What Brings Us Together (Glitter Love 2) - Romy Hart - E-Book

What Brings Us Together (Glitter Love 2) E-Book

Romy Hart

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Beschreibung

**Lost in Paradise** Nie hätte Eden gedacht, dass der vermeintlich charmante William Rutherford, einer der reichsten Junggesellen der Stadt, ihr an ihrem 21. Geburtstag einen Heiratsantrag machen würde. Für ihre Eltern wäre diese Hochzeit ein Traum, denn sie würde die angesehensten Familien der New Yorker Upper Class miteinander verbinden. Doch Edens Verlobter ist nicht der Good Guy, für den ihn alle halten. Und dann lernt sie auf einer Party auch noch den attraktiven Barkeeper Raffael kennen, der ihre Zweifel nach einer durchtanzten Nacht und einem innigen Kuss noch verstärkt … Wagst du es, dich für die Liebe gegen deine Familie zu stellen? //Dies ist der zweite Band der gefühlvollen New-Adult-Buchserie »Glitter Love«. Alle Romane der High-Society-Romance:  -- Band 1: What Keeps Us Apart -- Band 2: What Brings Us Together  -- Band 3: What Gives Us Hope (August 2022)// 

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Romy Hart

What Brings Us Together (Glitter Love 2)

**Lost in Paradise**Nie hätte Eden gedacht, dass der vermeintlich charmante William Rutherford, einer der reichsten Junggesellen der Stadt, ihr an ihrem 21. Geburtstag einen Heiratsantrag machen würde. Für ihre Eltern wäre diese Hochzeit ein Traum, denn sie würde die angesehensten Familien der New Yorker Upper Class miteinander verbinden. Doch Edens Verlobter ist nicht der Good Guy, für den ihn alle halten. Und dann lernt sie auf einer Party auch noch den attraktiven Barkeeper Raffael kennen, der ihre Zweifel nach einer durchtanzten Nacht und einem innigen Kuss noch verstärkt …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Romy Hart, Millennial mit Leib und Seele, liebt Geschichten – egal in welchem Medium sie erzählt werden. Wenn sie nicht gerade Bücher schreibt, schlüpft sie bei Pen&Paper-Rollenspielrunden leidenschaftlich gern in andere Charaktere, trinkt literweise Kaffee und genießt dabei das Aroma ihrer heißgeliebten Duftkerzen.

Playlist

Love Story – Taylor Swift

Nobody Else – Em Beihold

Electric Love – BØRNS

Finally // beautiful stranger – Halsey

Let’s Fall in Love for the Night – FINNEAS

Skin – Sabrina Carpenter

Easily – Bruno Major

Pisces – Miranda Glory

Moral of the Story (feat. Niall Horan) – Bonus Track – Ashe

Ghost of You – 5 Seconds of Summer

LOVE SUX – Marisa Maino

Dangerous Woman – Rosenfeld

When A Girl – CARYS

Queen Of The Night – Hey Violet

Vorbemerkung für die Leser*innen

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Romy Hart und das Impress-Team

Kapitel 1

Als William vor mir auf die Knie ging und eine schwarze Schachtel aus seinem Jackett zog, hätte ich nie vermutet, dass dieser Abend mit einem Kuss von Raffael Alvarez enden würde. Nur dass strenggenommen ich ihn geküsst haben würde.

Es war die Party zu meinem einundzwanzigsten Geburtstag und jeder, der Rang und Namen in New York hatte, war eingeladen. Ich kannte die meisten Gesichter, wirklich befreundet war ich mit kaum jemandem, der heute ein Paket auf dem Geschenktisch für mich abgelegt hatte. Aber das war okay. Meine Mutter hatte auf jeden der Gäste Wert gelegt und ich hatte ihr nicht widersprochen. Es hätte nur damit geendet, dass ich sie verletzt hätte, und dafür war es mir nicht wichtig genug. Außerdem hatte mein Freund William mindestens genauso auf dieser Gästeliste bestanden wie sie. Ich hatte mich auf einen Kompromiss eingelassen. Wir feierten diese steife High Society Party und am Ende des Abends, wenn der offizielle Teil vorbei war, konnte ich mit meinen besten Freundinnen eine echte Party nachschieben.

Sloan, mit der ich seit dem Kindergarten befreundet war, setzte ihr Champagnerglas an die Lippen und trank einen Schluck, dabei ließ sie den Blick über die Gäste wandern. Ab und an hob sie eine Augenbraue oder runzelte die Stirn und ich wusste genau, was sie dachte. Wie öde diese Party war, und dass sie es kaum erwarten konnte, endlich hier abzuhauen. Sie stand auf Kriegsfuß mit der Upper Class und das erst recht, seit sie sich mit ihren Eltern zerstritten hatte. Wäre es nicht meine Geburtstagsfeier, hätte sie wahrscheinlich keinen Fuß auf eine solche Veranstaltung gesetzt. Und ich verstand den Grund, auch wenn es mir nicht so viel ausmachte, dass die gealterte Oberschicht New Yorks langweilig war.

Ich sah auf die schmale, goldene Armbanduhr an meinem Handgelenk, die ein Geschenk von William gewesen war. Wir würden noch mindestens eine Stunde bleiben müssen, damit es nicht unhöflich wirkte. Immerhin war es meine Party und ich konnte mich nicht einfach verdrücken.

Camila, meine zweite beste Freundin, musterte uns mit strengem Blick. Ihr war ich besonders dankbar, dass sie sich die Zeit genommen hatte, auch bei dem spießigen Teil des Abends dabei zu sein. Obwohl es gerade erst Februar war, steckte sie schon mitten in der Lernphase für ihre Prüfungen im Sommer. Das sollten wir zwar alle, aber Camila nahm es deutlich ernster damit als Sloan und ich. Sie hatte vor in die Politik zu gehen und irgendwann Präsidentin zu werden. Und ich glaubte fest an sie.

»Was macht ihr denn für Gesichter? Das hier ist doch keine Beerdigung«, meinte sie und Sloan schnaubte.

»Es fühlt sich aber fast so an«, gab sie giftig zurück und warf mir dann einen entschuldigenden Blick zu. »Nicht deinetwegen. Du weißt, wie ich das meine. Aber guck dir mal die ganzen ach so wichtigen Leute an. Ich wette, die Hälfte kennst du nicht mal und hast auch keine besondere Lust, dich mit ihnen zu unterhalten, oder? Wer kommt auf die Idee, dass das hier eine angemessene Party für einen einundzwanzigsten Geburtstag ist?«

Ich lächelte etwas verlegen und sah lieber auf meine High Heels von Jimmy Choo. »Deshalb gehen wir ja später noch ins Glitter and Gold.«

Es war die einfachste Lösung gewesen, um sowohl meine Freundinnen als auch meine Familie glücklich zu machen. Und ich fand es gar nicht so übel, zweimal zu feiern.

Eine Hand legte sich auf meine Schulter und glitt meinen Arm herab bis zu meinen Fingern, die gleich darauf fest umschlossen wurden. Selbst ohne die vertraute Berührung hätte ich gewusst, dass es William war. Er hatte so eine Aura, wegen der ich meistens genau spürte, wenn er hinter mir stand.

»Da ist ja meine wunderschöne Freundin«, sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Wange, während ich ihm ein Lächeln schenkte. Sein Daumen strich über meinen Handrücken. »Du weißt, dass ich das noch immer für keine gute Idee halte?«

Das Lächeln auf meinem Gesicht wurde starrer und ich nickte. Natürlich wusste ich es. Will war nie wirklich begeistert, wenn wir drei einen Mädelsabend machten und schon gar nicht, wenn der in einem hochkarätigen Nachtclub stattfand. Dabei waren unsere Abende im Glitter and Gold absolut harmlos und nichts, worüber mein Freund sich Sorgen machen sollte. Der Club gehörte Sloans Bruder Rhett und der hatte immer ein Auge auf uns.

»Ich weiß«, gab ich mich diplomatisch und Will seufzte theatralisch mit einer steilen Falte oberhalb seiner Nasenwurzel.

Sloans Blick sprach Bände und auch Cami war nicht sonderlich geschickt darin, ihre Gedanken zu verbergen. Ich wusste seit Jahren, dass keine von beiden gut mit William zurechtkam. Wir drei waren mehr als einmal nicht derselben Meinung gewesen, was ihn und seinen Beschützerinstinkt anging. Bei Sloan hatte ich aber immer gedacht, sie könne nur nicht verstehen, wie es sich anfühlte, richtig verliebt zu sein. Und seit sie mit Grant Fitzgerald zusammen war, hoffte ich jeden Tag darauf, dass sich die Spannungen zwischen ihr und meinem Freund endlich auflösten. Aber so wie es aussah, würde das nicht heute passieren.

»Es ist nur ein Mädelsabend. Und wir planen diese Party, seit wir sechszehn sind«, sprach sie aus, was ich auch gedacht hatte.

»Außerdem haben Sloan und ich auch eine Goldenes-Trio-Party bekommen. Tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen, aber Eden wird unser kleines Ritual nicht auslassen.« Cami nickte voller Überzeugung und ich lächelte. Es war süß, wie sie sich für mich einsetzte, und ich fände es wirklich schade, wenn Will jetzt darauf bestünde, es ausfallen zu lassen.

»Und es ist ja nicht so, als würden wir im Glitter and Gold was anderes machen als tanzen«, murrte Sloan und nippte an ihrem Champagner.

»Ich finde nur, es gehört sich nicht, ohne männliche Begleitung die ganze Nacht in einem Club zu feiern und sich zu betrinken. Zumindest nicht für die zukünftige Mrs Rutherford.«

Sloan verschluckte sich an ihrem Getränk und Cami sah überrascht zu mir, weil William mich sonst nie so nannte. Aber ich war mindestens so ahnungslos wie sie.

»William, was meinst du damit?«, fragte ich und er lächelte, seine Finger immer noch fest um meine geschlossen. Dann zog er mich weg von meinen Freundinnen bis in die Mitte des Raums. Verschiedene Augenpaare richteten sich auf uns und als er einen absolut perfekten Kniefall hinlegte, hatte er die Aufmerksamkeit aller sicher.

Ich hörte förmlich den einen oder die andere nach Luft schnappen und ich hätte es ihnen gern nachgemacht. Aber anstatt meine Lungen mit Sauerstoff zu füllen, hatte ich das Gefühl, gar nicht mehr zu atmen. Die Zeit schien nur noch in Zeitlupe zu vergehen, als William die schwarze Schatulle aus dem Jackett holte, sie in meine Richtung hielt und den Deckel aufklappte. Auf seinem Gesicht lag ein Strahlen, das mindestens so viel Leuchtkraft hatte wie der hochkarätige Verlobungsring in der Schachtel.

»Eden Gwendolyn McAllister, du bist nicht nur die Liebe meines Lebens, sondern meine beste Freundin. Unsere Geschichte fing wie die von Cinderella an und sie soll auch mit ewiger Liebe enden.«

Der Teil von mir, der nicht in eine Schockstarre verfallen war, fand es süß, dass Will sich an unser Kennenlernen erinnerte. Ich hatte damals meine Jacke im Klassenraum liegen lassen und William Rutherford höchstpersönlich hatte sie mir gebracht. Er hatte mich innerhalb kürzester Zeit mit seinem Charme verzaubert und mir war es wie Schicksal vorgekommen. Wenige Wochen nach unserem ersten Date waren wir ein Paar geworden. Das war jetzt fast sechs Jahre her.

»Eden, ich liebe dich von ganzem Herzen. Ich könnte mir keine bessere Frau an meiner Seite vorstellen, die mich so hingebungsvoll dabei unterstützt, meine Träume und Ziele wahrzumachen. Willst du mich heiraten?«

Ich sah sprachlos zwischen Will und dem Ring in seinen Händen hin und her. Das Herz in meiner Brust hämmerte wie wild und machte es mir schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Mein Verstand war nicht in der Lage, tatsächlich zu begreifen, was gerade geschah. Mein Mund öffnete sich, doch nichts kam heraus.

Das war die Frage. Die Frage, von der ich gewusst hatte, dass sie kommen würde, irgendwann. In ein paar Jahren vielleicht, wenn ich erwachsen war. Wenn wir so weit waren. Aber ich hatte ganz sicher nicht heute damit gerechnet. Ich wurde doch erst einundzwanzig! Mit dem heutigen Tag war ich zwar volljährig, aber ich hatte nicht im Geringsten das Gefühl jetzt reifer zu sein, geschweige denn bereit dafür, eine Ehefrau zu sein.

»Schatz?«, fragte William in die angespannte Stille im Raum und holte mich aus meinen Gedanken.

Ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, während mein Blick unruhig durch die Menge huschte. Jeder hier wartete darauf, dass ich Ja sagte. Ich sollte die wichtigste Antwort meines Lebens geben. Eine, von der ich immer gedacht hatte, dass ich sie wüsste. Warum kam dann kein Ton aus meinem Mund?

»Ich …«, begann ich schwerfällig und fing den Blick meiner beiden Freundinnen auf. Sie beobachteten die Szene und obwohl sie lächelten, wusste ich, dass sie darauf hofften, ich würde ablehnen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Bauch aus und ich wandte mich schnell ab. Erst als ich den Blick meiner Mutter sah, hielt ich wieder inne. Sie stand hinter William und neben ihr warteten seine Eltern, Mr und Mrs Rutherford, auf die heißersehnte Antwort. Genau wie meine eifrig nickende Mutter schienen die beiden sich nichts Besseres vorstellen zu können. Eine Hochzeit der jüngsten McAllister Tochter mit dem Erben des Rutherford-Immobilien-Imperiums war ihr Traum. Und als Dad mir mit einem stolzen Lächeln und glänzenden Augen zunickte, brach das endlich meine Starre.

»Ja«, hauchte ich so atemlos, wie nach einem Sprint. »Ja, ich will.«

Jetzt gab es kein Zurück mehr.

Mit einem Ruck beschleunigte sich die Zeit wieder. Sie schnellte nach vorne wie ein gespanntes Gummiband, als müsste sie die Sekunden aufholen, die sie für mich stehen geblieben war. Ich merkte, wie William mir den schweren Ring ansteckte, der ein wenig eng war. Dann zog er mich in seine Arme und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Ich hörte den Applaus und die vielen Gratulationen, schüttelte Hände und war überfordert, aber glücklich. Das Herz in meiner Brust raste immer noch, mir war schwindelig und ich bekam schlecht Luft, aber ich lächelte. So fühlte sich Glück doch an, oder?

Es dauerte eine ganze Weile, bis der Strom an Leuten abebbte und jeder uns seine Glückwünsche ausgerichtet hatte. Danach legte mein Vater William eine Hand auf die Schulter und lud ihn auf eine Zigarre in den Herrensalon ein. Den beiden schloss sich Williams Vater an und alle drei verschwanden im Nebenraum. Meine Mutter hatte sich währenddessen schon mit Mrs Rutherford in ein Gespräch über den besten Hochzeitsmonat vertieft und ich blieb allein und immer noch überwältigt zurück.

»Wow«, hörte ich Sloan sagen, bevor sie mich in ihre Arme zog und fest drückte. »Herzlichen Glückwunsch! Ich wünsche dir, dass du glücklich wirst.«

Ich sah in ihren Augen, wie sehr sie versuchte, sich für mich zu freuen. Und ich wusste, dass sie ernst meinte, was sie gesagt hatte.

»Danke«, gab ich leise zurück. »Ich kann noch gar nicht fassen, dass das passiert ist.«

»Haha, ja. Wir auch nicht.«

»Bald bist du eine Braut! Zeig mal den Ring«, forderte Cami mich auf und ich brauchte eine Sekunde, bis ihre Worte zu mir durchdrangen.

Ich trug jetzt einen Verlobungsring. Er funkelte im Licht, saß in einer verschnörkelten Fassung im Art-déco-Stil und fühlte sich schwer an. Und er schien tatsächlich etwas zu eng zu sein, so wie er in meine Haut schnitt. Vielleicht waren meine Finger aber auch nur angeschwollen vor Aufregung. Mir war eh fürchterlich warm.

Nachdem Cami noch einmal auffordernd geschaut hatte, hielt ich ihr meine Hand hin. Sloan beugte sich über den Ring und nickte anerkennend.

»Das muss ich Will lassen, der Stein ist perfekt geschliffen und er passt zu deinem Outfit.«

Ich stutzte und betrachtete ihn noch einmal. Er wirkte wie abgestimmt auf das schlichte Etuikleid und die darüber sitzenden Jacke. Und er würde sicher auch zu dem Rest meiner Kostüme passen, die Will so gern an mir sah. Für einen Moment überlegte ich, ob noch andere Kleidungsstücke außer Twin-Sets und Kostümen in meinem Schrank waren, aber mir fielen keine ein. Irgendwie hatten sie überhandgenommen, ohne dass ich es gemerkt hatte.

»Wollen wir uns verziehen?«, fragte ich aus einem Impuls heraus und widerstand dem Drang, mir Luft zuzufächeln.

Sloan und Cami tauschten einen vielsagenden Blick, dann nickte meine beste Freundin erleichtert.

»Oh, Gott sei Dank. Lasst uns abhauen.«

Kapitel 2

Wir verließen die Party, ohne uns von jemandem zu verabschieden. Erst als wir in Sloans Wagen saßen und ihr Chauffeur Andrew uns zum Glitter and Gold fuhr, bereute ich es ein bisschen, so überstürzt gegangen zu sein. Ich wollte nicht, dass Will oder meine Mutter sich über mich ärgerten, aber gleichzeitig war ich mehr als erleichtert, raus zu sein. Ich hoffte nur, dass sie nicht wütend sein würden.

Als wir im Clubbereich der hochkarätigen Flüsterkneipe ankamen, dröhnte uns Musik entgegen. Fast sofort hob die gesamte Atmosphäre meine Laune. Mir war immer noch viel zu heiß, aber ich fühlte mich besser, irgendwie freier. Sloans Bruder Rhett, dem der Laden im Stil der Golden Twenties gehörte, hatte eine der Sitznischen für uns reserviert und sich sogar die Mühe gemacht, sie zu schmücken. Goldene und schwarze Ballons hingen an den Sitzlehnen und überall auf dem Tisch war Glitzer verteilt.

»Alles Gute zum Geburtstag«, sagte er mit einem seltenen Lächeln und zog mich in eine kurze, aber herzliche Umarmung.

»Das hier ist großartig! Vielen Dank. Das hättest du nicht tun müssen. Es war bestimmt eine Menge Arbeit«, bedankte ich mich bei ihm für die Dekoration, doch er schüttelte den Kopf.

»Man wird nur einmal einundzwanzig und das hier ist mein Geburtstagsgeschenk für dich.« Er musterte mich mit einem beinahe sanften Ausdruck. »Und herzlichen Glückwunsch zur überraschenden Verlobung.«

Mein Kopf ruckte wie von selbst zu Sloan, die nur entschuldigend mit der Schulter zuckte. Niemand, der nicht auf meiner Feier gewesen war, konnte davon wissen. Es war doch gerade mal eine Stunde her und ich begriff es selbst noch nicht richtig. Aber Sloan hatte es ihrem Bruder scheinbar sofort geschrieben, anders konnte ich mir nicht erklären, wieso er davon wusste. Sofort breitete sich ein mulmiges Gefühl oberhalb meines Magens aus und ich wollte lieber nicht zu viel nachdenken: weder über den Ring an meinem Finger noch daran, was er bedeutete.

»Danke«, gab ich mit einem höflichen Lächeln zurück und kämpfte gegen das beklommene Gefühl in mir an. Das war doch völlig bescheuert. Ich liebte Will. Ich hatte immer auf diesen Tag gehofft, oder? Ich war glücklich.

Rhett nickte und falls er bemerkte, dass ich mich komisch aufführte, ignorierte er es. Dann deutete er zur kleineren der zwei Theken. »Wenn ihr etwas braucht, bestellt es bei Raffael. Heute gehen eure Getränke auf meine Rechnung.«

Das war unglaublich nett – und machte mich ziemlich verlegen. Auch wenn es nicht ums Geld ging. Jede von uns kam aus einer Familie, die mehr als genug davon hatte.

Ich nestelte am Saum meiner Jacke herum, bevor ich mich wieder bedankte. »Auch das wäre nicht nötig gewesen.«

»Gern geschehen«, antwortete Rhett und Sloan mischte sich ein.

»Bevor wir richtig abfeiern, solltest du diesen Blazer ausziehen«, meinte Sloan mit einem skeptischen Blick. »Ich weiß, das Kleid hat genauso viel gekostet wie meins und für deine Cocktailparty war es ja auch irgendwie angemessen, aber nicht für einen Club.«

Hitze stieg mir in die Wangen und ich fühlte mich ein bisschen unzulänglich, weil ich wusste, dass sie recht hatte. Sloan war die Designerin von uns und sie hatte eindeutig das bessere Gespür für Mode.

»Denkst du denn, ich kann es ohne tragen?«

Sloan nickte mir schelmisch zu und zog mich hinter sich her in Richtung Toiletten. Dort nahm sie mir zuerst die Jacke ab, die ich über dem Etuikleid trug, und trat einen Schritt zurück, um mich zu mustern. Mit jeder Minute, die sie überlegte, flatterte es stärker in meinem Bauch. Es dauerte gefühlt ewig, bis sie das Kleid in der Taille hochschob und es einfaltete, sodass es ein ganzes Stück oberhalb meiner Knie endete. Dann ließ sie mich den Arm aus einem der breiten Träger ziehen und steckte ihn an der Seite in den Stoff. Es war vielleicht keine Zauberei, aber Sloan hatte das spießige Kleid mit zwei Handgriffen in ein Party-Outfit verwandelt.

Ich war mir nur nicht sicher, ob ich das wirklich tragen konnte. Der Look war ungewohnt und ich drehte mich ein paar Mal vor dem Spiegel. Insgeheim hoffte ich darauf, mein Spiegelbild würde mich beruhigen und mir sagen, dass ich mich so sehen lassen konnte. Aber das passierte natürlich nicht. Stattdessen hatte ich sofort Wills Stimme im Ohr. Er würde sagen, dass das nicht angemessen war und sich das nicht gehörte.

Genau wie an diesem Abend im Glitter and Gold vor ein paar Monaten. Damals hatte ich mich von Cami überreden lassen, ein ähnliches Outfit zu tragen und als Will unangekündigt im Club aufgetaucht war, hatte er einen fürchterlichen Aufstand gemacht. Er hatte sich um meine Sicherheit gesorgt und ich hatte das irgendwie lieb gefunden. Auch wenn das unbegründet gewesen war und er es übertrieben hatte. Ihm zuliebe hatte ich mich auf einen Kompromiss eingelassen. Das Dekolleté und den enganliegenden Schnitt hatte ich damals mit einer Strickjacke kaschiert.

Aber Will war heute nicht hier und ich wollte mich nicht wieder in den unbequemen Blazer zwängen. Ich drehte mich ein letztes Mal vor dem Spiegel und mein Blick fiel auf den glitzernden Verlobungsring an meinem Finger.

»Du musst dich nicht verstecken, Eden. Es sieht umwerfend aus«, stimmte Sloan mir zu, als hätte sie meine Gedanken gelesen.

»Das habe ich dir zu verdanken«, gab ich lächelnd zurück und sie winkte ab.

»So richtig wohl fühlst du dich aber nicht, oder? Wenn du willst, können wir es unten wieder verlängern.«

Erleichtert nickte ich. Das war ein Kompromiss, mit dem alle zufrieden sein konnten.

»Ich wünschte wirklich, du würdest mal ein paar meiner Sachen für ein Shooting tragen.« Sie zog den Stoff wieder heraus und sah dann mit einem Schmollmund zu mir auf.

»Das würde ich auch zu gern.«

Und ich meinte es so. Aber weder Will noch meine Eltern waren davon begeistert, dass ich Sloan als Model unter die Arme griff, und ich saß bei diesem Thema absolut in der Zwickmühle. Ein Kompromiss war dabei nicht in Sicht und ich war Sloan dankbar, dass ihr meine halbe Entschuldigung reichte.

»Ich weiß. Und jetzt komm, lass uns die Sohlen von unseren Schuhen tanzen.«

Sie hielt meine Hand, während wir durch den Laden liefen, und nach und nach löste sich die Übelkeit in meinem Magen. Ich hatte meine Freundinnen bei mir, fühlte mich ungewöhnlich wohl in meiner Haut und würde einen tollen Abend verbringen. Es war alles in Ordnung und sicher völlig normal, dass ich vorhin wegen der Verlobung ein bisschen durchgedreht war. Oder?

Am Tisch wartete Cami mit ein paar Drinks auf uns, die mir in verschiedenen Farbverläufen entgegenleuchteten. Auf meinen fragenden Blick hin meinte sie: »Du darfst jetzt ganz offiziell Alkohol trinken, chica! Und wenn du nicht willst, nehme ich beide.«

Sie zuckte mit einer Schulter und als ich mich wieder in die Sitzbank schob, fing ich unbeabsichtigt einen Blick aus dunklen Augen vom anderen Ende der Bar auf. Dort, wo hinter der Theke wie von Rhett angekündigt Raffael Alvarez stand. Ohne dass ich es wollte, überrollte mich ein elektrisches Prickeln in meinem Nacken. Es wurde von einem seltsamen Gedanken begleitet – den Cami mir sofort ansah.

»Alles okay? Wenn du nichts trinken willst, macht das auch nichts«. Sie griff über dem Tisch nach meiner Hand. »Ich kann dir auch ein Wasser besorgen.«

»Nein, nein, das ist es nicht.« Ich schüttelte den Kopf und strich mir eine verirrte Strähne aus dem Gesicht. Dann warf ich verstohlen einen zweiten Blick durch den Raum zu der kleineren der beiden Theken. Raffael sah immer noch in meine Richtung.

Erinnerungen an diesen Abend vor ein paar Monaten tauchten in meinem Kopf auf. Daran, wie sich unsere Blicke über die Theke hinweg getroffen hatten und welche Gefühle das in mir ausgelöst hatte. Aufregung zuckte wie damals durch meinen Bauch und meine Wangen reagierten sofort schuldbewusst mit einem ziemlichen Glühen. Garantiert färbten sie sich gerade tomatenrot.

Ich räusperte mich verlegen, während die Hitze sich jetzt auch auf meinem Dekolleté ausbreitete. Was war nur los mit mir? Ich war seit Jahren mit William zusammen und seit heute sogar verlobt. Ich sollte mich nicht so fühlen, nur weil ein gutaussehender Barkeeper mich anschaute. Wenn es nach Will ging, sollte ich generell keine anderen Männer ansehen. Nein, vor allem sollten sie mich nicht betrachten.

Cami folgte meinem Blick und musterte mich, dann durchbrach sie die Stille zwischen uns mit einem herzhaften Lachen. Sie und Sloan wirkten amüsiert über mein Verhalten, was es irgendwie besser und gleichzeitig schlimmer machte.

»Ah, ich verstehe. Na, dann würde ich sagen, trinkst du den schnell aus und bestellst bei Raffael einen Sex on the Beach.« Sie wackelte mit den Augenbrauen und ich schlug mir lachend die Hände vors Gesicht. Es war mir fürchterlich peinlich, aber Sloan dachte gar nicht daran, das Thema fallen zu lassen.

»Wie gut und vollkommen zufällig, dass Raffael heute arbeitet und von meinem Bruder genau für uns an der kleineren Theke eingeteilt wurde.« Sie schmunzelte überlegen und ich verdrehte die Augen.

»Ihr beide seid die besten Freundinnen, die man haben kann«, sagte ich und griff nach einem der Gläser.

Wir stießen an und ich nahm zwei, drei große Schlucke von dem süßen Cocktail. Dieser Abend würde genial werden, davon war ich fest überzeugt. Und ich nahm mir fest vor, mein sich ständig drehendes Gedankenkarussell zu stoppen und den Abend endlich zu genießen. Entschlossen legte ich meinen Verlobungsring ab, weil er unangenehm drückte. Dann steckte ihn sicher in meine Handtasche, um ihn nicht zu verlieren. Keine Minute später standen wir drei auf der Tanzfläche. Aus den Lautsprechern dröhnten aktuelle Dance-Charts und wir tanzten mehr als eine Runde, bis meine Wangen glühten und ich völlig außer Atem war. Und ich hatte Durst. Nur kam es mir nicht klug vor, den Rest meines Cocktails hinunterzustürzen. Ich wollte mich nicht betrinken, sondern mich morgen noch an alles von diesem Abend erinnern. Nach kurzem Zögern bahnte ich mir einen Weg durch die Menge bis zur kleinen Bar. Sicher nicht, weil es verboten in mir glühte bei der Vorstellung, Raffael aus der Nähe zu sehen.

Mein Herz hüpfte einmal außer Takt, als ich an die Theke trat und den großen Barkeeper dabei beobachtete, wie er einen farbenfrohen Cocktail zubereitete. Er trug wie alle Mitarbeiter ein schwarzes Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte, und das seine Arme in Szene setzte. Mit dem Shaker legte er beinahe eine akrobatische Show hin. So schnell, wie Flüssigkeiten hineingeschüttet wurden und der Becher durch die Luft wirbelte, kam ich kaum hinterher. Dabei löste sich eine Strähne seines fast schwarzen Haares aus seinem Man-Bun und fiel ihm tief in die Stirn. Ich schluckte unwillkürlich.

»Wow«, hauchte ich und räusperte mich, weil ich kaum glauben konnte, dass mir das eben wirklich rausgerutscht war. Und meine stumme Hoffnung, dass er mich über die Musik überhaupt nicht gehört hatte, verpuffte, als er mich direkt ansah – und ich wandte mich ab. Mit wackeligen Knien kletterte ich auf den Barhocker, bevor ich mir noch eine Peinlichkeit leistete, und wartete, dass er mit dem Cocktail für den anderen Gast fertig war.

Obwohl ich es nicht wollte, konnte ich nicht aufhören ihn dabei anzusehen. Das war sicher nur, weil er wirklich was von seinem Fach verstand. Und so wie er es machte, sollte man ja auch hinsehen wollen, oder?

Ich räusperte mich, um meinen Hals zu befeuchten, weil schlucken längst nicht mehr half. Mir kam es vor, als wäre ich jetzt noch durstiger als vorher.

»Hi«, sagte Raffael mit angenehm rauer Stimme. »Feliz cumpleaños, bella mujer.«

Er stützte sich mit beiden Händen auf seiner Seite der Theke ab und auch ohne Spanisch zu sprechen, verstand ich seinen Glückwunsch zu meinem Geburtstag.

»Vielen Dank«, brachte ich heraus und widerstand dem Drang, auf den Boden zu schauen. Stattdessen musterte ich verlegen die Bierdeckel, die auf der Theke lagen und irgendwie einen Weg in meine Hände gefunden hatten.

»Was kann ich dir bringen?«

Ich nahm meinen Mut zusammen und hob den Kopf. Was ich besser nicht getan hätte. Unsere Blicke trafen sich und lösten einen Hüpfer in meiner Brust aus.

Ich sollte mich schleunigst zusammenreißen, um Himmels willen!

»Ich … äh, hätte gern ein Wasser.«

Ich schluckte wieder vergeblich.

»Kommt sofort«, bestätigte Raffael und selbst als er die Eiswürfel in das Kristallglas füllte und es mit einer Zitrone garnierte, saß jeder Handgriff perfekt. Er tat es mit geschmeidigen Bewegungen, die man seinen großen Händen nicht zugetraut hätte. Wie es sich wohl anfühlte, wenn er jemanden auf die Art berührte?

Okay, irgendwas lief gerade absolut nicht richtig und ich würde meine seltsamen Gedanken zu gern auf den Alkohol schieben. Aber die Hälfte meines Cocktails stand noch unberührt auf meinem Tisch.

»Sieht aus, als würde die Geburtstagsparty gut laufen«, sagte Raffael und ich nickte.

»Ja, das tut sie.« Ich hörte auf, die Bierdeckel zwischen den Fingern zu drehen, und atmete tief ein. Es wurde Zeit, dass ich mich beruhigte. Ich tat ja beinahe so, als hätte ich noch nie ein Wasser bestellt.

Mit einem viel zu charmanten Lächeln reichte Raffael mir besagtes Glas, an dem außen kleine Tropfen herunter perlten. Unsere Fingerspitzen berührten sich flüchtig und vor Schreck hätte ich das Getränk beinahe umgeworfen. Raffael griff blitzschnell danach, umfasste dabei meine Hand und stellte das Wasser sicher auf die Theke. Seine Haut war warm und rau auf meinem Handrücken und er verharrte einen Herzschlag in dieser Berührung, bevor er sich zurückzog.

Ich hatte mein Wasser. Es war kalt und genau das, was ich gewollt hatte. Ich könnte jetzt einfach wieder gehen, aber etwas hielt mich an der Theke.

»Kann ich dir sonst noch einen Wunsch erfüllen?«, fragte Raffael mit einem Funkeln in den Augen, das mir das Gefühl gab, er meinte nicht unbedingt ein Getränk. Vielleicht antwortete ich deshalb etwas zu schnell.

»Ich … Ähm … Nichts, was hier auf der Karte steht.«

Erst nachdem ich es ausgesprochen hatte, wurde mir klar, wie sich das anhörte. Am liebsten wäre ich im Boden versunken, aber Raffael lachte herzlich und das Geräusch war mehr als ansteckend. Dann stützte er sich wieder auf dem Holz ab und lehnte sich zu mir. Der mehr als Dreitagebart auf seinen Wangen bewegte sich, als er mich musterte.

Zeit für den Rückzug, bevor es noch peinlicher wurde.

»Danke für das Wasser«, stammelte ich und stöhnte innerlich.

»Immer wieder gern. Ich bin heute den ganzen Abend für dich da.« Er zwinkerte und das Gefühl, das er damit in mir auslöste, ließ mich von meinem Hocker springen. Bevor ich noch irgendeine andere Dummheit von mir gab.

»Okay, ich geh dann mal«, schob ich überflüssigerweise nach, aber Raffael lächelte weiterhin.

»Und ich bleibe hier, immer bereit.«

Die Worte drangen nur halb zu mir durch, weil ich mich schon umdrehte und mit schnellen Schritten zurück zu Sloan und Cami ging. Auf dem Weg stürzte ich das eiskalte Wasser herunter, um mich abzukühlen. Was nicht wirklich funktionierte.

Ohne beide anzusehen, schob ich mich neben ihnen auf die Sitzbank und fächelte mir Luft zu.

»Was ist denn mit dir passiert?«, fragte Sloan grinsend.

»Hmm?«

»Du siehst aus, als ständest du ein bisschen neben dir.«

»Und deine Wangen glühen ziemlich«, fügte Cami an und erst jetzt kam ich hinterher.

»Ich hab mir an der kleinen Bar ein Wasser geholt«, sagte ich kleinlaut und hielt mein leeres Glas in die Höhe. Und weil ich definitiv nicht hören wollte, was sie dazu zu sagen hatten, hakte ich mich bei Sloan unter und gönnte mir selbst auch keine Gelegenheit darüber nachzudenken.

»Lasst uns tanzen gehen.«

Kapitel 3

Meine Füße taten weh, meine Wangen waren heiß und wir waren beinahe die letzten Gäste im Glitter and Gold. Aber ich bereute nichts, zumindest jetzt nicht. Was morgen sein würde, darum wollte ich mich ausnahmsweise auch erst dann sorgen.

Seit ich von der Bar zurückgekommen war, hatten Sloan, Cami und ich praktisch keine Pause von der Tanzfläche gemacht. Und ich hatte mich mehr als einmal dabei erwischt, wie ich zur kleineren Bar gesehen hatte. Und mindestens genauso oft hatte mein Blick unbewusst den von Raffael gesucht. Doch immer, wenn er mich auch angesehen hatte, war ich ihm ausgewichen, mit heißen Ohren und dem drängenden Gefühl, bei etwas Verbotenem erwischt worden zu sein. Der Ausdruck in seinen fast schwarzen Augen und das, was er in mir bewegte, waren viel zu intensiv. Und mein selbstkritischer Teil konnte sich kaum vorstellen, dass er tatsächlich mir so einen Blick zuwarf.

Will sah mich nicht auf diese Art an, die ein Kribbeln von meiner Kopfhaut bis zu meinen Zehenspitzen durch den ganzen Körper schickte und sich wie eine glühende Kugel in meinem Bauch festsetzte. Und es fühlte sich verboten an, dass Raffael dieses Gefühl in mir auslöste. Verboten und gleichzeitig so aufregend.

Wieder warf ich einen Blick zur kleinen Theke und als Raffael aufsah, wandte ich mich nicht ab. Er gab mir das Gefühl, als wäre alles an mir es wert, betrachtet zu werden. Aber vielleicht war es auch nur der Alkohol, der Rausch des Abends oder meine überstürzte Verlobung, die mir das vorgaukelten. Egal, was es war, ich war hin und her gerissen zwischen meinem schlechten Gewissen und einer beinahe verzweifelten Kraft, die mich dazu brachte, ihn doch wieder anzusehen. Unter Raffaels Blick war ich die einzige Person auf der Tanzfläche und ich genoss es für einen unschuldigen Moment. Und solange es bei den Blicken blieb, war es nicht ganz so schlimm, oder? Raffael stand immerhin in sicherer Entfernung am anderen Ende des Clubs.

Die Musik dröhnte aus den Lautsprechern und ich bewegte mich weiter zum Rhythmus. Ich ließ mich einfach vom Beat führen und dass Raffael ständig meinem Blick begegnete, ließ mein Herz bei jedem Schritt unkontrolliert in meiner Brust hüpfen. Das, oder das Tanzen brachte mich mehr außer Atem als sonst.

Als ich mich das nächste Mal drehte und wieder zur Theke sah, war Raffael nicht da. Kalte Enttäuschung wallte durch meinen Bauch, wo eben noch Hitze gewesen war. Instinktiv reckte ich mich, um zu sehen, wohin er verschwunden war.

»Tanzt du mit mir, Eden?«, hörte ich eine raue Stimme hinter mir und zuckte zusammen. Sein Oberkörper streifte meine hochgesteckten Haare und erst, als ich mich umdrehte, wurde mir richtig bewusst, wie groß Raffael war. Er war groß und stark und so charmant. Und mir so viel näher, als angemessen war.

Meine Wangen glühten und mussten förmlich leuchten, aber ihn schien das nicht zu stören. Er hielt mir eine Hand hin und ich zögerte. Ich hatte noch nie mit einem anderen Mann als William getanzt. Und mich beschlich das Gefühl, dass ich das auch nicht mehr tun konnte, sobald wir verheiratet waren.

Raffael wartete geduldig meinen inneren Kampf ab und als ich schließlich meine Hand in seine legte, blitzte es warm in seinen Augen auf, die hier auf der Tanzfläche ein tiefes Braun hatten. Dass aus den Lautsprechern nicht mehr die typischen Club-Beats dröhnten, sondern ein lateinamerikanischer Rhythmus, merkte ich erst jetzt. Alleine der Song war so sinnlich, dass ich mich wie elektrisch aufgeladen fühlte. Hatte Raffael dieses Lied absichtlich ausgesucht?

Seine Hand umschloss angenehm leicht meine und ich machte einen Schritt auf ihn zu. Unsicher begann ich, mich zur Musik zu bewegen, aber ich merkte schnell, wie mühelos es war, mit Raffael zu tanzen. Er bewegte sich so im Einklang mit mir, dass ich nicht hätte sagen können, wer von uns führte. Auch wenn mein Verstand mir sagte, dass es unwahrscheinlich war, dass ich diejenige war. Und ich versuchte nicht, die Kontrolle zurückzugewinnen. Ich wollte mich in dieses Gefühl fallen lassen.

Wir gaben uns der Musik hin, wiegten uns im Rhythmus und bald hatten wir die letzten Zentimeter Distanz zwischen uns überwunden. Raffaels Hände streiften meine Arme, meinen Rücken und sogar meinen Nacken, während meine wie von selbst auf seiner Brust landeten. Seine Berührung schien überall zu sein, nicht nur auf meinem Körper. Es wurde mit jeder betörenden Sekunde schwerer, einen klaren Gedanken zu fassen, aber das musste ich auch nicht. Ich fühlte nur die ungewohnte Hitze, die bei jedem seiner Blicke durch meinen Körper rollte. Ich wollte nie wieder damit aufhören, in seine Augen zu sehen, die mich viel mehr faszinierten, als sie sollten und mich vollkommen unter Strom setzten. Mit Raffael auf der Tanzfläche fühlte ich mich wie ein anderer Mensch.

Als der Song endete, breitete sich Stille im Glitter and Gold aus. Nur unsere Atemzüge hingen in der Luft und anstatt mich zu lösen, schaute ich weiter in Raffaels Augen. So, als würde dieser Moment dann nicht vergehen. Als könnte ich ihn auf diese Weise voll auskosten und müsste nicht wieder in der Realität ankommen.

»Du solltest öfter mit mir tanzen«, durchbrach er mit kehliger Stimme die Stille und ich kicherte verlegen.

»Ich bin froh, dass ich es getan habe. Hoffentlich bekommst du keinen Ärger.«

»Für den letzten Song des Abends war das kein Problem. Außerdem habe ich einen Chef, der sehr großzügig ist.«

Wie aufs Stichwort wurde das Licht eingeschaltet und ich sah Sloan und Cami mit unseren Sachen am Ausgang warten. Dass die Tanzfläche sich geleert hatte und auch sonst kaum noch jemand im Glitter and Gold war, hatte ich überhaupt nicht gemerkt. Ich war mit Raffael wie in Trance versunken gewesen.

»Danke«, sagte ich und meinte es so. Dieser Tanz war der perfekte Abschluss für meinen Geburtstag. Ein verbotener, aber doch unschuldiger Moment, den ich mir aus der Ewigkeit gestohlen hatte, bevor ich Williams Frau werden würde.

Bei dem Gedanken packte ein Schaudern meinen Körper und ein mulmiges Wirbeln breitete sich in meinem Bauch aus. Übelkeit setzte sich in meiner Magengegend fest, die nichts mit dem einen Cocktail zu tun hatte. Schwerfällig löste ich mich von Raffael.

»Ich muss jetzt leider gehen.«

Er nickte und versuchte nicht mich aufzuhalten. In seinem Gesicht las ich, dass es auch für ihn ein Abend gewesen war, der hier endete und sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht wiederholen würde.

Mit schwerem Herzen und wackeligen Knien verließ ich die Tanzfläche und ging zu meinen Freundinnen. Sie warfen mir eindeutige Blicke zu und ich schüttelte verlegen den Kopf.

»Sagt nichts«, bat ich sie, aber sie taten mir den Gefallen nicht.

»Das sah ziemlich heiß aus«, meinte Cami und stockte. »Darf ich das überhaupt über meinen Cousin sagen?«

Sloan nickte und schob hinterher: »Definitiv. Das ist ja beinahe eine objektive Aussage. Und Eden hat damit ihre letzte Nacht in Freiheit voll ausgekostet, hm?«

Ich lächelte tapfer, aber ihre Worte brachten eine Lawine in mir zum Rollen. Das hier war zwar nicht mein Junggesellinnenabschied, trotzdem wusste ich, was Sloan meinte. Und früher hatte ich es lächerlich gefunden, wenn Brautpaare den Junggesellenabschied als letzten Abend in Freiheit betitelt hatten. Immerhin war man ja nicht gefangen, nur weil man heiratete. Vielmehr entschied man sich, den Rest seines Lebens mit der Person zu verbringen, die man liebte. Aber jetzt, heute Nacht, konnte ich verstehen, was hinter den Worten steckte. Panik presste meinen Brustkorb zusammen.

Ich würde William heiraten und niemals wieder jemand anderes sein als Eden Gwendolyn Rutherford. Nie in meinem Leben würde ich mit jemand anderem zusammen sein, nie jemand anderen küssen. Die romantische Vorstellung davon, dass William seit je her und für immer der Einzige für mich sein würde, erschien mir plötzlich völlig absurd. Vor allem, weil er nie diese Art Gefühle in mir ausgelöst hatte, die Raffael mich in nur einem Tanz hatte fühlen lassen. Waren wir nicht auch viel zu jung zum Heiraten? Ich war ja nicht einmal mit meinem Studium fertig. Und was passierte, wenn ich seine Frau war? Musste ich dann seine Kinder bekommen und Hausfrau werden, ohne überhaupt gelebt zu haben?

Meine Atemzüge gingen schneller und mit einem Mal packte mich ein Gedanke, der sich den ganzen Abend über angeschlichen hatte.

Ich konnte nicht Williams Frau werden, ohne jemals etwas anderes erlebt zu haben. Ich wollte jemand anderen küssen. Und dieser Jemand war Raffael.

»Geht doch schon mal raus. Ich komme gleich nach.«

Ich warf einen Blick zu Camilas Cousin an der Bar und hörte meine Freundinnen kichern. Leider konnte ich meine ungewohnte Impulsivität absolut nicht auf den Alkohol schieben.

»Wir warten im Auto auf dich«, gab Sloan zurück und hakte sich bei Cami unter, die mich mit gerunzelter Stirn ansah. Sie schien überrascht über mein Verhalten zu sein, aber Sloan gab ihr keine Möglichkeit, mich aufzuhalten.

Und ich mir auch nicht. Deshalb wartete ich nicht, bis die beiden draußen waren, sondern ging direkt zu Raffael, bevor mich der Mut verlassen würde. Und das würde er sicher, wenn ich nur einen Augenblick wirklich darüber nachdachte.

Raffael lehnte gerade an einem der Barhocker und streckte seinen Nacken. Die Muskeln in seinen Schultern spannten sich dabei und mein Herz schlug mir bis zum Hals. Meine Schuhe klackten laut auf dem Fußboden und er sah auf. Überraschung breitete sich auf seinem Gesicht aus, aber ich gab weder ihm noch mir einen Augenblick zum Reagieren.

Ich trat mit einem Schritt zwischen seine Beine, nah genug, dass meine Hüfte seine Hose streifte. Die Berührung jagte wie ein Blitz durch meinen Körper, aber ich wich nicht zurück.

»Was …?«, brachte Raffael heraus und öffnete dabei den Mund. Seine Lippen sahen so verführerisch und einladend aus, dass es mir zu leicht fiel, das Gewissen in meinem Hinterkopf auszublenden.

»Lass mich bitte etwas versuchen.« Ich holte tief Luft und dann … küsste ich ihn. Meine Lippen trafen warm und nur flüchtig auf seine, weil ich vor Schreck zurückzuckte.

Ich hatte ihn geküsst! Prickelndes Adrenalin jagte durch meinen Körper, als mir klar wurde, was ich getan hatte. Ich hatte einen anderen Mann geküsst – und ein Teil von mir wollte es wieder tun.

Wir starrten einander an, völlig außer Atem und überwältigt von der Situation. Spannung zerrte an meinem Körper und die Verwirrung in Raffaels Blick wandelte sich innerhalb von Sekunden in Verlangen. Und dann brannte uns beiden gleichzeitig eine Sicherung durch, völlig überlastet von der Anziehung zwischen uns.

Raffael zog mich mit seinen starken Armen an sich, so schwungvoll, dass ich gegen seine Brust prallte. Seine Hände lagen warm auf meinem Rücken, seine Beine drückten sich gegen meine und dann, für einen endlosen, magischen Moment, trafen unsere Lippen aufeinander. Nicht erschrocken und flüchtig wie eine Momentaufnahme, sondern samtig, intensiv und für eine Ewigkeit. Raffaels Geruch umfing mich so betörend, dass ich leise in den Kuss seufzte und auch aus seiner Kehle drang ein raues Keuchen.

Seine Lippen küssten meine verlangend und ohne Zurückhaltung, und wir bewegten uns miteinander, als würden wir noch tanzen. So, als hätten wir uns schon tausendmal auf diese Art berührt und würden es für immer tun, an jedem Tag und in jeder Sekunde. Aber ich wusste, dass es nur diesen einen geben würde. Ich küsste Raffael, wie ich noch nie einen Mann zuvor geküsst hatte. Meine Gefühle verschwammen mit seinen Berührungen zu einem alles verzehrenden Traum, aus dem ich nie erwachen wollte.

Doch ich musste es. Ich musste die Sicherung wieder reindrehen und mich zusammenreißen. Schwerfällig und außer Atem löste ich mich von Raffael, der mich ansah, als erwachte er aus dem gleichen Traum.

»Wow«, presste er heraus und ich nickte. Besser hätte ich das auch nicht beschreiben können. Ich war aufgeladen vor Spannung, die unter meiner Haut summte, und meine Wangen hörten gar nicht mehr auf zu prickeln. Und mein Körper pochte an zu vielen Stellen.

»Danke«, flüsterte ich atemlos. »Für diesen Abend, den Tanz und … das hier.«

Meine Finger machten sich selbstständig und strichen über seine Brust, bevor ich endgültig von ihm zurücktrat. Als er die Hände sinken ließ und sich mein Körper sofort nach ihrer Wärme sehnte, wäre ich beinahe geblieben und hätte ihn wieder geküsst. Aber dieses Mal war ich vernünftig. Die Nacht meines Geburtstags war vorbei und ich musste mich verhalten, wie die Person, die ich war. Die ich sein würde.

Deshalb widerstand ich dem Drang, Raffael über die Wange zu streichen, und ging. Ich verließ das Glitter and Gold mit der Gewissheit, dass dieser Kuss der beste meines Lebens gewesen war. So, wie sich Küsse anfühlen sollten, so bedingungslos, harmonisch und gleichzeitig fordernd, vertraut und trotzdem unendlich aufregend. Und ich wusste, dass ich nie wieder einen solchen Kuss erleben würde.

Kapitel 4

»Wieso liegst du denn immer noch im Bett?«

Die Stimme meiner Mutter drang durch den Schlaf an mein Ohr und weckte mich unsanft. Ich stöhnte, als sie die Vorhänge aufriss und damit zu viel Licht ins Zimmer ließ.

»Eden, es wird Zeit aufzustehen!«

»Nur noch fünf Minuten. Bitte.« Meine Stimme klang so grauenhaft, wie ich mich fühlte. Blinzelnd öffnete ich die Augen und merkte zu spät, dass meine Mutter meine Decke am Fußende packte und sie mit einem Ruck vom Bett zog.

»Schatz, bitte tu mir den Gefallen. William wartet im Salon und er hat seine Mutter mitgebracht, damit wir mit den Planungen beginnen können. Ich muss wieder runter und eine gute Gastgeberin sein. Bitte steh auf, stell dich unter die Dusche und komm dann zu unserem Brunch nach unten.«

Wieder drang nur ein Stöhnen aus meiner Kehle und ich hätte ihr am liebsten gesagt, dass ich ganz bestimmt nicht aufstehen würde. Aber dann meldete sich das schlechte Gewissen und ich schwieg. Meine Mutter hatte mich höflich darum gebeten, wie konnte ich mich da weigern?

Ich nahm alle Willenskraft, die ich in meinem matten Körper finden konnte, und richtete mich auf. Die Welt drehte sich und meine Zunge war pelzig. Wie konnte ich mich nur so mies fühlen? Ich hatte einen Cocktail gehabt und war nicht mal betrunken gewesen. Ein verwirrter Blick auf die Uhr war leider Erklärung genug. Es war neun Uhr morgens. Kein Wunder, dass mir vier Stunden Schlaf nach dieser Nacht nicht reichten. Meine Füße pochten und ich konnte jede einzelne Blase fühlen, die ich dem stundenlangen Tanzen in den High Heels zu verdanken hatte.

»Bitte, lass uns nicht ewig warten, ja?«, fügte meine Mutter an und das genügte mir. Unter Qualen schwang ich die Beine aus dem Bett, um nicht mit ihr diskutieren zu müssen. Und wenn ich es nicht schaffte, schnell fit zu werden, würde ich mich auch vor Wills Mutter blamieren. Und das wollte ich definitiv vermeiden.

In der Dusche biss ich die Zähne zusammen und stellte das Wasser auf kalt ein. Es prasselte wie kleine Nadeln auf meine Haut und brachte meinen Kreislauf so in Schwung, dass ich hektisch nach Luft schnappte. Mein Herz hämmerte gegen meinen Brustkorb, aber immerhin war von meinem Schlafmangel nichts mehr zu spüren.

Obwohl ich mir gerne länger Zeit gelassen hätte, um das richtige Outfit herauszusuchen, schnappte ich mir blind eins der Twin-Sets aus dem Kleiderschrank. Meine Mutter hatte letzte Woche zwei neue für mich gekauft und ich hatte das in Altrosa erwischt. Die Haare steckte ich mir auf die Schnelle hoch, legte ein wenig Mascara und Lippenstift auf und erst, als ich mein Spiegelbild streifte, hielt ich inne.

Ich sah seltsam aus. Was eigentlich lächerlich war, denn ich trug im Grunde das Gleiche wie sonst auch. Aber mir war noch zu gut vor Augen, wie ich gestern in dem von Sloan umgestalteten Kleid ausgesehen hatte. Und für einen Augenblick war ich mir nicht sicher, welcher Look mir besser gefiel. Zumindest war nicht abzustreiten, dass ich in diesem Outfit zum Namen Rutherford passte. Trug ich deshalb seit einer ganzen Weile diese Kostüme? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann Will angefangen hatte, sie an mir sehen zu wollen. Mittlerweile gefielen ihm kaum noch andere Sachen.

Ein letztes Mal zog ich die Jacke zurecht und verließ mein Zimmer. Es machte keinen Sinn, jetzt darüber nachzudenken, ob ich meiner Garderobe eine neue Richtung geben sollte, immerhin wartete man unten auf mich. Und ich war mir nicht sicher, ob Mom oder Will davon begeistert wären.

Als ich schließlich ins Esszimmer trat, waren meine Mutter und Mrs Rutherford tief über verschiedene Musterbücher und Zeitschriften gebeugt. William sah auf und schenkte mir ein strahlendes Lächeln, bevor er aufstand. Er zog mich in seine Arme und drückte mir einen Kuss auf den Mund, der sich beinahe platonisch anfühlte, zumindest wenn ich an den Kuss von letzter Nacht dachte.

Kalte Erkenntnis rauschte durch meinen Körper und mit einem Schlag hatte ich Raffael vor Augen. Seine leicht gebogene Nase, den dunkelbraunen Dreitagebart auf seinen Wangen und seine gütigen Augen. Ohne es zu wollen, spürte ich beinahe seine Hände auf meiner Haut und schmeckte seine Lippen auf meinen.

Ich hatte William betrogen. In der Nacht unserer Verlobung hatte ich einen anderen Mann geküsst – und es hatte mir gefallen. O Gott, ich würde dafür sicher in der Hölle landen.

»Es scheint ja gestern spät geworden zu sein«, neckte William mich und grinste, aber ich bildete mir ein, einen scharfen Unterton zu hören.

»Wir haben viel getanzt«, wich ich aus, »deshalb bin ich so müde.«

»Eden, Schatz, komm her und iss ein bisschen Obst«, forderte meine Mutter mich auf und winkte mich zu sich an den Tisch.

Froh, mich von Will lösen zu können, begrüßte ich auch Mrs Rutherford und setzte mich. Meine Hände zitterten, als ich mir eine Tasse Kaffee einschenkte, und ich versuchte, es vergeblich mit einem Räuspern zu kaschieren. Will beobachtete mich und warf mir einen fragenden Blick zu, den ich mit einem entschuldigenden Schulterzucken beantwortete. Mir blieb nichts anderes übrig, als diesen Brunch durchzustehen, auch wenn ich am liebsten aufstehen und davonrennen wollte. Noch schlimmer konnte die Situation kaum werden.

»Bitte notiert euch beide den Sechzehnten für eine Besichtigung«, ergriff Wills Mutter das Wort.

»Für eine Hochzeitslocation?«

»Nein, nein«, antwortete Will. »Für ein Haus.«

Das Blätterteig-Törtchen, das ich mir gerade auf den Teller legen wollte, verharrte in der Luft.

»Ein Haus?«, kam es verwirrt aus meinem Mund, bevor ich mich davon abhalten konnte. Wieder spürte ich Wills Blick auf mir und legte das Gebäck endlich ab. Dann häufte ich Rührei auf meinen Teller. Alles war besser, als meinen Freund oder unsere Mütter ansehen zu müssen, wenn sie darüber sprachen, ein Haus zu besichtigen, und ich nur daran denken konnte, dass ich einen anderen Mann geküsst hatte. Außerdem ersparte mir der fehlende Blickkontakt die stumme Bitte meiner Mutter, weil ihr das von ihr angepriesene Obst auf meinem Teller fehlte.

»Natürlich, Schatz. Irgendwo werdet ihr beide ja wohnen müssen und zuerst in eine Wohnung zu ziehen wäre doch Zeitverschwendung.«

Ich nickte stumm und spießte mein Rührei auf. Wow. Sie wollten tatsächlich ein Haus kaufen. Dabei kam mir die Idee, dass Will und ich erst mal in einer Wohnung hier in New York zusammenzogen gar nicht falsch vor.

»Sieh dir das an, Eden.« Mrs Rutherford hielt mir eins der Bücher hin. Sie hatte es auf einer Seite mit einem pompösen Kleid aufgeschlagen. »Das würde dir unheimlich gut stehen.«

»Würdest du dir dann bitte noch ein bisschen Obst nehmen, Schatz?«, meinte meine Mutter und lachte, als hätte sie einen besonders guten Scherz gemacht.

Ich schob das Blätterteig-Teilchen auf meinem Teller von mir und stocherte weiter in meinem Rührei herum. Nur zum Alibi nahm ich mir ein paar Stücke Melone. Obwohl mein Magen knurrte, war mir der Appetit vergangen. Aber zumindest Will schlug sich auf meine Seite.

»Bis zur Hochzeit dauert es ja noch. Und du bist sowieso wunderschön.« Er griff über dem Tisch nach meiner Hand und ich gab sie ihm ganz automatisch. Obwohl das dumpfe Grummeln in mir ein Zeichen dafür war, dass auch seine lieb gemeinten Worte eine gewisse Spitze hatten. Will strich beschwichtigend mit dem Daumen über meinen Handrücken, dann runzelte er die Stirn.

»Warum trägst du deinen Ring nicht?«

Ich folgte seinem Blick und der nächste kalte Schauer ergoss sich über mir. Der Verlobungsring steckte nicht an meinem Finger. Für eine grausame Sekunde dachte ich, ich hätte ihn verloren, bis mir einfiel, dass ich ihn im Glitter and Gold in meine Tasche gesteckt hatte.

»Ich habe ihn gestern abgelegt und wohl nicht wieder angesteckt. Ich habe mich noch nicht daran gewöhnt«, entschuldigte ich mich bei ihm und hoffte inständig, dass ihm das reichen würde. Aber ich kaufte es mir nicht mal selbst ab.

William musterte mich durchdringend und der Griff um meine Finger wurde fester. Ein sicheres Zeichen, dass ich etwas falsch gemacht hatte. Und das dachten auch unsere Mütter, so wie ihre Blicke auf mir brannten.