Wenn junge Menschen töten - Helmut Remschmidt - E-Book

Wenn junge Menschen töten E-Book

Helmut Remschmidt

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Beschreibung

Die jüngsten Fälle belegen es: Das Spektrum jugendlicher Gewalttaten mit tödlichem Ausgang ist groß, die Hilflosigkeit der Erwachsenen und der Gesellschaft angesichts von zum Teil grauenhaften Ereignissen noch viel größer. Helmut Remschmidt beschreibt anhand von achtzehn zum Teil spektakulären Fällen, wie man schwere Gewalttaten junger Menschen erklären kann und welche die wirklich zielführenden Maßnahmen sind, um Gewalt effektiv zu reduzieren.
Sein engagiertes Buch zeichnet sich durch präzise Beobachtungen, ein in jahrzehntelanger Erfahrung geschultes Urteilsvermögen und die genaue Kenntnis des Jugendstrafrechts und seiner Praxis aus.

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Helmut Remschmidt

Wenn junge Menschen töten

Ein Kinder- und Jugendpsychiater berichtet

C.H.Beck

Zum Buch

Die jüngsten Fälle belegen es: Das Spektrum jugendlicher Gewalttaten mit tödlichem Ausgang ist groß, die Hilflosigkeit der Erwachsenen und der Gesellschaft angesichts von zum Teil grauenhaften Ereignissen noch viel größer. Helmut Remschmidt, ein europaweit anerkannter Jugendpsychiater und Gerichtsgutachter, beschreibt anhand von mehr als zwanzig spektakulären Fällen, die er selbst begutachtet hat, wie man schwere Gewalttaten junger Menschen erklären kann und welches die wirklich zielführenden Maßnahmen sind, um Gewalt effektiv zu reduzieren. Sein engagiertes Buch zeichnet sich durch präzise Beobachtungen, ein in jahrzehntelanger Erfahrung geschultes Urteilsvermögen und die genaue Kenntnis des Jugendstrafrechts und seiner Praxis aus.

Über den Autor

Helmut Remschmidt ist emeritierter Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Philipps-Universität Marburg. Er war Präsident der deutschen, der europäischen und der internationalen Gesellschaft für Kinder-und Jugendpsychiatrie. Remschmidt ist ein international anerkannter forensischer Kinder- und Jugendpsychiater und hat zahlreiche Untersuchungen zur Tatmotivation, zur Begutachtung und Prognose jugendlicher Gewalttäter vorgelegt, darunter eine einmalige Langzeitstudie. Bei C.H.Beck liegt von ihm vor: Autismus. Erscheinungsformen, Ursachen, Hilfen (52012).

Inhalt

Vorwort

Teil I: Ursachen und Entwicklungsbedingungen gewalttätigen Verhaltens

1. Gewaltbegriff, Verbreitung und Äußerungsformen von Gewalt

Proaktive Gewalt

Reaktive Gewalt

Interaktive Gewalt

2. Die Entwicklungsgeschichte von Gut und Böse: Wie Kinder ein moralisches Bewusstsein erwerben

3. Böse Jungen, brave Mädchen? Warum Gewalttaten beim männlichen Geschlecht häufiger sind

4. Gewaltbereitschaft: Welche Einflüsse tragen zur Manifestation von Gewalthandlungen bei?

Neurobiologische Risikofaktoren

Psychologische und soziale Faktoren

Situative Einflüsse

1. Affektiv aufgeladene Situationen/Provokationen

2. Alkohol- und Drogenkonsum

3. Waffenzugang und Waffenbesitz

4. Gruppendruck, Gruppendynamik und Subkultur

5. Tatgelegenheit

5. Begutachtung: Wie man junge Straftäter untersucht und die Fragen des Gerichts beantwortet

5.1 Begutachtung der Verantwortlichkeit nach § 3 JGG

5.2 Gutachten zur Frage der Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende (§ 105 JGG)

5.3 Gutachten zur Frage der Schuldunfähigkeit und der verminderten Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 StGB

5.4 Die Bedeutung der Jugendgerichtshilfe im Strafverfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende

Teil II: 23 Fallgeschichten

Geplante Mord- und Totschlagsdelikte

1. Der Armbrustmord

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Das Urteil

Wie es weiterging

2. Auftragsmord: Ein gedungener Täter tötet die Eltern des Auftraggebers und deren Hund

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Zur Frage schuldmindernder Umstände gemäß §§ 20 und 21 StGB:

2. Zur Frage des Reifungs- und Entwicklungsstandes gemäß § 105 JGG:

Das Urteil

Wie es weiterging

3. Mordversuch einer Fünfzehnjährigen an ihrer älteren Schwester aus extremer Geschwisterrivalität

Aus der Anklageschrift und zur Unterbringung nach § 81 der StPO:

Vorgeschichte

Einstellung zur Tat

Ergebnisse der Untersuchung

Ich-Muster

Das Urteil

Wie es weiterging

Tötungsdelikte als Resultat eines Gruppengeschehens

4. Tödliche Steinwürfe von der Autobahnbrücke

Die Tat

Biographie und Entwicklung der Täter

Wie es zur Tat kam

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

Wie es weiterging

Epikritische Betrachtung

5. Tod in einer Asylunterkunft

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung und Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

Kindstötung

6. Aussetzen eines Neugeborenen mit tödlichem Ausgang

Die Tat

Biographie und Entwicklung:

Ergebnisse der Untersuchung

Zur Frage einer Schwangerschaftsverdrängung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gemäß § 3 JGG:

2. Zur Frage der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB und der verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB:

Das Urteil

7. Tod eines Säuglings durch Schütteltrauma

Die erste Tat

Die aktuelle Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Zur Frage der Schuldunfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 des StGB:

2. Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende (§ 105 JGG):

Das Urteil

Tötungsversuche im Rahmen einer manifesten psychiatrischen Erkrankung

8. Messerattacke auf den Vater in wahnhafter Verkennung

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Zur Frage der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach § 3 JGG:

2. Zur Frage der Schuldunfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit zum Zeitpunkt der Tat (§§ 20 und 21 StGB):

3. Zur Frage der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB:

4. Zur Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB:

Das Urteil

Wie es weiterging

9. Überfall auf eine Polizeistation unter dem Einfluss einer paranoiden Psychose

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Zur Frage der Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 StGB sowie zur Frage des § 105 JGG:

2. Zur Frage der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB:

Das Urteil

Wie es weiterging

Beziehungs- und Affekttaten mit tödlichem Ausgang

10. Stellvertretermord aus verschmähter Liebe

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

Wie es weiterging

11. Der «dritte Minister» tötet den Führer

Die Tat

Ergebnisse der Untersuchung

Das Urteil

Wie es weiterging

12. Ermordung der Geliebten aus Rache und gekränkter Ehre

Die Tat

Entwicklung und Biographie

Untersuchungsergebnisse

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

Wie es weiterging

13. Tötung des Vaters im Affekt

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

Wie es weiterging

14. Dreifachmord aus grenzenlos empfundener Einsamkeit

Die Tat

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Zur Frage der Schuldunfähigkeit gemäß § 20 StGB bzw. zur verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB:

2. Zur Frage der Unterbringung nach § 63 StGB:

3. Zur Frage des § 105 JGG:

Das Urteil

Wie es weiterging

Tötung auf Verlangen

15. Ein vierzehnjähriger Jugendlicher tötet eine Seniorin auf deren dringlichen Wunsch

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Zur Frage der Verantwortlichkeit nach § 3 des JGG:

Zur Frage der Schuldunfähigkeit und der verminderten Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 StGB:

Das Urteil

Wie es weiterging

Tötungsdelikte aus sexuellen Motiven

16. Doppelmord eines vierzehnjährigen Triebtäters

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Das Urteil

Schlussfolgerung

17. Sexualmord eines intelligenzgeminderten Heranwachsenden

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Das Urteil

Wie es weiterging

Tötungsdelikte im Zusammenhang mit Alkohol- und Drogenmissbrauch

18. Zwei Homosexuelle töten einen dritten unter massivem Alkoholeinfluss

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Das Urteil

Fazit

19. Totschlag unter massivem Alkoholeinfluss durch einen psychisch vorbelasteten Täter

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

Wie es weiterging

Junge Mehrfachintensivtäter

20. Tödlicher Messerstich eines Fünfzehnjährigen im U-Bahnhof

Die Tat

Entwicklung und Biographie von F.

Wie es zur Tat kam

Befragung zu verschiedenen Themenbereichen

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

21. Tötung eines Homosexuellen durch einen fünfzehnjährigen Jugendlichen

Die Tat

Das Opfer

Biographie und Entwicklung

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

1. Zur Frage des Entwicklungsstandes und der Reife gemäß § 3 JGG:

2. Zur Frage der Schuldunfähigkeit bzw. der verminderten Schuldfähigkeit gemäß §§ 20 und 21 StGB:

Verhandlung und Urteil

Wie es weiterging

Aufklärung von Tötungsdelikten nach über zwanzig Jahren

22. Aufklärung der Mordtat eines Heranwachsenden durch DNA-Analyse nach 26 Jahren

Die Tat

Biographie und Entwicklung

Zum Tathergang

Ergebnisse der Untersuchung

Beantwortung der Fragen des Gerichts

Das Urteil

23. Widerruf eines Mordgeständnisses und Ermittlung des wahren Täters durch DNA-Analyse nach 21 Jahren

Biographie und Entwicklung des Täters

Ergebnisse der Untersuchung

Wie es zur Tat kam

Betrug in der Schweiz

Epikrise (zusammenfassende Beurteilung)

Teil III: Wie man Gewalttaten reduzieren kann, ohne sie gänzlich beseitigen zu können

1. Prävention

2. Vorbeugung und Aufklärung von Gewalttaten durch Überwachungsmaßnahmen

3. Absolutes Alkohol- und Drogenverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln und an sozialen Brennpunkten

4. Absolutes Waffenverbot für Jugendliche und Heranwachsende sowie Verbot großkalibriger Waffen für Erwachsene

5. Alternativen zur Untersuchungshaft bei jüngeren Straftäter

6. Alternativen zur Strafhaft

6.1 Fußfesselprojekte

6.2 Fördermaßnahmen unter geschlossenen Bedingungen außerhalb von Justizvollzugsanstalten

6.3 Erlebnispädagogische Maßnahmen

7. Behandlung und Berufsausbildung von Heranwachsenden in der JVA: Intervention anstelle von Erziehung

1. Eine Weiterentwicklung des Erziehungsmodells zum Interventionsmodell für Heranwachsende

2. Stärkere Öffnung der Justizvollzugsanstalten unter definierten Bedingungen

8. Plädoyer für die generelle Anwendung von Jugendstrafrecht auf Heranwachsende

Anmerkungen

Literatur

«Gewalt beginnt, wo das Reden aufhört.»

Hannah Arendt

Vorwort

In diesem Buch geht es um schwerwiegende Gewalttaten junger Menschen, von denen die meisten im Tod eines Opfers ihr trauriges Ende fanden. Auch wenn man nicht generell von einem Anstieg der Gewaltdelikte junger Menschen sprechen kann, so ist doch jede Gewalttat eine zu viel, und diejenigen, die tödlich enden, sind eine entsetzliche Tragödie für alle Beteiligten.

Ich habe mich seit über vierzig Jahren mit derartigen Taten und ihren Tätern beschäftigt: als Arzt, als Sachverständiger für die Gerichte und als Wissenschaftler.

Als Arzt kam es mir darauf an zu verstehen, wie und unter welchen Bedingungen aus Kindern, Jugendlichen und Heranwachsenden Täter werden. Gleichzeitig beschäftigte mich stets die Frage, ob man die jeweiligen Taten hätte verhindern können und, wenn sie geschehen waren, ob man den jeweiligen Tätern dazu verhelfen kann, wieder in der Gesellschaft Fuß zu fassen. Die ärztlichen Hilfestellungen hierzu liegen in angemessenen Behandlungs- und Rehabilitationsmaßnahmen.

Auch die Opferseite war jeweils in den Blick zu nehmen, die oft in Studien über Gewalttaten zu kurz kommt. Gerade die Beschäftigung mit den Opfern zeigt nicht selten, dass auch manche Täter Opfer waren und dass sie aus ihrer Opfererfahrung schließlich zu Tätern wurden.

Als Sachverständiger ist man als Gehilfe des Gerichts in einer anderen Rolle. Hier kommt es darauf an, bei jedem einzelnen Täter zu prüfen, ob er zum Zeitpunkt der Tat verantwortlich, schuldunfähig (zum Beispiel auf der Grundlage einer psychiatrischen Erkrankung) oder vermindert schuldfähig war, aber auch ob er als Heranwachsender (18- bis 21-Jähriger) noch eher einem Jugendlichen gleichstand. Diese zuletzt genannte Frage ist häufig sehr schwer zu beantworten und unterliegt auch seitens der Rechtsprechung einer gewissen Willkür, weshalb ich seit vielen Jahren dafür plädiere, Heranwachsende generell nach Jugendstrafrecht zu behandeln, etwa im Sinne eines Jungtäterstrafrechts. Diese keineswegs neue Forderung wird an verschiedenen Stellen des Buches ausführlich begründet.

Als Wissenschaftler habe ich versucht, gemeinsam mit meinen Mitarbeitern zur Aufklärung der Ursachen und Hintergründe gewalttätigen Verhaltens beizutragen. In diesem Zusammenhang interessierten uns besonders Kinder, die im Alter der Strafunmündigkeit Straftaten begehen, und wie sich deren weitere Entwicklung gestaltet. Dabei zeigte sich, dass das Hineinwachsen in das Normengefüge unserer Gesellschaft unweigerlich mit Straftaten als Verstoß gegen die gesellschaftlichen Normen verbunden ist, dass aber die ganz überwiegende Mehrzahl der Kinder sich moralisch-ethische Maßstäbe zu eigen macht und dass nur eine kleine Gruppe von rund 5 Prozent zu chronischen Straftätern werden. Dieser Gruppe und ihren Entwicklungsbedingungen muss unsere besondere Aufmerksamkeit gelten.

Schließlich ist unter wissenschaftlicher Perspektive auch die weitere Entwicklung junger Straftäter besonders bedeutsam. Es stellt sich hier die Frage, ob man im Rahmen von Verlaufsstudien aus vorangegangenen Verhaltensweisen (seien es Gesetzesverstöße, seien es psychische Auffälligkeiten) die weitere Entwicklung eines jungen Menschen prognostizieren und ob man aus den Erkenntnissen derartiger Studien gegebenenfalls auch Präventionsmaßnahmen ableiten kann.

Umfangreiche Verlaufsstudien dieser Art haben wir sowohl zur weiteren Entwicklung strafunmündiger Kinder[1] als auch jugendlicher und heranwachsender Straftäter[2] unternommen.

Dieses Buch versucht, sich den hier angeschnittenen Themenkreisen in Form dreier Perspektiven, die zugleich drei Teilen des Buches entsprechen, anzunähern:

Der erste Teil beschäftigt sich mit den Ursachen und Entstehungsbedingungen gewalttätigen Verhaltens, wobei u.a. die Entwicklung eines moralischen Bewusstseins von Kindern, die Geschlechterunterschiede im Verhalten, Varianten gewalttätigen Verhaltens und das Vorgehen bei der Begutachtung für die Gerichte erörtert werden.

Letzteres ist bedeutsam für den zweiten Teil, in dem 23 schwerwiegende Straftaten beschrieben werden, die vor den Gerichten verhandelt und sanktioniert wurden. Diese haben wir nach den vorherrschenden Entstehungs- und Motivationsbedingungen in zehn Gruppen eingeteilt. Sie umfassen inhaltlich ein breites Spektrum an Tat- und Täterkonstellationen, ohne vollständig oder gar repräsentativ zu sein. Das Spektrum bildet aber ab, wozu junge Gewalttäter fähig sind, und wirft zugleich die Frage auf, wie man ihnen sanktionsorientiert, präventiv, interventionell oder auch therapeutisch begegnen kann. Die Fälle wurden aus einem Fundus von Gutachten aus einer über vierzigjährigen Sachverständigentätigkeit ausgewählt und sind spezifisch für die jeweilige Problemlage. Dies hat zwei Implikationen: Zum einen war es möglich, auf diese Weise auch sehr seltene Deliktkonstellationen einzubeziehen, denen man auch in einer langjährigen Sachverständigentätigkeit nur selten begegnet (z.B. Tötung auf Verlangen), zum anderen eröffnet dieses Vorgehen bei länger zurückliegenden Delikten die Möglichkeit, die weitere Entwicklung der Straftäter anhand der Auszüge aus dem Bundeszentralregister zu verfolgen.

Um den Erfordernissen der Persönlichkeitsrechte der Täterinnen und Täter Rechnung zu tragen, wurden die Orte und die Zeitpunkte der Taten entfernt, alle Namen anonymisiert und auch biografische Angaben und solche zum Tatablauf nach Möglichkeit verfremdet.

Im dritten Teil des Buches geht es um die Frage, wie man die Gewalttätigkeit junger Menschen bedeutsam reduzieren kann, wohl wissend, dass eine vollständige Verhinderung von Gewalt nicht möglich ist.

Angesichts der Tatsache, dass die große Mehrzahl der Inhaftierten in Jugendstrafanstalten Heranwachsende sind, die nicht mehr erzogen werden wollen, wird für eine Ablösung des Erziehungsgedankens durch den Interventionsgedanken plädiert.

Insgesamt wird mit diesem Buch der Versuch unternommen, über ein Verständnis der Entstehungsbedingungen schwerwiegender Straftaten junger Menschen deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu fördern und durch gezielte Maßnahmen Straftaten gegen das Leben zu reduzieren. Die Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters auf zwölf Jahre, wie es zur Zeit aufgrund erheblicher Delikte sehr junger Täter mitunter gefordert wird, ist keine geeignete Maßnahme.

Bei der Abfassung des Textes konnte ich mich auf zahlreiche Vorarbeiten und vorangegangene Publikationen stützen. Für Hilfestellungen bei der Konzeption und Fertigstellung des Buches bin ich vielen Menschen zu Dank verpflichtet: zunächst meinen ehemaligen Kollegen und Mitarbeitern, mit denen ich jahrzehntelang, nicht nur auf diesem Feld, einvernehmlich und konstruktiv zusammengearbeitet habe: Matthias Martin, Fritz Mattejat und Reinhard Walter. Ein ganz besonderer Dank gebührt Gerhard Niebergall, der bei den meisten Fällen, die in Teil II geschildert werden, die psychologische Untersuchung durchgeführt hat.

Ich danke meinen Kollegen aus der juristischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg, mit denen ich viele Jahre unser «Forensisches Seminar» gestaltet habe: Hauke Brettel (jetzt Universität Mainz), Dieter Meurer (1943–​2000), Dieter Rössner (Marburg) und Britta Bannenberg von der Nachbaruniversität Gießen. Zu diesem Kreis gehörten auch Petra Bauer und Katja Becker. Mein Dank gilt ferner einer großen Zahl von Richtern, Staatsanwälten und Rechtsanwälten, von deren Erfahrung ich in meiner bundesweiten Sachverständigentätigkeit stets profitieren konnte. Dazu hat auch meine Mitarbeit in der Redaktion der Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform beigetragen, deren Herausgeberschaft ich mit Horst Schüler-Springorum (1928–​2015), Hans-Jörg Albrecht und Stephan Quensel über drei Jahrzehnte hinweg teilen durfte. Auch den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe bin ich für manche Einsichten, die aus der Zusammenarbeit resultierten, dankbar.

Nicht unerwähnt lassen will ich die zahlreichen jungen Straftäter, die mir im Rahmen der Untersuchung häufig einen tiefen Einblick in ihr Leben ermöglicht haben. Deshalb habe ich in die Falldarstellung auch des Öfteren ihre authentischen Aussagen aufgenommen, die zum Verständnis der oft konfliktgeladenen Gewalttaten beitragen sollen.

Der Leitung des Bundesamtes für Justiz danke ich für die Erlaubnis, die Daten aus dem Bundeszentralregister in die Längsschnittbetrachtung der Fälle einzubeziehen.

Schließlich danke ich auch meiner ehemaligen Sekretärin, Frau Elisabeth Goy, die in ihrem Ruhestand auch weiter für mich tätig ist.

Last but not least gilt mein besonderer Dank Stefan Bollmann und Angelika von der Lahr vom Verlag C.H.Beck für die zahlreichen Anregungen, Diskussionen und für die Geduld, die sie bis zur Fertigstellung des Buches aufgebracht haben.

Marburg, im März 2019

Helmut Remschmidt

Redaktionelle Bemerkung: Im Text wird durchweg das generische Maskulinum verwendet. Es sind aber stets alle Geschlechter gemeint. Dort, wo es geboten schien, wurde davon abgewichen.