Western Legenden 10: Blutiges Kansas - Dietmar Kuegler - E-Book

Western Legenden 10: Blutiges Kansas E-Book

Dietmar Kuegler

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Beschreibung

Isaac Cody verlor hintereinander zwei Frauen und versucht nun, mit seiner dritten Frau Mary und seinen Kindern Martha, Samuel und William auf einer Farm in Iowa Ruhe zu finden. Doch die Pawnee und die Kiowa befinden sich auf dem Kriegspfad, dazu wollen Banden gewaltsam alle Gegner der Sklaverei vertreiben. Keine angenehme Gegend für eine Familie. Der erst achtjährige William F. Cody findet die Welt dennoch wunderbar, zumal er mit seinem alten Colt Paterson seine Treffsicherheit längst unter Beweis gestellt hat. Das große Abenteuer des Buffalo Bill beginnt. Die Printausgabe umfasst 130 Buchseiten.

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Seitenzahl: 143

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WESTERN LEGENDEN

In dieser Reihe bisher erschienen

9001 Werner J. Egli Delgado, der Apache

9002 Alfred Wallon Keine Chance für Chato

9003 Mark L. Wood Die Gefangene der Apachen

9004 Werner J. Egli Wie Wölfe aus den Bergen

9005 Dietmar Kuegler Tombstone

9006 Werner J. Egli Der Pfad zum Sonnenaufgang

9007 Werner J. Egli Die Fährte zwischen Leben und Tod

9008 Werner J. Egli La Vengadora, die Rächerin

9009 Dietmar Kuegler Die Vigilanten von Montana

9010 Thomas Ostwald Blutiges Kansas

Thomas Ostwald

Blutiges Kansas

Der junge Buffalo Bill

Historischer Western

Titelbild: Poster mit einem Bild von Henry Atwell Thomas, das in den 1880ern und 1890ern genutzt wurde, um Buffalo Bill‘s Wild West Show zu bewerben.

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2018 BLITZ-Verlag Ein Unternehmen der SilberScore Beteiligungs GmbH Mühlsteig 10 A-6633 BiberwierRedaktion: Jörg KaegelmannLogogestaltung: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-410-7Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

1.

„William! William Frederick!“

Die kräftige Stimme trug weit über die ebene Prärie und erreichte den Jungen am Rand des kleinen Baches. Er hatte eben die abgeschossenen Zündhütchen von den Pistons entfernt und den Colt in den Hosenbund geschoben. Schuldbewusst drehte er sich zum Blockhaus um und wusste, dass es jetzt keine Ausreden geben würde. Schon der Ruf mit seinem Vornamen war ein Alarmzeichen, aber beide Namen bedeuteten unmissverständlich sofortige Rückkehr.

Der Junge nahm die Konservendose in die Hand und betrachtete während des Rückweges die Löcher. Sie hatten die Dose etwa dort getroffen, wo sich einst das Etikett befunden hatte. Bill musste lächeln. Mr. White’s Beanz lautete der Aufdruck und Bill liebte diese Konserven, weil er sich damit sein Mittagessen rasch selbst zubereiten konnte, wenn die Eltern wieder einmal vor lauter Arbeit auf der kleinen Farm in Iowa ihn, seinen Bruder Samuel und seine große Schwester Martha vergessen hatten. Obwohl das in letzter Zeit seltener passierte, denn die älteren Geschwister mussten schon tüchtig bei der Feldarbeit zupacken. Bill dagegen nutzte die Möglichkeiten, die ihm das Farmleben bot, und verschwand lieber in dem kleinen Wäldchen, das an ihr Grundstück grenzte. Hier fühlte er sich frei von der täglichen Arbeit und suchte im weichen Waldboden nach verlassenen Lagerstätten der Indianer. Vor nicht allzu langer Zeit hatten in diesem Gebiet die Sauk- und Fox-Indianer unter Chief Black Hawk gelebt, und Billy hatte bereits eine stattliche Sammlung von Pfeilspitzen, Perlen, bearbeiteten Muscheln und dazu zwei zerbrochene Pfeifenköpfe und eine Messerklinge zusammengetragen. Höhepunkt seiner Sammlung war aber ein mit winzigen bunten Perlen, sogenannten Saatperlen, bestickter Mokassin. Er war allerdings schon ziemlich ramponiert, die Schnüre, auf denen die Perlen aufgezogen waren, zum Teil zerrissen, das Hirschleder verfault und unansehnlich geworden. Aber Bill hatte den Mokassin mit Zweigen weit aufgespannt und in der Sonne getrocknet. Jetzt war die Lederoberfläche hart wie Stein geworden, aber der Junge bewahrte den Schuh unter seinem einfachen Bettgestell auf wie einen Schatz.

„Verdammt, Billy, was soll das? Es ist Sonntagmorgen, und du hast nichts Besseres zu tun, als wild in der Gegend herumzuballern! Woher hast du überhaupt schon wieder Pulver und Blei?“

Isaac Cody stand in seinem besten Anzug auf der Veranda, die Haare noch klitschnass vom Kämmen, ein weißes Hemd mit dem engen Kragen weit geöffnet. In der Hand hielt er das schwarze Seidenband, aus dem er gleich eine Schleife um seinen Hals binden würde.

Bill brummelte etwas Unverständliches und wollte sich an seinem Vater vorbeiquetschen, als der ihn am Arm ergriff und zu sich herumschwenkte.

Wortlos nahm er ihm die Konservenbüchse aus der Hand und betrachtete die dicht beieinander liegenden Löcher.

„Welche Entfernung?“

„Zwei Yard.“

„Hm. Nicht schlecht. Aber sag mal, Bill – ich sehe doch nicht etwa den Griff meines Baby Dragons aus deinem Hosenbund ragen?“

Bill wand sich im festen Griff des Vaters, schließlich antwortete er mit trotziger Miene:

„Du hast gesagt, dass du mir den Baby schenken willst, weil er doch in meinem Geburtsjahr gefertigt wurde!“

„Aber nicht vor deinem zehnten Geburtstag, Billy Boy. Jetzt rein mit dir, wasch dich und zieh dir dein sauberes Hemd an! In einer Viertelstunde müssen wir los, du weißt genau, dass Pfarrer Jones den Gottesdienst in LeClair nicht für uns verschieben wird.“

„Ist ja schon gut, Dad. Zum Gottesdienst kommen wir immer noch frühzeitig genug!“

„Und komm ja nicht wieder auf die Idee, den Colt mit zur Kirche zu nehmen!“

„Aber, Dad, das ist …“

„Kein Wort mehr! Als dir das Ding vor ein paar Wochen aus dem Hosenbund fiel und polternd im Gang aufschlug, wo es für jedermann sichtbar lag, wäre deine Mutter fast ohnmächtig geworden. Eine Waffe gehört nicht in die Kirche, haben wir uns verstanden, William?“

Der Junge sah verlegen auf den Dielenboden mit den grob zurecht geschreinerten, breiten Holzbrettern, die mit Lücken verlegt waren und dadurch eine ständige Gefahr boten, kleinere Gegenstände für immer zu verschlucken.

Vor einem Jahr hatte ihm sein Bruder den kleinen Lederbeutel mit den Tonmurmeln übermütig aus der Hand gerissen. Beim anschließenden Gerangel fiel der größte Teil der Murmeln heraus, rollte über die Dielenbretter und verschwand zwischen den breiten Spalten für alle Zeiten. Damals hatte der jüngere Bill seinen Bruder Samuel nach Strich und Faden verprügelt, obwohl der nicht nur größer, sondern auch kräftiger war. Aber seine Fäuste prasselten so hageldicht auf den verblüfften Samuel, dass der eine aufgeplatzte Lippe und eine blutige Nase davon trug, bevor er auch nur einen richtigen Treffer bei Bill landen konnte.

Heute lächelte Billy beim Gedanken an die albernen Tonmurmeln. Auch vor einem Jahr hatte er nicht mehr mit ihnen gespielt. Aber sie waren hervorragende Geschosse für seine selbstgebaute Zwille. Eine starke Astgabel war die Grundlage für seine Jagd auf Rebhühner und auch einige Truthähne. Als ihn Samuel beim Anschleichen an einen aufgebaumten Truthahn beobachtete, wollte er sich ausschütten vor Lachen über den auf allen Vieren krabbelnden Bruder. Doch als Bill unter dem Baum angelangt war, auf dem der Truthahn saß, pfiff er durchdringend, und neugierig streckte der Vogel seinen Oberkörper vor, um zu sehen, was da so seltsame Geräusche verursachte. Ein wohlgezielter Schuss mit der Zwille holte ihn aus dem Baum, und als ihm Bill blitzschnell den Hals umgedreht und zum Haus gebracht hatte, schwieg Samuel wohlweislich über Geschwister, die noch mit Tonmurmeln spielten.

Bill legte den Revolver auf das Wandbord mit den großen Dosen und kleinen Fässern, in denen seine Mutter Salz, Zucker und Mehl aufbewahrte. Hier war er sicher, dass die Waffe trocken genug lag. Dann war er an seinem Bett und zog das blau-weiß karierte Hemd von der Decke, riss sich das alte über den Kopf und war auf der Terrasse bei seinem Vater, als der gerade die Schleife fertig gebunden hatte.

Mary Cody, die dritte Frau seines Vaters, stand bereits abfahrbereit an dem Kastenwagen, den sein Bruder Samuel schon vorgefahren hatte.

Für den sonntäglichen Kirchenbesuch war das kein geeignetes Fahrzeug, aber die Codys hatten kein anderes. Der Kastenwagen diente für den Transport der Waren, die sie aus der Stadt holen mussten, und natürlich dazu, ihre Ernteerträge dorthin zu schaffen. Die drei Kinder hatten auf der Ladefläche auszuharren und darauf zu achten, dass sie ihre Sonntagskleider nicht schmutzig machten, was bei der Hin- und Herschaukelei des ungeschlachten Kastens auf der unbefestigten Landstraße nach LeClair nicht gerade einfach war.

Samuel hielt den Zügel ihres Apfelschimmels, der sonst auch zum Pflügen eingespannt wurde. Der schon betagte Wallach spielte nervös mit den Ohren, weil an diesem warmen Sonntag die Fliegen um ihn herum summten, ihm in die Augen flogen und versuchten, in seine Ohren zu gelangen.

„Danke, Samuel, du bist ein echter Kavalier!“, sagte Mary, als ihr der Älteste die Hand reichte und seiner Mutter beim Aufsteigen half. „Isaac, bist du nun endlich so weit? Martha, was um Himmels Willen ist mit deinen Zöpfen geschehen? Du willst doch wohl nicht so zur Kirche! So etwas schickt sich nicht für eine junge Frau!“

„Sie sind schon wieder verfilzt, Mum, kannst du sie mir nicht während der Fahrt neu flechten?“

„Schon gut“, stöhnte Mary Cody, „komm herauf und dreh dich so, dass ich nicht ständig neu anfangen muss, während dein Vater versucht, ein Wagenrennen zu fahren!“

„Ich bin der behutsamste Kutscher in ganz Iowa!“, feixte Isaac und kletterte auf den Bock. Bill hatte auf der Ladefläche bereits Platz genommen und bemerkte, dass er aufpassen musste, seine Hose nicht mit dem Rest Stroh in Verbindung zu bringen. Mit Schrecken war ihm eingefallen, dass sie vor zwei Tagen die Ställe ausgemistet und das Stroh mit dem Wagen auf eines der Felder gebracht hatten. Den Auftrag seines Vaters, anschließend die Ladefläche ordentlich abzuschrubben, hatte er dann wohl vergessen.

„Was ist mir dir, Sammy?“, rief der Vater dem Ältesten zu und hob schon die lange Peitsche, um den Apfelschimmel anzutreiben.

„Ich nehme Apache, Vater, und folge euch sofort!“

„Aber Junge, muss das schon wieder sein?“, ließ sich die geplagte Mutter vernehmen. „Immer kommst du mit diesem verrückten Indianerpferd wie ein Wirbelsturm vor die Kirche geritten. Du brichst dir eines Tages noch deinen Hals!“

„Oh Mum, bitte!“, ließ sich Samuel mit herzerweichendem Ton vernehmen. „Auf dem alten Wagen ist noch so viel Dreck, und ich vertrage das Geschaukel auch nicht. Du weißt doch, dass ich erst vor vier Wochen meinen ganzen Mageninhalt ausgeleert habe!“

Die Mutter schüttelte ihren Kopf.

„Das war nicht wegen der Fahrt, sondern weil du fünf Stücke von Mrs. Moltons Rhabarberkuchen in dich hinein­gestopft hast und danach noch die eiskalte Limonade! Da hätte selbst ein Pferd gebrochen!“

Isaac warf seiner Frau einen belustigten Blick zu und schnalzte mit der Zunge. Zugleich berührte er das Hinterteil des Apfelschimmels leicht, und das Fuhrwerk setzte sich in Bewegung.

„Yippiyeah!“, rief ein übermütiger Samuel, der schon längst seinen Pinto aus dem Stall geführt hatte. Im Nu war er auf dem Pferderücken und preschte an dem Fuhrwerk der anderen vorbei. Gleich darauf verschwand er in einer dichten Staubwolke, die nun seinen Vater wieder erzürnte, denn wie in einem feinen Nieselregen setzte sich der Staub auf ihrer sorgfältig ausgebürsteten Sonntagskleidung ab.

„Dieser Bengel!“, schimpfte er laut und lenkte das Fuhrwerk weiter in die Ebene hinein. „Da bürstet die Frau stundenlang die Geh-zur-Kirche-Kleider aus, und der Kerl ruiniert sie in einer einzigen Minute. Na warte, du kannst dir nachher etwas anhören!“

„Ach Isaac, du kennst doch die Jungen!“, sagte Mary gutmütig und legte ihrem Mann beschwichtigend die Hand auf den Unterarm.

Der brummte anstelle einer Antwort etwas vor sich hin, und Bill hütete sich, mit einer Bemerkung noch Öl ins Feuer zu gießen. Er hatte sofort erkannt, dass sein Bruder den Pinto ohne Sattel ritt – was ihm beide Eltern strengstens verboten hatten.

Schweigend legte die Familie den Rest der Strecke zurück, bis endlich die ersten Häuser vor ihnen auftauchten. Sie waren trotz der Befürchtungen von Mary Cody sehr frühzeitig an der Kirche und konnten ihren Kastenwagen gleich in der Nähe des Einganges abstellen. Nur zwei weitere Fahrzeuge standen dort schon, während die Menschen in die Kirche strömten.

Mit dem Blick einer Mutter hatte Mary sofort den Haarschopf ihres Ältesten ausgemacht, der in einer Gruppe mit ein paar anderen Jungen und zwei Mädchen stand. Offenbar unterhielt man sich prächtig, und Mary hatte den Eindruck, dass ihr Samuel von einem der Mädchen bewundert wurde.

Lächelnd grüßte sie nach allen Seiten, als sie ihren Mann untergehakt hatte und das schummrige Innere der kleinen Holzkirche betrat. Einige Nachbarn hatten ihre Plätze auf den harten Holzbänken bereits eingenommen und nickten freundlich herüber. Hier hatte alles seine Ordnung, und die angestammten Plätze in der Kirche wurden niemand streitig gemacht. Die zweite Bank auf der rechten Seite gehörte den Codys, und dort nahmen sie jetzt Platz. Nur Samuel war noch nicht bei ihnen, und als seine Mutter den Kopf drehte, um die Leute am Eingang zu mustern, erkannte sie ihn direkt neben dem blonden Mädchen, das er offenbar zu ihren Eltern begleitete. Mary drehte rasch ihren Kopf nach vorn, als sie sah, dass die Mutter des Mädchens ihrem Sohn die Hand gab. „Naja“, schoss es ihr durch den Kopf. „Geschmack hat der Junge ja. Die Miltons sind nicht die ärmsten Farmer in der Umgebung, und Hetty ein hübsches Mädchen. Mal sehen, was er mir nachher von ihr vorschwärmt!“

Der Beginn des Orgelspiels lenkte sie wieder ab, außerdem quetschte sich jetzt Samuel neben seinen Vater, und auch der Pastor trat aus der kleinen Abtei herein, kniete kurz vor dem großen Holzkreuz auf dem Altar und drehte sich dann erwartungsvoll zu seiner Gemeinde um.

Auf sein Handzeichen begann die Orgel mit dem ersten Lied, und rasch fielen die unterschiedlichen Stimmen der Siedler und Städter in den Gesang ein.

Während der Predigt musste Mary Cody zweimal ihren Sohn William anstoßen, weil er einmal versucht hatte, sich mit der Reihe hinter ihm und dem Rothaarigen Harry zu unterhalten, dann, beim zweiten Mal, weil er plötzlich eingeschlafen war und laut schnarchte. Als sie ihm den Ellbogen in die Rippen stieß, starrte er sie mit großen Augen und beleidigtem Gesichtsausdruck an. Mary drohte mit dem Zeigefinger, und Bill bemühte sich, den restlichen Worten von der Kanzel zu lauschen, ehe endlich der abschließende Gesang das Zeichen zum Aufbruch gab.

Niemand eilte für gewöhnlich sofort aus der Kirche und verschwand. Es gehörte sich, langsam hinaus zu schreiten, sich vom Prediger zu verabschieden und mit dem einen oder anderen Nachbarn ein wenig Unterhaltung zu pflegen. Nachbar war hier in Iowa übrigens jeder, der auch nur im Umkreis von 20 Meilen seine Farm betrieb. Die Woche war für alle mit harter Arbeit angefüllt, die wenigen freien Sonntagsstunden wurden deshalb sehr gern für anregende Gespräche genutzt, insbesondere natürlich von den Frauen. Allerdings achtete eine jede darauf, dass keiner der Männer auf die abstruse Idee verfiel, quer über die Straße in den Saloon zu gehen, vor dem ein großes, handgemaltes Schild mit Ice-cold Beer & Drinks warb. Erst vor zwei Monaten war es zu einem peinlichen Zwischenfall gekommen, als der alte Dorfschmied seine Frau kurzerhand vor der Kirchentür stehen gelassen hatte und im Saloon verschwand, noch ehe ihn jemand aufhalten konnte. Nur mit der Hilfe der Nachbarn gelang es seiner Frau, ihn nach dem dritten Bier herauszuholen und an seine sonntäglichen Pflichten zu erinnern. Jetzt stand der alte Schmied wie ein armes Sünderlein in seinem schwarzen Stadtrock in demütiger Haltung neben seiner Angetrauten, lauschte mit ergebener Miene auf die freundlichen Worte des Pfarrers und warf gelegentliche, sehnsüchtige Blicke auf das verlockende Schild auf der anderen Straßenseite. Schließlich bemerkte auch der Geistliche, dass der alte Mann weder auf etwas reagierte noch selbst etwas von sich aus sagte, verabschiedete sich kurz und knapp von dem alten Paar und wandte sich freundlich lächelnd dem Ehepaar Cody zu.

Endlich, nach einer guten Stunde der angeregten Plaudereien mit dem Pfarrer und einigen dazu getretenen Ehepaaren, war es Zeit zum Aufbruch. Mary Cody hatte schon aus dem Augenwinkel beobachtet, wie Samuel mit Hetty etwas abseits an der Kirche stand und sich offenbar prächtig mit ihr unterhielt. Jetzt aber traten seine Eltern einen Schritt zurück, grüßten noch einmal freundlich in die Runde, und schon war ihre reizende Tochter mit ­feuerrotem Kopf an ihrer Seite, während Samuel fröhlich pfeifend, die Hände tief in den Taschen seiner dunkelbraunen Hose aus dem robusten Jeansstoff vergraben, zum Kastenwagen seiner Eltern schlenderte.

„So, dann wollen wir mal wieder nach Hause, ich freue mich schon jetzt auf einen frisch gebrühten Kaffee und eine gute Zigarre auf der Terrasse!“, verkündete Vater Isaac, als er seiner Gattin auf den Kutschbock half. Längst waren Martha und Bill hinauf geklettert und hielten sich beim Anfahren an den Seitenwänden fest.

„Sag mal, Isaac, das ist doch wohl nicht wahr, oder täuschen mich meine Augen?“, sagte in dem Augenblick Mary, als die Kutsche wendete und auf die Straße zurückgelenkt wurde.

„Was meinst du, Liebes?“, erkundigte sich Isaac mehr beiläufig, denn er hatte ebenfalls erkannt, was seine Frau wohl gerade bemerkt hatte.

„Er reitet den Pinto wieder ohne Sattel! Obwohl er uns fest versprochen hatte, niemals ungesattelt auf dem halbwilden Tier zu reiten! Isaac, jetzt ist es genug. Sowie wir zur Hause sind, wirst du mit ihm ein ernstes Wort reden, versprich mir das!“

Ihr Mann schnalzte wieder laut mit der Zunge, trieb den Apfelschimmel so zu einem raschen Trab an und beugte sich zu seiner Frau hinüber, um ihr lächelnd in das besorgt schauende Gesicht zu blicken.

„Versprochen, Mary. Und ich werde ihm ein Reitverbot erteilen, zumindest für die ganze Woche. Kommt er am nächsten Sonntag wieder auf die Idee, sein Pferd zu ­nehmen, dann warte ich ab, bis das Tier ordentlich gesattelt vor uns steht.“

Damit war seine Frau zufrieden, hakte sich bei ihrem Mann unter und lehnte trotz des heftigen Schaukelns ihrer Kutsche den Kopf an seine Schultern.

Samuel hatte nicht lange auf sie gewartet, sondern jagte mit dem gefleckten Indianerpony wieder über die Ebene, als wären sämtliche Sauk- und Fox-Indianer hinter ihm her. Erneut musste sein Vater der Staubwolke ausweichen und zügelte den Apfelschimmel wieder ein, damit sich der Abstand etwas vergrößerte.

So verging die Fahrt unter einer herrlich warmen Sonne bis zu dem Zeitpunkt, an dem sie das Blockhaus ihrer Farm bereits erkennen konnten.