Wer rastet, der rostet - Bernd Lübcke - E-Book

Wer rastet, der rostet E-Book

Bernd Lübcke

0,0

Beschreibung

Ein Leben, das so viele Lebensstationen umfasst wie das Leben von Bernd Lübcke, kann keine Langeweile aufkommen lassen. Die Liebe zur Bewegung in freier Natur, zur Erkundung anderer Länder und Kulturen sowie zu flotten Motorrädern bleibt für den 1961 am Bodensee Geborenen eine unbändige Triebkraft. Schon seit der Lehre zum Industriekaufmann bei Siemens in Stuttgart wird Europa nebst der Türkei erkundet, doch beruflich startet er bald durch in die ach so unüberhörbar rufende Welt, angefangen mit Kuwait und Saudi-Arabien. Die durch den ersten Golfkrieg erzwungene Rückkehr nach Deutschland währt nur kurz. Inzwischen Vater, zieht der Rastlose mit der kleinen Familie weiter nach Indonesien, aber die Ehe hält den kulturellen Herausforderungen nicht stand. Freundschaftlich getrennt und mit stetigem Kontakt zum Sohnemann findet er eine neue Liebe und zieht reichlich unkonventionell mit dieser, garniert mit vielen Motorrad- und sonstigen Reisen durch sich steigernde Verantwortungen und mehrere Revolutionen nach Vietnam, Thailand, Malaysia, Dubai, Libyen, Ägypten ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 206

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



INHALT

Die ersten Jahre

Sturm-und-Drang-Zeit

Kuwait

Dschidda, Saudi-Arabien

Der Erste Golfkrieg

Intermezzo

Jakarta, Indonesien

Wenn sie losgelassen …

Hanoi, Vietnam

Jakarta hat uns wieder!

Bangkok, Thailand

Kuala Lumpur, Malaysia

Jakarta, die Dritte!

Dubai, VAE

Tripoli, Libyen

Heimspiel

In Dubai für Karatschi

Kairo, Ägypten

Das neue Blatt im Leben

Penang, Malaysia

Endlich Gas geben …!

Langkawi

Wer rastet, der rostet!

Die ersten Jahre

Am Anfang stand das Chaos … 1961, der Kalte Krieg in Blütezeit, die Berliner Mauer wird gebaut, Gagarin sieht erstmals die Welt aus dem All und ich erblicke auf dem Gipfel der Geburtenwelle als bajuwarischer Insulaner auf der Insel Lindau das Licht derselben!

Die ersten Jahre prägen wohl meine Liebe zur Bewegung in der Natur. Erst wohnen wir zur Untermiete in einem Zimmer bei einer alleinstehenden Haushälterin des örtlichen Pfarrers mit Ziegenstall und Kachelofen in der Stubenküche als einziger Wärmequelle am Rande eines Dorfes.

Dann ebenfalls nahe Ravensburg, im ersten Stock eines Bauernhofes mit allem Viehzeug, das dazugehört. Dort gehen anfängliche Gehübungen schnell ins Sprinten über, zwecks Wettlauf mit frisch geköpften Hühnern über den Hof. Die Bäuerin hat einen Riesenspaß, ich auch. Mit vier Jahren fahre ich dann auch meinen ersten Traktor. Nein, nicht den Kindertraktor, einen richtigen mit Heuwagen hintendran bei der Heuernte übers Feld! Zumindest bis ich besagten Traktor eher ungeplant im Wassergraben parke. Zielgenau, immerhin, doch es diente nicht zwingend der Erbauung des Bauern. Das Leben war einfach und voller Wunder.

Danach geht’s 66 nach Tettnang, ruhige Gegend, liebe Nachbarn und der Bewegungsdrang manifestiert sich in stundenlangen Radtouren durch Wiesen und Felder bis tief in die Winter, in denen dies durch wiederum stundenlanges Skifahren ergänzt wird. Frisch gezapfte Milch gibt‘s täglich vom Bauern gegen Stallausmisten, und Haarefegen im Friseursalon erleichtert mit acht Jahren bereits die Finanzierung des Traumrades – ein rechter Renner, der Hobel!

Als dann der „Mann im Haus“ dieses auch noch wieder verlässt, ist das für Muttern Freiheit mit Härtegrad, für die kleine Schwester wohl ein Schock und für mich die Erlösung schlechthin. Der Entwicklung der Selbständigkeit steht fortan wenig im Wege.

Rad- und Skifahren werden flotter, Mutters Fahrweise mit ihrem ersten Auto, einem Renault 8, ebenfalls, doch der Durchbruch zum „Rausch der Geschwindigkeit“ kommt in Gestalt des Porsche 356 Super 90 ihres neuen Freundes Hans im Jahr darauf. Mit neun ist der die Kulmination meiner Vorstellung von einem Traumauto. Ich kann gar nicht genug bekommen. Selbst hinten auf den Notsitzen, ständig zwischen „Muss ich Reihern oder will ich mehr?“ durch die Alpen schwebend, hat sich damit der Hang zum Kurvenfetzen festgesetzt. Schwesterherz fand es weniger lustig, wohl auch bis heute!

Wie auch immer, kein Paradies hält auf ewig, was wir mit dem Umzug 1970 nach Heilbronn dann auch feststellen. Alleinerziehend mit zwei Kindern und Vollzeitjob ist kein Zuckerschlecken und ohne Kita etc. noch weniger als heute.

Also springt die Oma ein, uns tagsüber zu ernähren, daher der Umzug. Der Anfang ist schwer, Wohnung an lauter Hauptstraße und Klassenlehrer heißt „Hempel“, ehrlich jetzt – mit allen Attributen, die dazugehören, inklusive schwerem Schlüsselbund zum Schmeißen! Dementsprechend entwickeln sich meine „Leistungen“, grins!

Doch wir sind schließlich flexibel und die Partys der Hausgemeinschaft, meist im Hausflur beginnend, entschädigen für einiges. Bis die Jungs mir beim Frühschoppen einige Gläser Schnaps ausgeben. Da ich keine Reaktion beim Trinken zeige, muss man das schließlich nochmal sehen, nicht wahr. Mutters Begeisterung hält sich in Grenzen, als mir dann beim Mittagessen der Mund aufklappt und mein sonst eher einschiebendes Wesen ins Gegenteil umschlägt. Na ja, vorübergehender Rückschritt aus der „Selbständigkeit“.

Wohl nicht nur um weiteren Eskapaden vorzugreifen, ziehen wir ein Jahr nach Einzug wieder aus. Die neue Bude „Auf der Schanz“ ist wesentlich ruhiger, doch beherbergt uns auch nur kurz, bis wir dann in der finalen Unterkunft in der Nähe ankommen. Mittlerweile mache ich auf dem Umweg über die Hauptschule (Lehrer Hempels Erbe) mit fast zwölf meine Aufwartung in der Realschule, der ich bis zum Abschluss dann auch treu bleibe.

Nicht zuletzt wohl auch, da sie das genaue Gegenteil des Hempel(-mannes) ist, wird eine bildhübsche junge Chemielehrerin mein erklärter Schwarm, sobald ich den Geschmack für das andere Geschlecht zu entwickeln anfange.

In diese Zeit fällt auch die Entdeckung meiner Liebe für die große, weite Welt. Der erste Flug nach Spanien mit dreizehn endet zwar mit schwerer Ohrenentzündung, da am Strand von Torremolinos die Hinterlassenschaften aller Gäste den „Freischwimmer“ üben, doch die Wurzel ist gepflanzt.

Mit sechzehn geht‘s mit Schulfreund Harry nach Dublin, eine Familie besuchen, deren Mama wir in Heilbronn beim Jobben in seines Papas Kneipe kennenlernten. Und wie der Zufall es so will, Familienoberhaupt in Dublin ist Direktor in der Guinness-Brauerei – was eine Firmenführung und vor allem das Probetrinken danach … seither liebe ich originales Guinness in Irland und hasse es im Ausland. Für den heimischen Markt wird noch immer in Holzfässern gebraut, schmeckt komplett anders als aus Stahlbottichen. Einfach lecker!

So lecker, dass ich im Sommer drauf gleich nochmal hinfliege, diesmal alleine. Der eigentliche Spaß fängt jedoch erst beim Rückflug an. Bei Ankunft im Zwischenstopp-Airport Gatwick bei London schlägt der dortige Fluglotsenstreik voll zu. Der Flughafen ist gesteckt voll mit gestrandeten Reisenden, die überall herumliegen. Heathrow sieht ähnlich aus, also soll ich in ein Hotel in der Stadt, von wo es mit dem Bus nach Stuttgart weitergehen soll. Bei Ankunft in besagtem Hotel lungert eine Rasselbande junger Fußballfans aus Liverpool an der Bar herum. Ich drücke es mal so aus: Bis zur Abfahrt um zwei Uhr nachts bin ich gut drauf, belege die Rückbank besagten Busses mit einer schnuckeligen jungen Dame und wir genießen die fast 24-stündige Fahrt beim Kuscheln und noch mehr Bier! Reisen wird immer interessanter!

Kaum sechzehn, schlägt auch die nächste Leidenschaft tiefe Wurzeln:

MOPEDFAH’N!

Bis dahin auf dem Rennrad gibt‘s nur ein klitzekleines Problem. Das Einzige, was ich mir leisten kann, ist ein gut gebrauchtes Puch-Maxi-N-Mofa, das mit den originalen 25 km/h langsamer als das Rad ist. Geht gar nicht! Damals schon auf dem Trip, dass es ja eigentlich keine Probleme, sondern höchstens Herausforderungen gibt, kommt die Lösung alsbald in Gestalt von Kolbenfenster, vergrößertem Einlass und aufgesägtem Krümmer, die den Zweitakter ruckzuck auf 70 bringen. Na also, nu geht das!

Geht auch so lange gut, bis ich unsere Freunde und Helfer im Zivilwagen (wie gemein!) in der Stadt auf dem Weg zur Schule versäge. Mögen die nicht!

Mein Klassenlehrer ist der Hammer – nach kurzer Schilderung der Misere darf ich mit Kumpel bis zur 10-Uhr-Pause heim, Kiste zurückbauen und beim Nachschultermin den ungläubig reagierenden uniformierten Freunden ein originales Mofa vorführen. Vergesse ich ihm nie!

Sturm-und-Drang-Zeit

Mit siebzehn fange ich an, nicht nur gesteigerten Wert auf das andere Geschlecht zu legen, sondern mir auch Gedanken über meine Zukunft zu machen, was in eine Lehrstelle als Industriekaufmann bei der Siemens AG in Stuttgart mündet. Nicht weil ich weiß, was das ist, sondern eher weil mir einerseits kein besserer Job einfällt und mir andererseits da schon klar ist, dass ich definitiv die Welt sehen will und diese Kombination ein möglicher Weg dazu ist.

Warum man ausgerechnet mich von 240 Bewerbern auf eine von zwölf Stellen erwählt, gehört wohl eher ins Land der Mythen. Wie auch immer, ab dem 1.9.79 müssen die mich aushalten.

Lehrjahre sind keine Herrenjahre, stimmt! Doch nichts hindert einen daran, sie sich angenehm zu gestalten, oder? Nicht zwingend geplant, doch perfekt getimt kommt Claudia, die hübsche, feurige, zierliche Sizilianerin, in Gestalt meiner ersten (fünf Jahre älteren) Ausbilderin in Reichweite. Hals über Kopf verknallt ziehe ich alsbald bei ihr ein, was neben drastischer Reduzierung meines täglichen Weges zur Arbeit vor allem in teils äußerst turbulenten emotionalen Berg-und-Tal-Fahrten mündet. Na ja, es hält bis fast ans Ende der Lehre und ist definitiv nie langweilig!

Und dann sind da am Ende noch die sechs Wochen Werksausbildung in Berlin. Vom Schlafplatz im Kneipengarten bis zum Hippiegirl im dritten Hinterhof mit Zwischenstockklo wird alles ausprobiert, was nicht schnell genug flüchtet.

Kaum achtzehn, kommt dann auch der Führerschein. Muttern nimmt mit steigendem Entsetzen meine Vorliebe für schnelle Mopeds wahr und bietet mir listig und im Wissen meiner finanziellen (Un-)Möglichkeiten einen Deal an. Sie gibt mir 800 Mark, um den Autoführerschein zu machen, vorausgesetzt ich mache nicht den Motorradschein. Was soll ich sagen, das Moped-Feuer im Blut gewinnt den internen Disput und ich finde einen Fahrlehrer, der mir beides bei absoluten Minimumstunden für 840 anbietet. Gesagt, getan, 40 Mark kann ich mir leisten und was sie nicht weiß … Schande über mein Haupt!

Mangels Geld ist ein größeres Moped sowieso erst mal unter „Traum“ abgebucht, also nehme ich meinen ersten und bis dato (fast) einzigen Kredit auf, um mir eine gelbe gebrauchte Ente (Citroën 2CV) zu gönnen. Offenes Dach, cooler Stil (den ich innen dann auch gleich mit schwarzem Plüsch fokussiere) und alte Turnschuhe auf den Höckern der vorderen Stoßstange, fertig ist das Playmobil. Erster Trip, einen Monat später mit Schwesterherz nebst Herzblatt sowie Kumpel Jogi ab nach Italien. Ich bin der einzige Fahrer und fahre die erste Nacht gleich durch. Doch wir haben diverse Dispute, die uns drei Tage später (Heilbronn – Piombino – Heilbronn) wieder zuhause sehen. Danach kann ich dann wenigstens einigermaßen fahren!

Am Tag, als Claudi Schluss macht, fahre ich heim zu Muttern und – finde sie in Tränen. Hans hatte nach rund zehn Jahren anscheinend dieselbe Idee und wir trösten uns gegenseitig. Bald darauf ist die Lehre fertig und ich werde im Januar 1981 ausgerechnet nach Heilbronn versetzt, also wieder kurzer Weg zur Arbeit, bin ja wieder zuhause.

Meinem ersten Chef Andreas werde ich seiner Aussage nach kryptisch wie folgt angekündigt: „Er ist gut, doch irgendwie komisch und schwer zu bändigen.“ Was eine Ansage! Andreas nimmt’s locker, er ist cool drauf!

Muttern fällt dann zwangsweise aus allen Wolken, als plötzlich im Frühjahr eine Yamaha XS 750, auf 900 ccm aufgebohrt, vor der Tür steht. Nun in Lohn und Brot und mittels einer kleinen Erbschaft kann ich einfach nicht mehr an mich halten. Ihre Reaktion war klar und aus ihrer Sicht logisch: Du musst ausziehen!

Logo, dann kann ich mir die Kiste nicht mehr leisten. Weiß nicht mehr wie, doch ich kann den totalen Gau abwenden und tausche die angeschlagene Dreizylinder gerade zwei Monate später in eine Kawasaki Z 1000 ST mit Kardanantrieb und Vollverkleidung um. Muttern war gerade auf Kur. Als sie zurückkommt und ich ihr eröffne, dass der 280 kg schwere Riesenelefant unten im Hof der neueste Familienzuwachs ist, ist sie direkt fällig für die nächste Kur. Meine damaligen 52 kg Gegengewicht waren da wohl nicht wirklich überzeugend. Jup, arme Mullemaus hat schon was mitmachen dürfen.

Doch mal kurz unter Gebetsbrüdern – die Kiste mit mir Federgewicht obendrauf schafft 225 km/h und auf der damals noch aus der Hitlerzeit stammenden Betonplattenautobahn (Heilbronn – Stuttgart) hebt das Hinterrad bei jeder gröberen Nut zwischen den Platten regelmäßig ab (Drehzahlmesser ab ins Rote). Nur über die Geschwindigkeit zwischen ca. 195 und 200 muss man schnell kommen, da fängt sie an zu schlingern. Anfang der 80er der absolute Wahnsinn, die Kiste!

Im Herbst 82 ist es dann so weit, Versetzung nach Ulm, endlich die erste eigene Bude. Mein 26-qm-„Wohnklo“ hat Weinkisten an der Wand als Regale, sechs strategisch verteilte Autolautsprecher für den rechten Ton und die Einrichtung stammt vom Sperrmüll oder aus dem Wald (selbstgemachter Wurzelstock als Tisch). Zum Kühlschranköffnen muss ich aus der Küche austreten, kein Platz, doch – Freiheit! Hm, nicht ganz, da ich im Sommerkroatienurlaub Luisa aus Mailand intensiver kennenlernte, die ich dann dort mit der Kawa auch absetze. Im November eröffnet sie mir, dass sie nach Ulm kommt, um Deutsch zu lernen. Freiheit schon wieder ade? Keine Chance, ich hab Blut geleckt, also geht das in meinem kleinen Einzimmerwohnklo nicht lange gut.

Überhaupt, das Reisen. Das Konto war vor allem durch die Mopeds (alle 3000 km neuer Hinterreifen – aua!) regelmäßig bis spätestens August leer. Das bis November entstandene Loch musste dann im Winterschlaf durch billigst verfügbare Aldi-Ernährung mit Hansapils und Feuertopf ausgeglichen werden.

Mangels Masse wird der Drang nach draußen im Sparmodus verwirklicht, doch raus geht es, keine Frage! 1983 mit der Ente nach Schweden. Zwei Autos, vier Mann und jede Menge Biervorrat dabei – na ja, der ist nach ein paar Tagen weg und dort sprengt der erste Einkauf schon weidlich das Budget.

Geläutert und noch knapper geht‘s 84 mit der Bahn über Jugoslawien (Grenzer: „Dein Pass ist seit sechs Monaten abgelaufen!“) nach Griechenland (Ad-hoc-Plan, den Pass im Deutschen Konsulat in Thessaloniki zu verlängern, war okay mit den Jungs! Deutscher Konsul: „Wie sind Sie denn hierhergekommen?“) und in die Türkei. In Thessaloniki kann man einen Pass noch mit der Schreibmaschine verlängern. Flexibel muss man sein!

In der Türkei erlebe ich das erste Mal, wie Menschen reagieren, wenn man alleine unterwegs ist – unglaublich gastfreundlich, hilfsbereit und einfach offen! Ein alter, gebrauchter US-Army-Schlafsack ist genug, geknackt wird am Strand (der ist damals noch nicht verbaut), in Feldern, Höhlen und was ich sonst so finde. Per Bus und Anhalter geht‘s am Mittelmeer bis fast nach Syrien und über Zentralanatolien und das Schwarze Meer zurück. Unvergessen und bei vier Wochen mit 450 Mark inklusive Bahnticket voll im Budget.

Im Sommer darauf geht’s dann schon erheblich besser, die 1000er Kawa ist verreckt, die eingetauschte 750er Kawa LTD ist nicht wirklich mein Ding, wird also kaum gefahren und dann recht flott an Uwe abgegeben. Finanzierung ist gesichert, also los … der VW-Bus T2 vom Metzger, mit Wurstsymbolen auf dem eher raren Lack, kommt gerade recht, wird geflickt und mit Baustellenbrettern wohnbar gemacht. Luftmatratzen auf die Bretter, Bier und Nutella drunter und ab geht’s mit Kumpel Nessi ans Nordkap. Wir haben fünf Wochen, keine Uhr dabei und schon bald geht die Sonne nicht mehr unter. Herrliche Landschaften, Einsamkeit, Baden im Gletscherbach (geht nur nach dem Joggen!) und Milliarden von Mücken begleiten uns über Norwegen, Finnland und Schweden zurück nach Kopenhagen, wo wir das erste Mal wieder einen Kalender anpeilen – im Ernst! Ergebnis: Wir haben noch eine Woche!

Lösung: Ab nach Berlin – flexibel muss man sein! Gesagt, getan finden wir uns ganz flott mit unserem Bus am Hintereingang des „English Officers Club“ im Schatten unter alten Bäumen ein. Ein paar alte Damen machen zwar einen Bogen, als wir die Spiegeleier auf dem Bürgersteig braten, doch die Bauarbeiter des Clubs haben sich über den Kaffee morgens gefreut! Toilette wird in der „Eierschale“ (siehe „Schlafplatz im Kneipengarten“) zelebriert und geduscht wird nachts um vier im Park unter dem Rasensprenger nach dem letzten Guinness mit Champagner. Dank sei dem Irish Pub und unserem Durchhaltevermögen!

Dann kommt die Offenbarung – steht einfach so auf dem Ku’damm rum, Schild im Fenster mit geschlossenen Schlafaugen. Ein schneeweißer VW-Porsche 914. Unangenehm ist, dass auf dem Schild „7000,– D-Mark“ steht, die ich nicht habe. Doch wozu sind Kneipen da – bis ich das auf die Sichtung folgende Etablissement verlasse, steht der Plan fest: kein Geld, keine Zeit mehr – kein Problem! Am nächsten Morgen bin ich auf der Bank, rufe von dort meinen Banker in Ulm an, nehme telefonisch 7000 Mark Kredit auf (Banker: „Kannst ja nächste Woche unterschreiben!“), die nachmittags um vier Uhr cash in meiner Hand liegen. Um sechs ist der Wagen meiner! Ja, die alten Zeiten, da ging noch was!

Tags darauf ist der 1.8., Schulferienanfang in Berlin, und wir stehen in der rechten von fünfzehn Schlangen in Richtung Zonengrenze. Die Grenzer nehmen’s locker, nichts geht, totaler Stau. Ich schiebe den luftgekühlten 914er, wenn’s mal eine Autolänge weitergeht. Ist eh leicht wie eine Feder, mein Targa. Da kommt ein reichlich beleibter DDR-Grenzer zwischen den Reihen durch und schnauzt alles an, was nicht perfekt in der Flucht steht. Er sieht den Wagen und dann mich, stutzt und meint: „Was ist das denn für ein Auto, wem gehört der?“ Aus meiner Antwort hat er wohl nur „Porsche“ und „mir“ rausgefiltert, denn seine Reaktion war, erst den blitzsauberen 914er und dann mich von oben bis unten zu mustern (nach fünf Wochen Campen in löcherigen Jeans, mit langen Haaren, wildem Bart und Ohrring) und vollkommen geschockt „Nee“ herauszupressen.

Nach reichlich stolzem „Doch“ endet die folgende Diskussion darin, mich rechts auf die Standspur nach vorn zu scheuchen, damit er den Sound hören kann, als er mit seiner Plauze hinter mir her rennt, um seine Kollegen an der Grenze davon abzuhalten, mich abzuschießen. Im Rückspiegel ein Bild für Götter, doch nach der Grenze kann ich eineinhalb Stunden auf Nessi im VW-Bus warten.

Die Arbeit im Großraumbüro in Ulm geht anfangs locker von der Hand, bis Chef Folger seine Fortbildungen anfängt. Ich bin außer Nessi zwar der jüngste von ca. sechs Kollegen, doch darf in seiner Abwesenheit das meiste erledigen. Da ich mich von Anfang an mehr auf die Arbeit denn auf die Gerüchteküche konzentriere, fällt dies nicht unbedingt schwer, doch ist intensiv. Ansonsten geht’s fast täglich ins Fitnessstudio oder der 914er wird restauriert (war echt ne Mogelpackung!). Die sich einstellende Routine ist nicht wirklich was für Klein Bernie. Es hilft auch nicht, dass man mich nicht zu Kunden mitnimmt, was wohl an der weiteren Manifestierung des „irgendwie komisch und schwer zu bändigen“ liegt (lange Haare, Bart, Ohrring und nur Jeans ohne Krawatte waren halt nicht zwingend in) oder, dass der Standortleiter mir über den Hausmeister ausrichten lässt, ich solle diese „Ente“ (mein Winterauto) doch bitte außerhalb des Firmenparkplatzes parken, da nicht repräsentativ genug! Danach parkt sie nur noch neben dem Haupteingang, stehe extra früher auf!

Wie auch immer, mein Cheffe mag mich und man verspricht mir das lang ersehnte Auslandsjahr, sollte ich meinen plus einen vollen Job in anderer Abteilung gleichzeitig für neun Monate (Mutterschaftsurlaub) meistern.

Gesagt, getan, doch als sich auch zwei Monate danach nichts bewegt außer Ausflüchten, rufe ich meinen Lehrlingskumpel in der Stuttgarter Personalabteilung an, ob er nicht mal in der Akte schnüffeln kann. Die Antwort konnte nicht klarer sein. In der Akte ist folgender Vermerk des Standortleiters: „Solange der rumläuft wie Rübezahl, kann er nicht ins Ausland. Da muss er repräsentieren!“

Wieder mal wird die Kneipe zurate gezogen! Einsehen ist natürlich völlig wesensfremd, das Einzige, was ich einsehe, ist, dass dies kein Platz mehr für mich ist. Die Geburt des neuen Plans – verkaufe alles inklusive geliebtem 914er, kaufe Fahrrad mit Packtaschen und ab ins Ausland – ist mit dem letzten Bier abgeschlossen und am nächsten Morgen tackere ich die Kündigung.

Die Reaktion meines Lieblingschefs ist: „Wer hat dich abgeworben, ABB?“ Kann natürlich nicht sagen, was ich weiß, doch die Enthüllung meines neuen Plans endet in ungläubigem Staunen (wie auch bei geplagter Mutter) und einem Anruf des Persa-Chefs aus Stuttgart zwei Tage später, den ich persönlich nicht kenne: „Herr Lübcke, machen sie keinen Scheiß, wir haben da einen Job im Ausland für Sie, der passt bestimmt!“

Im Kopf geht’s nun ganz schnell: mit oder ohne Kohle ins Ausland? Na gut, schau ich mir an, und hast du’s nicht gesehen, befinde ich mich am Montag drauf beim Vorstellungsgespräch für eine ca. 35 Mann starke Montagekaufmannstruppe in Erlangen wieder. So, wie ich bin, und ohne Krawatte. Mein Spruch „So bin ich und werde es auch bleiben“ wird mit „Nu setzen Sie sich mal und trinken einen Kaffee“ quittiert. Passt, hier fühle ich mich wohl und ab 1.1.86 geht’s los!

Mein Spatz’l nimmt’s gelassen, wir sind seit einem denkwürdigen Silvestertrip nach Wien mit ihrem Bruder Peter im Dezember davor zusammen, der darin gipfelte, dass ich ausgerechnet am 31.12. keinen Alkohol mehr sehen kann. Zumindest bis Mitternacht, dann hole ich wieder auf!

Beide keine Kinder von Traurigkeit, machen wir eine Wochenendbeziehung draus, während ich den neuen Job erst mal in den Kernkraftwerken KKI 2 Landshut und Philippsburg verinnerliche. Den geliebten 914er immer dabei, außer im Winter, wenn 350-Mark-Autos (Manta A, Käfer, Taunus) herhalten müssen, meist ohne TÜV und fantasievoll mit Brettern geflickt, fehlendem Seitenfenster, mit Unterhosen zum Schiebedachabdichten versehen oder mit dem Hammer als täglichem Werkzeug, um den Anlasser zu überreden. Alles geht, man muss nur stur genug sein.

Doch auch die Ära 914 steuert nach Vollrestauration und zwei (!) Motorenwechseln auf ein drastisches Ende zu, als ich ihm in Landshut dann das Gesicht remoduliere. Mangels Zeit für Reparaturen wird er leider verkauft (was ich immer noch bereue) und was folgt, ist im Frühjahr 87 dann ein extrem seltenes, wunderhübsches, doch fahrtechnisch weit entferntes 71er Opel-GT-Cabrio, das heute noch im Stall der Wiederauferstehung harrt. Dies ist das letzte von sieben Autos und drei Motorrädern zwischen 80 und 88, als ich dann wärmere Gefilde aufzusuchen beginne.

Bis es endlich so weit ist, heißt es noch drei Monate in Erlangen Warterunde drehen. Der GT braucht ein Dach überm Kopf; was tun, sprach Zeus. Also wieder ab in die Kneipe und siehe da, die Lösung offenbart sich in Gestalt von Studenten, die sich in die Sommerferien verabschieden. Am nächsten Tag geistere ich am schwarzen Brett in der Uni herum. Jede Menge frei, doch erst ein schmetterndes Ja auf die alles entscheidende Frage nach vorhandener Garage bekommt den Zuschlag. Die muss zwar erst noch vom dachhohen Müll befreit werden, der dann den Garten ziert, doch die Villa ist super. Drei hohe Kühlschränke voller Bier im Keller und Rocky-Horror-Picture-Fans als Mitbewohner überzeugen! Die Partys enden selten vor vier am Morgen, dementsprechend schleiche ich oft leichenmäßig durch die Bürogänge, rein auf Unsichtbarkeit fokussiert. Außer morgendlichem Brötchenholen zum Wachwerden ist meine Wertschöpfung dieser Wochen stark eingeschränkt.

„Rübezahl” ?

Erstes Playmobil

Kawa Z 1000 ST

Kuwait

1.9.87: Nach genau acht Jahren im Laden ist es dann endlich so weit, über Kairo geht’s nach Kuwait, wo ich mich auf der Treppe beim Aussteigen erst mal ganz erschrocken nach den Triebwerken umdrehe, der 55 Grad heiße Wüstenwind aus der Richtung ist dann doch brutal.

Leidlich computerversiert soll ich eigentlich einen englischen Kollegen beim Erstellen der BoQ (Aufmaß) unterstützen. Mein Englisch ist noch rudimentär und er kommt sich überwacht vor, was innerhalb einer Woche im Eklat endet. Sein Englisch ist hochkompliziert und schnell, damit ich wenig mitbekomme. Nach seidener, doch klarer Ansprache, dass er entweder nun mitspielt oder ich den Bossen sage, dass er blockt und ich deshalb besser was anderes Produktives mache, sind wir plötzlich beste Freunde. Geht doch!

Ruckzuck sind wir fertig, und zwar so überzeugend, dass Oberkaufmann Badstieber, mein dortiger Chef, mir einen Programmierer zur Seite stellt, um die erste elektronische Baukasse der Firma zu kreieren. Was er mir nicht sagt, ist, dass mein Boss in Deutschland ebenfalls einen Kollegen seit fast einem Jahr das Gleiche machen lässt. Das Ergebnis ist, dass unsere Baukasse zwei Monate später in Kuwait perfekt läuft, mein Boss in Deutschland aber stocksauer ist, diese dann dennoch übernimmt und in den Rest der Welt ausrollt. Undank ist der Welten Lohn.

Unabhängig von Englisch (auf den Partys kringelten sich die Damen über meinen Akzent) lerne ich in Kuwait vor allem Joggen bei 50 Grad, Wein machen und fast jedes Sandkorn persönlich kennen. Straßen gehen von achtspurig am Rand der Stadt auf einspurige Rohölpisten in die Wüste mit Wracks als Wegweiser über und Filipino-Maids (Haushaltshilfen) baden in knappsten Bikinis neben arabischen Familien, deren Frauen permanent komplett schwarz zugehängt sind. Zum Kreischen, wenn sie aus dem Wasser kommen – ein Land teils krasser Gegensätze. Es gibt sogar ein Oktoberfest, halt mit Modenschau statt Bier!

Tja, und dann der Luxus – riesige Villen und ganze Gebäudekomplexe sind innen wie außen komplett mit Marmor verkleidet. Jede Menge Porsches, Rolls-Royce, Bentleys etc. gehören zum normalen Straßenbild und auch mir geht’s finanziell plötzlich richtig gut. Die zusätzliche Auslösung in Landshut und Philippsburg hat schon für die Auflösung des regelmäßigen Winterschlafs gesorgt, doch nun gibt’s 180 DM am Tag zum Gehalt und alles steuerfrei. Wochenendflüge nach Manama in Bahrain ins Hilton-Hotel, um dem selbstgemachten Weineinerlei zu entkommen, sind locker drin. In Bahrain gibt’s ganz normal Alkohol im Gegensatz zu Saudi-Arabien und Kuwait, daher sind die Hotels an Wochenenden (Donnerstag und Freitag) voll mit Ausflüglern besetzt. Viele, vor allem Saudis, schaffen es gar nicht in die Stadt, sondern begeben sich mit Ticket in der Hemdtasche direkt in die Flughafenkneipen, saufen sich bis zum Umfallen zu und werden gemäß Ticket vom Personal wieder in die Flugzeuge getragen. Echt jetzt!

Und dann ist da natürlich auch noch der Krieg.

Der tobt zwischen den Ajatollahs und Saddam Hussein seit 1980 und da Basra nahe der Grenze zu Iran unter Raketenbeschuss steht, erlaubt Kuwait 87 dem da noch verbündeten Saddam, der amerikanische Waffen für seinen Krieg via Öl bezahlt, ebendieses über Kuwait zu verladen. Die irakischen Tanker fahren dann unter amerikanischer Flagge durch die Straße von Hormus unter den Augen der Iranis in den indischen Ozean. Das mögen die Iranis gar nicht, also geht im September im amerikanischen Supermarkt „Safeway“ eine Bombe hoch, im