Werke - Heiner Müller - E-Book

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Heiner Müller

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Beschreibung

»Die Stücke 3« enthält sämtliche als Theaterarbeiten konzipierten Texte, die Müller zwischen 1978 und seinem Tod 1995 verfaßt hat. Darunter sind bekannte und zum Kern des Werkes zählende Stücke; außerdem werden bisher ungedruckte dramatische Texte zugänglich gemacht, die nur in Inszenierungen einen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hatten. Stücke wie Philoktet 1979 waren bislang lediglich in Zeitungen publiziert und liegen hier erstmals in Buchform vor. Drei im Nachlaß gefundene knappe Szenen wurden ebenfalls aufgenommen.

Bitte beachten Sie: Der Band enthält mit »Nachleben Brechts Beischlaf Auferstehung in Berlin« einen Text, der nicht von Heiner Müller, sondern von Jan Knopf stammt. Der Fehler wird in der nächsten Auflage des Bandes korrigiert.

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Heiner Müller

Werke 5

Herausgegeben von Frank Hörnigk

in Zusammenarbeit mit der

Stiftung Archiv der Akademie der Künste, Berlin

Redaktionelle Mitarbeit:

Klaus Gehre, Barbara Schönig und Marit Gienke

Heiner Müller

Die Stücke 3

Suhrkamp Verlag

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2023

Der vorliegende Text folgt der Originalausgabe 2002

© 2002, Suhrkamp Verlag AG, Berlin

Der Inhalt dieses eBooks ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Wir behalten uns auch eine Nutzung des Werks für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG vor.

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eISBN 978-3-518-76102-1

www.suhrkamp.de

Die Stücke 3

Inhalt

PHILOKTET 1979

DER AUFTRAG

QUARTETT

HERZSTÜCK

VERKOMMENES UFER MEDEAMATERIAL LANDSCHAFT MIT ARGONAUTEN

WOLOKOLAMSKER CHAUSSEE I: RUSSISCHE ERÖFFNUNG

ANATOMIE TITUS FALL OF ROME EIN SHAKESPEAREKOMMENTAR

WOLOKOLAMSKER CHAUSSEE II: WALD BEI MOSKAU

NACHLEBEN BRECHTS BEISCHLAF AUFERSTEHUNG IN BERLIN

WOLOKOLAMSKER CHAUSSEE III: DAS DUELL

DIE KANAKENREPUBLIK

WOLOKOLAMSKER CHAUSSEE IV: KENTAUREN

WOLOKOLAMSKER CHAUSSEE V DER FINDLING

[Aus rotem Nebel in das Rampenlicht...]

GERMANIA 3 GESPENSTER AM TOTEN MANN

Aus dem Nachlaß

[D M play]

[FILM / Im Baum die ARGO ...]

[KRIEG DER VIREN]

Anhang

Editorische Notiz

Bibliographische Notizen

PHILOKTET 1979

Drama mit Ballett (Entwurf)

Schauplatz ist die Felseninsel Lemnos, die entgegen der Falschmeldung des Sophokles dicht besiedelt ist, und zwar von den eingeborenen Frauen, die aus ungeklärten Motiven ihre Männer ermordet haben, und dem bekannten, von den Griechen dorthin ausgebürgerten Philoktet. Die Frauen essen Straußeneier und würfeln um Philoktet, der schon sehr geschwächt wirkt. Die Frau mit dem höchsten Wurf schleppt ihn in eine Höhle. Die andern stopfen oder stricken Socken für den kranken Fuß des Philoktet.1 Wenn Philoktet aus der Höhle herauskommt, wird wieder gewürfelt, und nachdem er mit einem Straußenei wieder instand gesetzt worden ist, schleppt ihn die Frau mit dem höchsten Wurf wieder in die Höhle, aus der er mehr und mehr geschwächt herauskommt. Zuerst geht er noch aufrecht, dann auf Händen und Knien, dann auf dem Bauch, zuletzt auf dem Zahnfleisch.2 Arbeitskampf, in dessen Ergebnis Philoktet einige Feiertage durchsetzen kann. An den Feiertagen unternimmt er Selbstmordversuche, die von den Frauen vereitelt werden.3 Im zehnten Jahr gelingt es ihm durch ein geschicktes Ablenkungsmanöver, mit seiner letzten Kraft sich unbemerkt an den Rand des Plateaus vorzuarbeiten. Als er sich hinabstürzen will, ersteigen, in ihren schweren Galarüstungen keuchend, Odysseus und Neoptolemos das Plateau. Sie sehen sich, bevor sie den überraschten, zur Eroberung Trojas dringend benötigten Philoktet auf die Beine stellen können, zu ihrer eigenen freudigen Überraschung von Frauen umschwärmt. Als Philoktet die Lage begriffen hat und mit dem Ruf Zur Schlacht, zur Schlacht aufspringt, haben Odysseus und Neoptolemos bereits ihren Auftrag vergessen und verschwinden, von den Frauen auf Händen getragen, in der Höhle.4 In den fortgesetzten Schlachtruf des am Höhleneingang verzweifelt herumtanzenden Philoktet mischt sich das Lustgestöhn der ausgehungerten Frontsoldaten.5 Auf einem Felsen im Hintergrund ist mit einem Hubschrauber der Bundeswehr der Archäologe Schliemann gelandet. Er wartet während des Folgenden, einen Spaten geschultert, mit wachsender Ungeduld auf die Zerstörung Trojas. Während der Wartezeit reitet einmal in jedem Jahrhundert, mit hinter ihr flatterndem Spruchband, das an ihrem Schweif befestigt ist, die Sphinx vorbei. Der Spruch auf dem Band lautet Wissen ist Macht Bei jedem Vorbeiritt der Sphinx präsentiert Schliemann den Spaten. Philoktet, der mit Sonnenbädern und einer Schlafkur seine Arbeitskraft reproduziert hat, schlägt seinen Kameraden, die schon Ausfallerscheinungen zeigen, die Gründung einer Männergewerkschaft vor. Dieser Teil kann für eine Parabase über aktuelle Gewerkschaftsfragen genutzt werden, in der die Mitbestimmung ihren Platz hat, indem die Darsteller improvisieren beziehungsweise auf Zuruf aus dem Publikum den Ablauf ändern. Während der Mitbestimmung bereitet der frustrierte Schliemann, der sich zusehends die Beine in den Bauch steht und sich schon auf den Spaten stützen muß, die Endlösung vor. Er verwandelt das Publikum in einen Sachwert, die Szene in ein Exponat, das Theater in ein Museum, sich selbst in sein Denkmal, und kreiert die Neutronenbombe, die Traumwaffe der Archäologie, das Finalprodukt des Humanismus.

1 Die Verwendung von Strickmaschinen ist möglich, wenn dem Publikum ermöglicht wird, ihre Funktionsweise einzusehn (Kleine Pädagogik) bzw. technische Verbesserungen an ihnen vorzunehmen (Große Pädagogik).

2 THE SKIN OF OUR TEETH (Th. Wilder). In der Nachdichtung von H. M. Enzensberger WENN DU DIE TASSEN UND TELLER / GELEERT HAST SOLLST DU GEHN / EINEN NEUEN ROCKEFELLER / WIRST DU NICHT MEHR SEHN.

3 DU WIRST UNS DOCH NICHT / VOR DER AUSSAAT VERRECKEN DU HUND (Brecht).

4 Mit der beliebten Konvention, den Geschlechtsakt auf der Bühne darzustellen, muß angesichts der Erhabenheit des Vorwurfs gebrochen werden.

5 Der Schlachtruf des Philoktet wie das Gestöhn des Odysseus und Neoptolemos’ sollten komponiert werden. Die Landschaft ist heroisch, Naturalismus nicht am Platz.

DER AUFTRAG

Erinnerung an eine Revolution

Das Stück verwendet Motive aus der Erzählung »Das Licht auf dem Galgen« von Anna Seghers

PERSONEN

Galloudec

Debuisson

Sasportas

Antoine

Matrose

Frau

Erste Liebe

Galloudec an Antoine. Ich schreibe diesen Brief auf meinem Totenbett. Ich schreibe in meinem Namen und im Namen des Bürgers Sasportas, der gehängt worden ist in Port Royal. Ich teile Ihnen mit, daß wir den Auftrag zurückgeben müssen, den der Konvent durch Ihre Person uns erteilt hat, da wir ihn nicht erfüllen konnten. Vielleicht richten andere mehr aus. Von Debuisson werden Sie nichts mehr hören, es geht ihm gut. Es ist wohl so, daß die Verräter eine gute Zeit haben, wenn die Völker in Blut gehn. So ist die Welt eingerichtet und es ist nicht gut so. Entschuldigen Sie meine Schrift, sie haben mir ein Bein abgenommen und ich schreibe im Fieber. Ich hoffe, daß dieser Brief Sie bei guter Gesundheit antrifft und verbleibe mit republikanischem Gruß.

Matrose. Antoine. Frau.

MATROSE Sind Sie der Bürger Antoine. Dann ist das hier ein Brief für Sie. Von einem Galloudec. Es ist nicht meine Schuld, wenn der Brief schon alt ist und vielleicht hat sich die Angelegenheit erledigt. Die Spanier haben uns festgehalten auf Kuba, dann der Engländer in Trinidad, bis euer Konsul Bonaparte den Frieden gemacht hat mit England. Dann haben sie mich ausgeraubt in London auf der Straße, weil ich betrunken war, aber den Brief nicht gefunden. Was diesen Galloudec angeht: er wird nicht mehr älter. Er ist krepiert in einem Hospital auf Kuba, halb Gefängnis und halb Hospital. Er lag dort mit einem Wundbrand, ich mit Fieber. NIMM DEN BRIEF ER MUSS ANKOMMEN UND WENN ES DAS LETZTE IST WAS DU MACHST DAS MUSST DU FÜR. MICH TUN war das letzte, was er zu mir gesagt hat. Und die Adresse von einem Büro und Ihr Name, wenn Sie dieser Antoine sind. Aber dort gibt es kein Büro mehr, und von Ihnen, wenn das Ihr Name ist, Antoine, weiß auch niemand etwas, da wo das Büro war. Einer der hinter den Baugerüsten in einem Keller wohnt, hat mich in eine Schule geschickt, wo ein Antoine als Lehrer gearbeitet haben soll. Aber da wußten sie auch nichts von dem. Dann hat mir eine Aufräumfrau gesagt, ihr Neffe hat Sie hier gesehn. Er ist Fuhrmann. Und er hat Sie mir beschrieben, wenn Sie der sind.

ANTOINE Ich kenne keinen Galloudec.

MATROSE Ich weiß nicht, was ihm an dem Brief so wichtig war. Etwas mit einem Auftrag. Den er zurückgeben muß, damit andre seine Arbeit weitermachen. Was immer das für eine Arbeit war. Er hat zuletzt von nichts anderm mehr geredet. Außer wenn er gebrüllt hat, und das war der Wundschmerz. Der kam in Wellen. Und lang genug hat es gedauert, bis er mit dem Sterben fertig war. Der Doktor sagte, sein Herz ist zu stark, er müßte zehnmal tot sein. Manchmal hält der Mensch zu wenig aus, manchmal zu viel. Das Leben ist eine Gemeinheit. Der andre, von dem er in seinem Brief schreibt, ein Neger, hat einen schnellern Tod gehabt. Den Brief hat er mir vorgelesen, Galloudec, damit ich ihn auswendig weiß, im Fall er geht verloren. Und wenn Sie ihn immer noch nicht kennen, will ich Ihnen erzählen, was sie mit ihm gemacht haben und wie er gestorben ist, Sie waren nicht dabei. Erst haben sie ihm ein Bein bis zum Knie abgeschnitten, dann den Rest. Es war das linke. Dann

ANTOINE Ich weiß von keinem Auftrag. Ich vergebe keine Aufträge, ich bin kein Herr. Ich verdiene mein Geld mit Privatstunden. Es ist wenig. Und Schlächtereien habe ich genug gesehn. Ich kenne mich aus in der Anatomie des Menschen. Galloudec.

Frau mit Wein Brot und Käse.

FRAU Du hast Besuch. Ich habe einen Orden verkauft. Den für die Vendée, wo ihr die Bauern totgeschlagen habt für die Republik.

ANTOINE Ja.

MATROSE Soweit ich sehe, haben Sie noch alles. Im Gegensatz zu diesem Galloudec, den Sie nicht kennen und der tot ist wie ein Stein. Der andre hieß Sasportas. Ihn haben sie aufgehängt in Port Royal, wenn Sie es wissen wollen, für den Auftrag, von dem Sie nichts wissen, auf Jamaika. Der Galgen steht auf einem Kliff. Wenn sie tot sind, werden sie abgeschnitten und fallen ins Meer. Den Rest besorgen die Haie. Danke für den Wein.

ANTOINE Sasportas. Ich bin der Antoine den du gesucht hast. Ich muß vorsichtig sein, Frankreich ist keine Republik mehr, unser Konsul ist Kaiser geworden und erobert Rußland. Mit vollem Mund redet es sich leichter über eine verlorene Revolution. Blut, geronnen zu Medaillenblech. Die Bauern wußten es auch nicht besser, wie. Und vielleicht hatten sie recht, wie. Der Handel blüht. Denen auf Haiti geben wir jetzt ihre Erde zu fressen. Das war die Negerrepublik. Die Freiheit führt das Volk auf die Barrikaden, und wenn die Toten erwachen trägt sie Uniform. Ich werde dir jetzt ein Geheimnis verraten: sie ist auch nur eine Hure. Und ich kann schon darüber lachen. Hahaha. Aber hier ist etwas leer, das hat gelebt. Ich war dabei, als das Volk die Bastille gestürmt hat. Ich war dabei, als der Kopf des letzten Bourbonen in den Korb fiel. Wir haben die Köpfe der Aristokraten geerntet. Wir haben die Köpfe der Verräter geerntet.

FRAU Schöne Ernte. Bist du wieder betrunken, Antoine.

ANTOINE Es paßt ihr nicht, wenn ich von meiner großen Zeit rede. Vor mir hat die Gironde gezittert. Sieh sie dir an, mein Frankreich. Die Brüste ausgelaugt. Zwischen den Schenkeln die Wüste. Ein totes Schiff in der Brandung des neuen Jahrhunderts. Siehst du, wie sie schlingt. Frankreich braucht ein Blutbad, und der Tag wird kommen.

Antoine gießt sich Rotwein über den Kopf.

MATROSE Davon verstehe ich nichts. Ich bin Matrose, ich glaube nicht an Politik. Die Welt ist überall anders. Das ist der Brief.

Geht.

ANTOINEschreit: Sei vorsichtig, Matrose, wenn du aus meinem Haus gehst. Die Polizisten unseres Ministers Fouché fragen dich nicht, ob du an Politik glaubst. – Galloudec, Sasportas. Wo ist dein Bein, Galloudec. Warum hängt dir die Zunge aus dem Hals, Sasportas. Was wollt ihr von mir. Kann ich für deinen Beinstumpf. Und für deinen Strick. Soll ich mir ein Bein abschneiden. Willst du, daß ich mich danebenhänge. Frag deinen Kaiser, Galloudec, nach deinem Bein. Zeig deinem Kaiser die Zunge, Sasportas. Er siegt in Rußland, ich kann euch den Weg zeigen. Was wollt ihr von mir. Geht. Geht weg. Verschwindet. Sag du es ihnen, Frau. Sag ihnen, sie sollen weggehn, ich will sie nicht mehr sehn. Seid ihr noch da. Dein Brief ist angekommen, Galloudec. Das ist er. Ihr habt es jedenfalls hinter euch. ES LEBE DIE REPUBLIK.

Lacht. Ihr denkt, mir geht es gut, wie. Habt ihr Hunger. Da. Wirft Essen auf die Toten.

FRAU Komm ins Bett, Antoine.

ANTOINE DAS IST DIE HIMMELFAHRT FÜR WENIG GELD IM GITTERWERK DER BRUST SOLANG ES HÄLT DAS HERZ DER HUND

Während des Beischlafs tritt der Engel der Verzweiflung auf.

ANTOINE/STIMME Wer bist du.

FRAU / STIMME Ich bin der Engel der Verzweiflung. Mit meinen Händen teile ich den Rausch aus, die Betäubung, das Vergessen, Lust und Qual der Leiber. Meine Rede ist das Schweigen, mein Gesang der Schrei. Im Schatten meiner Flügel wohnt der Schrecken. Meine Hoffnung ist der letzte Atem. Meine Hoffnung ist die erste Schlacht. Ich bin das Messer mit dem der Tote seinen Sarg aufsprengt. Ich bin der sein wird. Mein Flug ist der Aufstand, mein Himmel der Abgrund von morgen.

Wir waren auf Jamaika angekommen, drei Emissäre des französischen Konvents, unsre Namen: Debuisson, Galloudec, Sasportas, unser Auftrag: ein Sklavenaufstand gegen die Herrschaft der britischen Krone im Namen der Republik Frankreich. Die das Mutterland der Revolution ist, der Schrecken der Throne, die Hoffnung der Armen. In der alle Menschen gleich sind unter dem Beil der Gerechtigkeit. Die kein Brot hat gegen den Hunger ihrer Vorstädte, aber Hände genug, die Brandfackel der Freiheit Gleichheit Brüderlichkeit in alle Länder zu tragen. Wir standen auf dem Platz am Hafen. In der Mitte des Platzes war ein Käfig aufgestellt. Wir hörten den Wind vom Meer, das harte Rauschen der Palmblätter, das Fegen der Palmwedel, mit denen die Negerinnen den Staub vom Platz kehrten, das Stöhnen des Sklaven im Käfig, die Brandung. Wir sahen die Brüste der Negerinnen, den blutig gestriemten Leib des Sklaven im Käfig, den Gouverneurspalast. Wir sagten: Das ist Jamaika, Schande der Antillen, Sklavenschiff in der Karibischen See.

SASPORTAS Bis wir mit unsrer Arbeit fertig sind.

GALLOUDEC Du kannst gleich anfangen. Bist du nicht hergekommen, um die Sklaven zu befrein. Das in dem Käfig ist ein Sklave. Morgen wird er es gewesen sein, wenn er heute nicht befreit wird.

DEBUISSON Sie stellen sie in den Käfigen aus, wenn sie versucht haben wegzulaufen oder für andre Verbrechen, zur Abschreckung, bis die Sonne sie wegdorrt. Das war schon so, als ich von Jamaika wegging, vor zehn Jahren. Sieh nicht hin, Sasportas, einem können wir nicht helfen.

GALLOUDEC Immer stirbt nur einer. Gezählt werden die Toten.

DEBUISSON Der Tod ist die Maske der Revolution.

SASPORTAS Wenn ich von hier weggehe, werden andre in den Käfigen hängen, mit weißer Haut bis die Sonne sie schwarz brennt. Dann wird vielen geholfen sein.

GALLOUDEC Vielleicht stellen wir lieber eine Guillotine auf. Das ist reinlicher. Die Rote Witwe ist das beste Scheuerweib.

DEBUISSON Die Geliebte der Vorstädte.

SASPORTAS Ich bleibe dabei, daß ein Käfig eine gute Sache ist, wenn die Sonne hoch genug steht, für eine weiße Haut.

GALLOUDEC Wir sind nicht hier, um einander unsre Hautfarbe vorzuhalten, Bürger Sasportas.

SASPORTAS Wir sind nicht gleich, eh wir einander nicht die Häute abgezogen haben.

DEBUISSON Das war ein schlechter Anfang. Nehmen wir unsre Masken vor. Ich bin der ich war: Debuisson, Sohn von Sklavenhaltern auf Jamaika, mit Erbrecht auf eine Plantage mit vierhundert Sklaven. Heimgekehrt in den Schoß der Familie, um sein Erbe anzutreten, aus dem verhangenen Himmel Europas, trüb vom Qualm der Brände und Blutdunst der neuen Philosophie, in die reine Luft der Kariben, nachdem die Schrecken der Revolution ihm die Augen geöffnet haben für die ewige Wahrheit, daß alles Alte besser als alles Neue ist. Übrigens bin ich Arzt, ein Helfer der Menschheit ohne Ansehn der Person, Herrn oder Sklaven. Ich heile den einen für den andern, damit alles bleibt wie es ist, solang es dauert, mein Gesicht das rosige Gesicht des Sklavenhalters, der auf dieser Welt nichts zu fürchten hat als den Tod.

SASPORTAS Und seine Sklaven.

DEBUISSON Wer bist du, Galloudec.

GALLOUDEC Ein Bauer aus der Bretagne, der die Revolution hassen gelernt hat im Blutregen der Guillotine, ich wollte, der Regen wäre reichlicher gefallen, und nicht nur auf Frankreich, treuer Diener des gnädigen Herrn Debuisson, und glaube an die heilige Ordnung der Monarchie und der Kirche. Ich hoffe, ich werde das nicht zu oft beten müssen.

DEBUISSON Du bist zweimal aus der Rolle gefallen, Galloudec. Wer bist du.

GALLOUDEC Ein Bauer aus der Bretagne, der die Revolution hassen gelernt hat im Blutregen der Guillotine. Treuer Diener des gnädigen Herrn Debuisson. Ich glaube an die heilige Ordnung der Monarchie und der Kirche.

SASPORTASparodiert: Ich glaube an die heilige Ordnung der Monarchie und der Kirche. Ich glaube an die heilige Ordnung der Monarchie und der Kirche.

DEBUISSON Sasportas. Deine Maske.

GALLOUDEC Dir sollte es nicht schwerfallen, den Sklaven zu spielen, Sasportas, in deiner schwarzen Haut.

SASPORTAS Auf der Flucht vor der siegreichen schwarzen Revolution auf Haiti habe ich mich dem Herrn Debuisson angeschlossen, weil Gott mich für die Sklaverei geschaffen hat. Ich bin sein Sklave. Genügt das.

Galloudec applaudiert

SASPORTAS Beim nächsten Mal werde ich dir mit dem Messer antworten, Bürger Galloudec.

GALLOUDEC Ich weiß, daß du die schwerste Rolle spielst. Sie ist dir auf den Leib geschrieben.

SASPORTAS Mit den Peitschen, die ein neues Alphabet schreiben werden auf andre Leiber in unsrer Hand.

DEBUISSON Siegreiche Revolution ist nicht gut. So etwas sagt man nicht vor Herren. Schwarze Revolution ist auch nicht gut, Schwarze machen einen Aufruhr, wenn es hochkommt, keine Revolution.

SASPORTAS Hat die Revolution nicht gesiegt auf Haiti. Die schwarze Revolution.

DEBUISSON Es ist der Abschaum, der gesiegt hat. Auf Haiti herrscht der Abschaum.

Sasportas spuckt.

DEBUISSON Du spuckst in die falsche Richtung: ich bin dein Herr. Sag es jetzt.

SASPORTAS Auf der Flucht vor dem Abschaum, der Haiti in eine Kloake verwandelt hat.

GALLOUDEC Kloake ist gut. Du lernst schnell, Sasportas.

DEBUISSON Nimm deine Hände vom Gesicht und sieh das Fleisch an, das in diesem Käfig stirbt. Du auch, Galloudec. Es ist dein und dein und mein Fleisch. Sein Stöhnen ist die Marseillaise der Leiber, auf denen die neue Welt gebaut wird. Lernt die Melodie. Wir werden sie noch lange hören, freiwillig oder nicht, es ist die Melodie der Revolution, unsrer Arbeit. Viele werden in diesem Käfig sterben, bevor unsre Arbeit getan ist. Viele werden in diesem Käfig sterben, weil wir unsre Arbeit tun. Das ist, was wir für unsersgleichen tun mit unsrer Arbeit, und vielleicht nur das. Unser Platz ist der Käfig, wenn unsre Masken reißen vor der Zeit. Die Revolution ist die Maske des Todes. Der Tod ist die Maske der Revolution.

Ein riesiger Neger tritt auf.

DEBUISSON Das ist der älteste Sklave meiner Familie. Er ist taub und stumm, etwas zwischen Mensch und Hund. Er wird in den Käfig spucken. Vielleicht solltest du das auch tun, Sasportas, damit du deine schwarze Haut hassen lernst für die Zeit, in der wir es brauchen. Dann wird er mir die Schuhe küssen, er leckt sich schon die Lippen, seht ihr, und auf seinem Rücken mich, seinen alten und neuen Herrn, in das Haus meiner Väter tragen, grunzend vor Wonne. Die Familie öffnet ihren Schoß, morgen beginnt unsre Arbeit.

Der riesige Neger spuckt in den Käfig, sieht Sasportas an, verbeugt sich vor Galloudec, küßt Debuisson die Schuhe, trägt ihn auf dem Rücken weg. Galloudec und Sasportas folgen hintereinander.

DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES DER TOD IST DIE MASKE DER REVOLUTION DIE REVOLUTION IST DIE MASKE DES TODES

Heimkehr des Verlorenen Sohnes. Vater und Mutter in offenem Schrank. Auf einem Thron Erste Liebe. Debuisson Galloudec Sasportas von Sklaven entkleidet und kostümiert:

Debuisson als Sklavenhalter, Galloudec als Aufseher mit Peitsche, Sasportas als Sklave.

ERSTE LIEBE Der kleine Victor hat Revolution gespielt. Jetzt kehrt er heim in den Schoß der Familie. Heim zu Papa mit der wurmstichigen Hirnschale. Heim zu Mama mit ihrem Geruch von verfaulten Blumen. Hast du dir wehgetan, kleiner Victor. Komm näher und zeig deine Wunden. Kennst du mich nicht mehr. Du brauchst keine Angst zu haben, kleiner Victor. Nicht vor mir. Nicht vor deiner ersten Liebe. Die du betrogen hast mit der Revolution, deiner blutbeschmierten zweiten. Mit der du dich in der Gosse gewälzt hast zehn Jahre lang in Konkurrenz mit dem Pöbel. Oder in den Leichenhallen, wo sie ihre Beute zählt. Ich rieche ihr Parfüm aus Stallmist, Tränen, kleiner Victor. Hast du sie so sehr geliebt. Ach Debuisson. Ich hab es dir gesagt, sie ist eine Hure. Die Schlange mit der blutsaufenden Scham. Die Sklaverei ist ein Naturgesetz, alt wie die Menschheit. Warum soll sie aufhören vor ihr. Sieh dir meine Sklaven an, und deine, unser Eigentum. Ihr Leben lang sind sie Tiere gewesen. Warum sollen sie Menschen sein, weil es in Frankreich auf einem Papier steht. Kaum lesbar vor so viel mehr Blut als für die Sklaverei geflossen ist hier auf deinem und meinem schönen Jamaika. Ich werde dir eine Geschichte erzählen: auf Barbados ist ein Plantagenbesitzer erschlagen worden zwei Monate nach der Aufhebung der Sklaverei. Sie kamen zu ihm, seine Befreiten. Sie gingen auf den Knien wie in der Kirche. Und weißt du was sie wollten. Zurück in die Geborgenheit der Sklaverei. Das ist der Mensch: seine erste Heimat ist die Mutter, ein Gefängnis.

Sklaven heben der Mutter im Schrank die Röcke über den Kopf

Hier klafft sie, die Heimat, hier gähnt er, der Schoß der Familie. Sag ein Wort, wenn du zurück willst und sie stopft dich hinein, die Idiotin, die ewige Mutter. Der arme Mann auf Barbados hat es nicht so gut getroffen. Mit Knüppeln haben sie ihn totgeschlagen, seine Nicht-mehr-Sklaven, wie einen tollwütigen Hund, weil er sie nicht zurückgenommen hat aus dem kalten Frühling ihrer Freiheit unter die geliebte Peitsche. Gefällt dir die Geschichte, Bürger Debuisson. Die Freiheit wohnt auf dem Rücken der Sklaven, die Gleichheit unter dem Beil. Willst du mein Sklave sein, kleiner Victor. Liebst du mich. Das sind die Lippen, die dich geküßt haben.

Sklavin malt ihr einen großen Mund

Sie erinnern sich, Victor Debuisson, an deine Haut. Das sind die Brüste, die dich gewärmt haben, kleiner Victor.

Sklavin schminkt ihr Brustwarzen usw.

Sie haben deinen Mund und deine Hände nicht vergessen. Das ist die Haut, die deinen Schweiß getrunken hat. Das ist der Schoß, der deinen Samen empfangen hat der mein Herz verbrennt.

Sklavin malt ihr ein blaues Herz.

Siehst du die blaue Flamme. Weißt du, wie man auf Kuba die entlaufenen Sklaven fängt. Man jagt sie mit Bluthunden. Und so will ich mir wieder nehmen, Bürger Debuisson, was deine Hure, die Revolution, mir geraubt hat, mein Eigentum.

Sklaven als Hunde, von Galloudec mit der Peitsche, von dem Vatergespenst mit HASSA-Rufen begleitet, jagen Debuisson.

Mit den Zähnen meiner Hunde will ich aus deinem befleckten Fleisch beißen die Spur meiner Tränen, meinen Schweiß, meine Schreie der Lust. Mit den Messern ihrer Klauen aus deinem Fell mein Brautkleid schneiden. Deinen Atem, der nach den toten Leibern der Könige schmeckt, übersetzen in die Sprache der Qual, die den Sklaven gehört. Ich will dein Geschlecht essen und einen Tiger gebären, der die Zeit verschlingt, mit der die Uhren mein leeres Herz schlagen, durch das die Regen der Tropen gehn.

Sklavin setzt ihr eine Tigermaske auf.

GESTERN HABE ICH ANGEFANGEN / DICH ZU TÖTEN MEIN HERZ / JETZT LIEBE ICH / DEINEN LEICHNAM / WENN ICH TOT BIN / WIRD MEIN STAUB NACH DIR SCHREIN. Ich will dir diese Hündin zum Geschenk machen, kleiner Victor, damit du sie mit deinem verdorbenen Samen füllst. Und vorher will ich sie auspeitschen lassen, damit euer Blut sich vermischt. Liebst du mich, Debuisson. Man soll eine Frau nicht allein lassen.

Sklaven nehmen Galloudec die Peitsche weg, schließen den Schrank, schminken ErsteLiebe ab, setzen Debuisson auf den Thron. ErsteLiebe als Fußbank, staffieren Galloudec und Sasportas als Danton und Robespierre aus. Das Theater der Revolution ist eröffnet Während die zwei Spieler und das Publikum ihre Plätze einnehmen, hört man aus dem Schrank den Dialog der Eltern.

VATER Das ist die Auferstehung des Fleisches. Denn der Wurm nagt ewig und das Feuer geht nicht aus.

MUTTER Hurt er wieder herum. Krickkrack jetzt ist mein Herz gebrochen, seht ihr.

VATER Ich schenke sie dir, mein Sohn. Ich schenke dir beide, schwarz und oder weiß.

MUTTER Nehmt mir das Messer aus dem Bauch. Ihr gemalten Huren.

VATER Auf die Knie, Kanaille, und bitte deine Mama um den Segen.

MUTTER DA DROBEN AUF DEM BERGE / DA WEHET DER WIND / DA SCHLACHTET MARIA / DAS HIMMLISCHE KIND. Heim nach Grönland. Kommt meine Kinder. Dort wärmt die Sonne jeden Tag.

VATER Stopft der Idiotin das Maul.

SASPORTAS ROBESPIERRE Geh auf deinen Platz, Danton, am Pranger der Geschichte. Seht den Schmarotzer, der das Brot der Hungrigen schlingt. Den Wüstling, der die Töchter des Volkes schändet. Den Verräter, der die Nase rümpft vor dem Geruch des Blutes, mit dem die Revolution den Leib der neuen Gesellschaft wäscht. Soll ich dir sagen, warum du kein Blut mehr sehn kannst, Danton. Hast du Revolution gesagt. Der Griff nach dem Fleischtopf war deine Revolution. Der Freiplatz im Bordell. Dafür hast du dich auf den Tribünen gespreizt im Beifall des Pöbels. Der Löwe, der den Aristokraten die Stiefel leckt. Schmeckt dir der Speichel der Bourbonen. Ist dir auch warm im Arsch der Monarchie. Sagtest du Kühnheit. Schüttle nur deine gepuderte Mähne. Länger als bis dein Kopf fällt unter dem Beil der Gerechtigkeit wirst du die Tugend nicht verhöhnen. Du kannst nicht sagen, daß ich dich nicht gewarnt habe, Danton. Jetzt wird die Guillotine mit dir reden, die erhabene Erfindung des neuen Zeitalters, das über dich hinwegschreiten wird wie über alle Verräter. Ihre Sprache wirst du verstehn, du hast sie gut gesprochen im September.

Sklaven schlagen Galloiudec den Dantonkopf herunter, werfen ihn einander zu. Galloudec gelingt es, ihn zu fangen, er klemmt ihn unter den Arm.

Warum klemmst du deinen schönen Kopf nicht zwischen die Beine, Danton, wo bei den Läusen deiner Ausschweifung und den Geschwüren deines Lasters dein Verstand sitzt.

Sasportas stößt Galloudec den Dantonkopf unter dem Arm weg. Galloudec kriecht dem Kopf nach, setzt ihn auf.

GALLOUDEC DANTON Jetzt bin ich dran. Seht den Affen mit der zerbrochenen Kinnlade. Den Blutsäufer, der seinen Sabber nicht halten kann. Hast du das Maul zu voll genommen, Unbestechlicher, mit deiner Tugendpauke. Das ist der Dank des Vaterlandes: eine Gendarmenfaust. Sklaven reißen Sasportas die Kinnbinde vom Kobespierrekopf, die Kinnlade fällt herunter. Während Sasportas Kinnbinde und Kinnlade sucht

Ist dir etwas heruntergefallen. Fehlt dir etwas. Eigentum ist Diebstahl. Spürst du den Wind im Hals. Das ist die Freiheit.

Sasportas hat Kinnbinde und Kinnlade wiedergefunden und komplettiert den Robespierrekopf.

Paß auf, daß dir dein schlauer Kopf nicht ganz abhanden kommt, Robespierre, durch die Liebe des Volkes. Hast du Revolution gesagt. Das Beil der Gerechtigkeit, wie. Die Guillotine ist keine Brotfabrik. Wirtschaft, Horatio, Wirtschaft.

Sklaven schlagen Sasportas den Robespierrekopf herunter und gebrauchen ihn als Fußball.

Das ist die Gleichheit. ES LEBE DIE REPUBLIK. Hab ich dir nicht gesagt: du bist der nächste.

Mischt sich in das Fußballspiel der Sklaven.

Das ist die Brüderlichkeit.

SasportasRobespierre heult.

Was hast du gegen Fußball. Entre nous: soll ich dir sagen, warum du so scharf warst auf meinen schönen Kopf. Ich wette, wenn du die Hosen herunterläßt, staubt es. Damen und Herren. Das Theater der Revolution ist eröffnet. Attraktion: der Mann ohne Unterleib. Maximilian der Große. Tugendmax. Der Sesselfurzer. Der Wichser aus Arras. Der blutige Robespierre.

SASPORTASROBESPIERREsetzt den Kopf wieder auf: Mein Name steht im Pantheon der Geschichte.

GALLOUDECDANTON EIN MÄNNLEIN STEHT IM WALDE GANZ STILL UND STUMM

ES HAT VON LAUTER PURPUR

EIN MÄNTLEIN UM

SASPORTASROBESPIERRE Parasit Syphilitiker Aristokratenknecht.

GALLOUDECDANTON Heuchler Eunuch Lakai der Wallstreet.

SASPORTASROBESPIERRE Schwein.

GALLOUDECDANTON Hyäne.

Prügeln einander die Köpfe wieder herunter. Debuisson applaudiert. Sklaven zerren ihn vom Thron, setzen Sasportas hinauf Galloudec als Fußbank. Krönung Sasportas.’.

SASPORTAS Das Theater der weißen Revolution ist zu Ende. Wir verurteilen dich zum Tode, Victor Debuisson. Weil deine Haut weiß ist. Weil deine Gedanken weiß sind unter deiner weißen Haut. Weil deine Augen die Schönheit unserer Schwestern gesehen haben. Weil deine Hände die Nacktheit unserer Schwestern berührt haben. Weil deine Gedanken ihre Brüste gegessen haben, ihren Leib, ihre Scham. Weil du ein Besitzer bist, ein Herr. Darum verurteilen wir dich zum Tode, Victor Debuisson. Die Schlangen sollen deine Scheiße fressen, deinen Arsch die Krokodile, die Piranhas deine Hoden.

Debuisson schreit.

Das Elend mit euch ist, ihr könnt nicht sterben. Darum tötet ihr alles um euch herum. Für eure toten Ordnungen, in denen der Rausch keinen Platz hat. Für eure Revolutionen ohne Geschlecht. Liebst du diese Frau. Wir nehmen sie, damit du leichter stirbst. Wer nicht besitzt stirbt leichter. Was gehört dir noch. Sag schnell, unsre Schule ist die Zeit, sie kommt nicht wieder und kein Atem für Didaktik, wer nicht lernt stirbt auch. Deine Haut. Wem hast du sie abgezogen. Dein Fleisch unser Hunger. Dein Blut leert unsre Adern. Deine Gedanken, wie. Wer schwitzt für eure Philosophien. Noch dein Harn und deine Scheiße sind Ausbeutung und Sklaverei. Von deinem Samen nicht zu reden: Destillat aus toten Leibern. Jetzt gehört dir nichts mehr. Jetzt bist du nichts. Jetzt kannst du sterben. Grabt ihn ein.

Ich stehe zwischen Männern, die mir unbekannt sind, in einem alten Fahrstuhl mit während des Aufstiegs klapperndem Metallgestänge. Ich bin gekleidet wie ein Angestellter oder wie ein Arbeiter am Feiertag. Ich habe mir sogar einen Schlips umgebunden, der Kragen scheuert am Hals, ich schwitze. Wenn ich den Kopf bewege, schnürt mir der Kragen den Hals ein. Ich habe einen Termin beim Chef (in Gedanken nenne ich ihn Nummer Eins), sein Büro ist in der vierten Etage, oder war es die zwanzigste; kaum denke ich darüber nach, schon bin ich nicht mehr sicher. Die Nachricht von meinem Termin beim Chef (den ich in Gedanken Nummer Eins nenne) hat mich im Kellergeschoß erreicht, einem ausgedehnten Areal mit leeren Betonkammern und Hinweisschildern für den Bombenschutz. Ich nehme an, es geht um einen Auftrag, der mir erteilt werden soll. Ich prüfe den Sitz meiner Krawatte und ziehe den Knoten fest. Ich hätte gern einen Spiegel, damit ich den Sitz der Krawatte auch mit den Augen prüfen kann. Unmöglich, einen Fremden zu fragen, wie dein Schlipsknoten sitzt. Die Krawatten der andern Männer im Fahrstuhl sitzen fehlerfrei. Einige von ihnen scheinen miteinander bekannt zu sein. Sie reden leise über etwas, wovon ich nichts verstehe. Immerhin muß ihr Gespräch mich abgelenkt haben: beim nächsten Halt lese ich auf dem Etagenanzeiger über der Fahrstuhltür mit Schrecken die Zahl Acht. Ich bin zu weit gefahren oder ich habe mehr als die Hälfte der Strecke noch vor mir. Entscheidend ist der Zeitfaktor. FÜNF MINUTEN VOR DER ZEIT / IST DIE WAHRE PÜNKTLICHKEIT Als ich das letztemal auf meine Armbanduhr geblickt habe, zeigte sie zehn. Ich erinnere mich an mein Gefühl der Erleichterung: noch fünfzehn Minuten bis zu meinem Termin beim Chef. Beim nächsten Blick war es nur fünf Minuten später. Als ich jetzt, zwischen der achten und neunten Etage, wieder auf meine Uhr sehe, zeigt sie genau vierzehn Minuten und fünfundvierzig Sekunden nach der zehnten Stunde an: mit der wahren Pünktlichkeit ist es vorbei, die Zeit arbeitet nicht mehr für mich. Schnell überdenke ich meine Lage: ich kann beim nächsten möglichen Halt aussteigen und die Treppe hinunterlaufen, drei Stufen auf einmal, bis zur vierten Etage. Wenn es die falsche Etage ist, bedeutet das natürlich einen vielleicht uneinholbaren Zeitverlust. Ich kann bis zur zwanzigsten Etage weiterfahren und, wenn sich das Büro des Chefs dort nicht befindet, zurück in die vierte Etage, vorausgesetzt der Fahrstuhl fällt nicht aus, oder die Treppe hinunterlaufen (drei Stufen auf einmal), wobei ich mir die Beine brechen kann oder den Hals, gerade weil ich es eilig habe. Ich sehe mich schon auf einer Bahre ausgestreckt, die auf meinen Wunsch in das Büro des Chefs getragen und vor seinem Schreibtisch aufgestellt wird, immer noch dienstbereit, aber nicht mehr tauglich. Vorläufig spitzt sich alles auf die durch meine Fahrlässigkeit im voraus nicht beantwortbare Frage zu, in welcher Etage der Chef (den ich in Gedanken Nummer Eins nenne) mit einem wichtigen Auftrag auf mich wartet. (Es muß ein wichtiger Auftrag sein, warum sonst läßt er ihn nicht durch einen Untergebenen erteilen.) Ein schneller Blick auf die Uhr klärt mich unwiderlegbar über die Tatsache auf, daß es auch für die einfache Pünktlichkeit seit langem zu spät ist, obwohl unser Fahrstuhl, wie beim zweiten Blick zu sehn, die zwölfte Etage noch nicht erreicht hat: der Stundenzeiger steht auf zehn, der Minutenzeiger auf fünfzig, auf die Sekunden kommt es schon länger nicht mehr an. Mit meiner Uhr scheint etwas nicht zu stimmen, aber auch für einen Zeitvergleich ist keine Zeit mehr: ich bin, ohne daß ich bemerkt habe, wo die andern Herren ausgestiegen sind, allein im Fahrstuhl. Mit einem Grauen, das in meine Haarwurzeln greift, sehe ich auf meiner Uhr, von der ich den Blick jetzt nicht mehr losreißen kann, die Zeiger mit zunehmender Geschwindigkeit das Zifferblatt umkreisen, so daß zwischen Lidschlag und Lidschlag immer mehr Stunden vergehn. Mir wird klar, daß schon lange etwas nicht gestimmt hat: mit meiner Uhr, mit diesem Fahrstuhl, mit der Zeit. Ich verfalle auf wilde Spekulationen: die Schwerkraft läßt nach, eine Störung, eine Art Stottern der Erdrotation, wie ein Wadenkrampf beim Fußball. Ich bedaure, daß ich von Physik zu wenig weiß, um den schreienden Widerspruch zwischen der Geschwindigkeit des Fahrstuhls und dem Zeitablauf, den meine Uhr anzeigt, in Wissenschaft auflösen zu können. Warum habe ich in der Schule nicht aufgepaßt. Oder die falschen Bücher gelesen: Poesie statt Physik. Die Zeit ist aus den Fugen und irgendwo in der vierten oder in der zwanzigsten Etage (das Oder schneidet wie ein Messer durch mein fahrlässiges Gehirn) wartet in einem wahrscheinlich weitläufigen und mit einem schweren Teppich ausgelegten Raum hinter seinem Schreibtisch, der wahrscheinlich an der hinteren Schmalseite des Raumes dem Eingang gegenüber aufgestellt ist, mit meinem Auftrag der Chef (den ich in Gedanken Nummer Eins nenne) auf mich Versager. Vielleicht geht die Welt aus dem Leim und mein Auftrag, der so wichtig war, daß ihn der Chef mir in Person erteilen wollte, ist schon sinnlos geworden durch meine Fahrlässigkeit. GEGENSTANDSLOS in der Sprache der Ämter, die ich so gut gelernt habe (überflüssige Wissenschaft!), BEI DEN AKTEN, die niemand mehr einsehen wird, weil er gerade die letzte mögliche Maßnahme gegen den Untergang betraf, dessen Beginn ich jetzt erlebe, eingesperrt in diesen verrückt gewordenen Fahrstuhl mit meiner verrückt gewordenen Armbanduhr. Verzweifelter Traum im Traum: ich habe die Fähigkeit, einfach indem ich mich zusammenrolle, meinen Körper in ein Geschoß zu verwandeln, das die Decke des Fahrstuhls durchschlagend die Zeit überholt. Kaltes Erwachen im langsamen Fahrstuhl zum Blick auf die rasende Uhr. Ich stelle mir die Verzweiflung von Nummer Eins vor. Seinen Selbstmord. Sein Kopf, dessen Porträt alle Amtsstuben ziert, auf dem Schreibtisch. Blut aus einem schwarzrandigen Loch in der (wahrscheinlich rechten) Schläfe. Ich habe keinen Schuß gehört, aber das beweist nichts, die Wände seines Büros sind natürlich schalldicht, mit Zwischenfällen ist beim Bau gerechnet worden und was im Büro des Chefs geschieht, geht die Bevölkerung nichts an, die Macht ist einsam. Ich verlasse den Fahrstuhl beim nächsten Halt und stehe ohne Auftrag, den nicht mehr gebrauchten Schlips immer noch lächerlich unter mein Kinn gebunden, auf einer Dorfstraße in Peru. Trockener Schlamm mit Fahrspuren. Auf beiden Seiten der Straße greift eine kahle Ebene mit seltenen Grasnarben und Flecken von grauem Gebüsch undeutlich nach dem Horizont, über dem ein Gebirge im Dunst schwimmt. Links von der Straße ein Barackenbau, er sieht verlassen aus, die Fenster schwarze Löcher mit Glasresten. Vor einer Plakatwand mit Reklamen für Produkte einer fremden Zivilisation stehen zwei riesige Einwohner. Von ihren Rücken geht eine Drohung aus. Ich überlege, ob ich zurückgehen soll, noch bin ich nicht gesehen worden. Nie hätte ich gedacht, während meines verzweifelten Aufstiegs zum Chef, daß ich Heimweh nach dem Fahrstuhl empfinden könnte, der mein Gefängnis war. Wie soll ich meine Gegenwart in diesem Niemandsland erklären. Ich habe keinen Fallschirm vorzuweisen, kein Flugzeug oder Autowrack. Wer kann mir glauben, daß ich aus einem Fahrstuhl nach Peru gelangt bin, vor und hinter mir die Straße, von der Ebene flankiert, die nach dem Horizont greift. Wie soll überhaupt eine Verständigung möglich sein, ich kenne die Sprache dieses Landes nicht, ich könnte genausogut taubstumm sein. Besser ich wäre taubstumm: vielleicht gibt es Mitleid in Peru. Mir bleibt nur die Flucht ins hoffentlich Menschenleere, vielleicht vor einem Tod in einen andern, aber ich ziehe den Hunger dem Messer des Mörders vor. Mittellos mich freizukaufen bin ich in jedem Fall, mit meiner geringen Barschaft in der fremden Währung. Nicht einmal im Dienst zu sterben ist mir vom Schicksal vergönnt, meine Sache ist eine verlorene Sache, Angestellter eines gestorbenen Chefs der ich bin, mein Auftrag beschlossen in seinem Gehirn, das nichts mehr herausgibt, bis die Tresore der Ewigkeit geöffnet werden, um deren Kombination die Weisen der Welt sich abmühn, auf dieser Seite des Todes. Hoffentlich nicht zu spät löse ich meinen Schlipsknoten, dessen korrekter Sitz mich so viel Schweiß gekostet hat auf meinem Weg zum Chef, und lasse das auffällige Kleidungsstück in meiner Jacke verschwinden. Beinahe hätte ich es weggeworfen, eine Spur. Im Umdrehn sehe ich zum erstenmal das Dorf; Lehm und Stroh, durch eine offene Tür eine Hängematte. Kalter Schweiß bei dem Gedanken, ich könnte von dort aus beobachtet worden sein, aber ich kann kein Zeichen von Leben ausmachen, das einzig Bewegte ein Hund, der in einem qualmenden Müllhaufen wühlt. Ich habe zu lange gezögert: Die Männer lösen sich von der Plakatwand und kommen schräg über die Straße auf mich zu, zunächst ohne mich anzusehn. Ich sehe die Gesichter über mir, undeutlich schwarz das eine, die Augen weiß, der Blick nicht auszumachen: die Augen sind ohne Pupillen. Der Kopf des andern ist aus grauem Silber. Ein langer ruhiger Blick aus Augen, deren Farbe ich nicht bestimmen kann, etwas Rotes schimmert darin. Durch die Finger der schwer herabhängenden rechten Hand, die ebenfalls aus Silber zu bestehen scheint, läuft ein Zucken, die Blutbahnen leuchten aus dem Metall. Der Silberne geht hinter mir vorbei dem Schwarzen nach. Meine Angst verfliegt und macht einer Enttäuschung Platz: bin ich nicht einmal ein Messer wert oder den Würgegriff von Händen aus Metall. Lag in dem ruhigen Blick, der fünf Schritte lang auf mich gerichtet war, nicht etwas wie Verachtung. Worin besteht mein Verbrechen. Die Welt ist nicht untergegangen, vorausgesetzt, das hier ist keine andre Welt. Wie erfüllt man einen unbekannten Auftrag. Was kann mein Auftrag sein in dieser wüsten Gegend jenseits der Zivilisation. Wie soll der Angestellte wissen, was im Kopf des Chefs vorgeht. Keine Wissenschaft der Welt wird meinen verlorenen Auftrag aus den Hirnfasern des Verewigten zerrn. Mit ihm wird er begraben, das Staatsbegräbnis, das vielleicht jetzt schon seinen Gang nimmt, garantiert die Auferstehung nicht. Etwas wie Heiterkeit breitet sich in mir aus, ich nehme die Jacke über den Arm und knöpfe das Hemd auf: mein Gang ist ein Spaziergang. Vor mir läuft der Hund über die Straße, eine Hand quer in der Schnauze, die Finger sind mir zugekehrt, sie sehn verbrannt aus. Mit einer Drohung, die nicht mich meint, kreuzen junge Männer meinen Weg. Wo die Straße in die Ebene ausläuft, steht in einer Haltung, als ob sie auf mich gewartet hat, eine Frau. Ich strecke die Arme nach ihr aus, wie lange haben sie keine Frau berührt, und höre eine Männerstimme sagen DIESE FRAU IST DIE FRAU EINES MANNES. Der Ton ist endgültig und ich gehe weiter. Als ich mich umsehe, streckt die Frau die Arme nach mir aus und entblößt ihre Brüste. Auf einem grasüberwachsenen Bahndamm basteln zwei Knaben an einer Kreuzung aus Dampfmaschine und Lokomotive herum, die auf einem abgebrochenen Gleis steht. Ich Europäer sehe mit dem ersten Blick, daß ihre Mühe verloren ist: dieses Fahrzeug wird sich nicht bewegen, aber ich sage es den Kindern nicht, Arbeit ist Hoffnung, und gehe weiter in die Landschaft, die keine andere Arbeit hat als auf das Verschwinden des Menschen zu warten. Ich weiß jetzt meine Bestimmung. Ich werfe meine Kleider ab, auf das Äußere kommt es nicht mehr an. Irgendwann wird DER ANDERE mir entgegenkommen, der Antipode, der Doppelgänger mit meinem Gesicht aus Schnee. Einer von uns wird überleben.

Debuisson. Galloudec. Sasportas.

DEBUISSONgibt Galloudec ein Papier. Galloudec und Sasportas lesen. Die Regierung, die uns den Auftrag erteilt hat, hier auf Jamaika einen Sklavenaufstand zu organisieren, ist nicht mehr im Amt. Der General Bonaparte hat das Direktorium aufgelöst mit den Bajonetten seiner Grenadiere. Frankreich heißt Napoleon. Die Welt wird was sie war, eine Heimat für Herren und Sklaven.

Galloudec zerknüllt das Papier.

Was glotzt ihr. Unsre Firma steht nicht mehr im Handelsregister. Sie ist bankrott. Die Ware, die wir zu verkaufen haben, zahlbar in der Landeswährung, Tränen, Schweiß, Blut, wird auf dieser Welt nicht mehr gehandelt.

Zerreißt das Papier.

Ich entlasse uns aus unserm Auftrag. Dich, Galloudec, den Bauern aus der Bretagne. Dich, Sasportas, den Sohn der Sklaverei. Mich, Debuisson.

SASPORTASleise: Den Sohn der Sklavenhalter.

DEBUISSON Jeden in seine eigne Freiheit oder Sklaverei. Unser Schauspiel ist zu Ende, Sasportas. Paß auf, wenn du dich abschminkst, Galloudec. Vielleicht geht deine Haut mit. Deine Maske, Sasportas, ist dein Gesicht. Mein Gesicht ist meine Maske.

Bedeckt das Gesicht mit den Händen.

GALLOUDEC Das geht mir zu schnell, Debuisson. Ich bin ein Bauer, ich kann so schnell nicht denken. Ich habe meinen Hals riskiert ein Jahr und länger, das Maul zu Fetzen gepredigt auf geheimen Versammlungen, Waffen geschmuggelt durch Kordone von Bluthunden, Haien und Spitzeln, den Idioten gespielt an den Tischen der englischen Halsabschneider als dein Hund, von der Sonne verbrannt und vom Fieber gebeutelt auf diesem gottverdammten Erdteil ohne Schnee, alles für diese faule Masse von schwarzem Fleisch, das sich nicht bewegen will außer unterm Stiefel, und was geht mich die Sklaverei auf Jamaika an, bei Licht besehn, ich bin Franzose, warte, Sasportas, aber ich will auf der Stelle schwarz werden, wenn ich begreife, warum das alles nicht mehr wahr sein soll und ausgestrichen und für nichts, kein Auftrag mehr, weil in Paris einen General der Hafer sticht. Er ist noch nicht einmal Franzose. Aber wenn man dich reden hört, Debuisson, könnte man meinen, daß du nur gewartet hast auf diesen General Bonaparte.

DEBUISSON Vielleicht habe ich wirklich gewartet auf diesen General Bonaparte. So wie halb Frankreich auf ihn gewartet hat. Revolution macht müde, Galloudec. Im Schlaf der Völker stehn die Generäle auf und zerbrechen das Joch der Freiheit, das so schwer zu tragen ist. Merkst du, wie es dir die Schultern krummzieht, Galloudec.

SASPORTAS Ich glaube, ich verstehe dich auch nicht, Debuisson. Nicht mehr. Die Welt eine Heimat für Herren und Sklaven. Sklaven haben keine Heimat, Bürger Debuisson. Und solange es Herren und Sklaven gibt, sind wir aus unserm Auftrag nicht entlassen. Was hat ein Generalsputsch in Paris mit der Befreiung der Sklaven auf Jamaika zu tun, die unser Auftrag ist. Zehntausend Männer warten auf unsern Befehl, auf deinen, wenn du willst. Aber es muß nicht deine Stimme sein, die den Befehl spricht. Sie schlafen nicht, sie warten nicht auf einen General. Sie sind bereit zu töten und zu sterben für dein JOCH DER FREIHEIT, von dem sie geträumt haben ihr Leben lang, das ein täglicher Tod ist, wie von einer unbekannten Geliebten. Sie fragen nicht nach der Beschaffenheit ihrer Brüste oder nach der Jungfräulichkeit ihrer Scham. Was geht diese Männer Paris an, ein ferner Steinhaufen, der eine kurze Zeit lang die Metropole ihrer Hoffnung war, was Frankreich, ein Land, in dem die Sonne nicht töten kann, wo das Blut die Farbe des Morgenrots hatte eine kurze Zeit lang, auf einem bleichen Kontinent hinter dem Grab von Atlantis. Von eurem General, ich habe seinen Namen schon vergessen, wird keine Rede mehr sein, wenn der Name des Befreiers von Haiti in allen Schulbüchern steht. Debuisson lacht

SASPORTAS Du lachst.

DEBUISSON Ich lache, Sasportas. Frag mich warum.

SASPORTAS Kann sein, ich habe dich schon wieder nicht verstanden. Ich weiß nicht, ob ich dich jetzt töten oder mich bei dir entschuldigen soll.

DEBUISSON Tu was du willst, Sasportas.

SASPORTASlacht. Ach Debuisson. Einen Augenblick lang habe ich geglaubt, was du sagst, ist deine Meinung. Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte wissen müssen, daß es eine Probe war. Ich habe die Probe nicht bestanden, wie. Jeder von uns muß kalt sein wie ein Messer, wenn das Zeichen gegeben wird und die Schlacht beginnt. Es ist nicht Angst, was meine Nerven zittern macht, sondern die Freude auf den Tanz. Ich höre die Trommeln, bevor sie geschlagen werden. Ich höre mit den Poren, meine Haut ist schwarz. Aber ich habe an dir gezweifelt und das ist nicht gut. Verzeih mir, Debuisson. Du hast deine Hände in Blut getaucht für unsre Sache. Ich habe gesehn, daß es dir schwergefallen ist. Ich liebe dich für beides, Debuisson, denn der getötet werden mußte, damit er unsre Sache nicht verriet, war meinesgleichen, und er brauchte seinen Tod vor der nächsten Folter, für die du ihn heilen solltest von den Folgen der ersten als Arzt und Helfer der Menschheit, aber er sagte: Töte mich damit ich nicht verraten kann, und du hast ihn getötet für unsre Sache als Arzt und Revolutionär.

Sasportas umarmt Debuisson.