist es, was sich wie eine Löschdecke auf das Glück legen kann.
In der Beziehung zu unseren geliebten Hunden braucht es nicht viel, um Vertrauen aufzubauen und um es gut und sorgsam zu pflegen. Es braucht Liebe, Spur und Glaubwürdigkeit. Nur ein großes Herz reicht leider nicht. Es braucht eben auch den Respekt zu und vor der anderen Kreatur.
Interessant bei diesem Thema ist die Rückkopplung, wenn wir Vertrauen für Vertrauen schenken und umgekehrt. Das erreichen wir durch Zuhören, Lesen und Verstehen. Es ermöglicht uns den Weg in die wunderbare Welt der echten Freundschaft. Also machen wir uns auf den Weg.
Im Leben eines Hundes gibt es viele wunderbare Momente. Wenn es leicht und blumig ist, das Leben, dann ist einem vieles recht, so auch Ihrem Hund. Aber es gibt auch die anderen. Die Momente, in denen Ihr Hund so richtig aus seiner Komfortzone gerät – warum auch immer. Vielleicht durch einen Kontakt mit dem Elektrozaun einer Rinder- oder Schafweide, durch Silvesterböller, einen Autounfall oder durch den Angriff eines anderen Hundes. Momente eben, auf die man sich und seinen Hund schlecht vorbereiten kann. Was passiert da? Wie verhält sich Ihr Hund? Läuft er weg, versucht, sich irgendwo zu retten, friert er an Ort und Stelle ein oder sucht er Sie, kommt zu Ihnen und läuft unmittelbar in Ihre Hände? Spätestens hier erkennen wir, ob wir das Zuhause unseres Hundes sind oder nicht. Hier können wir sehr deutlich verstehen, ob unser Hund uns vertraut oder ob er in der Not einsam ist.
Es soll nicht beim Wunschdenken bleiben, es soll Realität werden. Die HarmoniLogie® versteht den Menschen als das Zuhause des Hundes und kennt den Weg dorthin. Sie schult die Teams so, dass der Mensch dem Hund Sicherheit, Zuflucht und Schutz bietet. Der Mensch gibt seinem Hund Vertrauen und kann ihn fördern und regulieren. Der Mensch wird zum Partner, zum Gefährten des Hundes, weil er ihn versteht, ihm zuhört, seine Sprache spricht und ihn unterstützt und reguliert. Das Gefühl, zu Hause zu sein, beschreibe ich gerne mit dem Geschmack eines warmen Kakaos und dem Duft von leckerem Kuchen. Zu Hause ist der Ort, wo man sein kann, wie man ist, und trotzdem geliebt wird. Zu Hause ist Schutz, Komfortzone und Wärme. So sollte es zumindest sein. Wer den Luxus eines Zuhauses hat, der weiß, dass es einen unbezahlbaren Wert darstellt. Ein Futterspender, eine Ballwurfmaschine jedoch sind dem Hund kein Zuhause. Sie sind Anregung, Erregung und Stress. Kommt der Hund aus seiner Komfortzone, dann wird er nicht zu einem Futterspender oder einer Ballwurfmaschine laufen. Er wird den Ort oder das Wesen suchen, welches ihm Sicherheit bietet. Wenn Sie wollen, dass Ihr Hund Ihnen vertraut, dann seien Sie sein Zuhause.
© Anna Auerbach/Kosmos
Der Mensch ist die zweibeinige Komfortzone des Hundes, wo er Schutz, Sicherheit und Zuflucht findet.
© Anna Auerbach/Kosmos
Gegenseitige Gesprächsbereitschaft, gehört und verstanden zu werden, sind die Grundlagen für den Dialog.
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Bindungsrituale und Verständnis stärken die Beziehung zwischen Mensch und Hund.
Hunde, die ihren Menschen als Zuhause wahrnehmen, sind stressbelastbar, auch wenn es draußen böllert. Ein starkes Bindungssystem kann das Bedrohungssystem leicht beruhigen. Um das Bindungssystem zu aktivieren und zu stärken, braucht es eine belastbare Beziehung. Die Beziehung wiederum gedeiht mit jeder Begegnung und die Begegnung gestalten wir durch die Anwendung gemeinsamer Kommunikationswege.
Das Gefühl, gehört und verstanden zu werden, sich auf Signale geeinigt zu haben, sich ungestört, vielleicht auch ungebremst mitteilen zu können, ist gewiss ein Teil der Heimat. Die Feinheit von Sprache, ob als Muttersprache oder Dialekt, kann in einem Menschen unmittelbar heimatliche Gefühle auslösen. Würden wir in einem Bus in der Mongolei sitzen und hörten einen anderen Passagier in der gleichen Sprache, vielleicht sogar mit dem gleichen Dialekt wie dem eigenen sprechen, entstünde sofort ein Gefühl von Zusammengehörigkeit mit der Möglichkeit für Vertrauen. Gemeinsame Sprache schafft ein Zugehörigkeitsgefühl und dadurch auch ein Stück Heimat. Sie ist das wichtigste Bindeglied zwischen Individuen, auch über Speziesgrenzen hinweg.
Sprache ist dabei das Werkzeug, mit dem wir die Begegnung gestalten, das darüber entscheidet, ob das Bedrohungssystem oder das Bindungssystem aktiviert wird. Die Besonderheit der Beziehung dieser beiden Systeme besteht darin, dass sie sich niemals gleichzeitig, sondern ausschließlich in gegenläufiger Weise aktivieren lassen.
Wie Sie das Zuhause Ihres Hundes werden können, was Sie brauchen, um die Heimat darzustellen, das erfahren Sie auf dem Weg der HarmoniLogie. Es ist kein weiter, kein komplizierter Weg. Es ist ein sicherer Weg, dessen Route Sie eigentlich schon in sich tragen. Starten wir den Weg zum Vertrauen, machen wir uns auf die Reise nach Hause.
Wenn nun die Sprache die Verwendung der gleichen Kommunikationswege Heimat bedeutet, dann hilft Ihnen die HarmoniLogie® zum wertfreien Dialog und dazu, dem Hund den Weg nach Hause zu zeigen.
HarmoniLogie. Teilen Sie das Wort in zwei, dann geht es leichter über die Zunge. Wollen wir nicht alle Harmonie? Wollen wir nicht Spaß und Freude mit unseren Tieren, verbindliche Entspannung, Zugewandtheit und Losgelassenheit? Wir wollen unsere eigene und die Seele unseres Hundes baumeln lassen. Am liebsten zusammen.
Logie ist die Bedeutung einer Lehre, eines logischen und intellektuellen Aufbaus. HarmoniLogie bedeutet nichts anderes als ein logischer Weg in die Harmonie, in die Freude mit dem Partner Tier. Und das ohne Bestechung oder Überwindung, also ohne Keks und ohne Kraft. Ein Weg, der den Dialog mit dem vierbeinigen Gefährten in den Vordergrund stellt und den Menschen befähigt, das Tier zu überzeugen.
Der Ursprung der HarmoniLogie war in der Tat die Arbeit mit den Hütehunden. Durch das Leben mit den Herden und die Arbeit mit den Hütehunden habe ich einen Zugang zu den Tieren bekommen, der fernab von Kunststücken, Sport oder Konditionieren war. Ich brauche in dieser Tätigkeit eine stabile, echte Erreichbarkeit der Hunde. Und zwar immer. Die Hütehunde bestehen aus einem hochselektierten Beutetrieb, die Schafe stellen die Beute dar. Ich liebe meine Schafe ebenso wie die Hunde und muss nun dafür sorgen, dass auf allen Seiten fair gespielt wird. Um eine große Herde sicher durch den Straßenverkehr zu bewegen, was wir auf unseren Umtrieben zu den neuen Weidegründen regelmäßig tun müssen, brauche ich Hunde, die stark sind, leistungsbereit, hochmotiviert und stets mit mir im Kontakt. Die Herde darf nicht beunruhigt werden und sollte zu keinem Zeitpunkt unter Stress geraten.
© Anna Auerbach/Kosmos
© Anna Auerbach/Kosmos
Das Naturgesetz der Sprache habe ich von und mit den Tieren erlernt.
Dennoch müssen all diese vielen Geister in meiner Spur sein. Manchmal haben die Schafe auch andere Vorschläge zur Navigation unserer Route und würden lieber schon mal in Nachbars Getreide oder Kleefeld einlenken. Nun ist mein vorausschauendes und räumliches Denken gefragt. Ich muss meinen Hunden vermitteln, was sie den Schafen sagen sollen, damit die Herde exakt auf meiner Spur bleibt. Die Hunde sind also so etwas wie meine Übersetzer, denn sie können durch die räumliche Sprache, ihren präzisen Einfluss und ihre enorme Geschwindigkeit viel besser und direkter mit den Schafen kommunizieren als ich. Ein immer wieder berührendes Schauspiel zwischen drei Gattungen, die zu einer vollendeten Trilogie zusammenwachsen, wenn sich jeder an die Naturgesetze der Sprache hält.
Bei all den romantisch anmutenden Bildern, die Sie nun vielleicht im Kopf haben, geht es allerdings tatsächlich ausschließlich um kluge geometrische Berechnungen. Laufstrecke geteilt durch die Geschwindigkeit, das Bemessen der Winkel und Erkennen der individuellen Distanzen. Es geht um sachliches Erlesen der individuellen Signale der verschiedenen Tiere. Es geht hier nicht um Emotionen, um Interpretationen oder tiefgreifende Analysen. Ich muss dominieren und Kompromisse machen, damit ein solches Manöver nach meinen Vorstellungen und den Gesetzen der deutschen Verkehrsordnung abläuft. Und hier habe ich Ihnen bereits den ersten Schlüssel zum Glück gegeben, den die HarmoniLogie für uns und unsere geliebten Tiere bereithält. Die Symbiose aus Dominanz und Kompromissbereitschaft. Denn nur und ausschließlich hiermit bin ich in der Lage, umsichtig, wertschätzend und artgerecht die Tiere zu führen, zu lenken und zu schulen.
© Anna Auerbach/Kosmos
Damit die Herde sich in Bewegung setzt …
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… kommuniziert der Hund räumlich und leiblich.
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Die HarmoniLogie® ist artübergreifend.
So ist ein guter Schäfer nicht der, der mit der Harfe unter dem Apfelbaum steht und den Schafen beim Fressen zuschaut. Ein guter Hirte ist derjenige, der die Tiere lesen kann, offen für ihre individuellen Reaktionen ist und die geometrischen Gesetze der Natur versteht und anwendet.
In diesem Dialog hat Futterkonditionierung keinen Platz, denn sie wirkt wie das Arbeiten über Verführung und Bestechung. Loben kann der Mensch am besten mit dem Herzen und damit, dass er den Hund in dem fördert, was dieser gerne tut. Und das kann jeder.
Die HarmoniLogie ist diesem Hintergrund entsprungen und hat verstanden, dass die Gesetze absolut artübergreifend funktionieren. Es ist in der Tat egal, ob Sie den Dialog mit einem Pferd, einem Hund oder einem Menschen führen. Im Rahmen der Evolution haben wir denselben Weg zurückgelegt und sind neurobiologisch sehr verwandt. Das machen wir uns zunutze.
Wir Menschen kommunizieren nicht nur, sondern wir benutzen auch eine Sprache. Wörter, Signale, Synonyme, mit denen wir Situationen, Dinge und Gefühle beschreiben können. Das macht unser komplexes Denken aus. Dies entstand durch die Entwicklung des Neokortex in unserem Gehirn, oder der Neokortex hat sich dadurch entwickelt – ein evolutionsgeschichtlicher Prozess. Dieser Neokortex befähigt uns, über das, was wir sagen wollen, denken, fühlen, erlebt haben, zu sprechen. Tiere können das nicht. Sie können nur kommunizieren. Und das im Jetzt. Das bezeichnen wir als lineares Denken. Das komplexe Denken des Menschen bedient die Vergangenheit und die Zukunft. Das lineare Denken des Tieres bedient einfach das Jetzt. Hunde denken zeit- und lösungsoptimiert. Sie sind Meister darin, das absolut Beste aus ihrem Jetzt zu machen. Nehmen wir den dicken Hund, der besessen davon ist, so viel Nahrung wie möglich in kürzester Zeit aufzunehmen. Der denkt nicht an morgen und auch nicht an seine Figur. Für ihn ist das Jetzt Maß aller Dinge.
Die HarmoniLogie holt uns Menschen in die Ebene des Jetzt und vereinfacht die Kommunikation so, dass sie für das Tier verständlich wird. Durch gutes räumliches Denken, eine klare leibliche Sprache und eindeutige akustische Signale lernen wir, uns dem Tier mit Leichtigkeit verständlich zu machen. Die Signale, die das Tier uns sendet, lernen wir zu lesen. Also können wir erkennen, wie es Raum und Zeit bedient, welche leiblichen Signale es benutzt und wie es sich uns mitteilt. Wir lernen zu erkennen, welchen Ursprung sein Verhalten hat.
001
Zum Film: Border Collie bei der Arbeit aus der Vogelperspektive
Das Tier zu lesen bedeutet, es von vorne bis hinten wahrzunehmen, zu erkennen, wie es sich bewegt und wie es Raum und Zeit bedient. Es bedeutet, offen zu sein für seine Antworten, um ihm nicht die eigene Wirklichkeit überzustülpen. Dazu lernen wir, es wertfrei zu lesen. Die wichtigsten Zeichen, die wir schnell erlernen können, sind:
Das Maul geöffnet, geschlossen, ange- oder entspannte Lefze, Maulaktivität wie Kauen oder Schmatzen, Züngeln oder seitliches Abschlecken, angelegtes Tasthaar auf 45 Grad oder aufgestellt auf 90 Grad
Das Auge weit geöffnet, entspannt oder zu einem Schlitz gezogen, mit Lidschlag oder ohne, bewegliche Augenbrauen oder feste
Das Ohr in alle Richtungen entspannt beweglich oder in eine Richtung festgestellt, ob aufrecht oder angelegt
Das Genick beweglich oder steif nach oben bzw. nach unten gesenkt
Der Rücken weich schwingend in der Waagerechten, nach unten oder nach oben durchgedrückt, festgehalten und verspannt
Die Rute aktiv wedelnd, in, über oder unter der Waagerechten, unbeweglich oben oder unten
Das Gangwerk ein weicher, bewegungskonformer (im Rhythmus der Gangart sauber durchfußender) Ablauf, also sauberer Viertakt im Schritt, Zweitakt im Trab, Dreitakt im Galopp, Rhythmusstörungen bis hin zum Passgang, entspannte Fußung vom Ballen zur Zehe oder angespannte Fußung von der Zehe zum Ballen
Die Oberfläche spannungsfrei weich, elastisch mit angelegten Haaren oder angespannt, mit Oberflächenreaktionen bis hin zu aufgestellten Haaren
Das Vegetativum ruhige gleichmäßige Atmung bis hin zu Luftanhalten oder starker ausgeprägter Atmung, Schnauben, Nießen, Prusten, Hecheln, Schwitzen an den Pfoten oder erhöhter Herzschlag bis hin zu einem Muskeltonus
Bewegungsintention zu seinem Menschen, einem anderen Hund, einem Objekt der Begierde hin, nebenher oder weg von ihm
Raum und Zeit in welche Himmelsrichtung richtet der Hund sich zunehmend aus, wie zielstrebig, intensiv benutzt er seinen Körper, frontal, zu oder weggerichtet, quergestellt oder gewinkelt
© Anna Auerbach/Kosmos
All diese Signale können das Ausdrucksverhalten des Hundes darstellen. Ein einzelnes Signal hat keine definitive Aussage. Es sind immer alle Signale zusammen, von vorne bis hinten, die wir einlesen müssen, um am Ende den Funktionskreis bestimmen zu können (siehe hier). Es gibt der Antwort des Hundes eine/seine Wirklichkeit, die er ausdrückt. Um Verstehen zu Vertrauen werden zu lassen, müssen wir Menschen lernen, den Tieren zuzuhören, und dazu dient das Lesen.
002
Zum Film: Hunde lesen
Beginnen wir mit den vier Säulen der HarmoniLogie®. Es sind
die Ansprechbarkeit,
die Lobbarkeit,
die Störbarkeit und
die Abgrenzbarkeit.
Jede Säule wird für sich gearbeitet und gemeinsam mit dem Hund entwickelt. In Kapitel 2 gehe ich intensiv auf diese vier Säulen ein.
Zudem gibt es noch die drei Aspekte der Antwort. Jede Reaktion des Tieres wird auf diese drei Aspekte überprüft:
die Unmittelbarkeit der Reaktion
die korrekte innere Haltung
die korrekte Ausführung der Aufgabe
Bauen Sie sich selbst Ihr Haus der HarmoniLogie® und ziehen Sie mit Ihrem Hund dort ein.
Am wichtigsten ist die Unmittelbarkeit der Reaktion, dann folgt die korrekte innere Haltung und zuletzt erarbeiten wir die Ausführung.
Im gesamten Kontext des Dialoges stelle ich zum Beispiel dem Hund eine Frage bezüglich der Ansprechbarkeit. Ich sage seinen Namen und verbinde damit folgenden Wunsch: Er soll unverzüglich, also prompt, auf mich reagieren, in meine Richtung orientiert sein, mir zugewandt. Und mehr noch, er soll dabei freundlich sein, eine wedelnde Rute, ein offenes Mäulchen und einen weichen freundlichen Körper haben. Das wäre Aspekt Nr. 2. Und dann soll er auch noch zu mir kommen, sich vor mich hinsetzen und mich freundlich und konzentriert anschauen. Das wäre Aspekt Nr. 3. Dies ist der Aspekt, auf den ich in der Ausbildung als allerletztes Wert lege. Wichtig ist die prompte und dann auch freundliche Reaktion.
Ebenso kann ich dem Hund die Frage nach mehr Raum stellen. Das wäre ein Teilbereich der Störbarkeit. Zunächst gebe ich ihm ein Störsignal: „Nein, nein, nein“, freundlich und leise gesprochen. Und dann fordere ich mit einer Bewegung in Richtung seines Rippenbogen mehr Raum. Das Ziel ist, dass er prompt, freundlich wedelnd ausweicht und mich anschaut. Mir also nicht nur mehr Raum, sondern auch mehr Achtsamkeit schenkt. Dann wären alle drei Aspekte der Antwort mit Bravour erledigt.
Bediene ich die Störbarkeit im Sinne des Begrenzens, dann ist ein Hund fertig geschult, wenn ein leises „Nein, nein, nein“ reicht und mein kleiner Freund sich unmittelbar mir zuwendet und den Radius, innerhalb dessen er sich bewegen soll, respektiert. So zum Beispiel auch das Ende der Leine. Auf diese Weise kann ich ihm die Grenze seiner Heimat verdeutlichen. Doch hierzu später (siehe hier).
Betrachten wir die Lobbarkeit, so ist diese Säule gut geschult, wenn ich beginne, meinen Hund zu loben, und er unmittelbar das Maul öffnet, sich mir zuwendet, wedelt, weich und positiv aktiv ist. Seine Reaktion auf mein Lob soll angemessen sein an dem Maß des Lobes. Streichle ich ihn, dann ist es gut, wenn er in meinen Händen entspannt, tobe ich mit ihm herum, ist es richtig, wenn er mit mir tobt, meine Bewegungen spiegelt, ohne dabei übergriffig zu werden.
© Anna Auerbach/Kosmos
Ein offenes Maul, Lidschlag, eine wedelnde Rute – eine gesunde Beziehung.
Mit der Abgrenzbarkeit bin ich in der Lage, meinen Hund jederzeit unmittelbar auf etwas mehr räumliche Distanz zu bringen, ähnlich wie bei der Störbarkeit, bei der ich auch mehr Raum fordern kann. Der Unterschied ist hier, dass ich nicht nur mehr Raum bekomme, es also eine Veränderung der äußeren Haltung betrifft, sondern auch eine Veränderung der inneren Haltung. Es ist der Bereich des „aktiven Angebotes“, das wir ansprechen. Raum geben und Raum fordern ist ein elementares Element jeder Beziehung. Das aktive Angebot (siehe hier) ist ein Joker im Umgang miteinander, egal, ob wir derselben Spezies angehören oder nicht. Die Signale, die aufrecht, weich und würdig sind, führen zu einer großen gegenseitigen Akzeptanz und am Ende zu tiefem Vertrauen.
003
Zum Film: Bond einladen
Klug und weise ist das Prinzip der Ampel. Und auch sie wurde nicht im menschlichen Denken erfunden, sie wurde bei den Tieren abgeschaut. Davon bin ich überzeugt. Jedes Tier, das sich zur Wehr setzt, mehr Raum fordert oder Achtsamkeit verlangt, tut dies nach dem Prinzip der Ampel. Vier Phasen hat diese und ist logisch und methodisch leicht zu erlernen. Grün ist immer der Rahmen der Harmonie, ein freundliches Signal, eine leise Bitte, eine Anweisung. Entspannt und höflich. Kommt keine Reaktion, was durchaus möglich ist, dann wird eine Warnung erzeugt (Orange). Leise und unaufdringlich, aber eindeutig und klar. Nun kann der Angewarnte einlenken und reagieren oder auch nicht. Bei „nicht“ entsteht eine Form von Impulsivität (Rot). Immer der Reaktion des Angewarnten entsprechend wird ein Impuls freigesetzt, der weder Gewalt noch Bedrohung darstellt, sondern eher wie ein Aufwecken wirken soll. So, als würde Ihr Radiowecker Sie morgens aus dem Schlaf holen. Mehr nicht. Kein Strafen, kein Demütigen, kein Beängstigen. Mit Erwachen Ihres Hundes laden Sie ihn zu sich ein und beginnen mit einer riesengroßen Harmonie (Grün). Achten Sie auf das eindeutige Einhalten der Ampelphasen, damit Sie glaubwürdig sind.
Tierschule ist kinderleicht, warum? Weil sie so logisch sein muss, dass Tiere sie verstehen. Ein Hund soll in etwa das geistige Niveau eines sechsjährigen Kindes erreichen. Also reduzieren wir jetzt einmal das, was Sie eben gelernt haben, auf Plan A und B. Sie sprechen Ihren Hund an. Nun hat er zwei Möglichkeiten. Er kann reagieren, Plan A, oder nicht, Plan B. Bei A, „er kann“, wechseln Sie in die Lobbarkeit! Bei „nicht“, B, wechseln Sie in die Störbarkeit. Ein leises und entspanntes „Nein, nein, nein“ als Warnung gibt Ihrem kleinen Kollegen die Chance, zu Plan A zu wechseln. Tut er das nicht, dann wecken Sie ihn auf. Nein, nicht mit Wurst und auch nicht mit Gewalt, sondern mit etwas, was Ihren Hund in seinem Handeln unterbricht. Das kann ein Aufstampfen, ein Wasserspritzer oder auch ein Ausschütteln der Leine sein. Sie müssen herausfinden, was Ihren Hund stört. Und genau das setzen Sie als „Impuls“ nach der Warnung „Nein, nein, nein“ ein. Nun zeigt sich Ihr Kollege verändert, erwacht, dann laden Sie ihn doch bitte mit all der Ihnen zur Verfügung stehenden positiven Energie ein und feiern Sie ihn. Das ist eine sauber gearbeitete Ampel in der Praxis. Sie sehen, es ist ganz einfach: Plan A, und wenn der nicht wirkt, dann Plan B, um wieder auf A zurückzufinden. So stellt sich das Prinzip der Ampel dar: logisch, klar und fair.
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Gregor interessiert sich brennend für die Katze und weniger für seinen Namen.
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Jetzt erfolgt die Störung, bis er reagiert.
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Anschließend wird er eingeladen und intensiv gelobt.
Den Tieren wie auch uns stehen sechs Funktionskreise zur Verfügung, denen Verhalten entspringt. Diese Funktionskreise lernen wir im Folgenden kennen. Wir lernen das Verhalten unseres Tieres zu erkennen (erlesen) und in diese sechs Funktionskreise einzuteilen, und können so herausfinden, welche Bedeutung die Signale der Tiere, sachlich betrachtet, für uns haben. So füllen wir die Reaktionen, die wir wahrnehmen, nicht mehr mit unserer Wirklichkeit, sondern bleiben bei den Tatsachen. Es ist ein wunderbarer Prozess, denn er ermöglicht einen echten Dialog, vermeidet Missverstehen und schafft Vertrauen.
Bei den Funktionskreisen handelt es sich um Verhaltensmechanismen, die vorgeprägt sind und bei jedem Individuum unterschiedlich stark auftreten. Darüber stellt sich am Ende der individuelle Charakter dar. Es gibt sechs Stück davon, die bei jedem Individuum unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Das sogenannte Lernmuster wird von den Erfolgsstrategien geformt, die aus diesen Funktionskreisen herrühren. Haben Sie zum Beispiel einen sehr neugierig wirkenden Hund, dann scheint der Funktionskreis Drängen/Bedrängen stark ausgeprägt zu sein. Wenn er mit dieser Neugierde häufig Erfolg hat, wird sich dieses Verhaltensangebot verstärken.
Wir schauen genau hin, wir hören sensibel und differenziert zu und spüren Spannungen und erkennen Bewegungsintentionen. Auch geruchliche Veränderungen versuchen wir wahrzunehmen und mit in unser gutes Zuhören einfließen zu lassen. Wir nehmen die räumliche Veränderung, die Gestik und Mimik des ganzen Tieres wahr und lassen unsere Gefühle und Interpretationen außen vor. Darüber erfahren wir, was das Tier ausdrückt, und nicht, was wir denken, was es sagen will. Wir verlassen unsere eigene Wirklichkeit und Wahrheit. Wir halten uns an den Fakten und bewerten das Verhalten nicht. Es geht hier nicht um richtiges oder falsches Verhalten, um Gut oder Böse. Es geht nur darum wahrzunehmen, welche Signale das Tier sendet und darum zu erkennen, in welchem Funktionskreis das Tier sich aktuell befindet.
Wir haben als ersten und wichtigsten Funktionskreis das Drängen/Bedrängen. Der ganze Prozess des Lebens ist ein einziges Drängen/Bedrängen: Fortpflanzung, Geburt, Hunger, Durst, Neugierde, Lernverhalten, soziale Fellpflege, Jagdverhalten. Sie sehen, Drängen/Bedrängen hat viel mit Nähe und Distanz zu tun. Hier erfahren wir die räumlich orientierte Sprache und lernen diese schnell und leicht zu lesen. So zeigt zum Beispiel der Hund, der mich freudig begrüßt, freundliches Drängen/Bedrängen. Begrüßt der Kollege mich nicht so freudig, sondern aggressiv, dann ist es eine vergleichbare Bewegungsintention, der Hund verlässt seinen Tanzbereich und betritt den seines Menschen, mit unterschiedlicher Spannung oder Energie, eben aggressives Drängen/Bedrängen. In diesem Funktionskreis liegen viele Verhaltensmöglichkeiten dicht beieinander. Und erst einmal ist es toll, wenn man ein Tier hat, das Nähe sucht, wissbegierig ist und gerne lernt, sich gerne dem Menschen anschließt und zu ihm drängt. Solange das kleine Raubtier das in positiver Absicht macht. Erlesen können Sie Drängen/Bedrängen erst einmal an einer räumlichen Veränderung Ihres Tieres. Hier beginnen wir Menschen mit der Wahrnehmung der räumlichen Sprache. Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Eisbär und stehen auf einer kleinen Eisscholle. Ihr Hund wäre nun ein anderer Eisbär. Klettert Ihr Gegenüber nun auf Ihre Scholle, also betritt er Ihren Radius, ja oder nein? Und nun beobachten Sie, in welcher Bewegungsintention er Ihre Eisscholle betritt. Will er Sie nur besuchen kommen, oder will er Sie von Ihrer Scholle herunterdrängen?
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Drängen/Bedrängen ist die Basis allen Lebens und sie kommt auch beim Lernen oder Spiel zum Einsatz.
Das Ganze funktioniert auch andersherum. Ihr kleiner Eisbär soll unbedingt auf Ihrer Scholle bleiben. Das will er aber nicht. Er drängt um jeden Preis hinunter. So in etwa ein Hund, der an der Leine zieht oder weglaufen möchte. Das ist auch nur eine räumliche Veränderung und gehört in den Funktionskreis Drängen/Bedrängen.
Erlesen können wir diesen Funktionskreis an der räumlichen Veränderung und der Bewegungsintention. Der Körper des Tieres ist aktiv. Und je nach Stimmung groß und aufrecht mit Spannungen oder weich und beweglich aktiv.
Gesunder Phlegmatismus, eine tiefe innere Ruhe, Gelassenheit oder nennen Sie es auch Faulheit, kann etwas sehr Heilsames haben. Gerade in dieser hektischen menschlichen Welt. Eine entspannte verlangsamte Bewegungsintention, ein weicher Körper mit ruhigem Lidschlag, eine tiefe, gleichmäßige Atmung, eine ruhige Zugewandtheit kann der Passivität geschuldet sein. Wirkt unser vierbeiniger Freund aber steif, fehlt der Lidschlag, ist die Atmung flach und ungleich, die Muskulatur fest, der Rücken rund, die Rute unbewegt, dann ist die Passivität der Vorbote der Abwehr oder wir nennen es die passive Abwehr.
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Ob innere Ruhe oder erlerntes Warten, beides äußert sich als Passivität.
An dieser Stelle erkennen Sie bereits, dass auch der einzelne Funktionskreis unterschiedliche Intentionen vereinen kann, nämlich die, die sich für uns gut anfühlt, und ebenso eine unangenehme.
Dann haben wir den Funktionskreis Abwehr, der möglicherweise einer der wichtigsten ist, um das Überleben zu sichern. Ein gesundes Abwehrsystem schützt den Organismus, eine gute psychische Abwehr schützt den Geist. Es gibt räumliche Abwehr oder Verteidigungszonen, die sehr leicht zu erlesen sind und sich individuell unterschiedlich darstellen, Abwehrreflexe und Schutzmechanismen, die von Einigeln über Totstellen bis zur offensiven Verteidigung reichen.
Abwehr geht immer mit einem festen, hohen Muskeltonus einher, mit Spannung, mit ausbleibendem Lidschlag, mit einer erhöhten Herzfrequenz. Die Abwehr ist eine kluge und sehr differenzierte Überlebensstrategie, die jedes Individuum besitzt.
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Abwehr kann defensiv oder offensiv sein. Beides muss sicher erkannt werden.
Anders als die Verteidigung funktioniert die Unterwürfigkeit. Diesen Funktionskreis nennen wir Devot. Verlangsamt, demütig, sich klein machend wirken Menschen und Tiere, die sich in diesem Funktionskreis befinden. In Gruppen, Herden oder Rudeln organisierte Tiere stellen sich untereinander räumlich und sozial ein Regulativ dar. Regulieren bedeutet, dass Raum gefordert und auch Raum gegeben wird, dass Dominanzen ausgetragen und Kompromisse angeboten werden, dass Konflikte deeskalierend gelöst werden können, weil jedes Tier in der Lage ist, alle Funktionskreise zu bedienen, nicht nur und ausschließlich Drängen/Bedrängen. Devotes Verhalten wird gerne dazu benutzt, um die Akzeptanz des Regulativs zu transportieren. Gesten, die devote Hunde zeigen, wollen wir Menschen nicht so gerne sehen, da sie uns immer eine schlechte Presse geben. Hunde untereinander fragen das Regulativ regelmäßig ab und zeigen dann devotes Verhalten. Dieser Funktionskreis eignet sich enorm für Missverständnisse, auf die ich später noch eingehen werde.
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Devotes Verhalten gehört zum Hund. Wir sollten die Hunde jedoch innerlich aufrichten.
Fluchtverhalten ist ebenso notwendig wie die Abwehr. Jeder von uns hat die Möglichkeit der Flucht in sich, viele von uns haben sie vielleicht noch nie ernsthaft in Anspruch genommen. Zum Glück. Gerne wird die Flucht mit Wegdrängen verwechselt. Die Schnittmenge zwischen diesen beiden Funktionskreisen ist eindeutig die räumliche Veränderung. Der Unterschied jedoch ist die Bewegungsintention. Ein fliehender Hund ist ein einziges Spannungsfeld. Entschieden dem Ort den Rücken zu drehen, mit klemmender Rute, aufgerissenen Augen ohne Lidschlag und einer flachen, hektischen oder sogar kurzzeitig ausbleibenden Atmung und einer energiegeladenen Bewegungsintention, lässt keinen Zweifel offen, dass es eindeutiges Fluchtverhalten ist. Will Ihr Hund einfach nur das Klassenzimmer verlassen, wirkt orientiert und organisiert, ist es keine Flucht.
Aufrecht, höflich, zugewandt, mit positiver Energie, leicht zu aktivieren, leicht zu regulieren, das sind Tiere, die sich im aktiven Angebot befinden. Bezeichnen wir es weiter mit belastbar, kritikfähig, offen für Veränderung, im Körper und Geist beweglich, interessiert und freundlich selbstbewusst. Der klassische Schwiegersohntyp. Und das ist ebenso ein Funktionskreis wie die anderen fünf bislang auch. Nennen wir es „will to please“, der Wunsch zu gefallen. Und wenn ich Ihnen jetzt noch verrate, dass man diesen Funktionskreis sogar genetisch fixieren kann, dann möchte man glauben, man könnte sich den Wunsch-Schwiegersohn erschaffen.
Leicht zu erlesen ist dieser Funktionskreis an der entspannten Maulaktivität, dem beweglichen Ohr, dem entspannten Lidschlag, der weichen Muskulatur und der in der Waagerechten wedelnden Rute. Die Bewegungsintention ist entspannt beweglich, die Muskulatur ist gelöst. Der Wechsel von Nähe und Distanz ist spielerisch leicht.
© Anna Auerbach/Kosmos
Das aktive Angebot und Drängen/Bedrängen …
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… sind die Funktionskreise, die Lernen …
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… erfolgreich und fröhlich machen.
Jeder Hund, jedes Pferd und jeder Mensch besitzt diese sechs Funktionskreise. Allerdings sind sie unterschiedlich stark ausgeprägt. Es gibt durch die menschliche Zucht extreme rassebedingte Unterschiede. Gerade im Ursprung der Rassen, der noch sehr am Gebrauch der Hunde als Mitarbeiter oder Nutztier orientiert war, wurden Verhaltensweisen genetisch manifestiert. Da man zur Arbeit nicht nur Schwiegersöhne brauchte, sondern auch Angreifer, Auftragskiller und Innenminister, gibt es Rassen, die eben nicht nur aus dem geschmeidigen „will to please“ bestehen, sondern auch andere Charaktereigenschaften mitbringen.
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Sich gegenseitig zuhören ist die Basis des Glücks.
Der Charakter ist demnach angeboren. Genau wie eine gerade oder schiefe Nase. Das Lernmuster jedoch ist erworben. Und das Lernmuster beeinflussen wir Menschen. So haben wir auf der einen Seite tiefgreifende Möglichkeiten, durch unsere Erziehung und unser Coaching die charakterliche Entwicklung zu beeinflussen, übernehmen als Erziehungsberechtigte aber auch eine große Verantwortung für unseren Schützling, dass etwas Gutes aus ihm wird. So kann man auch einen komplizierten Charakter durch gezielte Schulung modellieren und etwas begradigen. Ebenso ist es möglich, einen geraden geschmeidigen Charakter zu verbeulen. Das funktioniert in beide Richtungen. Menschen mit einer schiefen Nase können gut damit rüberkommen. Andere, die eine perfekte Nase haben, aber immer verschlossen blicken, haben es manchmal schwerer.
Zuhören, um zu verstehen, nicht um zu antworten.
Wir Menschen neigen dazu, unser Gegenüber zu bewerten. Wir teilen in hübsch oder hässlich, in klug oder dumm, in sympathisch oder unsympathisch ein. Wir urteilen in Gut und Böse, Richtig und Falsch. Sehr schnell definieren wir einen Wert.
In der HarmoniLogie schulen wir das Beobachten. Die Offenheit für die Reaktion des Tieres ermöglicht uns, herauszufinden, was das Tier ausdrückt. Wir beobachten die räumliche Sprache ebenso wie die Gestik und Mimik und nehmen das Tier in seiner Aussage ernst. Wie ein Biologe, der nur beobachtet und nicht bewertet, stehen wir unseren Hunden und Pferden gegenüber. So erfahren wir, aus welchem Funktionskreis ein Verhalten herrührt, und können dann entscheiden, ob dieses oder jenes Verhalten erfolgreich sein soll oder nicht.
So schaffen Sie Vertrauen, so pflegen Sie die Freundschaft. So werden Sie selbst ganz einfach zum Steuermann des Glücks.
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Zum Film: Jan und Gandalf im Spiel
„Mein Hund mag das nicht“, „Mein Hund hat Angst“, „Mein Hund ist unsicher“, das sind Aussagen, die ich fast jeden Tag in meinem Beruf als Tiertrainerin höre. Diese Aussagen lenken meinen Blick immer direkt auf den Vierbeiner. In der Regel aufrecht, mit hoher Rute, geschlossenem Maul, nach außen orientiert. Da ist in diesem Moment keine Unsicherheit, keine Angst zu erkennen. Es wirkt wie Missverstehen, wie der einseitige Bericht einer einzigen Sicht auf die Wirklichkeit und möglicherweise bin ich hier wieder einem besonders guten Menschentrainer auf der Spur.
Gerne erkläre ich die Abwehr des Hundes an dem Beispiel eines Pferdes: Junge Pferde müssen lernen, ruhig und freiwillig die Füße zu geben, damit der Schmied sie pflegen kann. Von Natur aus haben die Pferde aber in den Beinen einen Abwehrreflex. So wie sie etwas festhält, treten sie wild aus. Nun müssen wir aber an diese Füße und das nur, um dem Tier zu nützen, denn ohne Fußpflege gibt es kein gesundes Pferdeleben. Wir müssen also die Abwehr überwinden, und fragen uns nicht, ob das Pferd das mag oder nicht. Wir halten den Fuß solange weich und beweglich, bis die Abwehr aufhört. Dann lassen wir los. Ziel: Das Pferd gibt die Füße entspannt und freiwillig, damit wir sie in Ordnung halten können.